Urteil des KG Berlin vom 13.03.2017
KG Berlin: örtliche zuständigkeit, besonderer gerichtsstand, treuhandvertrag, ohg, treugeber, bezirk, verfügung, gesellschafter, mitgliedschaft, kommanditeinlage
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Gericht:
KG Berlin 2. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 AR 3/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 128 HGB, § 22 ZPO
Gerichtliche Zuständigkeit: Besonderer Gerichtsstand der
Mitgliedschaft bei Freistellungsanspruch eines
Treuhandgesellschafters gegen den Treugeber von der
gesetzlichen persönlichen Haftung
Leitsatz
§ 22 ZPO ist auf Ansprüche des Treuhandgesellschafters gegen den Treugeber, die die
Freistellung von der Haftung gemäß § 128 HGB zum Gegenstand haben, nicht anwendbar.
Tenor
Das Landgericht Frankenthal (Pfalz) wird als das örtlich zuständige Gericht bestimmt.
Gründe
I.
Die Klägerin ist Treuhandgesellschafterin der A. Z. V. mbH & Co. K. … D. OHG mit Sitz in
Berlin, die Beklagte ist über einen Treuhandvertrag mit der Klägerin mittelbar an der
OHG beteiligt. In der Urkunde der Beitrittserklärung ist für den Beklagten eine Anschrift
im Bezirk des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) angegeben. Die Klägerin nimmt die
Beklagte mit der bei dem Landgericht Berlin eingereichten Klage auf Freistellung von
ihrer Haftung nach § 128 HGB für Bankverbindlichkeiten der OHG und auf Erstattung
vorgerichtlicher Kosten in Anspruch. In der Klage hat sie geltend gemacht, dass sich die
örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Berlin aus § 29 ZPO ergebe.
Nachdem die Beklagte die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts gerügt
hatte, hat die Klägerin hilfsweise die Verweisung an das Landgericht Frankenthal (Pfalz)
unter Bezugname auf § 13 ZPO beantragt. Das Landgericht hat die Parteien durch
Verfügung vom 4. März 2009 darauf hingewiesen, dass es für die erhobenen Ansprüche
nicht zuständig sein dürfte. § 22 ZPO scheide zur Begründung der Zuständigkeit aus,
weil die Klägerin keine Ansprüche aus einem Gesellschaftverhältnis sondern aus dem
Treuhandvertrag geltend mache. Durch Beschluss vom 5. Mai 2009 hat es sich für örtlich
unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Frankenthal (Pfalz)
verwiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen auf seinen vorangegangenen
Hinweis Bezug genommen.
Das Landgericht Frankenthal (Pfalz) hat durch Beschluss vom 24. November 2009 die
Übernahme des Verfahrens abgelehnt und dies damit begründet, dass die Entscheidung
des Landgerichts Berlin keine Bindungswirkung entfalte, weil dessen Zuständigkeit
bereits aus § 22 ZPO folge und das Landgericht Berlin sich nicht mit der Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs und des Kammergerichts zur Bedeutung des
Treuhandverhältnisses auseinandersetze. Das Landgericht Frank-enthal (Pfalz) hat die
Akte an das Landgericht Berlin zurückgereicht, das seinerseits das Verfahren durch
Verfügung an jenes zurückgegeben hat. Das Landgericht Frankenthal (Pfalz) hat die
Sache schließlich durch Beschluss vom 14. Dezember 2009 dem Kammergericht zur
Zuständigkeitsbestimmung vorgelegt.
II.
Die Zuständigkeit des Kammergerichts für das Bestimmungsverfahren folgt aus § 36
Abs. 2 ZPO, da das gemeinschaftlich höhere Gericht der am Kompetenzkonflikt
beteiligten Gerichte der Bundesgerichtshof wäre und das zum Bezirk des
Kammergerichts gehörende Landgericht Berlin zuerst mit der Sache befasst war.
Das Zuständigkeitsbestimmungsverfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ist eröffnet, da
sich beide am Streit beteiligten Gerichte rechtskräftig im Sinne der Bestimmung (s. dazu
BGHZ 102, 338 ) für unzuständig erklärt haben.
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Die Zuständigkeit des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) folgt aus § 13 ZPO, weil die
Beklagte in dessen Bezirk ihren Wohnsitz hat.
Das Landgericht Berlin war an der Verweisung nicht gehindert, weil es selbst nicht auf
der Grundlage einer entsprechenden Anwendung des § 22 ZPO zuständig war. Dabei
kann dahin stehen, ob die Überlegungen, die den Bundesgerichtshof veranlasst haben,
diese Vorschrift über ihren Wortlaut hinaus auch auf die Fälle der Prospekthaftung bei
Publikumsgesellschaften anzuwenden (BGH, Urteil vom 13. März 1980 - II ZR 258/78),
auch dann gelten, wenn ein Treuhandgesellschafter von dem Treugeber die Freistellung
von gesellschaftsvertraglichen Verpflichtungen fordert. Eine solche Konstellation ist
vorliegend nicht gegeben. Vielmehr macht die Klägerin die Freistellung von
Verpflichtungen geltend, die sie als Treuhandgesellschafterin nicht gegenüber der
Gesellschaft oder den Mitgesellschaftern (sollte es diese geben), sondern gegenüber
einer Gesellschaftsgläubigerin treffen. Von § 22 ZPO sind schon nach seinem Wortlaut,
aber auch seinem Sinn nur solche Klagen erfasst, die sich aus dem Verhältnis der
Gesellschaft zu ihren Mitgliedern oder dem Verhältnis der Gesellschafter untereinander
ergeben. Wie die Klägerin bereits in ihrem Klageantrag verdeutlicht, nimmt sie jedoch
den Beklagten auf Freistellung von ihrer Haftung aus § 128 HGB in Anspruch. Dieser
Anspruch stützt sich einerseits auf die gesetzliche Haftung des Gesellschafters
gegenüber Gläubigern der Gesellschaft und andererseits auf den Treuhandvertrag. Die
vorliegende Konstellation ist vergleichbar mit der Klage eines Insolvenzverwalters auf der
Grundlage der § 128 HGB in Verbindung mit § 93 InsO oder auf Zahlung der
Kommanditeinlage gemäß § 171 Abs. 2 HGB. In diesen Fällen wird in der Rechtsprechung
und der Literatur § 22 HGB zu Recht als nicht anwendbar angesehen (zu § 171 Abs. 2
HGB: OLG Schleswig, Urteil vom 27. März 1980 - 2 U 60/79; OLG Karlsruhe, Beschluss
vom 20. Januar 1998 - 4 W 169/97; OLG Naumburg, Urteil vom 24. August 2000 - 7 U
(Hw) 3/00; Baumbach/Hartmann, ZPO, 68. Aufl., Rnr 6 zu § 22 ZPO; Prütting/Lange, ZPO,
Rnr. 5 zu § 22 ZPO; MüKo-ZPO/Patzina, 3. Aufl. Rnr. 7 zu § 22 ZPO; Stein/Jonas/H. Roth,
ZPO, 22. Aufl., Rnr 12 zu § 22 ZPO; zu § 128 HGB: Zöller/Vollkommer, ZPO 28. Auf., Rnr.
6 zu § 22 ZPO, wohl auch OLG Köln, Beschluss vom 14. Mai 2004 - 16 W 11/04). Ein
Grund, den Freistellungsanspruch gegenüber der Haftung gemäß § 128 HGB anders als
die in der Rechtsprechung entschiedenen Fälle zu behandeln, ist nicht ersichtlich.
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