Urteil des KG Berlin vom 13.03.2017
KG Berlin: einzelrichter, aufrechterhaltung der ordnung, voreingenommenheit, befangenheit, androhung, willkür, meinung, vertagung, protokollierung, vertreter
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Gericht:
KG Berlin 21.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
21 U 4/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 42 ZPO, § 45 Abs 1 ZPO, § 526
ZPO, § 527 ZPO
Richterablehnung: Entscheidungszuständigkeit über ein
Ablehnungsgesuch gegen einen Einzelrichter am OLG;
Freundschaft zwischen dem Richter und einem
Prozessbevollmächtigten sowie saloppe Formulierungen als
Ablehnungsgründe
Leitsatz
1. Für die Entscheidung über das gegen einen Einzelrichter am OLG gerichtete
Ablehnungsgesuch ist der Senat in voller Besetzung zuständig.
2. Eine Freundschaft zwischen dem Prozessbevollmächtigten einer Partei und dem
abgelehnten Richter ist kein Grund, eine Voreingenommenheit anzunehmen. Sie ist lediglich
im Rahmen der Gesamtwertung der zur Begründung des Ablehnungsgesuchs vorgebrachten
Umstände zu berücksichtigen.
3. Eine Voreingenommenheit des abgelehnten Richters kann nicht allein daraus entnommen
werden, dass er sich in einer angespannten Verhandlungssituation einer saloppen,
umgangssprachlichen Fomulierung bedient.
Tenor
Das gegen den Richter ... gerichtete Ablehnungsgesuch der Beklagten vom 27. Januar
2006 wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Beklagte hat im Termin zur mündlichen Verhandlung am 27. Januar 2006 den nach §
526 ZPO als Einzelrichter mit dem Rechtsstreit befassten Richter ... als befangen
abgelehnt. Sie hat das Ablehnungsgesuch mit Schriftsatz vom 30. Januar 2006
begründet. Wegen der Einzelheiten wird auf den genannten Schriftsatz verwiesen (Bl.
249 - 256 d. A.). Der Richter ... hat unter dem 3. Februar 2006 eine dienstliche Äußerung
abgegeben, wegen deren Einzelheiten auf Bl. 257 d. A. verwiesen wird. Beide Parteien
hatten Gelegenheit, zum Vorgang Stellung zu nehmen. Wegen des Vorbringens im
Einzelnen wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 24. Februar 2006 (Bl. 281 - 283)
und vom 6. März 2006 (Bl. 287 - 293 d. A.) sowie auf den Schriftsatz des Klägers vom
21. Februar 2006 (Bl. 260 - 280 d. A.) verwiesen.
II.
Das Ablehnungsgesuch ist unbegründet.
1. Für die Entscheidung ist der Senat unter Hinzuziehung des nach dem
Geschäftsverteilungsplans des Kammergerichts zuständigen Vertreters und nicht die
nach der senatsinternen Geschäftsverteilung zuständige Vertreterin des abgelehnten
Richters als Einzelrichterin zuständig.
a) Nach § 122 GVG entscheiden die Senate der Oberlandesgerichte - soweit nicht nach
den Vorschriften der Prozessgesetze an Stelle des Senats der Einzelrichter zu
entscheiden hat - in der Besetzung von drei Mitgliedern einschließlich des Vorsitzenden.
Für die Entscheidung über ein gegen den Einzelrichter gerichtetes Ablehnungsgesuch ist
nach der ZPO eine Einzelrichterzuständigkeit nicht begründet.
Bis zum Inkrafttreten des Zivilprozessreformgesetzes (ZPO-RG) zum 1. Januar 2002
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Bis zum Inkrafttreten des Zivilprozessreformgesetzes (ZPO-RG) zum 1. Januar 2002
entsprach es gefestigter, von der Literatur ganz überwiegend gebilligter Rechtsprechung,
dass im Fall der Ablehnung eines einem Kollegialgericht (Kammer, Senat) angehörenden
Einzelrichters der Spruchkörper in voller Besetzung ohne Mitwirkung des abgelehnten
Richters zur Entscheidung über das Ablehnungsgesuch berufen ist (vgl.
Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 64. Aufl., § 45 Rz 4 m.w.N. und die
Nachweise in der Entscheidung OLG Oldenburg NJW-RR 2005, 1660). Nach dem
Inkrafttreten des ZPO-Reformgesetzes wird die Frage in der obergerichtlichen
Rechtsprechung dagegen unterschiedlich beurteilt. Die im Vordringen begriffene Ansicht
geht dahin, dass im Fall der Ablehnung eines einem Spruchkörper angehörenden
Einzelrichters dessen regelmäßiger Vertreter zu entscheiden hat, wobei Ansatzpunkt der
Argumentation die Einführung des originären Einzelrichter nach § 348 ZPO n. F. ist (OLG
Karlsruhe OLGR 2003, 523 und 2004, 490; KG - 15. ZS - NJW 2004, 2104 f; OLG
Naumburg MDR 2005, 1245 f; OLG Oldenburg - 15. ZS - NJW-RR 2005, 931; OLG
Naumburg OLGR 2005, 789 ff; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 18. November 2005 - 3
W 220/05). Der Senat schließt sich jedenfalls für die Entscheidung über ein
Ablehnungsgesuch, das sich gegen den gemäß §§ 526, 527 Abs. 4 ZPO obligatorischen
Einzelrichter am Oberlandesgericht richtet, der bisher herrschenden Ansicht an, die trotz
der Einführung des originären Einzelrichters und der Neufassung von § 45 ZPO durch das
ZPO-RG weiterhin Geltung beanspruchen kann (vgl. OLG Frankfurt OLGR 2004, 271 f;
OLG Schleswig OLGR 2005, 10 f; OLG Oldenburg - 14. ZS - NJW-RR 2005, 1660; OLG Köln
OLGR 2005, 481 ff; OLG Oldenburg - 15. ZS - OLGR 2005, 82 für den Fall des
obligatorischen Einzelrichters).
Nach § 45 ZPO n. F. entscheidet über das Ablehnungsgesuch das Gericht, dem der
Abgelehnte angehört, ohne dessen Mitwirkung. Der Wortlaut des § 45 Abs. 1 ZPO n. F.
entspricht - bis auf den Zusatz „ohne dessen Mitwirkung“ - demjenigen des § 45 Abs. 1
Halbsatz 1 ZPO a. F. In der Einzelbegründung zum Entwurf des ZPO-RG der
Bundesregierung vom 24. November 2000 (BT-Drucksache 14/4722) wird unter Nr. 4 (§
45) zu der Änderung ausgeführt, dass mit ihr entsprechend der bisherigen
Rechtsprechung eine Klarstellung und außerdem die Angleichung an § 27 Abs. 1 StPO
bewirkt werden soll. Anhaltspunkte, dass nach dem Willen des Gesetzgebers in
Abweichung zur bisher herrschenden Meinung inhaltliche Änderungen zur Zuständigkeit
bezweckt waren, bestehen nicht (vgl. auch OLG Oldenburg, NJW-RR 2005 a.a.O. und OLG
Schleswig OLGR 2005 a.a.O.). Die von der bisherigen Rechtslage nach § 45 Abs. 2 ZPO a.
F. abweichende Bestimmung der Zuständigkeit zur Entscheidung über die Ablehnung
eines Amtsrichters in § 45 Abs. 2 ZPO n. F. dient ausweislich der Einzelbegründung zum
Regierungsentwurf der Beschleunigung und Vereinfachung des Verfahrens. Beide
Gesichtspunkte lassen sich auf den Fall der Ablehnung des einem Spruchkörper
angehörenden Einzelrichters nicht ohne weiteres übertragen. Denn Aktenversendung
und die Befassung eines im Instanzenzug übergeordneten Gerichts entfallen (vgl. zur
Beschleunigung auch OLG Schleswig OLGR 2005 a.a.O.). Ferner dient ausweislich der
Einzelbegründung zum Regierungsentwurf auch die Neufassung von § 45 Abs. 2 ZPO der
Angleichung an die einschlägige Regelung in der StPO. Der zweifache Hinweis auf eine
Angleichung an die nach § 27 StPO geltende Rechtslage stützt die Annahme, der
Reformgesetzgeber habe mit der Neufassung des § 45 Abs. 1 ZPO keine Abkehr von der
bisher herrschenden Meinung bezweckt, unter einem weiteren Gesichtspunkt. Denn
nach § 27 Abs. 2 StPO, § 76 Abs. 1 Satz 2 GVG entscheidet über das gegen ein
richterliches Mitglied der Strafkammer gerichtetes Ablehnungsgesuch die Strafkammer
ohne Mitwirkung der Schöffen.
Der Wortlaut des § 45 Abs. 1 ZPO n. F. spricht ebenfalls für die bisher herrschende
Meinung. Das Wort „Gericht“ bezeichnet im vorliegenden Zusammenhang, in dem es
um die Regelung der Zuständigkeit geht, nicht nur das Land- bzw. Oberlandesgericht im
Sinne der Gliederung der ordentlichen Gerichtsbarkeit gemäß § 12 GVG (so KG 15. ZS
NJW 2004 a.a.O.). Denn Land- und Oberlandesgerichte entscheiden nicht als solche,
sondern durch Kammern und Senate als Spruchkörper, denen die Richter auch in ihrer
Funktion als originärer bzw. obligatorischer Einzelrichter zugeordnet sind (vgl. OLG
Schleswig OLGR 2005 a.a.O.). Demgemäß heißt es in § 348 ZPO n. F., dass in den dort
genannten Fällen die Zivilkammer durch eines ihrer Mitglieder als Einzelrichter
entscheidet. Anhaltspunkte, dass der Gesetzgeber diesen Punkt im Laufe des
Gesetzgebungsverfahrens anders gesehen hätte, bestehen nicht (vgl. insbesondere die
Einzelbegründung zum Regierungsentwurf unter Nr. 54 (§§ 348, 348 a); vgl. auch OLG
Schleswig a.a.O.). Für die Oberlandesgerichte, die gemäß §§ 526, 527 ZPO n. F. eine
originäre Einzelrichterzuständigkeit nicht kennen, kommt dieser Grundsatz bereits in der
Formulierung des § 122 GVG deutlich zum Ausdruck. Demgemäß enthält § 45 Abs. 1
ZPO n. F. nicht nur eine Regelung der sachlichen Zuständigkeit des zur Entscheidung
berufenen Gerichts der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Vielmehr stellt die Vorschrift eine
die grundsätzliche Zuständigkeit des Einzelrichters für sämtliche Nebenverfahren
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die grundsätzliche Zuständigkeit des Einzelrichters für sämtliche Nebenverfahren
einschränkende Sonderregelung für die Zuständigkeit bei der Entscheidung über
Ablehnungsgesuche gegen den Einzelrichter dar (so auch OLG Schleswig OLGR 2005
a.a.O.).
b) Der Senat hat unter Heranziehung des nach dem Geschäftsverteilungsplan des
Kammergerichts zuständigen Vertreters zu entscheiden. Denn das weitere Mitglied des
Senats ... ist gemäß § 41 Ziffer 6 ZPO von der Ausübung des Richteramts
ausgeschlossen, weil er der erkennende Einzelrichter in der Vorinstanz war. Aus diesem
Grund ist er auch von der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch ausgeschlossen;
der nur noch aus dem Vorsitzenden und einer Beisitzerin bestehende Senat ist um den
geschäftsplanmäßigen Vertreter zu ergänzen (vgl. zum Vorstehenden BGH-Report 2001,
432 f).
2. Nach § 42 Abs. 1 ZPO kann ein Richter in den Fällen, in denen er kraft Gesetzes von
der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossen ist, und wegen Besorgnis der
Befangenheit abgelehnt werden. Gemäß § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung wegen
Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die
Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Rein subjektive Vorstellungen sind dabei
nicht maßgeblich. Es muss sich vielmehr um einen objektiven Grund handeln, der vom
Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtungsweise die Befürchtung
wecken kann, der Richter stehe seiner Sache nicht unvoreingenommen gegenüber (zum
Vorstehenden: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, a.a.O., § 42 Rz 10; Zöller, ZPO,
25. Aufl., § 42 Rz 9, jeweils m. w. N.). Solche Gründe hat die Beklagte nicht vorgebracht.
a) Die Beklagte stützt die Ablehnung zunächst auf eine persönliche Beziehung zwischen
dem abgelehnten Richter und dem Prozessbevollmächtigten des Klägers. Sie trägt vor,
die Beziehung gehe über die zu Beginn der mündlichen Verhandlung offenbarte Tätigkeit
des abgelehnten Richters bei dem gegnerischen Prozessbevollmächtigten im Rahmen
der Jahre zurückliegenden Ausbildung hinaus. Dies entnimmt sie einer Übergabe eines
Schnellhefters durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers an den abgelehnten
Richter vor Beginn der mündlichen Verhandlung, die mit den Worten „Ich habe dir etwas
mitgebracht“ erfolgt sei, woraufhin der abgelehnte Richter geäußert habe „Ich danke
dir“.
Selbst eine über die persönliche Bekanntschaft hinausgehende Freundschaft zwischen
dem abgelehnten Richter und dem gegnerischen Prozessbevollmächtigten rechtfertigt
indessen nicht die Besorgnis der Befangenheit (vgl. dazu Zöller, a.a.O., § 42 Rz 13;
Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, a.a.O., § 42 Rz 22, jeweils m. w. N.). Vielmehr
muss die besondere Beziehung in dem Verfahren derart in Erscheinung getreten sein,
dass die ablehnende Partei den Eindruck haben muss, der Richter trenne sein
persönliches Verhältnis nicht ausreichend vom Prozessgeschehen (OLG Hamburg, MDR
2003, 287 m. w. N.). Aus der Sicht einer besonnen und vernünftig wertenden Partei ist
dies dann der Fall, wenn sie berechtigterweise den Eindruck haben kann, das Verhalten
und/oder die Verfahrensweise des Richters beruhe auf Voreingenommenheit oder auf
Willkür (siehe dazu die folgenden Ausführungen zu b) und c)). Eine freundschaftliche
Beziehung ist im Rahmen der bei Entscheidung über das Ablehnungsgesuch
erforderlichen Gesamtwertung (vgl. dazu Zöller, a.a.O., § 42 Rz 9 m.w.N.) zu
berücksichtigen und mag im Einzelfall den Ausschlag geben, an der
Unvoreingenommenheit eines Richters zu zweifeln, mit der Folge, dass das
Ablehnungsgesuch als begründet anzusehen ist (vgl. dazu Zöller, a.a.O., § 42 Rz 10
m.w.N.).
Vorliegend konnte die Beklagte jedoch nicht von einer freundschaftlichen Beziehung
ausgehen. Die Verwendung der vertraulichen Anrede in der zweiten Person singular
rechtfertigt angesichts des offenbarten früheren Kontakts zwischen dem abgelehnten
Richter und dem Prozessbevollmächtigten des Klägers bei vernünftiger und besonnener
Betrachtung nicht die Annahme einer freundschaftlichen Beziehung. Es bedarf daher
keiner Klärung der streitigen Frage, ob sich der abgelehnte Richter und der
Prozessbevollmächtigte des Klägers der vertraulichen Anrede tatsächlich bedienten.
b) Was den Verlauf der Sitzung anbelangt, stützt sich die Beklagte zur Begründung des
Ablehnungsgesuchs auf die vom abgelehnten Richter geäußerten Rechtsansichten und
die darauf gestützten Vergleichsverhandlungen mit den Parteien. Ferner beanstandet
sie, dass der abgelehnte Richter im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung eine Erklärung
zur Urheberschaft des handschriftlichen Zusatzes „verschrottet“ auf der Anlage K 1
habe protokollieren wollen, obwohl unstreitig sei, dass dieser Zusatz von ihrem
Geschäftsführer stamme.
Die Äußerung einer Rechtsauffassung, die die Partei für unrichtig hält, und/oder die
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Die Äußerung einer Rechtsauffassung, die die Partei für unrichtig hält, und/oder die
Verfahrensweise des Richters rechtfertigen indessen nur dann die Besorgnis der
Befangenheit, wenn sie auf einer unsachlichen Einstellung oder auf Willkür beruhen (BGH
NJW 2002, 2396 f; KG KGR 2000, 310 f; BayObLG MDR 1977, 851; Zöller, a.a.O., § 42 Rz
24 und 28 m. w. N.). Denn das Ablehnungsverfahren dient nicht der Fehlerkontrolle
(Zöller, a.a.O., § 42 Rz 28; KG KGR 2000, 310 f). Eine besonnen und vernünftig wertende
Partei kann von einer Voreingenommenheit demnach nicht allein deshalb ausgehen, weil
der Richter die von ihr vorgetragenen Tatsachen anders bewertet und auch ihrer
rechtlichen Argumentation nicht folgt. Nichts anderes lässt sich dem Vortrag der
Beklagten zu diesem Punkt entnehmen, wenn sie entscheidend darauf abstellt, dass -
anders als der abgelehnte Richter dies gesehen habe - „Garnicht-Leistung Thema dieses
Prozesses“ sei und die Anlage K 1 zu diesem Punkt nicht aussagekräftig sei. Selbst wenn
- ausgehend vom Vortrag der Beklagten - die Urheberschaft des handschriftlichen
Zusatzes auf der Anlage K 1 unstreitig sein sollte, rechtfertigt ein Bemühen um eine in
diesem Fall allenfalls überflüssige Protokollierung dieser Tatsache ebenfalls nicht die
Besorgnis der Befangenheit.
c) Die Beklagte stützt ihr Ablehnungsgesuch des Weiteren auf eine negative Einstellung
ihr gegenüber, die sich im Verhalten des abgelehnten Richters während der mündlichen
Verhandlung gezeigt habe. Im Kern rügt sie in diesem Zusammenhang, dass der
abgelehnte Richter - obwohl der Prozessbevollmächtigte des Klägers sich ungebührlich
verhalten habe - die Androhung, die Sitzung zu schließen und einen neuen Termin
anzuberaumen, permanent an sie gerichtet habe, und dass der abgelehnte Richter auf
sie einen unangemessenen Druck ausgeübt habe, den Rechtsstreit vergleichsweise zu
beenden, obwohl sie - anders als der Kläger - ihre Vergleichsbereitschaft bereits
signalisiert gehabt habe.
Der abgelehnte Richter hat in seiner dienstlichen Äußerung u. a. ausgeführt:
„... Sodann habe ich meine Sicht der Rechtslage geschildert und angeregt, im Hinblick
auf ein noch nicht sicheres Ergebnis der Höhe nach sich vergleichsweise zu einigen.
Im folgenden, teilweise von beiden Anwälten erregt geführten Gespräch zeigte sich, dass
eine Einigung nicht möglich zu sein schien. ...“
Die Beklagte ist der Darstellung in der dienstlichen Äußerung insoweit nicht
entgegengetreten. Dass die mündliche Verhandlung von Spannungen und Erregung auf
Seiten der Prozessbevollmächtigten geprägt war, wird durch die Stellungnahme des
Klägers bestätigt. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Androhung, die Sitzung zu
schließen, nicht als willkürlich oder auf einer Voreingenommenheit gegenüber der
Beklagten beruhend dar. Auf die obigen Ausführungen zur Verfahrensweise eines
Richters wird verwiesen. Selbst wenn die Androhung gemäß dem Vortrag der Beklagten
konkret vom Verhalten des gegnerischen Prozessbevollmächtigten veranlasst war und
selbst wenn der abgelehnte Richter bei der Äußerung die Beklagtenseite angesehen
haben sollte, gilt nichts anderes. In einer von beiden Seiten erregt geführten Diskussion,
die zu entgleisen droht, kann eine Partei bei vernünftiger Betrachtung nicht von einer
Voreingenommenheit des Richters ausgehen, der bei Maßnahmen zur Aufrechterhaltung
der Ordnung seine Blickrichtung nicht an dem letzten Veranlasser der Maßnahme
ausrichtet. Angesichts der angespannten Verhandlungssituation folgt eine Besorgnis der
Befangenheit auch nicht daraus, dass der abgelehnte Richter seine Androhung ggf. laut
vortrug (vgl. dazu KG KGR 2000 a.a.O.). Die Beklagte kann eine Besorgnis der
Befangenheit schließlich nicht daraus herleiten, dass der abgelehnte Richter es
unterlassen habe, den gegnerischen Prozessbevollmächtigten zu einem angemessenen
Verhalten anzuhalten. Von der Androhung der Vertagung waren beide Parteien
gleichermaßen betroffen. Die Annahme einer auf Willkür oder Voreingenommenheit
beruhenden Maßnahme scheidet demgemäß aus.
Gleiches gilt, soweit die Beklagte rügt, dass der abgelehnte Richter ihren Antrag auf
Protokollierung des Verhaltens des gegnerischen Prozessbevollmächtigten nicht in das
Protokoll aufgenommen und dessen etwaige Ablehnung nicht protokolliert habe. Eine
besonnen und vernünftig wertende Partei kann nicht allein deshalb annehmen, der
Richter stehe ihr voreingenommen gegenüber, weil ihre Anträge nicht positiv beschieden
werden.
Eine auf Willkür oder Voreingenommenheit beruhende Verfahrensweise im Rahmen des
Vergleichsgesprächs lässt sich dem Vorbringen der Beklagten ebenfalls nicht
entnehmen. Soweit sich die Beklagte auf die rechtliche und tatsächliche Argumentation
stützt, wird auf die vorstehenden Ausführungen zu b) verwiesen. Die von der Beklagten
behauptete und in Wortwahl sowie Ton beanstandete Äußerung des abgelehnten
Richters: „Sie werden sowieso fressen müssen, was ich entscheide. Und dann bleiben
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Richters: „Sie werden sowieso fressen müssen, was ich entscheide. Und dann bleiben
Sie auf allem sitzen.“ begründet nicht die Besorgnis der Befangenheit. Selbst wenn der
Vorgang sich in der von der Beklagten dargestellten Weise abgespielt haben sollte, kann
eine vernünftig und besonnen wertende Partei daraus nicht entnehmen, der Richter
stehe ihrem Anliegen voreingenommen gegenüber. Die Äußerung beruht inhaltlich
weder auf Willkür noch auf einer unsachlichen Einstellung. Die behauptete
Ausdrucksweise und Stimmstärke mögen in einer ruhigen Verhandlungssituation die
Annahme einer Voreingenommenheit rechtfertigen. Dies ist jedoch anders, wenn die
Verhandlungsatmosphäre derart angespannt ist, dass die Androhung einer Vertagung
notwendig wird. In diesem Fall kann die Partei bei vernünftiger Betrachtung nicht schon
dann von Voreingenommenheit ausgehen, wenn sich der Richter von der Situation nicht
vollständig abgrenzen kann und sich mit erhobener Stimme einer saloppen
Formulierung bedient.
Die Annahme der Beklagten, das Fehlen eines Vergleichsangebots der Klägerseite habe
darauf beruht, dass man sich wegen der Bekanntschaft sicher gefühlt habe, ist reine
Spekulation und besagt zudem nichts über die Einstellung des abgelehnten Richters.
Die Annahme, der abgelehnte Richter habe sich mit der Sache nicht befassen wollen und
sich aufgrund der persönlichen Bekanntschaft vielmehr voll und ganz auf die Seite des
Klägers geschlagen, entbehrt angesichts des Vortrags der Beklagten zum Inhalt des
Rechtsgesprächs und der vorsorglichen Ladung einer Zeugin einer vernünftigen
Grundlage.
d) Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen rechtfertigt die
Gesamtwertung der von der Beklagten vorgetragenen Umstände bei ruhiger und
vernünftiger Betrachtung ebenfalls nicht die Besorgnis der Befangenheit. Dies gilt auch
unter Berücksichtigung der behaupteten Verwendung einer vertraulichen Anrede.
3. Gemäß § 574 Abs. 1 Ziffer 2 i. V. m. Abs. 2 Ziffer 1 ZPO ist die Rechtsbeschwerde
zum Bundesgerichtshof zuzulassen. Bei der Zuständigkeit für Entscheidungen über
Ablehnungsgesuche, die sich gegen das als Einzelrichter tätige Mitglied eines
Spruchkörpers richten, handelt es sich um eine klärungsbedürftige Rechtsfrage von
grundsätzlicher Bedeutung. Eine Entscheidung der nach Inkrafttreten des ZPO-RG
umstrittenen Frage durch den Bundesgerichtshof ist - soweit ersichtlich - bislang nicht
erfolgt.
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