Urteil des KG Berlin vom 04.04.2003
KG Berlin: vollstreckung, verwalter, unabhängigkeit, leitbild, geschäftsführer, quelle, kaufvertrag, sammlung, bestätigung, eigenschaft
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Gericht:
KG Berlin 10.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 U 167/03
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 652 BGB, § 812 BGB, § 1 Abs 1
WoVermRG, § 2 Abs 2 S 1 Nr 2
WoVermRG
Maklerlohnanspruch für die Vermittlung eines
Eigentumswohnungskaufs: Provisionsunschädliche
Doppelstellung des Maklers als
Wohnungseigentumsverwalter/Sondereigentumsverwalter
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 4. April 2003 verkündete Urteil des
Landgerichts Berlin – 19 O 474/02 – geändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des
Urteils vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht die Beklagte vor
der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zuzüglich
10 % leistet.
Gründe
I.
Gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem
angefochtenen Urteil Bezug genommen. Das Landgericht hat der auf Erstattung
bezahlter Provisionen gerichteten Klage stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung von
23.109,15 Euro nebst Zinsen verurteilt. Die Beklagte rügt, das Landgericht habe zu
Unrecht angenommen, dass ein Fall der provisionsschädlichen Verflechtung vorgelegen
habe. Unabhängig davon habe der Geschäftsführer der Klägerin gewusst, dass die
Beklagte die Verwalterin des Sondereigentums gewesen sei.
Die Beklagte beantragt:
das Urteil des Landgerichts Berlin vom 14. März 2003 abzuändern und die Klage
abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie tritt der angefochtenen Entscheidung bei.
Wegen der Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst
Anlagen verwiesen.
II.
Die Berufung hat in der Sache Erfolg. Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht ein
Anspruch auf Erstattung bezahlter Provisionen aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht
zu. Der Fall einer provisionsschädlichen "unechten" Verflechtung zwischen der Beklagten
und einem der Verkäufer der von ihr zum Kauf nachgewiesenen Eigentumswohnungen
liegt nicht vor.
Dem Makler steht ein Provisionsanspruch aus § 652 Abs. 1 BGB nicht zu, wenn er sich in
einem institutionalisierten Interessenkonflikt befindet, der ihn zur sachgerechten
Wahrung der Interessen seines Auftraggebers ungeeignet erscheinen lässt. Denn
derjenige kann nicht Makler sein, der zum Vertragsgegner seines Kunden in einer
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derjenige kann nicht Makler sein, der zum Vertragsgegner seines Kunden in einer
solchen Beziehung steht, dass er sich im Falle eines Streits bei regelmäßigem Verlauf
auf die Seite des Vertragsgegners stellen wird. Die Interessenbindung auf Seiten des als
Makler Auftretenden muss dabei so institutionalisiert sein, dass sie ihn – unabhängig von
seinem Verhalten im Einzelfall – als ungeeignet für eine dem gesetzlichen Leitbild
entsprechende Tätigkeit erscheinen lässt (BGH NJW-RR 1998, 992; BGH NJW 1987, 1008).
Entgegen der Ansicht des Landgerichts liegt ein Fall unechter Verflechtung aufgrund
eines institutionalisierten Interessenkonfliktes bei einem Makler, der zugleich
Sondereigentumsverwalter des Verkäufers ist, ohne weitere Anhaltspunkte nicht vor
(OLG Dresden, AIZ A 145 Blatt 54; OLG Frankfurt, AIZ A 145 Blatt 40; Hans. OLG
Hamburg, AIZ A 141 Blatt 9; LG Hannover, AIZ A 145 Blatt 39).
Der Makler erhält als Hausverwalter eine Dienstleistungsvergütung. Damit wächst er in
keine wirtschaftliche und schon gar nicht in eine rechtliche Beteiligung auf der
Anbieterseite hinein (Schwerdtner, Maklerrecht, 4. Aufl., RNr. 664 m. w. N.). Dass die
Beklagte aufgrund des Umfangs ihrer Tätigkeit für einen der Verkäufer der Wohnungen
von diesem wirtschaftlich so abhängig war, dass sie die Interessen der Klägerin nicht
gehörig wahrnahm oder wahrnehmen konnte, trägt die Klägerin nicht vor.
Die dem gesetzlichen Leitbild entsprechende Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der
Beklagten war auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil sie mit den Verkäufern aufgrund
von Verwaltungsverträgen in einer vertraglichen Beziehung stand. Der Umstand, dass
ein Makler selbst teilweise Vermieteraufgaben im Rahmen seiner Verwaltungstätigkeit
wahrnimmt, kann – sofern ein Provisionsanspruch nicht ohnehin nach § 2 Abs. 2 Nr. 2
WoVermG ausgeschlossen ist – zwar dazu führen, dass er nicht gleichzeitig als vom
Vermieter unabhängiger Makler des Mietobjektes auftreten kann. Sie lässt sich jedoch
nicht auf einen Fall übertragen, in dem es um den Verkauf des Objekts geht, in dessen
Rahmen dem Makler – wie hier – keine Vollmachten oder Mitspracherechte eingeräumt
worden sind. Von einer Verflechtung oder mangelnder Unabhängigkeit des Maklers in
seinen Entscheidungen gegenüber den Kaufvertragsparteien oder umgekehrt kann in
bezug auf dieses Rechtsgeschäft keine Rede sein (OLG Frankfurt, AIZ A 145 Blatt 40).
Dass die Beklagte als abschlussberechtigte Vertreterin der Verkäufer aufgetreten sei,
behauptet die Klägerin nicht. Sie trägt auch nicht vor, dass und ggf. welche
Mitspracherechte die Beklagte beim Abschluss der Kaufverträge wahrgenommen habe
(vgl. BGHZ 112, 240, 242: Makler als Verwalter einer Wohnungseigentumsanlage, von
dessen Zustimmung die Gültigkeit eines Wohnungsverkaufs abhängt).
Die Vorschrift des § 2 Abs. 2 Nr. 2 WoVermG ist auf den Nachweis einer Kaufgelegenheit
weder direkt, noch entsprechend anwendbar. "Wohnungsvermittler" im Sinne dieses
Gesetzes ist nur, wer den Abschluss von Mietverträgen über Wohnräume vermittelt oder
die Gelegenheit zum Abschluss von Mietverträgen über Wohnräume nachweist, § 1 Abs.
1 WoVermG. Auf den über eine Eigentumswohnung abgeschlossenen Kaufvertrag ist das
WoVermG nicht entsprechend anzuwenden (BGH WPM 1976, 1194; BGH AIZ A 142 Blatt
1; Hans. OLG Hamburg, AIZ A 141 Blatt 9; Baader/Gehle, WoVermG, § 1 RNr. 10). § 2
Abs. 2 WoVermG beabsichtigt nicht eine gesetzliche Bestätigung der auf das allgemeine
Maklerrecht bezogenen Verflechtungsrechtsprechung, sondern will den Mieter vor
wirtschaftlich ungerechtfertigten Belastungen schützen, die sich als Folge eines
unausgeglichenen Wohnungsmarktes ergeben können (Staudinger, BGB, §§ 652 – 656,
Neubearbeitung 2003, §§ 652, 653, RNr. 158).
Die von der Klägerin zitierten Entscheidungen des OLG München vom 18. Februar 1975
(MDR 1975, 931) und des Landgerichts Hamburg vom 23. Februar 1996 (NJW 1997,
2827) sind nicht einschlägig. In jenen Fällen ging es um die Frage, ob der Verwalter einer
Wohnungseigentumsanlage als "Wohnungsvermittler" i. S. des WoVermG anzusehen ist.
Nach alledem kann die Klägerin die Erstattung der bezahlten Maklerprovisionen nicht
verlangen. Es kann somit dahinstehen, ob dem Geschäftsführer der Klägerin die
Eigenschaft der Beklagten als Verwalterin des Sondereigentums bekannt war.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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