Urteil des KG Berlin vom 31.01.2006
KG Berlin: vertreter, pflichtverteidiger, vergütung, gebühr, vertretung, link, quelle, behandlung, sammlung, genehmigung
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Gericht:
KG Berlin 3.
Strafsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 Ws 353/06
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 2 Abs 2 S 1 Anl 1 Nr 4100 RVG,
§ 2 Abs 2 S 1 Anl 1 Vorbem 4
RVG
Rechtsanwaltsvergütung: Gebühr des Terminsvertreters des
beigeordneten Pflichtverteidigers
Tenor
Auf die Beschwerde der Bezirksrevisorin des Landgerichts Berlin wird der
Beschluss des Landgerichts Berlin vom 31. Januar 2006 dahin abgeändert, dass er
lautet:
Die Erinnerung des Rechtsanwalts O S, ... Berlin, Mdamm .., gegen den
Gebührenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des
Landgerichts Berlin vom 26. Oktober 2005 wird, soweit nicht die Urkundsbeamtin sich
bereit erklärt hat, ihr abzuhelfen, zurückgewiesen.
Das Verfahren über die Erinnerung ist gebührenfrei; Kosten werden nicht
erstattet.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Kosten
werden nicht erstattet.
Gründe
Der am 8. April 2005 in dem erstinstanzlichen Verfahren vor dem Landgericht Berlin
dem damaligen Angeschuldigten als Pflichtverteidiger beigeordnete Rechtsanwalt B hat,
wie den - von keiner Seite in Frage gestellten - Feststellungen in dem angefochtenen
Beschluss zu entnehmen ist, geraume Zeit im Voraus das Gericht wissen lassen, dass
er an den ersten Hauptverhandlungstagen urlaubsbedingt verhindert sein und
stattdessen Rechtsanwalt S als Verteidiger des Angeklagten an der Hauptverhandlung
teilnehmen werde. Ausweislich der Sitzungsniederschrift erschien Rechtsanwalt S am
ersten Verhandlungstag "für Rechtsanwalt B" und wurde vom Vorsitzenden "für die
Dauer der Abwesenheit des Rechtsanwaltes B" dem Angeklagten gemäß § 140 Abs. 1
Nr. 1, 2 StPO zum Pflichtverteidiger bestellt. Entgegen der ursprünglichen Planung ist
Rechtsanwalt B auch an keinem der Fortsetzungstage mehr erschienen und hat
Rechtsanwalt S sämtliche Terminstage als Verteidiger wahrgenommen. Für den zweiten,
dritten und vierten Verhandlungstag – insgesamt hat sich die Verhandlung über fünf
Tage erstreckt - ist er in der Sitzungsniederschrift ausdrücklich als "in Vertretung von
Rechtsanwalt B" anwesend verzeichnet.
Mit seiner Gebührenrechnung vom 23. August 2005 über insgesamt 3.721,28 Euro hat
Rechtsanwalt S – wegen der Inhaftierung des Angeklagten durchweg mit Zuschlag -
außer den Terminsgebühren die Grundgebühr nach Nr. 4101 VV RVG, die
Verfahrensgebühr nach Nr. 4119 VV RVG und die Pauschale für Entgelte für Post- und
Telekommunikationsdienste nach Nr. 7002 VV RVG, jeweils mit anteiliger Umsatzsteuer
nach Nr. 7008 VV RVG, festzusetzen beantragt. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
des Landgerichts Berlin hat es unter Hinweis auf die Beiordnung des Rechtsanwalts S nur
für die Dauer der Abwesenheit des eigentlichen Pflichtverteidigers Rechtsanwalt B und
die schon zu Gunsten dieses Rechtsanwalts auf dessen Antrag erfolgte Festsetzung der
Grundgebühr, der Verfahrensgebühr und der Auslagenpauschale abgelehnt, auch dem
Rechtsanwalt S diese Gebühren auf seinen Antrag zuzusprechen, und die Festsetzung
auf die Terminsgebühren beschränkt. Insoweit hat sie in ihrem Beschluss vom 26.
Oktober 2005 die Festsetzung auf 2.930,16 Euro bemessen. Dabei hat sie auch eine
festzusetzen beantragte zusätzliche Gebühr nach Nr. 4122 VV RVG für
Hauptverhandlungsteilnahme an einem bestimmten Terminstag von mehr als fünf und
bis zu acht Stunden abgesetzt. Das hat sie inzwischen rückgängig gemacht, indem sie
im Wege der Abhilfe auf die Erinnerung des Rechtsanwalts S mit Beschluss vom 7.
Februar 2006 diesbezüglich weitere 206,48 Euro festgesetzt hat.
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In dem – ohne Abhilfe gebliebenen – die Absetzung der zusätzlich zu den
Terminsgebühren festzusetzen beantragten Gebühren betreffenden Angriffspunkt der
Erinnerung des Rechtsanwalts S ist dieser bei dem Landgericht Berlin durchgedrungen.
Es hat das Festsetzungsbegehren auch insoweit als berechtigt angesehen und mit dem
angefochtenen einzelrichterlichen Beschluss vom 31. Januar 2006 die Festsetzung um
den diesbezüglich verwehrt gebliebenen Betrag auf insgesamt 3.514,80 Euro erhöht.
Die dagegen fristgerecht erhobene Beschwerde der Bezirksrevisorin des Landgerichts
Berlin ist begründet. Sie führt zur Zurückführung der Festsetzung auf den von der
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Landgerichts anerkannten Betrag. Dem
Rechtsanwalt S stehen die über die Vergütung für die Terminsteilnahme hinaus geltend
gemachten Gebühren nicht zu; denn er hat aufgrund seiner "für die Dauer der
Abwesenheit des Rechtsanwaltes B" erfolgten Beiordnung in der – wiederholt in der
Sitzungsniederschrift ausdrücklich als solche benannten – besonderen Rolle als dessen
Vertreter amtiert und kann deshalb für die Terminswahrnehmung nicht mehr an
Vergütung erzielen, als in der Person des Rechtsanwalts B angefallen wäre, wenn dieser
selbst erschienen wäre, wobei es für diesen, nachdem er, Rechtsanwalt B, in eigener
Person die Gebühren für die vorgelagerte Tätigkeit schon verdient hatte, allein noch um
die Terminsgebühren ging.
Anerkanntermaßen kann sich der bestellte Verteidiger bei vorübergehender
Verhinderung mit Genehmigung des Gerichts durch einen anderen Rechtsanwalt
vertreten lassen und muss dem Gericht auch die Möglichkeit offen stehen, in solchem
vorübergehenden Verhinderungsfalle den Vertreter nur für den Zeitraum der
Abwesenheit des – verhinderten – bestellten Verteidigers beizuordnen (vgl.
Kammergericht, Beschlüsse vom 29. Juni 2005 – 5 Ws 164 /05 - NStZ-RR 2005, 327, 328
m. N. und vom 31. Oktober 2006 – 4 Ws 18/06 - ). Für den Vertreter hat diese
Verfahrensweise, um die es sich denn auch bei der hier erfolgten Beiordnung des
Rechtsanwalts S "für die Dauer der Abwesenheit des Rechtsanwaltes B" handelt, den
Vorteil, dass der Gebührenanspruch für seine Tätigkeit unmittelbar in seiner Person
entsteht. Dieser Anspruch kann aber nicht höher sein, als er wäre, wenn der -
vertretende - Rechtsanwalt ohne Beiordnung als Vertreter aufgetreten wäre; mithin
stehen ihm nur die Gebühren zu, die der - vertretene - Pflichtverteidiger geltend machen
könnte, wenn er die Tätigkeit selbst ausgeübt hätte (vgl. Kammergericht a. a. O.. Dabei
steht der Heranziehung des Beschlusses vom 29. Juni 2005 nicht entgegen, dass es dort
um den Fall der Vertretung des bestellten Nebenklägerbeistands ging; denn entgegen
der Ansicht des hiesigen Vergütungsantragstellers ist er in der hier in Rede stehenden
Frage gleichgelagert.). Die Sache anders zu behandeln (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom
23. März 2006, - 3 Ws 586/05 – Juris, referiert in RVGreport 2006, 230f.) würde der
Besonderheit der Vertretungssituation – wie sie jedenfalls hier vorlag – nicht gerecht.
Schließlich vermag auch der Umstand, dass die Abwesenheit des Rechtsanwalts B, für
deren Dauer der Rechtsanwalt S als Verteidiger beigeordnet worden ist, sich ersichtlich
länger als erwartet hingezogen hat, nichts an der gebührenrechtlichen Behandlung unter
dem Vertretungsaspekt zu ändern, wonach dem Vertreter Rechtsanwalt S nicht mehr
zusteht als nur, was Rechtsanwalt B bei Auftreten in eigener Person als Vergütung zu
beanspruchen gehabt hätte; denn an der Vertretungssituation als solcher hat sich durch
die über die ursprüngliche Erwartung hinausgehende Zeitspanne der Abwesenheit des
Rechtsanwalts B nichts Grundlegendes geändert.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.
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