Urteil des KG Berlin vom 13.03.2017
KG Berlin: gefahr im verzug, abmahnung, verwalter, abnahme, vertragsverletzung, verwaltung, anwaltskosten, zustand, quelle, ermessen
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Gericht:
KG Berlin 24.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
24 W 279/02
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 276 BGB, § 276aF BGB, § 665
BGB, § 27 Abs 1 Nr 1 WoEigG, §
43 Abs 1 Nr 2 WoEigG
Wohnungseigentum: Individualanspruch eines
Wohnungseigentümers auf Schadenersatz wegen
weisungswidriger Ausführung eines
Wohnungseigentümerbeschlusses durch den Verwalter
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Gerichtskosten dritter Instanz zu tragen.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Geschäftswert der dritten Instanz wird auf 1.599,17 Euro (= 3.127,71 DM)
festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist Eigentümer bzw. Miteigentümer von acht Eigentumswohnungen der
insgesamt 27 Wohneinheiten in der im Rubrum benannten Wohnanlage. Die
Antragsgegnerin ist die Verwalterin der Wohnanlage.
In der Versammlung am 8. Juli 1999 beschlossen die Eigentümer zu TOP 8, dass die
bisher eingeschalteten Sachverständigen einen neutralen Sachverständigen benennen
sollten, der für die Gemeinschaft die Abnahme des Gemeinschaftseigentums
durchführen sollte. Entgegen diesem Beschluss beauftragte die Antragsgegnerin einen
eigenen Sachverständigen damit, das Gemeinschaftseigentum abzunehmen. Am 1.
November 1999 fand ein Abnahmeversuch statt.
Nachdem der Antragsteller hiervon durch seine Mieterin erfahren hatte, ließ er sich in
dieser Sache von seinem Verfahrensbevollmächtigten beraten und erteilte ihm den
Auftrag, die Antragsgegnerin abzumahnen. Diese Abmahnung erfolgte mit Schreiben
vom 2. November 1999 durch den Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers mit
der Begründung, dass die Antragsgegnerin keinen neutralen Sachverständigen gemäß
dem Beschluss hatte benennen lassen. Zugleich wurde die Antragsgegnerin
aufgefordert, die hierdurch behaupteten anwaltlichen Kosten von 3.127,71 DM
auszugleichen.
Die Antragsgegnerin teilte mit Schreiben vom 15. November 1999 dem
Verfahrensbevollmächtigten mit, dass sie nicht getreu dem Beschluss vorgegangen sei,
da sie nach Beschlussfassung die Information erhalten hätte, dass die
Wohnungseigentümer mit der durchgeführten Vorgehensweise trotz des
entgegenstehenden Beschlusses einverstanden gewesen seien. Da sich die Information
nunmehr als unrichtig herausgestellt habe, werde sie nunmehr den Beschluss
buchstabengetreu ausführen.
Der Antragsteller hat die Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren auf die Erstattung
der ihm durch die Beauftragung seines Verfahrensbevollmächtigten erwachsenen
Anwaltsgebühren in Anspruch genommen, die er auf insgesamt 3.127,71 DM beziffert.
Durch Beschluss vom 2. November 2001 hat das Amtsgericht Mitte den Antrag
zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Antragstellers hat
das Landgericht mit Beschluss vom 9. August 2002 mit der Begründung
zurückgewiesen, dass dem Antragsteller die Antragsbefugnis fehle, da die Anwaltskosten
im Rahmen der Durchsetzung von Ansprüchen entstanden sind, die allen
Wohnungseigentümern gemeinsam zustehen. Mit der rechtzeitig eingelegten sofortigen
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Wohnungseigentümern gemeinsam zustehen. Mit der rechtzeitig eingelegten sofortigen
weiteren Beschwerde verfolgt der Antragsteller seinen Anspruch auf Erstattung der im
Einzelnen berechneten Anwaltsgebühren weiter und trägt in dritter Instanz erstmalig vor,
dass hier der Fall der Notgeschäftsführung nach § 21 Abs. 2 WEG gegeben sei.
II.
Die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers ist gemäß den §§ 27, 29 FGG, 45
WEG zulässig. Das Rechtsmittel ist jedoch in der Sache nicht gerechtfertigt. Zwar ist der
Beschluss des Landgerichts nicht in allen Punkten rechtsfehlerfrei (§ 27 Abs. 1 FGG),
jedoch hält die angefochtene Entscheidung im Ergebnis einer rechtlichen Nachprüfung
stand. Der Senat kann in der Sache selbst ersetzend entscheiden, weil es einer weiteren
Sachaufklärung nicht bedarf. Dies führt zur Zurückweisung der sofortigen weiteren
Beschwerde.
1. Verfahrensfehlerfrei haben die Vorinstanzen die anderen Wohnungseigentümer nicht
beteiligt. Zwar handelt es sich um ein Verfahren gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 2 WEG, an dem
nach § 43 Abs. 4 Nr. 2 WEG die Wohnungseigentümer grundsätzlich zu beteiligen sind.
Diese Regelung soll jedoch nur sicherstellen, dass aus Gründen der
Rechtskrafterstreckung formell auch diejenigen Personen beteiligt werden, die materiell
beteiligt sind. Dagegen ist es nicht Sinn der Bestimmung, Personen zu beteiligen, die
materiell von dem Verfahren nicht betroffen sein können (BGHZ 115, 253, 256).
Gegenstand dieses Streits ist ein von dem Antragsteller behaupteter
Schadensersatzspruch, der ihm durch die Verfolgung individualrechtlicher Ansprüche
entstanden ist. Noch vor dem Landgericht hat er vorgetragen, dass die Beauftragung
seines Verfahrensbevollmächtigten und die Abmahnung der Antragsgegnerin nur zu
dem Zwecke erfolgte, seine eigenen Rechte umfassend zu sichern. So sei es aufgrund
der bestehenden Eigentümerkonstellation absehbar gewesen, dass ein entsprechender
Beschlussantrag auf Abmahnung der Antragsgegnerin von der Eigentümermehrheit
abgelehnt worden wäre. Selbst im Falle des Unterliegens könnte er daher die als
Schadensersatzanspruch geltend gemachten Anwaltskosten nicht von der Gemeinschaft
oder anderen Wohnungseigentümern erstattet verlangen, da sie bei der Durchsetzung
eines behaupteten eigenen Rechts angefallen sind (vgl. KG NJW-RR 1990, 334). Auch die
Kosten des vorliegenden Streitverfahrens können die anderen Wohnungseigentümer
nicht belasten, da sie gemäß § 16 Abs. 5 WEG nicht zu den Kosten der Verwaltung
gehören. Soweit der Antragsteller nunmehr in dritter Instanz erstmalig vorträgt, dass er
nicht nur in Wahrnehmung eigener Interessen, sondern auch in Wahrnehmung
gemeinschaftlicher Interessen im Sinne einer Notgeschäftsführung nach § 21 Abs. 2
WEG gehandelt habe, ist dieses Vorbringen nicht zu berücksichtigen, da der
Antragsteller nicht für die Gemeinschaft, sondern in eigenem Namen gehandelt hat und
auch nicht ersichtlich ist, dass der Gemeinschaft durch das weisungswidrige Verhalten
der Verwalterin ein Schaden drohte, vielmehr dafür ggf. die Verwalterin verantwortlich
war.
2. Entgegen der Rechtsansicht des Landgerichts fehlt dem Antragsteller nicht die
Antragsbefugnis für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch. Gemäß dem
Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 2. Oktober 1991 (BGHZ 115, 253 ff.) geht das
Landgericht davon aus, dass der Antragsteller hier keine individuellen Ansprüche geltend
macht. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung ausgeführt, dass eine
Verletzung des Verwaltervertrages nicht nur einen Schadensersatzanspruch der
Gemeinschaft, sondern auch eines einzelnen Wohnungseigentümers auslösen könne.
Dies ist der Fall, wenn dem Wohnungseigentümer eine Forderung zustehe, die nur ihm
erwachsen ist, weil nur er einen Schaden erlitten hat. Für die Durchsetzung eines
solchen Anspruches ist er antragsbefugt (BGH a. a. O. S. 256 f.). Hier hat der
Antragsteller im eigenen Namen seinen Verfahrensbevollmächtigten zur Klärung seiner
Individualrechte aufgesucht und eine Abmahnung der Antragsgegnerin im eigenen
Namen und aus behauptetem eigenen Recht durchführen lassen. Auch der zugrunde
liegende Streit über die Art und Weise der durchzuführenden Abnahme des
gemeinschaftlichen Eigentums berührt eigene Rechte des Wohnungseigentümers, da
der Antragsteller aus seinem Erwerbsvertrag einen eigenen Anspruch auf mangelfreie
Herstellung des gesamten Wohnungseigentums hat und folglich die ganze Leistung
verlangen kann (vgl. BGH NJW 1985, 1551, 1552). An der verfahrensrechtlichen
Einzelantragsbefugnis des Antragstellers bestehen demgemäß keine Zweifel. Es handelt
sich um (für die Antragsbefugnis und für die materielle Begründetheit) doppelt relevante
Tatsachen, bei denen es für die Verfahrensbefugnis ausnahmsweise ausreicht, wenn sie
behauptet werden. Sonst könnten die Beteiligten keine Entscheidung in der Sache
erreichen.
3. Im Ergebnis ist die Entscheidung des Landgerichts jedoch nicht zu beanstanden, da
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3. Im Ergebnis ist die Entscheidung des Landgerichts jedoch nicht zu beanstanden, da
dem Antragsteller unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein materiell-rechtlicher
Schadensersatzanspruch zustehen kann.
a) Ein Anspruch auf Ersatz der Rechtsverfolgungskosten aus Verzug kommt nicht in
Betracht, da die Beauftragung des Verfahrensbevollmächtigten und die Abmahnung
erfolgte, ohne dass die Antragsgegnerin zuvor vom Beklagten in Verzug gesetzt wurde,
§ 286 Abs. 1 BGB a.F. Die grundsätzlich gemäß § 284 Abs. 1 BGB a.F. erforderliche
Mahnung war hier auch nicht ausnahmsweise wegen Zwecklosigkeit entbehrlich, da die
Antragsgegnerin auf die Abmahnung sofort reagierte und die buchstabengetreue
Umsetzung des Beschlusses zusagte.
b) Auch ein dem Antragsteller zustehender Schadensersatzanspruch aus positiver
Vertragsverletzung liegt nicht vor. Der WEG-Verwalter hat nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG
grundsätzlich die Eigentümerbeschlüsse auszuführen. Auf den WEG-Verwalter finden
nach § 675 BGB die Vorschriften über die Geschäftsbesorgung entsprechend
Anwendung. Nach § 665 BGB kann der Beauftragte unter Umständen von den
Weisungen abweichen, hat jedoch regelmäßig dem Auftraggeber (hier also: der
Gemeinschaft) vor der Abweichung Anzeige zu machen und dessen Entschließung
abzuwarten (wenn nicht mit dem Aufschube Gefahr im Verzug verbunden ist). Bei
unberechtigter Abweichung entsteht ein Schadensersatzanspruch nach den
Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung (Palandt/Sprau, BGB 62. Aufl., § 665 Rn. 8
unter Hinweis auf BGH BB 1956, 771). Soweit der WEG-Verwalter das vom Gesetz
vorgeschriebene Verfahren gegenüber der Gemeinschaft nicht einhält, sind
Schadensersatzansprüche der Gemeinschaft möglich, evtl. auch bei Beauftragung eines
Anwalts mit der Abmahnung des Verwalters. Dieser Schadensersatzanspruch steht bei
gemeinschaftlicher Abmahnung dann der Gemeinschaft zu und kann von dieser geltend
gemacht werden. Greift dagegen ein einzelner Wohnungseigentümer in die nach der
eingangs zitierten Rechtsprechung des BGH (BGHZ 106, 222) bestehende
Verwaltungszuständigkeit ein und mahnt er allein den Verwalter unbefugt ab, kann der
daraus entstehende Schadensersatzanspruch nicht als Individualanspruch des einzelnen
Wohnungseigentümers angesehen werden, weil auch schon die Abmahnungsbefugnis
ihm nicht individuell zustand. Mit dem bestandskräftigen Eigentümerbeschluss über das
Verfahren bei der Abnahme des Gemeinschaftseigentums haben die
Wohnungseigentümer diese zu einer Angelegenheit der gemeinschaftlichen Verwaltung
gemacht. Mit seiner Abmahnung hat der Antragsteller sich auch gerade auf diese
Regelung berufen.
III.
Es entspricht billigem Ermessen, dass der Antragsteller die Gerichtskosten seines
erfolglosen Rechtsmittels trägt (§ 47 Satz 1 WEG). Für die Anordnung der Erstattung
außergerichtlicher Kosten bestand hingegen kein Anlass (§ 47 Satz 2 WEG).
Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf § 48 Abs. 3 WEG.
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