Urteil des KG Berlin vom 13.03.2017
KG Berlin: unfall, wahrscheinlichkeit, anhörung, reifen, vollkaskoversicherung, transport, dringlichkeit, fahrzeug, anhänger, anbaute
1
2
3
4
5
Gericht:
KG Berlin 12.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 U 190/04
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 249 BGB, §§ 249ff BGB
Verkehrsunfallklage: Voraussetzungen der Feststellung
hinreichender Wahrscheinlichkeit einer Unfallmanipulation
Leitsatz
Zu den Voraussetzungen der Feststellung einer erheblichen Wahrscheinlichkeit für einen
manipulierten Unfall (hier: angeblicher Anstoß mittels gemietetem Kleintransporter gegen
geparkten Mercedes SLK 200-230 bei Dunkelheit und Schneetreiben; nicht kompatible
Schäden am Opferfahrzeug; keine stimmige Darstellung der Fahrweise des Täterfahrzeugs;
kein plausibler Grund für die Fahrt mit dem gemieteten Kleintransporter).
Für die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer Unfallmanipulation ist nicht die Feststellung
erforderlich, dass der Eigentümer des Opferfahrzeugs und der Fahrer des Täterfahrzeugs vor
dem Unfall sich gekannt haben.
Das Bestehen einer Vollkaskoversicherung für das Opferfahrzeug schließt die Bewertung nicht
aus, dass eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für ein manipuliertes Ereignis vorliegt.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 4. August 2004 verkündete Urteil der
Zivilkammer 17 des Landgerichts Berlin - 17 O 112/03 - wird auf ihre Kosten
zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
A. Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Die Zurückweisung der
Berufung erfolgt aus den auch nach Anhörung des Sachverständigen im zweiten
Rechtszug im Wesentlichen zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die
in Bezug genommen werden.
Im Hinblick auf die Ausführungen im zweiten Rechtszug sowie im Hinblick auf die
aufgrund des erstinstanzlich von der Klägerin gestellten Antrags zwingend erforderliche
Anhörung des Sachverständigen (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 25. Auflage, § 411 Rdnr. 5a
m.w.N.) ist ergänzend auf das Folgende hinzuweisen:
1) Der erkennende Senat geht in ständiger Rechtsprechung von dem Folgenden aus:
Grundsätzlich obliegt es dem Geschädigten eines Verkehrsunfalls, die
Verursachung des Schadens durch das gegnerische Fahrzeug darzutun und zu beweisen
(Senat, Urteil vom 3. Juni 1996 -. 12 U 2074/95 -; Urteil vom 17. Juni 1996 - 12 U 2152/95
-; Urteil vom 24. Juni 1996 - 12 U 2835/95 -; Urt. Vom 26. Juli 1999 - 12 U 4832/97 -).
Ferner hat der Geschädigte das Ausmaß des unfallbedingten Schadens darzulegen und
zu beweisen.
Selbst wenn dem Geschädigten diese Beweise gelingen, entfällt eine Haftung des
Schädigers, Halter des gegnerischen Fahrzeugs und des Haftpflichtversicherers, wenn in
ausreichendem Maße Umstände vorliegen, die die Feststellung gestatten, dass es sich
bei dem Schadensereignis um einen verabredeten Unfall gehandelt hat. In diesem Fall
scheitert ein Ersatzanspruch an der Einwilligung des Geschädigten, ohne dass besonders
auf § 152 VVG abzustellen wäre. Den Nachweis, dass ein vorgetäuschter Unfall vorliegt,
hat grundsätzlich der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung zu führen. Doch
genügt der Nachweis einer erheblichen Wahrscheinlichkeit für unredliches Verhalten. Die
ungewöhnliche Häufung von Beweisanzeichen, die für eine Manipulation spricht,
gestattet eine entsprechende Feststellung (§ 286 ZPO; grundlegend BGHZ 71, 339
VersR 1978, 242 = NJW 1978, 2154; VersR 1979, 514; vgl. die weiteren Nachweise in den
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
VersR 1978, 242 = NJW 1978, 2154; VersR 1979, 514; vgl. die weiteren Nachweise in den
vorzitierten Entscheidungen des Senats).
Unter Heranziehung der vorstehenden Grundsätze ist das Landgericht in seiner
Entscheidung zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, hinreichend gewichtige Umstände
führten vorliegend zu der erheblichen Wahrscheinlichkeit, es handele sich um einen
gestellten Unfall. Wie das Landgericht in seiner Entscheidung ausführt, spricht eine
Vielzahl von Indizien für die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer Manipulation sprechen.
Ergänzend sei die Klägerin darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Farbabrieb auf dem
Gummireifen vorne links nicht „um eine Zufälligkeit„ handelt. Nach ihrer eigenen
Behauptung hat die Klägerin die Reifen nach dem Vorfall vom 7. Januar 2003, 22:00 Uhr,
aber noch vor der Besichtigung des Fahrzeugs durch den Schadenssachverständigen
am nächsten Tag gewechselt, um ein gleichmäßiges Abfahren der Reifen zu
gewährleisten. Gleichwohl sind auf diesem Reifen rote Farbspuren zu erkennen, die in
Lage und Farbton dem Farbauftrag an der linken vorderen Stoßstange ähneln. Diese
Farbantragungen wiederum sind, wie der Sachverständige in seinem Gutachten
ausführt, auffällig, da sie keine einheitliche Ausrichtung haben. Der Sachverständige hat
die Ansicht geäußert, dass dieser Farbantragungen „eher zufällig auf die Stoßstange
gespritzt sind„. Dem Gericht drängt sich dagegen die Annahme auf, dass diese Farbe
nach dem Reifenwechsel und damit nach dem Unfall absichtlich auf die Stoßstange
aufgebracht wurde, um das Schadensbild zu ändern. Hierbei hat dann auch der Reifen
den rötlichen Farbfleck „abbekommen„.
2) Die Anhörung des Sachverständigen hat keine Umstände ergeben, die zu einem
anderen Ergebnis führen könnten. Der Sachverständige hat sich mit den von der
Klägerin gegen sein schriftliches Gutachten vorgebrachten Einwendungen
auseinandergesetzt und diese überzeugend entkräftet.
Darüber hinaus hat sich im Rahmen dieser Anhörung ein weiteres, zu Lasten der
Klägerin zu wertendes Indiz ergeben. Die Klägerin hat - ihren Vortrag erneut wechselnd -
in ihrem Schriftsatz vom 21. Juni 2004 behauptet, der linke Außenspiegel ihres
Fahrzeuges sei bei dem Unfall herausgerissen worden. Sie habe den Spiegel nach dem
Unfall „wieder befestigt, um überhaupt ... am Straßenverkehr teilnehmen zu können.„
Der gerichtsbekannt, sachkundige Sachverständige Prof. Dr. R. hat im Rahmen seiner
Anhörung an Hand der Anlagen zu seinem schriftlichen Gutachten aber nachvollziehbar
und überzeugend dargelegt, dass sämtliche Unfallspuren im Bereich des linken
Außenspiegels und der linken Tür des klägerischen Fahrzeuges gegen diese Behauptung
der Klägerin sprechen. Auf der Grundlage dieser Ausführungen des Sachverständigen
hält es das Gericht für ausgeschlossen, dass die von der Klägerin aufgestellte
Behauptung, der linke Außenspiegel sei durch den Unfall abgerissen und von ihr danach
wieder „befestigt“ worden, zutreffend ist. Offensichtlich hat die Klägerin eine
entsprechende Behauptung auch nicht gegenüber dem Schadensgutachter Neumann
aufgestellt, obwohl dies angesichts des mit einem solchen Vorgang verbundenen
Schadensumfangs nahe gelegen hätte.
Die Klägerin kann sich wegen dieser unrichtigen Behauptung auch nicht darauf berufen,
sie selbst sei bei dem Unfall nicht dabei gewesen und könne deshalb keine exakten
Angaben machen. Zumindest die Behauptung, sie selbst habe den Außenspiegel
„befestigt“, betrifft den Bereich ihrer eigenen Wahrnehmung.
3) Die von der Klägerin angeführten Gründe gegen die Annahme, es handele sich um
einen gestellten Unfall, überzeugen den Senat nicht.
a) Auf die Frage, ob sich die Klägerin und der Beklagte zu 2) bereits vor dem Unfall
kannten, kommt es entgegen der Ansicht der Klägerin entscheidend nicht an. Bei
manipulierten Ereignissen werden die Kontakte oft über dritte Personen hergestellt.
b) Das Bestehen einer Vollkaskoversicherung mit einer Selbstbeteiligung von 150,00 €
spricht nicht zwingend gegen die Annahme eines gestellten Ereignisses. Bei
Inanspruchnahme ihrer Vollkaskoversicherung müsste die Klägerin mit einer
Heraufstufung ihrer Versicherungsprämie rechnen, so dass es nicht fern liegt, wenn sie
dies durch Inanspruchnahme der Beklagten zu vermeiden sucht.
c) Die behauptete Dringlichkeit des Transportes der Gartengeräte (oder Gartenmöbel? -
auch hier ist der klägerische Vortrag widersprüchlich-) ergibt sich nicht aus dem
Umstand, dass der Beklagte zu 2) unmittelbar nach dem streitigen Vorfall eine
Anhängerkupplung an seinen privaten PKW anbaute und einen kleinen Anhänger kaufte.
Die behauptete Dringlichkeit könnte sich allenfalls aus einem zeitnahen Transport der
16
17
18
Die behauptete Dringlichkeit könnte sich allenfalls aus einem zeitnahen Transport der
Gartengeräte bzw. Möbel ergeben. Dass und zu welchem Zeitpunkt ein solcher
Transport tatsächlich stattgefunden hat, wird von der Klägerin aber in beiden Instanzen
nicht vorgetragen.
d) Unerheblich ist, ab welchem Zeitpunkt Polizeibeamte an Unfallort zugegen waren und
ob diese beobachteten, wie die Fahrzeuge wieder voneinander „getrennt„ wurden. Dass
es zu einem Vorgang gekommen ist, bei dem sich die beiden Fahrzeuge berührten ist
ebenso unstreitig wie der Umstand, dass einige der Schäden an dem Fahrzeug der
Klägerin auf diesen Vorgang zurückzuführen sind. Streitig ist zwischen den Parteien
lediglich, ob es sich um einen „echten„ Unfall gehandelt hat und ob alle Schäden auf
diesen zurückzuführen sind. Eine Vernehmung der Polizeibeamten war deshalb nicht
erforderlich.
B. Die Revision war nicht zuzulassen, da weder die Sache grundsätzliche Bedeutung hat,
noch eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (§ 543 Absatz 1 Nr. 1, Absatz 2 ZPO
n. F.).
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Absatz 1 ZPO. Die weiteren prozessualen
Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i. V. m § 26 Nr. 8 EGZPO.
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum