Urteil des KG Berlin vom 10.02.2005
KG Berlin: zugang, barriere, verbraucher, internet, jugend, anbieter, wettbewerbshandlung, markt, post, pornographie
1
2
3
4
5
Gericht:
KG Berlin 5. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 W 31/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 3 UWG, § 4 Nr 11 UWG, § 184
Abs 1 Nr 2 StGB, § 4 Abs 2
JMStVtr
Wettbewerbsverstoß im Internet: Pornographisches Angebot
ohne hinreichendes Altersverifikationssystem zum Schutz
Minderjähriger
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der Zivilkammer
16 des Landgerichts Berlin vom 10. Februar 2005 - 16 O 80/05 - geändert:
Den Antragsgegnern wird im Wege einstweiliger Verfügung unter Androhung eines für
jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu
250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese
im Falle der Antragsgegnerin zu 1) zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, untersagt,
im geschäftlichen Verkehr den Abruf pornographischer Darstellungen unter Nutzung des
Altersverifikationssystems „ueber18.de“ anzubieten und/oder zuzulassen.
2. Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge haben die Antragsgegner zu je ½ zu
tragen.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 20.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 567 ff. ZPO zulässig und auch begründet.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts steht dem Antragsteller der geltend
gemachte Unterlassungsanspruch zu. Er folgt aus § 8 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 UWG
i.V.m. § 3 und § 4 Nr. 11 UWG.
Das Landgericht hat es offen gelassen, ob das beanstandete Verhalten gegen § 184
StGB und/oder § 4 Abs. 2 Jugendmedienschutzvertrag (JMStVG) verstößt. Beide Fragen
sind indessen zu bejahen.
Nach § 184 Abs. 1 Nr. 1 StGB macht sich strafbar, wer einer Person unter achtzehn
Jahren pornographische Schriften anbietet, überlässt oder zugänglich macht. Auch wenn
diese Vorschrift nur anwendbar sein sollte, wenn pornographische Schriften einer
bestimmten Person unter achtzehn Jahren angeboten, überlassen oder zugänglich
gemacht werden (vgl. OLG Düsseldorf MMR 2004, 409 m.w.N.), so ist jedenfalls § 184
Abs. 1 Nr. 2 StGB einschlägig. Nach dieser Vorschrift macht sich u.a. strafbar, wer
pornographische Schriften an einem Ort zugänglich macht, der Personen unter achtzehn
Jahren zugänglich ist. Gemäß § 11 Abs. 3 StGB stehen den Schriften Ton- und Bildträger
insoweit gleich. Ein Computer mit Internet-Anschluss im häuslichen Bereich von Kindern
und Jugendlichen ist im Übrigen ein solcher Ort im Sinne des § 184 Abs. 1 Nr. 2 StGB
(OLG Düsseldorf a.a.O.). Ein Zugänglichmachen liegt nur dann nicht vor, wenn
Vorkehrungen getroffen sind, die den Zugang Minderjähriger zu den pornographischen
Inhalten regelmäßig verhindern. Dazu ist erforderlich, dass zwischen der
pornographischen Darstellung und dem Minderjährigen eine "effektive Barriere“ besteht,
die er überwinden muss, um die Darstellung wahrnehmen zu können (BVerwG NJW 2002,
2966; BGH NJW 2003, 2838; KG [5. StrafS.] MMR 2004, 478). Das folgt aus dem
anerkannten Schutzzweck der Norm (KG a.a.O.).
Das von den Antragsgegnern praktizierte Alterskontrollsystem „ueber18.de“ stellt sich
nicht als eine solche effektive Barriere (vgl. zu denkbaren technischen Maßnahmen u.a.
OLG Düsseldorf NJW 1984, 1977) dar. Ins Gewicht fällt insoweit, dass Jugendliche in aller
Regel über die Möglichkeit verfügen, sich Personalausweise von Erwachsenen,
insbesondere ihrer Eltern, zur Einsichtnahme zu verschaffen und sich alsdann mit einer
dort entnommenen Personalausweiskennziffer Zugang zu den pornographischen Seiten
des Internetangebotes der Antragsgegner zu verschaffen. Die Annahme, die
6
7
8
9
10
des Internetangebotes der Antragsgegner zu verschaffen. Die Annahme, die
Erwachsenen im Umfeld der Jugendlichen würden ihre Personalausweise so sicher
verwahren, dass die mit ihnen lebenden Kinder keinen Zugang zu diesen Papieren
hätten, ist für den Regelfall lebensfern.
Es handelt sich aber auch um einen Verstoß gegen § 4 Abs. 2 Nr. JMStVG. Danach sind
Rundfunksendungen oder Inhalte von Telemedien (Angebote) mit pornographischen
Inhalten unzulässig, es sei denn, von Seiten des Anbieters ist sicher gestellt, dass sie
nur Erwachsenen zugänglich gemacht werden (§ 4 Abs. 2 Satz 1 JMStVG). Die
Sicherstellung im Sinne der letztgenannten Vorschrift erfordert wiederum das
Vorhandensein einer effektiven Barriere zwischen der pornographischen Darstellung und
dem Minderjährigen (OLG Düsseldorf a.a.O.). Gerade daran fehlt es aber hier aus den
vorgenannten Gründen.
Die wettbewerbsrechtliche Relevanz der dargestellten Gesetzesverstöße (auch bei den
Vorschriften des JMStVG handelt es sich um solche mit Normqualität i. S. d. § 4 Nr. 11
UWG, vgl. Baumbach/Hefermehl/Köh-ler, UWG, 23. Aufl., § 4 Rdn. 11.180, aber auch den
Regelungsgehalt, etwa des § 23 JMStVG) lässt sich - entgegen der Auffassung des
Landgerichts - auch nicht mit der Erwägung in Abrede stellen, den Vorschriften fehle es
jedenfalls an der von § 4 Nr. 11 UWG vorausgesetzten Marktrelevanz. Es ist vielmehr
allgemein anerkannt, und zwar auch für den Rechtszustand nach Inkrafttreten der UWG-
Novelle, dass es sich sowohl bei der Regelung des § 184 Abs. 1 Nr. 2 StGB als auch bei
der des § 4 Abs. 2 JMStVG um - jedenfalls auch - wettbewerbsregelnde Vorschriften im
Sinne jener Norm handelt. Vorschriften zum Schutz der Jugend stellen nämlich
Marktverhaltensregelungen zum Schutze der Verbraucher dar, weil sie das
Marktverhalten im Interesse der Minderjährigen, die als - potentielle - Verbraucher
Marktteilnehmer im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 UWG sind, regeln (OLG Celle GRUR
2004, 963/965; Baumbach/Hefermehl/Köhler, a.a.O.).
Schließlich hat das Landgericht auch zu Unrecht die Auffassung vertreten, es fehle
jedenfalls an einem Wettbewerbsverstoß, der im Sinne von § 3 UWG geeignet sei, den
Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber, der Verbraucher oder der sonstigen
Marktteilnehmer nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen. Voraussetzung für einen
erheblichen Verstoß im Sinne der Vorschrift ist grundsätzlich nur, dass die
Wettbewerbsmaßnahme von einem gewissen Gewicht für das Wettbewerbsgeschehen
und die Interessen der geschützten Personenkreise ist (Amtliche Begründung, BT-
Drucksache 15/1487, S. 17). Es soll die Verfolgung von Bagatellverstößen
ausgeschlossen werden, weshalb die Verfolgungsschwelle nicht besonders hoch
anzusetzen ist (Amtliche Begründung, a.a.O). Soweit die Antragsgegner mit anderen in
Deutschland ansässigen Anbietern von Pornographie im Wettbewerb stehen, ist eine
erhebliche Wettbewerbsbeeinträchtigung ohne weiteres zu bejahen. Durch die
Verwendung ihres Altersverifikationssystems beeinträchtigen die Antragsgegner die
Marktchancen von Mitbewerbern, die aufwändigere Systeme, etwa das Post-Ident-
Verfahren, einsetzen, deutlich. Die Erwägung des Landgerichts, das Verhalten der
Antragsgegner berühre deshalb den Wettbewerb auf dem relevanten Markt nur
unerheblich, weil zu berücksichtigen sei, dass es über das Internet unschwer möglich sei,
auf massenhafte konkurrierende pornographische Angebote ausländischer Anbieter
zurück zu greifen, geht fehl. Die Argumentation verkennt, dass die Feststellung, ob eine
Wettbewerbshandlung in ihren Auswirkungen nicht nur unerheblich ist, sich nicht
quantitativ treffen lässt, sondern eine Wertung anhand der Schutzzwecke des UWG
erfordert (BGH GRUR 2001, 258, 259 - Immobilienpreisangaben; GRUR 2002 360, 366 -
H.I.V. Positive 2; Baumbach/Hefermehl/Köhler a.a.O., § 3 Rdn. 54). Zu berücksichtigen ist
daher neben den jeweiligen Marktverhältnissen auch die Art des Wettbewerbsverstoßes.
Stehen Rechtsgüter von hohem Rang auf dem Spiel, so ist regelmäßig von der
Erheblichkeit der Wettbewerbsbeeinträchtigung auszugehen (Köhler, a.a.O, § 3 Rdn. 57).
Insbesondere das Bundesverfassungsgericht nimmt insoweit in ständiger
Rechtsprechung an, dass der Schutz der Jugend nach einer vom Grundgesetz selbst
getroffenen Wertung ein Ziel von bedeutsamem Rang und ein wichtiges
Gemeinschaftsanliegen ist (vgl. BVerfG NJW 1971, 1555; NJW 1988, 1833; NJW 1991,
1471/1472). Von einem „Bagatellverstoß“ kann unter diesen Umständen keinesfalls die
Rede sein.
Die Passivlegitimation der Antragsgegner folgt aus dem vom Antragsteller glaubhaft
gemachten Umstand, dass beide Inhaber der Domain sind, die Zugang zu dem
verfahrensgegenständlichen Wettbewerbsangebot schafft.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die
Wertfestsetzung ergibt sich aus § 3 ZPO.
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum