Urteil des KG Berlin vom 13.03.2017

KG Berlin: gebühr, vergleich, protokollierung, bedingung, report, entstehung, verkündung, link, sammlung, quelle

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Gericht:
KG Berlin 1. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 W 259/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 118 Abs 1 S 3 ZPO, § 2 Abs 2
S 1 Anl 1 Teil 3 Vorbem 3 Abs 3
RVG, § 2 Abs 2 S 1 Anl 1 Nr 1003
RVG, § 2 Abs 2 S 1 Anl 1 Nr 3101
RVG, § 2 Abs 2 S 1 Anl 1 Nr 3104
RVG
Rechtsanwaltsvergütung: Gebühr für einen Vergleichsabschluss
beigeordneten Rechtsanwalt
Leitsatz
1. Der „für die beabsichtigte Klage und den beabsichtigten Vergleich“ beigeordnete
Rechtsanwalt erhält aus der Landeskasse die Verfahrensgebühr (VV 3100, 3101), die
Terminsgebühr (VV 3104 mit Vorbem. 3 Abs. 3) und die Einigungsgebühr (VV 1003), soweit
diese Gebühren entstanden sind.
2. Durch die Fertigung des lediglich im PKH-Antragsverfahren eingereichten Klageentwurfs
entsteht die verminderte Verfahrensgebühr VV 3101, soweit Prozesskostenhilfe für die
beabsichtigte Klage bewilligt wird.
3. Wird in dem - hier vom Beschwerdegericht - anberaumten Erörterungstermin nach § 118
Abs. 1 Satz 3 ZPO nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe „für die beabsichtigte Klage und
den beabsichtigten Vergleich“ ein Vergleich protokolliert, so erhält der beigeordnete Anwalt
die Terminsgebühr nach VV 3104, Vorbem. 3 Abs. 3.
4. In diesem Fall ist nur die verminderte Einigungsgebühr nach VV 1003 entstanden.
Tenor
In Änderung des angefochtenen Beschlusses werden als dem
Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin aus der Landeskasse zu zahlende
Gebühren und Auslagen über die bereits festgesetzten Beträge hinaus weitere 294,29
Euro festgesetzt.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
Das gemäß §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 1, 3 RVG zulässige, insbesondere
fristgerecht eingelegte Rechtsmittel ist zum Teil begründet. Dem Beschwerdeführer
stehen aufgrund seiner Beiordnung als Verfahrensbevollmächtigter der Antragstellerin
des Ausgangsverfahrens 23 O 366/05 Landgericht Berlin Gebühren und Auslagen in
Höhe von insgesamt 1.383,88 Euro zu. Abzüglich der im Festsetzungsbescheid vom 17.
Juli 2006 festgesetzten 1.066,39 Euro und der im angefochtenen Beschluss vom 28.
März 2007 weiter festgesetzten 23,20 Euro verbleibt der noch festzusetzende Betrag
von 294,29 Euro. Im Einzelnen gilt Folgendes:
1. Zu Recht hat das Landgericht eine Verfahrensgebühr von - lediglich - 0,8 nach RVG
VV 3100, 3101 Nr. 1 berechnet. Die PKH-Bewilligung und Beiordnung für die
beabsichtigte Klage erfasst die Verfahrensgebühr für das Klageverfahren, die
mangels Einreichung der Klage zum Zwecke ihrer Zustellung jedoch als ermäßigte
Gebühr nach VV 3101 entstanden ist. Der Prozessauftrag für den im PKH-Verfahren
gefertigten Klageentwurf stand zunächst zwar unter der Bedingung, dass
Prozesskostenhilfe für diese Klage bewilligt würde. Diese Bedingung ist aber
eingetreten. Damit ist die Gebühr erwachsen.
2. Ebenfalls zu Recht hat das Landgericht - lediglich - eine 1,0 Einigungsgebühr nach
VV 1003 angesetzt. Zwar war das Streitverfahren mangels Einreichung der Klage
noch nicht anhängig (siehe oben). Noch anhängig im Sinne der Anmerkung zu VV
1003 war aber das Verfahren über die Prozesskostenhilfe. Denn es kann keinen
Unterschied machen, dass bei Abschluss des Vergleichs Prozesskostenhilfe für die
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Unterschied machen, dass bei Abschluss des Vergleichs Prozesskostenhilfe für die
beabsichtigte Klage und den beabsichtigten Vergleich bereits bewilligt und damit das
gerichtliche PKH-Verfahren beendet war. Entscheidend ist, dass der anwaltliche
Auftrag hinsichtlich des anhängig gemachten Streitgegenstands bei Abschluss des
Vergleichs noch nicht beendet war, sondern diesen gerade mit umfasste. Daraus
folgt auch, dass die Ausnahme zu VV 1003 - dass lediglich Prozesskostenhilfe für die
gerichtliche Protokollierung beantragt war - nicht vorliegt. Denn Prozesskostenhilfe
ist hier für den Streitgegenstand selbst beantragt worden (vgl. Gerold/Schmidt/von
Eicken, RVG 17. Aufl., VV 1003, 1004 Rdnr. 7).
3. Soweit das Landgericht neben diesen Gebühren eine weitere 0,5-Verfahrensgebühr
nach VV 3337 oder VV 3500 - mit einer weiteren Postentgeltpauschale nach VV
7002 - angesetzt hat, die von der PKH-Bewilligung für den beabsichtigten Vergleich
umfasst seien, vermag der Senat dem nicht zu folgen.
a) Durch seine Tätigkeit im PKH-Antrags- und -beschwerdeverfahren sind Rechtsanwalt
S. allerdings die Gebühren nach RVG VV 3335, 3500 und 3513 entstanden. Die PKH-
Bewilligung bezieht sich jedoch nicht auf diese Verfahren. Das ergibt sich auch nicht
daraus, dass Prozesskostenhilfe mit Wirkung vom 6. Oktober 2005 gewährt wurde,
also seit dem Tag des Eingangs des Antrags auf Prozesskostenhilfe. Denn an
diesem Tag wurde auch ein Klageentwurf eingereicht, so dass die Beiordnung „für
die beabsichtigte Klage“ eine bereits zu diesem Zeitpunkt entfaltete Tätigkeit des
Rechtsanwalts erfasste.
b) Das Landgericht verweist darauf, dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den
Abschluss eines Vergleichs im PKH-Verfahren notwendig eine Gebühr des Anwalts
für das Betreiben des Geschäfts einschließe (vgl. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe a.a.O.
VV 3335 Rdnr. 29; Senat, MDR 1988, 787 = JurBüro 1988 1168; Senat MDR 1991,
263 = Anw.Bl. 1991, 543; KG - 19. ZS -, KG-Report 1996, 274; a. A. BGH NJW 2004,
2595). Das trifft zwar zu, führt in der vorliegenden Fallgestaltung aber nicht zum
Ansatz einer weiteren Verfahrensgebühr:
(1) Die vorstehend zitierten Entscheidungen betreffen den Fall, dass die Bewilligung der
Prozesskostenhilfe ausdrücklich auf den Abschluss eines Vergleichs über nicht
rechtshängige Ansprüche beschränkt war. Die Gebühr des Rechtsanwalts für das
Betreiben des Geschäfts kann in diesem Fall nur aus seiner Mitwirkung im PKH-
Verfahren (RVG VV 3335; BRAGO § 51) hergeleitet werden, wobei allerdings nach
Stellung des PKH-Antrags für eine Ermäßigung nach VV 3337 kein Raum sein dürfte
(vgl. Müller-Rabe a.a.O. Rdnr. 45). Hier wurde Prozesskostenhilfe aber auch für die
beabsichtigte Klage bewilligt, wodurch zugleich die Verfahrensgebühr nach VV 3101
entstanden ist (siehe oben). Diese Gebühr entsteht nach § 15 Abs. 2 RVG nicht
zusätzlich zu der im PKH-Verfahren entstandenen Verfahrensgebühr VV 3335, da
es sich im ersten Rechtszug um dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 16 Nr. 2
RVG handelt und eine Zusammenrechnung der Werte nicht stattfindet, Anm. (2) zu
VV 3335.
(2) Die im PKH-Beschwerdeverfahren entstandenen Gebühren sind von der PKH-
Bewilligung nicht umfasst. Das gilt nach Auffassung des Landgerichts jedenfalls für
die Terminsgebühr nach VV 3513, nicht anders aber auch für die Verfahrensgebühr
nach VV 3500. Soweit für den Fall der Beiordnung für einen Vergleichsschluss im
Beschwerdeverfahren (siehe etwa Gerold/Schmidt/von Eicken, BRAGO 15. Aufl.,
Rdnr. 8 vor § 121 und § 122 Rdnr. 71) vertreten wird, dass diese Bewilligung
ebenfalls die zwangsläufig für das Betreiben des Geschäfts entstehende
Verfahrensgebühr des Anwalts umfasse, gelten die vorstehenden Erwägungen zu
(1). Wird - wie hier - Prozesskostenhilfe ausdrücklich auch für die beabsichtigte
Klage, also gerade für das zu betreibende Geschäft bewilligt und erstreckt sie sich
damit bereits auf die Verfahrensgebühr nach VV 3101, so liegt der Fall nicht anders
als bei der Bewilligung für den Abschluss eines Vergleichs über bereits
rechtshängige Ansprüche: Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe bezieht dann
auch auf die für diese entstandene Verfahrensgebühr (Senat, MDR 1988, 787 und
MDR 1991, 263; siehe dazu von Eicken a.a.O. § 122 Rdnr. 71), nicht aber daneben
auch auf die Verfahrensgebühr für das Beschwerdeverfahren. Denn diese Gebühr
musste keineswegs notwendig - zusätzlich neben der Gebühr VV 3101 - durch den
Abschluss des Vergleichs entstehen. Mit der Bewilligung der Prozesskostenhilfe für
die beabsichtigte Klage war hier das Beschwerdeziel erreicht, wozu es einer
förmlichen Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung nicht bedurfte. Beim
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förmlichen Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung nicht bedurfte. Beim
Abschluss des Vergleichs ist Rechtsanwalt S. dann nicht mehr zur Beendigung des
Beschwerdeverfahrens tätig geworden, sondern im Hinblick auf das sonst
einzuleitende Streitverfahren, für das Prozesskostenhilfe bewilligt war.
4. Hingegen ist eine Terminsgebühr nach VV 3104 entstanden und auch von der
Bewilligung der Prozesskostenhilfe umfasst.
a) Der Terminsgebühr nach VV Nr. 3104 steht nicht entgegen, dass dem Rechtsanwalt
vor seiner Beiordnung bereits eine Terminsgebühr im PKH-Beschwerdeverfahren
nach VV 3513 erwachsen ist, die von der PKH-Bewilligung nicht umfasst ist (siehe
oben). Die im Termin getroffene Entscheidung des Beschwerdegerichts,
Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Klage und den beabsichtigten Vergleich zu
bewilligen und Rechtsanwalt S. beizuordnen, stellte eine Zäsur für die
gebührenrechtliche Bewertung dar. Der Termin wurde „nunmehr“ fortgesetzt durch
die Protokollierung des Vergleichs. Dabei spielt es keine Rolle, dass der Rechtsstreit
- als streitiges Verfahren - noch nicht anhängig war und die Protokollierung des
Vergleichs daher gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO erfolgte (vgl. § 794 Abs. 1 Nr.
ZPO). Entscheidend ist, dass in dem Termin im Anschluss an die Bewilligung der
Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Klage eine auf die Vermeidung des
streitigen Verfahrens gerichtete Besprechung stattgefunden hat, womit die
Voraussetzungen der Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG erfüllt sind (vgl. BGH MDR
2007, 863 = Rpfleger 2007, 430).
b) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe umfasste ohne Weiteres auch die mit dem
Abschluss des Vergleichs notwendig verbundene Besprechung. Das folgt bereits
daraus, dass die Bewilligung und Beiordnung hier nicht auf den Abschluss des
Vergleichs beschränkt wurde, sondern auch für die beabsichtigte Klage, also das
durch den Vergleich zu vermeidende Streitverfahren erfolgte. Es kommt daher nicht
darauf an, ob an den Grundsätzen der zitierten Rechtsprechung (vgl. MDR 1991,
263, KG-Report 1996, 274), wonach die auf den Vergleichsabschluss beschränkte
Beiordnung die Erörterungsgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO nicht umfasst, weil
eine Erörterung mit dem Abschluss des Vergleichs nicht zwangsläufig verbunden ist,
für die umfassend geregelte Terminsgebühr nach RVG VV 3104, Vorbemerkung 3
Abs. 3 festzuhalten ist.
c) Der Entstehung der Terminsgebühr steht auch nicht die Anm. (3) zu VV Nr. 3104
entgegen. Es ist nicht lediglich beantragt worden, eine Einigung der Parteien über
nicht rechtshängige Ansprüche zu Protokoll zu nehmen. Der Protokollierung ging
vielmehr eine Erörterung der Sach- und Rechtslage voraus, die dazu führte, dass die
Parteien sich verglichen haben.
Allerdings fand diese Erörterung im Rahmen des Beschwerdeverfahrens 11 W 11/05 KG
statt. Für die dabei entstandene Terminsgebühr nach VV 3513 ist - wie ausgeführt wurde
- keine Prozesskostenhilfe bewilligt worden. Das schließt es aber nicht aus, die
Bewilligung der Prozesskostenhilfe auf die in diesem Termin erfolgte Besprechung der
Parteien zu beziehen. Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob nach dem
Gerichtsbeschluss, in dem die Bewilligung erfolgte, noch eine Erörterung des zu
protokollierenden Vergleichs erfolgte, was sich mangels eines entsprechenden
Protokollvermerks nicht feststellen lässt, durch die Darstellung von Rechtsanwalt K. im
Schreiben vom 15. August 2006 aber immerhin glaubhaft gemacht ist. Denn die PKH-
Bewilligung sollte rückwirkend - sogar ab 6. Oktober 2005 - gelten und sich auf die
„beabsichtigte Klage“ erstrecken. Sie erfasste mithin die gesamte auf die Vermeidung
des Rechtsstreits gerichtete Besprechung der Rechtsanwälte unabhängig davon, ob der
Wortlaut des Vergleichs vor Verkündung des Gerichtsbeschlusses bereits vollständig
ausgehandelt war oder Einzelheiten noch erörtert werden mussten. Die Bewilligung der
Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren - nachdem das Beschwerdegericht die
Erfolgsaussicht in der Sache bejaht hatte - eröffnete der Antragstellerin den nötigen
Entscheidungsspielraum, ob sie den beabsichtigten Vergleich schließen oder die Klage
einreichen würde. Die daraufhin zu Protokoll des Gerichts erklärte Einigung der Parteien
erfüllte die Voraussetzungen der Terminsgebühr nach VV 3104, Vorbemerkung 3 Abs. 3.
6. Nach alledem errechnen sich die Vergütungsansprüche des
Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gegen die Landeskasse wie folgt:
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7. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, außergerichtliche Kosten werden
nicht erstattet, § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.
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