Urteil des KG Berlin vom 14.12.2009

KG Berlin: gesetzlicher vertreter, ausschlagung der erbschaft, gesetzlicher erbe, vermögensrechtliche angelegenheit, jugendamt, rechtsgutachten, vertretung, genehmigungsverfahren, pfleger

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Gericht:
KG Berlin Senat für
Familiensachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
17 UF 5/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 1791b BGB
Leitsatz
Zur Notwendigkeit der Bestellung eines Ergänzungspflegers zur Wahrnehmung der
Verfahrensrechte des Kindes im familiengerichtlichen Verfahren (Genehmigung einer
Erbausschlagung).
Tenor
Die Beschwerde des Ergänzungspflegers, datiert auf den 19. Dezember 2009, gegen
den Beschluss des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg vom 14. Dezember 2009 - 162 F
16300/09 - wird auf dessen Kosten zurückgewiesen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.
Gründe
A.
Die Beschwerde betrifft die Frage, inwieweit dem heute 11-jährigen Kind im
Zusammenhang mit der Genehmigung einer Erbauschlagung durch den
alleinvertretungsberechtigten Elternteil für die Zustellung der Genehmigungserklärung
und die Entscheidung über ein eventuelles Rechtsmittel gegen die Genehmigung ein
Ergänzungspfleger zu bestellen ist.
Am 10. September 2009 verstarb in Berlin Herr H... G... R..., ohne ein Testament
hinterlassen zu haben. Sein Halbbruder und gleichzeitig Vater des minderjährigen
Kindes, Herr W... O..., schlug die Erbschaft nach H... R... aus, weil der Nachlass
vermutlich überschuldet war. Daraufhin erklärte Frau J... B..., die allein sorgeberechtigte
Mutter des Kindes als dessen Vertreterin am 15. Oktober 2009 gegenüber dem
Nachlassgericht Wedding (Az. 61 VI 608/09) für das Kind die Ausschlagung der Erbschaft.
Am 19. Oktober 2009 hat die Kindesmutter die familiengerichtliche Genehmigung der
Erbauschlagung beantragt. Mit Beschluss vom 14. Dezember 2009 hat das Amtsgericht
Tempelhof-Kreuzberg - Rechtspflegerin - von Amts wegen Ergänzungspflegschaft für das
Kind mit dem Wirkungskreis „Vertretung des Kindes hinsichtlich des Beschwerderechts in
der Erbausschlagungsangelegenheit nach dem am 10. September 2009 verstorbenen
H... G... R... “ angeordnet und, nachdem es den Beteiligten die beabsichtigte Maßnahme
eingehend erläutert und insoweit Gelegenheit zur Stellungnahme gewährt hatte, das
Bezirksamt ... -... von Berlin - Jugendamt - zum Pfleger bestellt. Zur Begründung hat das
Gericht darauf verwiesen, dass die Kindesmutter von der Vertretung des Kindes im
Verfahren der Erbausschlagung ausgeschlossen sei.
Gegen den am 30. Dezember 2009 zugestellten Beschluss hat der bestellte
Ergänzungspfleger mit Telefaxschreiben, datiert auf den 9. Dezember 2009, bei Gericht
am bzw. vor dem 13. Januar 2010 eingegangen, Beschwerde eingelegt und die
Aufhebung des Beschlusses vom 14. Dezember 2009 beantragt. Zur Begründung hat
der Ergänzungspfleger darauf hingewiesen, aus den ihm vorliegenden Unterlagen gehe
nicht hervor, dass der sorgeberechtigte Elternteil wegen eines Interessenkonflikts oder
aus anderen Gründen gehindert sei, die familiengerichtliche Genehmigung der
Erbausschlagung für das minderjährige Kind als gesetzlicher Vertreter
entgegenzunehmen oder - falls notwendig - Beschwerde gegen den ergangenen
Beschluss einzulegen. Ergänzend hat der Ergänzungspfleger auf ein Rechtsgutachten
des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht e.V., Heidelberg, vom 16.
Dezember 2009, hingewiesen, wonach die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft in
Genehmigungsfällen regelmäßig nicht erforderlich sein soll.
B.
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1.
a) Bei der Anordnung der Ergänzungspflegschaft, damit das Kind im
Erbausschlagungsverfahren vertreten werden kann, handelt es sich um eine
Endentscheidung, mit der das Verfahren zur Anordnung von Ergänzungspflegschaft
abgeschlossen wird. Hiergegen findet Beschwerde statt, ohne dass eine vorgängige
Abhilfe möglich ist (§§ 58 Abs. 1, 68 Abs. 1 Satz 2 FamFG).
b) Das Jugendamt ist auch beschwerdeberechtigt. Das Jugendamt ist in eigenen Rechten
beeinträchtigt (§ 59 Abs. 1 FamFG), weil es mit dem angefochtenen Beschluss entgegen
der mit Schreiben vom 9. Dezember 2009 erklärten Weigerung, die Pflegschaft zu
übernehmen, zum Ergänzungspfleger bestellt worden ist (vgl. Keidel/Meyer-Holz, FamFG
[16. Aufl. 2009], § 59 Rn. 65). Das Inkrafttreten des FamFG hat insoweit zu keiner
Änderung der Rechtslage geführt: Bislang war anerkannt, dass das Jugendamt berechtigt
ist, Rechtsmittel gegen die Übertragung einer Pflegschaft einzulegen (vgl. OLG
Zweibrücken, RPfleger 2002, 25; BayObLG, FamRZ 1989, 1340); insbesondere wurde es
für berechtigt angesehen, (sofortige) Beschwerde gegen die gerichtliche Verfügung zu
führen, mit der die Weigerung, die Pflegschaft zu übernehmen, zurückgewiesen wurde
(vgl. § 60 Abs. 1 Nr. 2 FGG sowie MünchKomm/Wagenitz, BGB [5. Aufl. 2008], § 1791b
Rn. 13).
c) Der Beschwerdewert von 600 € (§ 61 Abs. 1 FamFG) wird überschritten, da mangels
hinreichender tatsächlicher Anhaltspunkte der Auffangwert von 3.000 € (§ 42 Abs. 3
FamGKG) zugrundezulegen ist (vgl. Keidel/Meyer-Holz, FamFG [16. Aufl. 2009], § 61 Rn.
13).
d) Die Beschwerdefrist ist gewahrt (§ 63 Abs. 1 FamFG): Die Beschwerde wurde vom
Ergänzungspfleger zwar - offenbar irrtümlich - mit einem falschen Datum - dem 9.
Dezember 2009 - gekennzeichnet, obwohl der angegriffene Beschluss dem Jugendamt
überhaupt erst am 30. Dezember 2009 zugestellt wurde. Auch wurde die
Beschwerdeschrift nicht mit dem Eingangsstempel des Amtsgerichts Tempelhof-
Kreuzberg versehen. Aber aus dem Bearbeitungsvermerk der Rechtspflegerin vom 13.
Januar 2010 ergibt sich, dass die Beschwerde spätestens an diesem Tag bei Gericht
eingegangen sein muss, so dass die Beschwerdefrist in jedem Fall eingehalten wurde.
2.
im Zeitpunkt der Entscheidung 11-jährigen Kind zu Recht einen Ergänzungspfleger
bestellt, um diesem einen noch zu erlassenden Beschluss über die Genehmigung der
Erbausschlagung zustellen zu können, weil die allein sorgeberechtigte Mutter insoweit
verhindert ist, für ihre Tochter zu handeln.
a) Nach § 1909 Abs. 1 Satz 1 BGB erhält, wer unter elterlicher Sorge steht, für
Angelegenheiten, an deren Besorgung die Eltern verhindert sind, einen Pfleger. Soweit
aufgrund der eigenen Ermittlungen des Gerichts (§ 26 FamFG) kein geeigneter
ehrenamtlicher Pfleger gefunden werden konnte und auch das Jugendamt nicht in der
Lage ist, eine geeignete Person zu benennen (§ 53 Abs. 1 SGB VIII), kann das Jugendamt
zum Pfleger bestellt werden (§§ 1915 Abs. 1, 1791b BGB).
Die Voraussetzungen für eine Pflegerbestellung liegen vor: Das Kind steht, der Erklärung
der Mutter zufolge, unter deren alleiniger Sorge und diese ist auch daran gehindert, das
Kind in dieser Angelegenheit zu vertreten. Denn insoweit steht das Interesse des Kindes
zu demjenigen der Mutter in erheblichem Gegensatz, so dass der Mutter die Vertretung
zu entziehen ist (§§ 1629 Abs. 2 Satz 3, 1796 Abs. 2 BGB). Die Annahme eines
Interessengegensatzes ist die Konsequenz aus dem verfassungsrechtlichen Gebot des
fairen Verfahrens und dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs in der Ausformung, die
diese Prinzipien durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erfahren
haben: Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Januar 2000 muss
dem Beteiligten die Möglichkeit eingeräumt werden, bei einer Entscheidung, die seine
Rechte betrifft, zu Wort zu kommen. Für Verfahren, die die Genehmigung eines
Rechtsgeschäfts zum Gegenstand haben, folgt daraus, dass das rechtliche Gehör nicht
durch den Vertreter des durch die Entscheidung in seinen Rechten Betroffenen
wahrgenommen werden kann. Denn das rechtliche Gehör kann nicht durch denjenigen
vermittelt werden, dessen Handeln im Genehmigungsverfahren überprüft werden soll;
vielmehr ist der Vertretene einzubeziehen (vgl. BVerfGE 101, 397 = u.a. RPfleger 2000,
205).
Unter der Geltung des FGG verpflichtete das Bundesverfassungsgericht die Gerichte in
Genehmigungsfällen zum Erlass eines Vorbescheids: Um zu verhindern, dass dem Kind
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Genehmigungsfällen zum Erlass eines Vorbescheids: Um zu verhindern, dass dem Kind
als dem Vertretenen die Rechtsschutzmöglichkeiten gegen die
Genehmigungsentscheidung abgeschnitten werden, wurde die Entscheidung in einem
beschwerdefähigen Vorbescheid gegenüber dem Vertretenen zunächst angekündigt;
dem nicht verfahrensfähigen, unter 14 Jahre alten Kind wurde ein Ergänzungspfleger
bestellt, dem der Vorbescheid sodann zugestellt wurde (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler-
Engelhardt, FGG [15. Aufl. 2003], § 55 Rn. 12f.; MünchKomm/Huber, Wagenitz, BGB [5.
Aufl. 2008], § 1643 Rn. 43; § 1828 Rn. 34). Mit dem Inkrafttreten des FamFG erübrigt sich
die „Vorbescheidslösung“, weil ein Beschluss, mit dem ein Rechtsgeschäft genehmigt
wird, nunmehr erst mit Rechtskraft wirksam wird (§ 40 Abs. 2 FamFG; sogenannte
„Rechtskraftlösung“).
Das eigentliche Problem, welches Anlass zu der Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts gab - das Abschneiden der Rechtsschutzmöglichkeiten für
den Vertretenen - ist damit jedoch noch nicht in allen Fällen gelöst (ebenso Sonnenfeld,
NotBZ 2009, 295, 297): Zwar bestimmt § 41 Abs. 3 FamFG, dass ein Beschluss, mit
dem ein Rechtsgeschäft genehmigt wird, auch demjenigen, für den das Rechtsgeschäft
genehmigt wird, bekannt zu geben ist. Den Materialien zum FamFG zufolge soll mit
dieser Vorschrift der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Rechnung
getragen werden; die Vorschrift soll gewährleisten, dass der Rechtsinhaber selbst von
der Entscheidung frühzeitig Kenntnis erlangt und damit die Möglichkeit erhält, zu Wort zu
kommen und ggf. Rechtsmittel einzulegen (vgl. Einzelbegründung § 41 Abs. 3 FamFG,
BT-Drs. 16/6308, S. 197). Aber dem vertretenen Kind ist die Entscheidung nur dann
selbst bekannt zu geben, wenn es das 14. Lebensjahr vollendet hat und weitere,
einschränkende Voraussetzungen gegeben sind (vgl. §§ 164 Satz 1, 60 FamFG); in der
Praxis wird das vermutlich nur in einem kleinen Teil der Fälle zutreffen. In der Mehrzahl
der Konstellationen müsste die Bekanntgabe im Wege der Zustellung an den
gesetzlichen Vertreter des minderjährigen, noch keine 14 Jahre alten Kindes erfolgen.
Das ergibt sich aus § 41 Abs. 3 FamFG iVm. §§ 9 Abs. 2, 15 Abs. 2 FamFG, § 170 Abs. 1
ZPO. Wenn die Genehmigung aber dem Vertreter zugestellt würde, bleibt es bei der vom
Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erkannten Konstellation; dem
Vertretenen bliebe der Rechtsweg gegen die Entscheidung faktisch versperrt. Das gilt
auch im vorliegenden Fall: Da das vom Verfahren betroffene Kind erst 11 Jahre alt ist,
wäre der Genehmigungsbeschluss der Kindesmutter als der gesetzlichen Vertreterin
zuzustellen (§ 1629 Abs. 1 Satz 3 BGB). Damit lässt sich das von § 41 Abs. 3 FamFG
intendierte Ziel, das vertretene Kind in den Entscheidungsprozess einzubeziehen, nicht
erreichen. Der Zweck des Gesetzes, dem vertretenen Kind die Möglichkeit einzuräumen,
bei einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Wort zu kommen, ist vielmehr nur
gewährleistet, wenn dem betroffenen Kind ein Ergänzungspfleger bestellt wird (im
Ergebnis ebenso OLG Oldenburg, u.a. JAmt 2010, 34, 36 sowie Schürmann, FamFR 2009,
153ff.; Rechtsgutachten des Deutschen Notarinstituts e.V., Würzburg, DNotI-Report
2009, 145, 148).
Der Interessengegensatz ist auch so erheblich, dass der Eingriff in das elterliche
Sorgerecht gerechtfertigt ist. Denn für die Annahme eines Interessenkonflikts genügt es
bereits, wenn (nur) die Gefahr besteht, der vertretungsberechtigte Elternteil werde im
Verfahren das Kindeswohl nicht mit der gebotenen Konsequenz verfolgen (vgl.
MünchKomm/Wagenitz, BGB [5. Aufl. 2008], § 1796 Rn. 5; Palandt/Diederichsen, BGB
[69. Aufl. 2010], § 1796 Rn. 2; § 1629 Rn. 24). Das liegt hier vor: Es ist nicht zu erwarten,
dass der Elternteil, wenn die zu erlassende Entscheidung seinem Antrag entspricht, den
Beschluss noch einmal unter dem Gesichtspunkt des Kindeswohls prüft, zumal dabei
auch andere als nur wirtschaftliche Erwägungen eine Rolle spielen können.
b) Das Rechtsgutachten des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht e.V.,
Heidelberg (DIJuF), vom 16. Dezember 2009 vermag in den hier entscheidenden
Passagen (S. 4f. des Gutachtens; der erste Teil des Gutachtens deckt sich mit
demjenigen vom 28. Oktober 2009, JAmt 2009, 553ff.) nicht zu überzeugen: Das DIJuF
führt im wesentlichen aus, außerhalb des Falls der §§ 1795, 1796 BGB sei nicht davon
auszugehen, dass sich allein aus dem Genehmigungsverfahren ein Interessenkonflikt
ergeben könne; die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft sei nicht erforderlich, weil
der Vertreter des Kindes, dessen Handeln bzw. dessen Erklärung der
familiengerichtlichen Genehmigung bedürfe, berechtigt sei, als Vertreter des Kindes die
Genehmigung entgegenzunehmen. Die Entscheidung BVerfGE 101, 397 stünde nicht
entgegen, weil diese sich lediglich auf die Rechtslage vor Inkrafttreten des FamFG
beziehe und der Gesetzgeber mit der Schaffung von § 40 Abs. 2 FamFG, der
sogenannten „Rechtskraftlösung“, der Rechtsauffassung des
Bundesverfassungsgerichts bereits Rechnung getragen habe. Diese Argumentation
greift ersichtlich zu kurz; sie übersieht, dass das vom Bundesverfassungsgericht
bemängelte Sachproblem - die Gefahr, dass durch die Einschaltung eines Vertreters
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bemängelte Sachproblem - die Gefahr, dass durch die Einschaltung eines Vertreters
dem eigentlichen Rechtsinhaber die Möglichkeit genommen wird, in das Verfahren
einzugreifen - durch die Regelung in §§ 40 Abs. 2, 41 Abs. 3 FamFG allenfalls partiell
gelöst wird und insbesondere in Fällen fortbesteht, in denen das betroffene Kind weder
im Verfahren persönlich gehört (§ 159 FamFG) noch die Entscheidung ihm persönlich
bekannt gegeben wurde (§§ 164, 41 Abs. 3 FamFG). Auch werden im Rechtsgutachten
keine Gründe dafür aufgezeigt, die geeignet wären, ein Abgehen von der bereits unter
Geltung des FGG geübten Praxis, dem Kind zum Zwecke der Zustellung einen
Ergänzungspfleger zu bestellen, zu rechtfertigen. Denn die Einführung der
„Rechtskraftlösung“ ändert nichts daran, dass der Beschluss im Fall eines Kindes, dass
das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, dessen gesetzlichem Vertreter zuzustellen
ist (vgl. Sonnenfeld, NotBZ 2009, 295, 298f.).
c) Entgegen der Anregung des Jugendamtes im Schreiben vom 9. Dezember 2009 und
entgegen einer in der Literatur, insbesondere in Teilen des notarrechtlichen Schrifttums
(vgl. Heinemann, FamFG für Notare [2009], Rn. 158; Litzenburger, RNotZ 2009, 380,
381; Kölmel, NotBZ 2010, 2, 5f. sowie MünchKommZPO/Ulrici [3. Aufl. 2010], § 41
FamFG Rn. 14; Bork/Jacoby/Schwab-Elzer, FamFG [2009], § 41 Rn. 17; Weber, RpflStud
2009, 129, 132; Stößer, FamRB 2010, 39) verbreiteten Ansicht kann die nach den
vorstehenden Ausführungen erforderliche Anordnung einer Ergänzungspflegschaft nicht
durch die Bestellung eines Verfahrensbeistands für das Kind (§ 158 FamFG) ersetzt
werden: Das ergibt sich einmal aus dem Wortlaut des Gesetzes und der Funktion des
Verfahrensbeistandes. Nach § 158 Abs. 1 FamFG kommt die Bestellung eines
Verfahrensbeistandes nur in Angelegenheiten in Betracht, die die Person des Kindes
betreffen und damit nicht in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem es um die
Vertretung des Kindes (§ 1629 Abs. 2 Satz 3 BGB) im Zuge einer Erbausschlagung -
einer vermögensrechtlichen Angelegenheit - geht. Dem steht auch der Sinn und Zweck
der Verfahrensbeistandschaft entgegen: Mit § 50 FGG, dem durch die
Kindschaftsrechtsreform mit Wirkung zum 1. Juli 1998 geschaffenen Vorläufer des
heutigen § 158 FamFG sollte ausschließlich die Stellung des Kindes in einem seine
Person betreffenden Verfahren gestärkt werden; der „Anwalt des Kindes“ sollte die
kindlichen Interessen in einer Weise in das Verfahren einbringen, die der
grundrechtlichen Position des Kindes hinreichend Rechnung trägt (vgl.
MünchKommZPO/Schumann [3. Aufl. 2010], § 158 FamFG Rn. 1). Die vereinzelt
vertretene Auffassung, der Gesetzgeber des FamFG habe eine Erstreckung der
Bestimmung auch auf vermögensrechtliche Angelegenheiten „sehenden Auges“ in Kauf
genommen, weil die Notwendigkeit, den Genehmigungsbeschluss dem minderjährigen
Kind zustellen zu müssen, bereits vor Erlass des FamFG bekannt gewesen sei (vgl.
Weber, RpflStud 2009, 129, 131f.), geht offensichtlich fehl: Denn bereits unter Geltung
des FGG wurde darauf hingewiesen, dass eine analoge Anwendung von § 50 FGG in rein
vermögensrechtlichen Angelegenheiten ausgeschlossen ist (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler-
Engelhardt, FGG [15. Aufl. 2003], § 55 Rn. 13 [am Ende]). Letzte Zweifel, ob die
Verfahrensbeistandschaft in dem hier in Rede stehenden Zusammenhang ein tauglicher
Ersatz für die Ergänzungspflegschaft sein kann, werden schließlich durch § 158 Abs. 4
Satz 6 FamFG mit der gebotenen Deutlichkeit ausgeschlossen: Der Verfahrensbeistand
ist kein gesetzlicher Vertreter des Kindes, für das er tätig wird. Der Verfahrensbeistand
handelt vielmehr in eigenem Namen und hat nicht die Funktion, rechtliche
Willenserklärungen für das Kind abzugeben oder entgegenzunehmen (vgl.
Einzelbegründung § 158 FamFG, BT-Drs. 16/6308, S. 240). Da Zustellungen für nicht
verfahrensfähige Personen an deren gesetzlichen Vertreter zu bewirken sind (§§ 41 Abs.
3, 15 Abs. 1, Abs. 2, § 9 Abs. 2 FamFG, § 170 Abs. 1 ZPO; vgl. auch Keidel/Engelhardt,
FamFG [16. Aufl. 2009], § 158 Rn. 39), kann der Verfahrensbeistand insoweit den
Ergänzungspfleger nicht ersetzen (im Ergebnis ebenso OLG Oldenburg, JAmt 2010, 34,
35 sowie Keidel/Engelhardt, FamFG [16. Aufl. 2009], § 158 Rn. 6; Zöller/Philippi, ZPO [28.
Aufl. 2010], § 158 FamFG Rn. 1; Sonnenfeld, NotBZ 2009, 295, 299; Schürmann, FamFR
2009, 153ff.; Zorn, RPfleger 2009, 421, 426 und das Rechtsgutachten des Deutschen
Notarinstituts e.V., Würzburg, DNotI-Report 2009, 145, 148).
d) Dem Ergänzungspfleger ist darin beizupflichten, dass das Ergebnis unbefriedigend ist:
Die in der Verkürzung der Beschwerdefrist auf zwei Wochen (§ 63 Abs. 2 Nr. 2 FamFG)
zum Ausdruck kommende Intention des Gesetzgebers, Genehmigungsverfahren im
Interesse der Rechtsklarheit zügig und ohne unnötigen Aufwand abzuwickeln (vgl.
Prütting/Helms-Abramenko, FamFG [2009], § 63 Rn. 4; Schürmann, FamRB 2009, 24,
25), wird unterlaufen, weil das Verfahren durch die erforderliche Bestellung eines
Ergänzungspflegers in einem gesonderten Verfahren schwerfällig wird und weil die
Pflegerbestellung als Endentscheidung innerhalb der Regelfrist von einem Monat mit der
Beschwerde isoliert angefochten und das Genehmigungsverfahren somit blockiert
werden kann (§§ 58 Abs. 1, 63 Abs. 1, 3 FamFG). Zu berücksichtigen ist weiter, dass
durch diese Vorgehensweise verhältnismäßig einfach zu bewältigende, leicht zu
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durch diese Vorgehensweise verhältnismäßig einfach zu bewältigende, leicht zu
überblickende und in der Praxis gehäuft auftretende Angelegenheiten wie hier die
Ausschlagung eines überschuldeten Nachlasses durch ein Kind, nachdem ein anderer,
vorrangig berufener gesetzlicher Erbe bereits die Ausschlagung erklärt hat, dadurch
ohne erkennbaren sachlichen Gewinn aufgebläht werden. Schließlich ist nicht zu
verkennen, dass die knappen Ressourcen der Jugendämter - die in der Praxis aufgrund
des Fehlens anderer, geeigneter Personen in der Regel zu bestellen sein werden (§§
1915 Abs. 1, 1791b BGB, 53 Abs. 1 SGB VIII) - hierdurch in nicht unerheblichem Maß
belastet werden. Die gesetzlichen Bestimmungen, namentlich zur Einbeziehung des
Kindes in das Verfahren und seine Vertretung, sind indessen eindeutig und lassen keinen
Spielraum; die mit dieser Verfahrensweise verbundenen Erschwernisse sind die
zwangsläufige Folge aus der mit dem FamFG erfolgten Neuordnung der formellen
Beteiligung von Kindern am Verfahren. Eine dies korrigierende Auslegung übersteigt die
Befugnisse der Rechtsprechung (ebenso OLG Oldenburg, JAmt 2010, 34, 36).
e) Im Ergebnis erweist sich der angegriffene Beschluss daher als zutreffend. Für das
minderjährige Kind ist ein Ergänzungspfleger zu bestellen, der dessen Verfahrensrechte
wahrnimmt und das Kind insoweit auch gesetzlich vertritt. Nachdem es im vorliegenden
Fall um eine vermögensrechtliche Angelegenheit geht und das Kind aufgrund seines
Alters - 11 Jahre - noch nicht die erforderliche Reife besitzt, bestehen keine Bedenken,
dass das Familiengericht von einer persönlichen Anhörung abgesehen hat (§§ 159, 34
FamFG). Die Entscheidung des Oberlandesgericht Oldenburg vom 26. November 2009
(JAmt 2010, 34), wonach das minderjährige Kind in vermögensrechtlichen
Angelegenheiten jedenfalls schriftlich anzuhören ist, unterscheidet sich vom
vorliegenden Fall dadurch, dass das verfahrensbetroffene Kind in jenem Fall bereits 17
Jahre alt war, so dass schon deshalb eine andere Beurteilung angezeigt erscheint.
3.
geboten, weil hiervon keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind; es ist nicht
ersichtlich, dass sich die entscheidungserheblichen Tatsachen oder rechtliche
Gesichtspunkte geändert hätten.
4.
eindeutige Rechtslage und die vorliegende, in die gleiche Richtung weisende
Entscheidung des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 26. November 2009 (JAmt 2010,
34) weder eine grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 70 Abs. 2 FamFG). Aus der Entscheidung des
Oberlandesgerichts Stuttgart vom 26. Oktober 2009 (u.a. ZKJ 2010, 36) ergibt sich
nichts anderes; diese Entscheidung verhält sich allein zur Frage der (im konkreten Fall
abgelehnten) Notwendigkeit der Bestellung eines Ergänzungspflegers im
Sorgerechtsverfahren und damit in einer die Person, nicht das Vermögen des Kindes
betreffenden Angelegenheit.
5.
tragen, da das von ihm eingelegte Rechtsmittel ohne Erfolg bleibt (§ 84 FamFG). Die
Wertfestsetzung beruht auf § 42 Abs. 3 FamGKG.
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