Urteil des KG Berlin vom 27.09.2005

KG Berlin: internationale zuständigkeit, internet, werbung, erfolgsort, form, rechtsmissbrauch, dienstleistungsfreiheit, abrede, quelle, sammlung

1
2
3
4
5
Gericht:
KG Berlin 5. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 U 123/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 3 UWG, § 8 Abs 1 S 1 UWG, Art
5 Nr 3 EGV 44/2001
Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für Ansprüche
aus Wettbewerbsverletzungen im Internet-Auftritt eines
österreichischen Versandhändlers
Tenor
1. Die Berufung der Antragsgegner gegen das am 27. September 2005 verkündete
Urteil der Kammer für Handelssachen 102 des Landgerichts Berlin - 102 O 69/05 - wird
zurückgewiesen.
2. Die Antragsgegner haben die Kosten des Berufungsverfahrens je zur Hälfte zu tragen.
3. Der Wert des Berufungsverfahrens beträgt 18.000 €.
Gründe
A.
Die Berufung ist gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 ZPO aus den weiterhin
zutreffenden Gründen der Verfügung des Senats vom 11. August 2006 zurückzuweisen.
Der Senat hat darin ausgeführt:
"I.
Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
1. Entgegen dem Vorbringen der Antragsgegner ist im Streitfall eine internationale
Zuständigkeit deutscher Gerichte gegeben. Diese ergibt sich aus Art. 5 Nr. 3 EuGVO.
Danach kann eine Person, die ihren (Wohn-) Sitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaats
hat, in einem anderen Mitgliedsstaat verklagt werden, wenn Ansprüche aus einer
unerlaubten Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, und zwar vor dem Gericht
des Orts, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht.
a) Unter die Zuständigkeit des Gerichtsstands der unerlaubten Handlung nach
besagter Regelung fallen Klagen auf Grund unerlaubter Wettbewerbshandlungen. Der Ort
des schädigenden Ereignisses i.S. der Vorschrift ist neben dem Handlungsort auch der
Erfolgsort, d.h. der Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist. Bei
Wettbewerbsverletzungen im Internet ist der Erfolgsort im Inland belegen, wenn sich der
Internetauftritt bestimmungsgemäß dort auswirken soll. Die Zuständigkeit hängt
allerdings nicht davon ab, dass tatsächlich eine Verletzung des nationalen Rechts erfolgt
ist. Es reicht vielmehr aus, dass eine Verletzung behauptet wird und diese nicht von
vornherein ausgeschlossen ist (vgl. zu allem Vorstehenden BGH GRUR 2006, 513, 514 f.
- Arzneimittelwerbung im Internet [zu Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ]).
b) Der Ort des schädigenden Ereignisses liegt im Streitfall in Deutschland. Es handelt
sich um einen deutschsprachigen Internetauftritt der in Österreich ansässigen
Antragsgegnerin unter der - auf kein konkretes Land hindeutenden - Top-Level-Domain
"com". Der Auftritt führte zur Zeit der - vorgeworfenen - Verletzungen für den Vertrieb
der beworbenen Produkte einen virtuellen Warenkorb an (Anlage A 4), was auf einen
Versandhandel hinweist und damit zunächst einmal auch Kaufinteressenten in
Deutschland anspricht und auch ansprechen soll, da im Regelfall davon ausgegangen
werden kann, dass ein Versandhändler seine Waren - bei entsprechender Nachfrage -
überall hin versendet. Die - vorgeworfene - Verletzung per Versand des Newsletters vom
14. April 2005 (Anlage A 5) weist darüber hinaus hinreichende Berührungspunkte zu
Deutschland insofern auf, als dieser an die E-Mail-Anschrift "a...de" erfolgte, mithin
(aufgrund des "de" am Ende) aus Sicht der absendenden Antragsgegnerin zu 1 zu
erwarten war, dass sich der Empfänger in Deutschland befand. Soweit ein solcher
Versand auf Bestellung automatisiert erfolgt, kommt dem Umstand rechtserhebliche
Bedeutung zu, dass die Antragsgegnerin einen Versand an "de-Anschriften" nicht im
6
7
8
9
10
11
12
13
14
Bedeutung zu, dass die Antragsgegnerin einen Versand an "de-Anschriften" nicht im
Wege einer automatisierten Sperre unterbindet. Noch im September 2005 konnten auch
Angaben zu in Deutschland ansässigen Händlern auf der Seite abgerufen werden und
war in der Bestellmaske ("Willkommen im ... Online Shop") unter "Bestellung" /
"Kundenadresse" / "Staat" im dortigen Pull-Down-Menü die Option "Deutschland" zur
Eingabe vorgesehen (A 7) und enthielten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen -
beispielsweise unter "1. Vertragsabschluss", "2. Lieferung" oder "10.
Zahlungsbedingungen" - irgendeinen Hinweis der Nichtlieferung nach Deutschland,
sondern deuteten unter "3. Preis" mit "alle Lieferungen in EU Länder" vielmehr
Gegenteiliges an (Anlage A 8).
c) Vergeblich halten die Antragsgegner dem Landgericht vor, den Aussagen in
besagtem Internetauftritt keine rechtserhebliche Bedeutung im Sinne eines - von
Deutschland als Verletzungsort wegführenden - "Disclaimers" entnommen zu haben.
aa) Zwar kann der Werbende das Verbreitungsgebiet der Werbung im Internet durch
einen so genannten Disclaimer einschränken, in dem er ankündigt, Adressaten in einem
bestimmten Land nicht zu beliefern. Um wirksam zu sein, muss ein solcher Disclaimer
aber eindeutig gestaltet und auf Grund seiner Aufmachung als ernst gemeint
aufzufassen sein und vom Werbenden auch tatsächlich beachtet werden (vgl. BGH GRUR
2006, 513, 515 - Arzneimittelwerbung im Internet).
bb) Im Streitfall fehlte es schon - auch die Antragsgegner tragen solches nicht vor -
an einer Erklärung, Adressaten in Deutschland nicht beliefern zu wollen. Die unter 1b
angeführten Umstände ergeben das Gegenteil. Danach war die Antragsgegnerin
durchaus zur Lieferung ihrer Produkte auch nach Deutschland in der Lage und auch
bereit.
c) War mithin eine Lieferung an jedermann in Deutschland, der sich durch die
angegriffene Werbung der Antragsgegnerin angesprochen fühlte, möglich, so gibt es
entgegen der Auffassung der Antragsgegner auch keine Veranlassung, Deutschland die
Eigenschaft eines Verletzungsorts unter Spürbarkeitsgesichtspunkten (vgl. dazu Köhler
in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 24. Aufl., Einl. UWG Rdn. 5.8, m.w.N.)
abzusprechen.
2. Ohne Erfolg rügen die Antragsgegner, dass das Landgericht einen
Rechtsmissbrauch i.S. von § 8 Abs. 4 UWG verneint hat.
a) Dem Senat erschließt sich das in diesem Zusammenhang in der
Berufungsbegründung Vorgetragene nicht, dass nämlich die Antragsgegnerin "einen
unentziehbaren Besitzstand an ihren Marken im eigenen Lande erworben" habe und
nunmehr der Antragsteller versuche "unter Ausnutzung der für die … (Antragsgegner)
fremden Rechtsordnung", die Antragsgegnerin "im Wettbewerb auf dem Gebiet der
Geltung deutschen Rechts zu behindern".
b) Mit Recht hat es das Landgericht auch abgelehnt, dem Antragsteller im Hinblick
auf das vorangegangene Verfahren ähnlichen Rubrums (LG Berlin - 103 O 205/04 / KG -
5 U 3/05) eine missbräuchliche Verfahrensaufspaltung vorzuhalten. Das Vorbringen in
der Berufungsbegründung, dem Antragsteller sei es zuzumuten, die angeblichen
Wettbewerbsverstöße in einem einzigen zusammenzufassen, übergeht den Umstand,
dass - auch weiterhin - weder ersichtlich noch vorgetragen ist, dass die hier
angegriffenen Aussagen in der beanstandeten Form sich bereits vor dem Abschluss des
vorangegangenen Verfahrens auf den Internetseiten der Antragsgegnerin befunden
haben. Einen solchen Vortrag enthält auch die Berufungsbegründung nicht.
3. Zutreffend - und in der Berufungsbegründung auch nicht im Einzelnen angegriffen
- hat das Landgericht die vom Antragsteller gerügten Aussagen im Internetauftritt der
Antragsgegnerin als unlauter, weil irreführend i.S. von §§ 3, 5 Abs. 1 Abs. 2 Nr. 1 UWG
eingestuft und diese sonach gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG mit Recht untersagt.
Entgegen der Auffassung der Antragsgegner verstößt ein solches Verbot irreführender
Werbung weder gegen die innerhalb der Europäischen Union geltende
Dienstleistungsfreiheit, noch hat das Landgericht in seinem Urteil "Hinweispflichten
zwecks Vermeidung irreführender Werbung … (überspannt)".
4. Vergeblich stellen die Antragsgegner die Passivlegitimation des Antragsgegners in
Abrede. Als Geschäftsführer und damit Repräsentant der Antragsgegnerin haftet der
Antragsgegner für die - in Deutschland - begangenen Wettbewerbsverstöße, da er sie
gekannt und - mit Bezug auf Deutschland - pflichtwidrig nicht verhindert hat (vgl. Köhler
a.a.O., § 8 UWG Rdn. 2.20, m.w.N.).
15
16
17
II.
Es fehlt auch an einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache sowie an dem
Erfordernis der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung, § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 ZPO.“
An vorstehenden Ausführungen hält der Senat fest, zumal ihnen die Antragsgegner trotz
der ihnen gewährten Gelegenheit zur Stellungnahme nicht entgegen getreten sind.
B.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung erfolgt
gemäß § 3 ZPO.
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum