Urteil des KG Berlin vom 13.03.2017
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Gericht:
KG Berlin 1. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 W 169/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 91 Abs 1 ZPO, § 118 ZPO, § 2
Abs 2 S 1 Anl 1 Nr 3200 RVG, § 2
Abs 2 S 1 Anl 1 Nr 3201 RVG
Erstattungsfähigkeit einer Verfahrensgebühr des gegnerischen
Rechtsanwaltes nach Rücknahme der Berufung bei unbedingter
Berufungseinlegung und verbundenem PKH-Antrag;
Aufforderung zur Stellungnahme lediglich zum PKH-Antrag als
Beschränkung des Kostenerstattungsanspruchs
Leitsatz
Beantragt der Berufungskläger Prozesskostenhilfe und legt zugleich unbedingt Berufung ein,
die er auch begründet, ist die durch die Stellung eines Sachantrags des Berufungsbeklagten
entstandene Verfahrensgebühr bei Berufungsrücknahme in voller Höhe zu erstatten. Daran
ändern auch die Bitte des Berufungsklägers nichts, zunächst über den Antrag auf Gewährung
von Prozesskostenhilfe zu entscheiden, und die Aufforderung des Gerichts an den
Berufungsbeklagten, zunächst nur zu diesem Antrag Stellung zu nehmen.
Tenor
In Änderung des angefochtenen Beschlusses werden als nach dem Beschluss des
Senats vom 2. November 2006 - 1 U 53 und 54/06 - von der Klägerin an die Beklagte zu
2 zu erstattende Kosten über den bereits festgesetzten Betrag hinaus weitere
415,00 EUR
nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.
November 2006 festgesetzt.
Die Klägerin hat die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2 im
Beschwerdeverfahren bei einem Beschwerdewert in Höhe von bis zu 600,00 EUR zu
tragen.
Gründe
I.
Die Klägerin legte mit Schriftsatz vom 28. Juni 2006 gegen das Teilurteil des
Landgerichts Berlin vom 24. Mai 2006 und gegen das Schlussurteil des Landgerichts
Berlin vom 14. Juni 2006 Berufung ein und beantragte, für das Berufungsverfahren
Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Sie bat die Beklagten zugleich, sich zunächst noch
nicht zur Akte zu melden, sondern die Berufungsbegründung und den Beschluss zur
Prozesskostenhilfe im Berufungsverfahren abzuwarten. Mit Schriftsätzen vom 21. Juli
2006 begründete die Klägerin die Berufungen gegen die beiden Urteile des Landgerichts
Berlin. Sie bat, zunächst über ihren Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zu
entscheiden. Mit gerichtlicher Verfügung vom 3. August 2006 wurde den Beklagten
jeweils eine einfache Abschrift der Berufungsbegründungen mit der Aufforderung, zu
dem Prozesskostenhilfeantrag Stellung zu nehmen, übersandt. Mit Schriftsatz ihrer
Prozessbevollmächtigten vom 28. August 2006 ließ die Beklagte zu 2 einen auf
Zurückweisung der Berufung gerichteten Antrag ankündigen. Mit Schriftsatz vom 11.
September 2006 nahm sie zu dem Prozesskostenhilfeantrag Stellung. Der Senat wies
den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 26. September
2006 zurück. Nach gerichtlichem Hinweis, dass beabsichtigt sei, die Berufung gemäß §
522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, nahm die Klägerin die Berufung zurück, worauf der
Senat ihr mit Beschluss vom 2. November 2006 die Kosten der Berufung auferlegte.
Die Beklagte zu 2 hat am 16. November 2006 u.a. die Festsetzung einer 1,6fachen
Verfahrensgebühr nach RVG-VV Nr. 3200 beantragt. Das Landgericht hat mit am 12.
März 2007 zugestelltem Beschluss vom 28. Februar 2007 lediglich eine 1,1fachen
Verfahrensgebühr nach RVG-VV Nr. 3201 festgesetzt. Hiergegen wendet sich die
Beklagte zu 2 mit ihrem am 14. März 2007 als „Erinnerung/Rechtsmittel“ bezeichneten
Schriftsatz vom 13. März 2003, dem das Landgericht nicht abgeholfen hat.
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II.
Das Rechtsmittel der Beklagten zu 2, bei dem es sich um eine sofortige Beschwerde
handelt, ist zulässig, §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3 S. 1, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO,
insbesondere ist es form- und fristgerecht eingelegt worden, § 569 ZPO.
Die sofortige Beschwerde ist auch begründet. Auf seiten der Beklagten zu 2 ist eine
Verfahrensgebühr nach § 2 Abs. 2 S. 1 RVG in Verbindung mit RVG-VV Nr. 3200 durch
die Ankündigung des Antrags auf Zurückweisung der Berufung im Schriftsatz vom 28.
August 2006 entstanden. Die Stellung eines Sachantrags schließt die vorzeitige
Beendigung des Auftrags gemäß RVG-VV Nr. 3201 Abs. 1 Nr. 1 aus (vgl. Senat,
Beschluss vom 24. Mai 2005 - 1 W 405/04 -, OLG-Report 2005, 646, 647; Senat,
Beschluss vom 2. Dezember 2005 - 1 W 434/04 -, OLG-Report 2006, 230 = AGS 2007,
271). Die Verfahrensgebühr ist in voller Höhe von der Klägerin zu erstatten, weil es sich
um notwendige Kosten der Rechtsverteidigung handelte, § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Der
Sachantrag der Beklagten zu 2 wurde zu einem Zeitpunkt gestellt, in dem er zur
zweckentsprechenden Rechtsverteidigung erforderlich war. Das ist dann der Fall, wenn
von dem Berufungskläger ein Berufungsantrag gestellt und das Rechtsmittel begründet
worden ist. Denn dann handelt es sich nicht mehr um nur eine zur Fristwahrung
eingelegte Berufung bei der der Berufungskläger innerhalb der Berufungsfrist
entscheiden will, ob das Berufungsverfahren durchgeführt werden soll oder nicht. Liegt
die Berufungsbegründung vor, hat der Berufungsbeklagte ein berechtigtes Interesse
daran, mit anwaltlicher Hilfe in der Sache frühzeitig zu erwidern und so eventuell bereits
eine Zurückweisung der Berufung im Beschlussweg durch eigene zusätzliche Argumente
zu fördern (BGH, NJW 2004, 73). Vorliegend lag die Berufungsbegründung im Zeitpunkt
der Stellung des Sachantrags der Beklagten zu 2 bereits vor.
Der Erstattungsfähigkeit der Gebühr nach RVG-VV Nr. 3200 steht nicht entgegen, dass
die Klägerin die Beklagten gebeten hatte, sich zunächst nicht zur Akte zu melden.
Soweit sie dies auf die Einreichung der Berufungsbegründung bezogen hatte, lag diese
bereits vor. Die Beklagte zu 2 war aber auch nicht gehalten, bis zu einer Entscheidung
über den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abzuwarten. Das hätte der Fall
sein können, wenn sie sich zu einem solchen Verhalten ausdrücklich verpflichtet hätte
(BGH, a.a.O.). Ist ein Stillhalteabkommen - wie hier - aber nicht geschlossen worden,
besteht für den Berufungsgegner keine rechtliche Verpflichtung, die im
Berufungsverfahren entstandenen Gebühren nicht geltend zu machen (Senat, Beschluss
vom 9. Mai 2005 - 1 W 20/05 -, OLG-Report 2005, 684).
Schließlich ist es für die Erstattungsfähigkeit auch nicht von Bedeutung, dass die
Beklagten zunächst nur zur Stellungnahme zu dem Prozesskostenhilfeantrag
aufgefordert worden waren. Hierzu bestand gemäß § 118 Abs. 1 S. 1 ZPO Veranlassung.
Die gerichtliche Verfügung vom 3. August 2006 änderte aber nichts daran, dass die
Klägerin neben dem Prozesskostenhilfeverfahren zugleich die Berufung betrieb in deren
Rahmen die Notwendigkeit der Stellung des Sachantrags allein zu beurteilen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
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