Urteil des KG Berlin vom 29.10.2008
KG Berlin: wiedereinstieg in den beruf, ausschluss, sittenwidrigkeit, ehevertrag, vertragsschluss, kinderbetreuung, gütertrennung, güterstand, rente, lastenverteilung
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Gericht:
KG Berlin Senat für
Familiensachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
13 UF 153/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 138 Abs 1 BGB, § 1408 Abs 2
BGB, § 1414 BGB, § 1587o BGB
Ausschluss des Versorgungsausgleichs: Sittenwidrigkeit wegen
einseitiger Lastenverteilung
Leitsatz
Sittenwidrigkeit des vertraglichen Ausschlusses des Versorgungsausgleichs; keine
Bestätigung durch späteren Ehevertrag.
Tenor
Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Urteil des Amtsgerichts Tempelhof-
Kreuzberg vom 29. Oktober 2008 – 156 F 10135/08 – und das diesem zugrunde liegende
Verfahren aufgehoben und zur weiteren Verhandlung und Entscheidung einschließlich
der Folgesache Versorgungsausgleich sowie der Kosten des Berufungsverfahrens an das
Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg zurückverwiesen.
Gründe
I. Die Parteien haben am 7. Juli 1983 die Ehe geschlossen. Bei der Antragsgegnerin war
am 21. März 1983 eine Schwangerschaft festgestellt worden. Am 30. März 1983
schlossen die Parteien den Versorgungsausgleich für ihre Ehe durch notarielle
Vereinbarung aus. Der Ehemann, der bereits einmal verheiratet war, war nur unter
dieser Voraussetzung zur Eheschließung bereit. Zugleich vereinbarten sie in dieser
Urkunde für die Ehe den gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Die
Parteien waren sich darüber einig, dass die Antragsgegnerin mit Geburt des Kindes ihre
Berufstätigkeit zunächst aufgeben und zumindest die ersten drei Jahre bzw. solange zu
Hause bleiben sollte, bis das Kind größer sei und zur Schule gehe. Am 17. Oktober 1983
wurde die Tochter der Parteien geboren. Die Antragsgegnerin, die bis zur Geburt nach
einer Lehre als Reisebürokauffrau, deren Abschlussprüfung sie nicht bestanden hatte, in
einem Reisebüro gearbeitet hatte, gab ihre Berufstätigkeit auf. Sie blieb in der Folgezeit
zu Hause und betreute das Kind. Der Antragsteller war ab 1985/1986 nur noch in der
Nachtschicht beschäftigt. Am 27. Oktober 1998 schlossen die Parteien einen notariellen
Ehevertrag und vereinbarten nunmehr Gütertrennung. Zugleich erklärten sie, dass es
hinsichtlich des Versorgungsausgleichs bei der zwischen ihnen getroffenen Regelung in
der notariellen Urkunde vom 30. März 1983 verbleibe. Der Antragsteller war seinem
Sohn aus erster Ehe unterhaltspflichtig. Da der Sohn nach der Lehre das Fachabitur
ablegte und studierte, leistete der Antragsteller bis ca. September 2002 an den Sohn
Unterhaltszahlungen. Die Antragsgegnerin war ab April 1991 bis 3. November 1993
berufstätig, wobei sie unterschiedliche Einkünfte bezog. Seither ist sie überwiegend
arbeitslos gewesen. 1999 und 2000 bezog sie Einkünfte aus geringfügiger Beschäftigung
und derartige Einkünfte hatte sie auch in den Jahren 2004 und 2005. Nach einer
Auskunft der Deutschen Rentenversicherung ... vom 6. Juni 2007 hat sie eine
Rentenanwartschaft von 240,90 EUR erreicht und würde bei gleichbleibenden
Beitragszahlungen bis zur Regelaltersgrenze eine Rente von 308,41 EUR erlangen. Der
Antragsteller hatte nach einer Auskunft des Rentenversicherungsträgers vom 31.
Oktober 2003 eine Anwartschaft von 1.163,48 EUR erworben und würde bei
gleichbleibenden Beitragszahlungen eine Rente von insgesamt 1.920,54 EUR
bekommen. Zudem hat er eine betriebliche Rentenversorgung, die sich nach einer
Mitteilung der Pensionskasse ... vom 19. August 2003 auf monatlich 228,- EUR bei einem
Rentenbeginn mit 65 Jahre belaufen würde. Der Antragsteller, der 1982 einen Verdienst
von ca. 37.000,- DM hatte, konnte sein Einkommen kontinuierlich steigern und hatte
2001 ein Einkommen von ca. 104.000,- DM im Jahr.
Die Antragsgegnerin hat die Auffassung vertreten, dass der Ausschluss des
Versorgungsausgleichs sittenwidrig sei. Sie sei zur Zustimmung der Vereinbarung
gedrängt worden, da der Antragsteller anderenfalls nicht zur Heirat bereit gewesen sei.
Als der Erziehungsurlaub nach drei Jahren beendet gewesen sei, habe der Antragsteller
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Als der Erziehungsurlaub nach drei Jahren beendet gewesen sei, habe der Antragsteller
darauf bestanden, dass sie weiterhin zu Hause bleibe, da ansonsten wegen seiner
Nachtschichttätigkeit kein Familienleben hätte stattfinden können. Zum Abschluss des
Ehevertrages am 27. Oktober 1998 sei es gekommen, weil der Antragsteller ihr nach
ihrem Verständnis erklärt habe, dass der Sohn aus erster Ehe dadurch von
erbrechtlichen Ansprüchen ausgeschlossen werde.
Hinsichtlich der Anträge in erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen
Urteils Bezug genommen
Der Antragsteller hat den Ausschluss für wirksam erachtet. Er habe die Antragsgegnerin
mit der am 7. Oktober 1998 vereinbarten Gütertrennung von der Inanspruchnahme
durch Kreditgläubiger schützen wollen. Es hätten zum Zeitpunkt des
Scheidungsantrages Verbindlichkeiten von über 70.000 EUR bestanden, wobei er
unstreitig alleiniger Darlehensnehmer gewesen sei und die Antragsgegnerin zudem im
Innenverhältnis immer freigestellt habe - was ebenfalls unstreitig ist.
Das Amtsgericht hat mit Urteil vom 29. Oktober 2008 die Ehe der Parteien geschieden
und zugleich festgestellt, dass der Versorgungsausgleich nicht stattfindet. Zur
Begründung hat es ausgeführt, dass der Ausschluss des Versorgungsausgleichs 1983
nicht sittenwidrig gewesen sei, weil beide Parteien berufstätig gewesen seien und
beabsichtigt gewesen sei, dass die Antragsgegnerin nach drei Jahren wieder arbeite. Der
Antragsteller sei auch nicht gehindert, sich auf diesen Ausschluss zu berufen. Zwar habe
sich die Ehe dann anders entwickelt als die Parteien dies ursprünglich geplant hätten, da
die Antragsgegnerin zu Hause geblieben sei. Sie habe aber 15 Jahre nach der ersten
Vereinbarung ausdrücklich in dem Ehevertrag von 27. Oktober 1998 den Ausschluss des
Versorgungsausgleichs bestätigt.
Hiergegen hat die Antragsgegnerin fristgemäß Berufung eingelegt und begründet.
Sie ist weiterhin der Ansicht, dass der Ausschluss des Versorgungsausgleichs
sittenwidrig sei. Der Antragsteller habe eine berufliche Karriere gemacht, die ihm nur
möglich gewesen sei, weil sie zu Hause geblieben sei und das Kind versorgt habe. Er
habe ihr auch immer versprochen, sie an seiner Altersversorgung partizipieren zu
lassen. Auch im Hinblick auf seine Unterhaltsverpflichtung gegenüber seinem Sohn habe
er kein Interesse an einer Berufstätigkeit von ihr gehabt. Die Verbindlichkeiten habe
allein der Antragsteller verursacht, der die Gelder für eigene Zwecke ausgegeben habe.
Nachdem die Antragsgegnerin zunächst beantragt hat, das angefochtene Urteil
aufzuheben und den Scheidungsantrag abzuweisen sowie hilfsweise das angefochtene
Urteil auszuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung einschließlich der
Folgesache Versorgungsausgleich an das Amtsgericht zurückzuverweisen, beantragt sie
nach Rücknahme des ursprünglichen Hauptantrages nur noch,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und
Entscheidung einschließlich über den Versorgungsausgleich im Verbund an das
Amtsgericht zurückzuweisen.
Der Antragsteller beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil. Die Schulden seien unter anderem dadurch
entstanden, dass 1989 8.000 DM für ein neues Badezimmer, 1990 35.000 DM für eine
neue Küche und 1993 20.300 DM für ein neues Wohnzimmer ausgegeben worden seien.
1991 habe er zudem ein Fahrzeug für 27.000 DM erworben.
II. Die zulässige Berufung ist begründet.
Der Versorgungsausgleich ist von Amts wegen durchzuführen, denn die Parteien haben
den Ausschluss des Versorgungsausgleichs nicht wirksam vereinbart. Der Ausschluss
des Versorgungsausgleichs durch notarielle Vereinbarung vom 30. März 1983 ist gem. §
138 Abs. 1 BGB nichtig, da er sittenwidrig ist.
Allerdings begründet der Umstand, dass die Antragsgegnerin bei Abschluss des
Ehevertrages schwanger war, für sich allein noch keine Sittenwidrigkeit des
Ehevertrages. Die bei Vertragsabschluss bestehende Schwangerschaft indiziert aber
eine ungleiche Verhandlungsposition und damit eine Disparität bei Vertragsschluss, die
es rechtfertigt, den Vertrag einer verstärkten richterlichen Inhaltskontrolle zu
unterziehen, wobei in einer Gesamtschau alle maßgeblichen Faktoren zu berücksichtigen
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unterziehen, wobei in einer Gesamtschau alle maßgeblichen Faktoren zu berücksichtigen
sind (vgl. BGH FamRZ 2005, 1444; FamRZ 2006, 1359, 1361 und FamRZ 2007, 1310,
1311). Auch bei dieser Gesamtschau wird das Verdikt der Sittenwidrigkeit allerdings nur
dann in Betracht kommen, wenn durch den Vertrag Regelungen aus dem Kernbereich
des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts ganz oder jedenfalls zu erheblichen Teilen
abbedungen werden, ohne dass dieser Nachteil für den anderen Ehegatten, den von
ihnen angestrebten oder gelebten Ehetyp oder durch sonstige gewichtige Belange des
begünstigten Ehegatten gerechtfertigt werden (vgl. BGH FamRZ 2007, 1310. 1311).
Durch den Ausschluss des Versorgungsausgleichs mit notarieller Vereinbarung vom 30.
März 1983 ist zum Nachteil der Antragsgegnerin ein Kernbereich der gesetzlichen
Scheidungsfolgen ohne Ausgleich abbedungen worden. Die gesetzlichen Regelungen
über den Versorgungsausgleich unterliegen zwar grundsätzlich der vertraglichen
Disposition der Ehegatten; einen unverzichtbaren Mindestgehalt an Scheidungsfolgen
zugunsten des berechtigten Ehegatten kennt das geltende Recht nicht (vgl. BGH FamRZ
2004, 601, 604). Die grundsätzliche Disponibilität darf aber nicht dazu führen, dass der
Schutzzweck der gesetzlichen Regelung durch vertragliche Vereinbarungen beliebig
unterlaufen werden kann. In dem Vertrag vom 30. März 1983 haben die Parteien allein
den Versorgungsausgleich ausgeschlossen. Vereinbarungen zum Unterhalt haben sie
nicht getroffen. Sie haben jedoch abweichend von § 1414 BGB die mit Ausschluss des
Versorgungsausgleichs eintretende Gütertrennung aufgehoben und den Güterstand der
Zugewinngemeinschaft für ihre beabsichtigte Ehe vereinbart. Der Versorgungsausgleich
ist – als gleichberechtigte Teilhabe beider Ehegatten am beiderseits erworbenen
Versorgungsvermögen – einerseits dem Zugewinnausgleich verwandt und wie dieser
ehevertraglicher Disposition grundsätzlich zugänglich (§ 1408 Abs. 2, § 1587o BGB). Er
ist jedoch andererseits als vorweggenommener Altersunterhalt zu verstehen; von daher
steht er einer vertraglichen Abbedingung nicht schrankenlos offen. Vereinbarungen über
den Versorgungsausgleich müssen deshalb nach denselben Kriterien geprüft werden wie
ein vollständiger oder teilweiser Unterhaltsverzicht. Der Unterhalt wegen Alters gehört
zum Kernbereich des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts; das Gesetz misst ihm als
Ausdruck ehelicher Solidarität besondere Bedeutung zu – was freilich einen Verzicht
nicht generell ausschließt, etwa wenn die Ehe erst im Alter geschlossen wird. Nichts
anderes gilt für den Versorgungsausgleich. Ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs
ist deshalb nach § 138 Abs. 1 BGB unwirksam, wenn er dazu führt, dass ein Ehegatte
aufgrund des schon beim Vertragsschluss geplanten Zuschnitts der Ehe über keine
ausreichende Altersversorgung verfügt und dieses Ergebnis mit dem Gebot der
ehelichen Solidarität schlechthin unvereinbar erscheint. Das kann namentlich dann der
Fall sein, wenn sich ein Ehegatte, wie schon beim Vertragsschluss geplant, der
Betreuung der gemeinsamen Kinder gewidmet und deshalb auf eine
versorgungsbegründende Erwerbstätigkeit in der Ehe verzichte hat. Das in diesem
Verzicht liegende Risiko verdichtet sich zu einem Nachteil, den der
Versorgungsausgleich gerade auf beide Ehegatten gleichmäßig verteilen will und der
ohne Kompensation nicht einem Ehegatten allein angelastet werden kann, wenn die Ehe
scheitert (vgl. BGH FamRZ 2008, 2012 sowie BGH, Bs. v. 18. März 2009 – XII ZB 94/06).
Die Parteien wussten vorliegend bei Vertragsabschluss von der Schwangerschaft der
Antragsgegnerin. Für diese war es die Motivation nach vorherigem fünfjährigen
Zusammenleben auf eine Heirat zu drängen, wie sie in der Anhörung dargelegt hat. Für
beide Parteien war es zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses selbstverständlich, dass
die Antragsgegnerin ihre bestehende Berufstätigkeit zunächst aufgeben wird, um sich
der Kindesbetreuung zu widmen. Dabei waren die Parteien sich auch darüber einig, dass
die Antragsgegnerin in jedem Fall die ersten drei Lebensjahre des Kindes keinerlei
Berufstätigkeit nachgehen werde, sie sich möglicherweise aber auch solange
ausschließlich der Kinderbetreuung widmet, bis das Kind zur Schule geht. Dabei hatte
nicht allein die Antragsgegnerin diese Vorstellung, sondern aus der Anhörung der
Parteien vor dem Senat ergab sich eindeutig, dass es sich um gemeinsame
Vorstellungen der Parteien handelte, insbesondere auch der Antragsteller davon
ausging, dass die Kinderbetreuung bis zur Einschulung des Kindes Vorrang vor einer
Berufstätigkeit der Beklagten haben sollte. Die Ehegatten haben damit bereits bei
Vertragsschluss die Vorstellung gehabt, dass die Antragsgegnerin demnächst aus dem
Berufsleben ausscheiden wird und damit bis auf Weiteres keine eigenen
Versorgungsanrechte (außer Kindererziehungszeiten) erwerben würde. Der mit der
Geburt des Kindes und seiner Betreuung einhergehende Verzicht der Antragsgegnerin
auf den Ausbau der eigenen Versorgungsbiografie stellt sich nunmehr – mit der
Scheidung – für diese als ein bei Vertragsschluss vorhersehbarer ehebedingter Nachteil
dar (vgl. BGH, Bs. v. 18. März 2009 – XII ZB 94/06). Dies verdeutlichen die nach den
vorliegenden Mitteilungen der Rententräger von den Parteien erwirtschafteten
Versorgungsanrechten. Auch wenn es sich insoweit nicht um eine Ehezeitauskunft
handelt, so hat der Antragsteller 2003 bereits eine Rentenanwartschaft von 1.163,48
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handelt, so hat der Antragsteller 2003 bereits eine Rentenanwartschaft von 1.163,48
EUR erworben und bei gleichbleibendem Erwerb der letzten durchschnittlichen
Entgeltpunkte konnte er mit einer Rente von 1.920,54 EUR rechnen. Ferner hatte er eine
Anwartschaft auf eine monatliche Betriebsrente erworben, wobei für das 65. Lebensjahr
eine monatliche Rente von 228,- EUR ermittelt worden ist. Nach einer Information der
Deutschen Rentenversicherung ... vom 8. Juni 2007 hat die Antragsgegnerin bislang
lediglich Rentenanwartschaften von 240,90 EUR erworben und kann bei
gleichbleibendem Erwerb der letzten Entgeltpunkten mit einer Rente von 308,41 EUR
rechnen. Dies verdeutlicht die evident einseitige Lastenverteilung der durch
Kindererziehung und Aufgabe der Berufstätigkeit eingetretenen Lücke in der
Erwerbsbiografie der Antragsgegnerin, die letztlich noch dadurch verstärkt worden ist,
dass der Antragsteller ab 1985/1986 ausschließlich in der Nachtschicht tätig gewesen ist
und auch auf seinen Wunsch die Antragsgegnerin eine Berufstätigkeit dann nach Ende
des 3. Lebensjahres bzw. der Einschulung des Kindes nicht aufnahm, um weiterhin ein
Familienleben zu gewährleisten, wenn der Antragsteller nunmehr tagsüber zu Hause
war. Diese Veränderung der beruflichen Tätigkeit des Antragstellers, die bei
Vertragsschluss noch nicht absehbar gewesen ist und daher für die Beurteilung der
Sittenwidrigkeit des Vertrages nicht maßgeblich sein kann, hat aber auch dazu geführt,
dass der Antragsteller eine erhebliche Steigerung seines Verdienstes von 47.868 DM
1983, im Jahr der Eheschließung, auf zuletzt 54.000 EUR im Jahr 2002 erzielen und damit
seine Rentenanwartschaften auch erheblich ausbauen konnte, was letztlich nur deshalb
möglich gewesen ist, weil die Antragsgegnerin sich um die Kinderbetreuung und den
Haushalt gekümmert hat und keiner eigenen Berufstätigkeit nachgegangen ist.
Diese einseitige Lastenverteilung ist auch durch keinerlei Vorteil für die Antragsgegnerin
kompensiert worden. Zwar haben die Parteien ausdrücklich den gesetzlichen Güterstand
der Zugewinngemeinschaft vereinbart, aber Zugewinn ist nicht erwirtschaftet worden.
Jedenfalls haben die Parteien mit dem Ehevertrag vom 27. Oktober 1998 diesen
Güterstand aufgehoben und Gütertrennung vereinbart, wobei auch kein Ausgleich für
einen zwischenzeitlich möglicherweiser erwirtschafteten Zugewinn vereinbart worden ist.
Ebenso wenig vermag die vom Antragsteller vorgenommene Freistellung der
Antragsgegnerin von Verbindlichkeiten im Innenverhältnis einen Ausgleich darstellen.
Abgesehen davon, dass diese Verbindlichkeiten erst während der Ehe entstanden sind,
hat der Antragsteller auch weiterhin nicht substanziiert dargetan, in welcher Höhe diese
Verbindlichkeiten bis zur Trennung der Parteien konkret bestanden haben und weshalb
diese Verbindlichkeiten entstanden sind. Unstreitig ist er alleiniger Darlehensnehmer
gewesen. Die von ihm behaupteten Ausgaben in den Jahren 1989 bis 1993 von
insgesamt 90.300 DM (= 46.169,66 EUR) für Renovierung und Ausstattung der
Ehewohnung und ein Fahrzeug mögen eine behauptete Verschuldung von 70.000 EUR
im Jahr 2008 nicht zu begründen. Anderweitige Vorteile zugunsten der Antragsgegnerin
sind weder behauptet noch ersichtlich.
An der sich daraus ergebenden Sittenwidrigkeit der Vereinbarung vom 30. März 1983
ändert sich auch nicht deshalb etwas, weil der Antragsteller aufgrund der Scheidung
seiner ersten Ehe und den damit im Wege des Versorgungsausgleichs einhergehenden
Verlust von Versorgungsanwartschaften unstreitig zu einer Eheschließung mit der
Antragsgegnerin nur bereit war, wenn der Versorgungsausgleich vor Eheschließung
ausgeschlossen wurde. Diese Motivation des Antragstellers vermag aufgrund der bei
Abschluss des Vertrages vorhersehbaren einseitigen Lastenverteilung zum Nachteil der
Antragsgegnerin bezüglich des Aufbaus einer eigenen Altersversorgung ohne jegliche
Kompensation der notariellen Vereinbarung vom 30. März 1983 nicht das Verdikt der
Sittenwidrigkeit zu nehmen.
Die Sittenwidrigkeit dieses Vertrages ist auch nicht durch den Ehevertrag vom 27.
Oktober 1998 beseitigt worden. Zwar ist in dem Ehevertrag die Erklärung enthalten, dass
es hinsichtlich des Versorgungsausgleichs bei der notariell beurkundeten Vereinbarung
vom 30. März 1983 verbleiben sollte. Dies hat jedoch nicht zur Folge, dass die
Sittenwidrigkeit der ursprünglichen Vereinbarung nunmehr entfällt. Denn weder kann
dieser Erklärung entnommen werden, dass die Parteien die ursprüngliche Vereinbarung
ausdrücklich bestätigen wollten noch hatten sich zu diesem Zeitpunkt die Umstände, die
bei Vertragsabschluss zu einer Sittenwidrigkeit der Vereinbarung geführt haben,
geändert, so dass der Ehevertrag nicht als eine Bestätigung eines nichtigen
Rechtsgeschäfts (§ 141 BGB) verstanden werden kann (vgl. BGH BGHZ 60, 102, 108 und
BGHZ 104, 24).
Die Antragsgegnerin hatte bei Unterzeichnung des Ehevertrags am 27. Oktober 1998
nicht den Willen, den am 30. März 1983 vereinbarten Ausschluss des
Versorgungsausgleichs zu betätigen. Zwar hat sich auch nach der Anhörung der
Parteien letztlich nicht vollständig erschlossen, welche Motivation der Parteien zu diesem
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Parteien letztlich nicht vollständig erschlossen, welche Motivation der Parteien zu diesem
Ehevertrag geführt hat. Während der Antragsteller der Auffassung war, er habe die
Antragsgegnerin durch die vereinbarte Gütertrennung vor einer Inanspruchnahme seiner
Gläubiger schützen wollen, ist die Antragsgegnerin bei ihrer Darstellung geblieben,
wonach sie mit diesem Vertrag insbesondere vor erbrechtlichen Ansprüchen des Sohnes
des Antragstellers aus erster Ehe, der zu dieser Zeit Ausbildungsunterhalt gegenüber
dem Antragsteller geltend machte, geschützt werden sollte. Keine Vorstellung der
Parteien vermag damit den Ehevertrag zu begründen, denn weder waren durch die
vereinbarte Gütertrennung erbrechtliche Ansprüche des Sohnes ausgeschlossen –
vielmehr ist der Erbteil der Antragsgegnerin verkürzt worden, da § 1371 BGB nicht zur
Anwendung gelangen konnte – noch begründet der Güterstand der
Zugewinngemeinschaft die Haftung der Antragsgegnerin für allein vom Antragsteller
gegenüber Dritten eingegangene Verbindlichkeiten. Die Antragsgegnerin hat aber
unwidersprochen vorgetragen, dass sie den Wunsch an den Notar herangetragen habe,
ob man bei der vorgenommenen Änderung der notariellen Vereinbarung vom 30. März
1983 bezüglich des Güterstandes nicht auch den Ausschluss des Versorgungsausgleichs
aufheben könne. Darauf habe der Notar erklärt, dass dies ihm nicht möglich sei, sondern
die Parteien sich darüber verständigen müssten. Da der Antragsteller aber mit einer
Änderung nicht einverstanden gewesen sei, ist es insoweit bei der ursprünglichen
Regelung geblieben. Die Bezugnahme auf die Regelung zum Versorgungsausgleich im
Ehevertrag vom 27. Oktober 1998 hatte damit aus Sicht der benachteiligten
Antragsgegnerin letztlich nur klarstellende Bedeutung dahingehend, dass es im Übrigen
bei der vertraglichen Vereinbarung vom 30. März 1983 bleibe. Eine ausdrückliche
Bestätigung der Fortgeltung dieser Regelung durch die Antragsgegnerin ist dagegen
gerade nicht vorgenommen worden.
Im Übrigen kann ein sittenwidriger Vertrag auch nur dann wirksam bestätigt werden,
wenn sich die Umstände, die zur Sittenwidrigkeit geführt haben, entfallen sind. Dies ist
vorliegend aber nicht der Fall. Vielmehr hat sich die evident einseitige Lastenverteilung
zum Nachteil der Antragsgegnerin noch dadurch verstärkt, dass auch nach der
Einschulung der gemeinsamen Tochter eine Aufnahme der Berufstätigkeit durch die
Antragsgegnerin nicht erfolgt ist. Sie hat ausweislich des Versicherungsverlaufs der
Deutschen Rentenversicherung ... vom 8. Dezember 2006 erstmals im April 1991 und
damit knapp 8 Jahre nach Eheschließung eine Berufstätigkeit ausgeübt. Sie erreichte
dabei allerdings nicht mehr ansatzweise ihren Verdienst vor der Eheschließung, sondern
erzielte größtenteils einen Verdienst von deutlich weniger als 1000,- DM im Monat, war
mithin größtenteils nur geringfügig beschäftigt. Bei Vertragsschluss am 27. Oktober
1998 war sie zudem bereits seit mehr als 5 Jahren durchgehend arbeitslos gewesen.
Auch dies verdeutlicht, dass der Antragsgegnerin nach der Kinderbetreuung ein
Wiedereinstieg in den Beruf nicht gelungen war und sie in keinem Fall die bestehende
Lücke in ihrer Altersversorgung aufgrund der von den Parteien bei Abschluss der
ursprünglichen Vereinbarung vom 30. März 1983 gemeinsam beabsichtigten alleinigen
Kinderbetreuung durch die Antragsgegnerin bei gleichzeitiger Aufgabe ihrer
Berufstätigkeit zwischenzeitlich annähernd geschlossen werden konnte. Vielmehr hat
sich die aus der Berufsaufgabe zugunsten der Kinderbetreuung ergebende Lücke in der
Altersversorgung verstärkt, weil die Antragsgegnerin dann auch ganz offensichtlich
keinen Anschluss an das Erwerbsleben mehr gefunden hat, wobei dahingestellt bleiben
kann, ob dies auch zumindest teilweise darauf beruhte, dass der Antragsgegner
angesichts der gegenüber ihm geltend gemachten Unterhaltsforderungen des Sohnes
kein Interesse an einer Erwerbstätigkeit und einen eigenen Verdienst der
Antragsgegnerin hatte.
Mithin wirkt die Sittenwidrigkeit der Vereinbarung vom 30. März 1983 fort. Damit ist der
Versorgungsausgleich durchzuführen. Dies hat das Amtsgericht ausgehend von seiner
Rechtsauffassung bislang versäumt und wird dies nun nachzuholen haben. Gemäß § 629
ZPO ist die Scheidung der Ehe zusammen mit der Entscheidung über im
Versorgungsausgleich auszusprechen und damit auf Antrag der Antragsgegnerin das
angefochtene Urteil auszuheben und an das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg zur
erneuten Entscheidung einschließlich über die Folgesache Versorgungsausgleich
zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem Amtsgericht
vorbehalten.
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