Urteil des KG Berlin vom 13.02.2003

KG Berlin: treu und glauben, fremde sache, vermieter, mietzins, bösgläubigkeit, auflage, grundstück, liegenschaft, besitzer, eigentümer

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Gericht:
KG Berlin 8. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8 U 100/03
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 812 Abs 1 BGB, § 988 BGB
Ansprüche des Eigentümers bei Vermietung seines Grundstücks
durch einen hierzu nicht befugten Besitzer
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 13. Februar 2003 verkündete Urteil der
Zivilkammer 12 des Landgerichts Berlin wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in
Höhe des vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht der Beklagte
vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Berufung der Klägerin richtet sich gegen das am 13. Februar 2003 verkündete Urteil
der Zivilkammer 12 des Landgerichts Berlin, auf dessen Tatbestand und
Entscheidungsgründe Bezug genommen wird.
Die Klägerin trägt zur Begründung der Berufung vor:
Entgegen der Auffassung des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung sei
zwischen den Parteien ein Mietvertrag über die Häuser 1 und 2 für die Zeit vom 1.
September 1994 bis zum 31. Dezember 1995 für Haus 1 und bis zum 30. Juni 1995 für
Haus 2 zustande gekommen. Mit Schreiben vom 30. März 1994 habe die Klägerin den
Abschluss eines Mietvertrages angeboten, das der Beklagte mit Schreiben vom 9. Juni
1994 und durch Zahlung des Mietzinses an sie, die Klägerin angenommen habe.
Im Übrigen könne auch von einem Eintritt der Klägerin in die bestehenden
Mietverhältnisse ausgegangen werden, denn die Klägerin habe den Vermietern des
Beklagten mit Schreiben vom 15. Juni 1994 mitgeteilt, dass sie die Liegenschaft selbst
verwalten werde und dass ihr auch der Mietzins zustehe. Die früheren Vermieter hätten
konkludent zugestimmt, indem sie die Mietzinszahlung an die Klägerin hingenommen
hätten. Die Schreiben der Klägerin vom 30. März 1994, 26. Juli 1994 und 12. August
1994 stünden der Annahme eines Mietverhältnisses mit der Klägerin nicht entgegen.
§ 8 Abs.1 a Satz 3 VZOG sei auf den vorliegenden Fall entsprechend anzuwenden.
Der Beklagte sei gegenüber der Klägerin ungerechtfertigt bereichert, denn er habe die
im Eigentum der Klägerin stehenden Flächen genutzt ohne hierfür ein Nutzungsentgelt
zu zahlen.
Entgegen der Annahme des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung seien die
früheren Vermieter während des gesamten streitgegenständlichen Zeitraums
bösgläubig gewesen, weil sie gewusst hätten, dass sie nicht zum Besitz berechtigt
gewesen seien. Der Vortrag sei gemäß § 531 Abs.2 Nr.2 ZPO zuzulassen. Auch der
Beklagte habe Kenntnis von seinem mangelnden Besitzrecht gehabt.
Die Klägerin beantragt,
das am 13. Februar 2003 verkündete Urteil der Zivilkammer 12 des Landgerichts Berlin
abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 23.119,28 Euro nebst 4 %
Zinsen seit dem 14. April 1999 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt ergänzend vor:
Eine rechtsgeschäftliche Übernahme der bestehenden Mietverträge durch die Klägerin
als Vermieterin sei nicht zustande gekommen. Auch ein neues Mietverhältnis sei nicht
zwischen den Parteien zustande gekommen.
§ 8 Abs.1 VZOG finde auf den vorliegenden Fall keine Anwendung.
Soweit die Klägerin aus der in der Berufungsinstanz vorgetragenen Korrespondenz mit
den früheren Vermietern einen Anspruch aus §§ 987, 990 BGB herleiten wolle, sei sie mit
diesem Vortrag präkludiert.
Ein Anspruch aus § 812 BGB bestehe nicht, weil der Beklagte aufgrund wirksamer
Mietverträge genutzt habe.
II.
Die Berufung der Klägerin ist unbegründet.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von Mietzins oder
Nutzungsentschädigung.
Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt, dass
zwischen der Klägerin und dem Beklagten kein neues Mietverhältnis gemäß § 535 BGB
zustande gekommen ist. Weder kann das Schreiben der Klägerin vom 30. März 1994 als
Angebot auf Abschluss eines Mietvertrages ausgelegt werden, noch kann das Schreiben
des Beklagten vom 9. Juni 1994 als Annahme eines etwaigen Angebotes ausgelegt
werden. Schon der Wortlaut des Schreibens der Klägerin vom 30. März 1994 gibt für eine
Auslegung als Angebot auf Abschluss eines Mietvertrages wenig her. Die Klägerin äußert
darin, dass sie ihr "Liegenschaft jetzt selbst verwalten" werde und, dass die für den
Beklagten "ein Mieterkonto einrichten" werde, auf das er ab sofort seine Miete einzahlen
könne. Mit dem Landgericht muss davon ausgegangen werden, dass die Klägerin damit
den Versuch zu erkennen gab, die Übersicht über die Nutzungssituation auf dem
Grundstück zu gewinnen und den Wert der gezogenen Nutzung zu sichern. Darüber
hinaus sprechen, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, die gesamten
Begleitumstände dagegen, dass die Klägerin mit Schreiben vom 30. März 1994
gegenüber dem Beklagten ein Angebot auf Abschluss eines Mietvertrages abgeben
wollte. Letztendlich spricht ganz eindeutig gegen die Auslegung des Schreibens der
Klägerin vom 30. März 1994 als Angebot auf Abschluss eines Mietvertrages der
Umstand, dass sich die Klägerin in dem gegen sie unter dem Aktenzeichen 12 O 546/96
gerichteten Verfahren bei dem Landgericht Berlin unstreitig damit verteidigt hat, nicht
Vermieterin des Beklagten gewesen zu sein.
Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung ebenfalls zutreffend ausgeführt,
dass die Klägerin nicht schlüssig vorgetragen hat, dass sie in die bestehenden
Mietverträge des Beklagten mit den F L und G betreffend die Häuser 1 und 2 auf dem
Grundstück S S auf der Vermieterseite eingetreten ist.
Das Auswechseln einer Vertragspartei kann grundsätzlich im Wege eines einheitlichen
Vertragswerks als sogenannter dreiseitiger Vertrag vollzogen werden (BGHZ 137, 255).
Ein solches einheitliches Vertragswerk liegt, wie das Landgericht zutreffend erkannt hat,
im vorliegenden Fall nicht vor.
Möglich ist aber auch, dass der Parteiwechsel durch Vertrag zwischen dem Mieter und
dem neu eintretenden Teil (neuer Vermieter) mit Zustimmung (§ 182 BGB) der
ausscheidenden Partei (alter Vermieter) vereinbart wird (BGH a.a.O.) Die Klägerin hat
sich aber weder mit dem Beklagten darüber geeinigt, dass sie anstelle der alten
Vermieter in das Vertragsverhältnis eintritt, noch haben die L und die G als alte
Vermieter einer vermeintlichen Vereinbarung zwischen dem Beklagten und der Klägerin
zugestimmt. Eine konkludente Zustimmung zu einem etwaigen Wechsel der
Vertragsparteien kann insbesondere auch nicht darin erblickt werden, dass die L und die
G auf die Schreiben der Klägerin vom 15. Juni 1994 und vom 5. August 1994 nicht
reagiert haben. Zum einen hat die Klägerin der L und der G in diesen Schreiben nicht
etwa mitgeteilt, dass sie sich mit dem Beklagten auf einen Vertragswechsel geeinigt
habe, sondern sie hat vielmehr mit Schreiben vom 15. Juni 1994 mitgeteilt, dass sie die
Liegenschaft selbst verwalten werde und ihr auch der Mietzins zustehe und die L und die
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Liegenschaft selbst verwalten werde und ihr auch der Mietzins zustehe und die L und die
G dann mit Schreiben vom 5. August 1994 unter Fristsetzung zur Herausgabe
aufgefordert. Darüber hinaus ist auch zweifelhaft, ob das Schweigen der L und der G auf
diese Schreiben überhaupt als Zustimmung ausgelegt werden könnte. Die
Erklärungswirkung des Schweigens kann sich aus § 242 BGB ergeben, wenn der
Schweigende nach Treu und Glauben verpflichtet gewesen wäre, seinen abweichenden
Willen zu äußern (Palandt-Heinrichs, BGB, 61. Auflage, Einf. v. § 116 Rdnr.10). Im
vorliegenden Fall sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die L und die G
verpflichtet gewesen wären, ihren abweichenden Willen zu äußern.
Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass sich die Klägerin in dem
gegen sie unter dem Aktenzeichen 12 O 546/96 gerichteten Verfahren bei dem
Landgericht Berlin unstreitig damit verteidigt hat, nicht Vermieterin des Beklagten
gewesen zu sein.
Die Klägerin ist auch nicht gemäß § 8 Abs.1a S.3 ZPO i.V.m. § 566 BGB anstelle der L
und der G in die sich während der Dauer ihres Eigentums aus dem Mietverhältnis
ergebenden Rechte und Pflichten eingetreten. § 566 BGB findet gemäß § 8 Abs.1a S.3
VZOG im Falle der Vermögenszuordnung nur dann entsprechend Anwendung, wenn im
Rahmen der Verfügungsbefugnis Besitz an einem Grundstück oder Gebäude vertraglich
überlassen wurde. Wer als verfügungsbefugt im Sinne von § 8 Abs.1a S.3 VZOG gilt,
ergibt sich aus § 8 Abs.1 VZOG. Wie dem von der Klägerin eingereichten Schreiben der L
vom 14. Juli 1994 zu entnehmen ist, wurde diese von der V mit der Vermietung
beauftragt. Im Grundbuch eingetragen war die K H für K, die eine 100 % ige Tochter der
V war. Es ist nicht ersichtlich und wird auch von keiner der Parteien vorgetragen, dass die
K H oder die V oder die L oder G zu den in § 8 Abs.1 VZOG aufgeführten
verfügungsberechtigten Rechtspersonen gehören.
Es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, weshalb § 566 BGB entgegen dem
ausdrücklichen Wortlaut von § 8 Abs.1a S.3 VZOG auch auf solche Vertragsverhältnisse
Anwendung finden soll, die nicht im Rahmen einer Verfügungsbefugnis begründet
worden sind.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten auch keinen Bereicherungsanspruch gemäß § 812
Abs.1 BGB. Vermietet – wie hier – ein Besitzer unbefugt eine fremde Sache an einen
Dritten, so hat der Eigentümer gegen den Dritten keinen Bereicherungsanspruch, da
sich die Vermögensverschiebung unmittelbar nur zwischen dem Besitzer und dem
Dritten vollzogen hat (Palandt-Sprau, 61. Auflage, § 812 Rdnr.45). In derartigen Fällen
hat sich der Eigentümer direkt an den Besitzer halten, der unberechtigt vermietet hat
(Sachenrecht, Schwab/Prütting, 31. Auflage, Rdnr.534).
Die Klägerin hat gegen den Beklagten auch keinen Anspruch auf
Nutzungsentschädigung gemäß § 988 BGB, denn der Beklagte hat den Besitz an den
Häusern 1 und 2 nicht unentgeltlich erlangt. Er war aufgrund der mit der L und der G
geschlossenen Verträge zur Zahlung von Mietzins verpflichtet. Für die Unentgeltlichkeit
i.S. des § 988 BGB kommt es noch nicht einmal darauf an, ob für die Besitzerlangung
tatsächlich ein Vermögensopfer erbracht, also der Mietzins gezahlt worden ist. Die
Entgeltpflicht des Besitzers ist maßgeblich. Das Versprechen einer Gegenleistung
genügt (BGH in DtZ 1995, 360).
Soweit die Klägerin den geltend gemachten Zahlungsanspruch in der Berufungsinstanz
erstmals auf §§ 990, 991 BGB stützt und vorträgt, sie habe auch die L und die G als
Besitzmittler mit Schreiben vom 15. Juni 1994 und vom 5. August 1994 darüber in
Kenntnis gesetzt, dass diese nicht zum Besitz berechtigt seien, ist sie mit diesem
Vortrag gemäß § 531 Abs.2 ZPO präkludiert. Sie hat nicht nachvollziehbar vorgetragen,
weshalb sie zu der nunmehr erstmalig in der Berufungsinstanz vorgetragenen
Bösgläubigkeit der L und der G nicht bereits in erster Instanz vorgetragen hat. Anlass
hierzu hätte sie schon allein aufgrund des Umstandes, dass sie selbst ihre
Vermietereigenschaft in dem gegen sie unter dem Aktenzeichen 12 O 546/96
gerichteten Verfahren bei dem Landgericht Berlin in Abrede gestellt hat, gehabt. Umso
mehr Veranlassung, umfassend vorzutragen hatte sie, nachdem der Beklagte in diesem
Verfahren ebenfalls ihre Vermietereigenschaft in Abrede gestellt hat. Obgleich die
Klägerin, wie ihrem Schriftsatz vom 22. November 2002 (dort auf Seite 3 oben) zu
entnehmen ist, die Möglichkeit gesehen hat, dass das Gericht der Auffassung sein
könnte, dass sie keinen Anspruch aus § 535 BGB hat, hat sie hilfsweise lediglich
vorgetragen, sie habe jedenfalls einen Bereicherungsanspruch. Vor diesem Hintergrund
war das Landgericht nicht gemäß § 139 ZPO verpflichtet, die Klägerin darauf
hinzuweisen, dass für den Fall der Bösgläubigkeit der L und der G möglicherweise auch
ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung aus Eigentümer-Besitzerverhältnis in Betracht
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ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung aus Eigentümer-Besitzerverhältnis in Betracht
kommen könnte. Die Einführung neuer, im bisherigen Vorbringen nicht angelegter
Anspruchsgrundlagen ist den Parteien vorbehalten. Der Richter würde bei einem
entsprechenden Hinweis den Verhandlungsgrundsatz und das Neutralitätsgebot
verletzen (Zöller, ZPO, 24. Auflage, § 139, Rdnr.3). Der Umstand, dass die Klägerin nicht
bereits in erster Instanz zur Bösgläubigkeit der L und der G vorgetragen hat, ist folglich
auch nicht auf einen Verfahrensmangel im ersten Rechtszug zurückzuführen (§ 531
Abs.2 Ziffer 2 ZPO).
Im Übrigen hat die Klägerin aber auch die Bösgläubigkeit des Beklagten nicht schlüssig
dargetan (vgl. zur Bösgläubigkeit des Untermieters bei beendetem Hauptmietverhältnis
Palandt-Bassenge, 63. Aufl., Rdnr. 16 vor § 987).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO. Die weiteren prozessualen
Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision zum Bundesgerichtshof wird nicht zugelassen, da die Rechtssache weder
grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543
Abs.2 Satz 1 ZPO.
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