Urteil des KG Berlin vom 13.03.2017

KG Berlin: ordre public, pakistan, ehehindernis, generalvollmacht, vertreter, botschaft, quelle, sammlung, form, link

1
2
3
4
5
Gericht:
KG Berlin 1. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 W 173/03
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 6 BGBEG, Art 11 BGBEG, Art
13 Abs 1 BGBEG, § 15a Abs 1 S
2 Nr 1 PersStdG
Wirksamkeit einer in Pakistan geschlossenen "Handschuhehe"
Leitsatz
Die in Pakistan von einem Pakistani mit einer Deutschen geschlossene "Handschuhehe" ist in
Deutschland auch dann wirksam, wenn bei Eheschließung zwar eine notariell beglaubigte, den
Heiratspartner genau bezeichnende Vollmacht nicht vorlag, die Eheschließung aber der
Ortsform entsprach und eine Willensvertretung den Umständen nach ausgeschlossen werden
kann. Das ist der Fall, wenn die Frau bei der Eheschließung anwesend war und der in
Generalvollmacht handelnde Vertreter dem in Deutschland als Asylbewerber aufhältlichen
Mann zuvor als Familienoberhaupt seine Zustimmung zur Eheschließung erteilt hatte.
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde wird nach einem Wert von 3.000,- EUR
zurückgewiesen.
Gründe
Die sofortige weitere Beschwerde ist nach §§ 45 Abs. 1, 48, 49 Abs. 1 Satz 2 PStG i.V.m.
§§ 27 Abs. 1, 29 FGG zulässig, aber unbegründet. Das Landgericht hat – wie zuvor das
Amtsgericht Schöneberg – rechtsfehlerfrei mit zutreffender Begründung die
Voraussetzungen für die Anlegung eines Familienbuches für die von den Beteiligten zu 1.
und 2. am 14. Mai 2000 in Pakistan geschlossene Ehe nach 15a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 PStG
bejaht. Die Beschwerdebegründung der Beteiligten zu 3. gibt keinen Anlass, die Sache
anders zu beurteilen.
1) Die von den Beteiligten zu 1. und 2. begehrte Anlegung des Familienbuches stellt
entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 3. keinen Verstoß gegen den ordre public
(Art. 6 EGBGB) dar.
a) Die Sperrwirkung des Art. 6 EGBGB durch Nichtanwendung ausländischen Rechts tritt
nur ein, wenn das Ergebnis seiner Anwendung im konkreten Fall in untragbarem
Widerspruch zu grundlegenden deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen stünde (vgl.
BGHZ 118, 312; Palandt/Heldrich, BGB, 63. Aufl. 2004, Art. 6 EGBGB, Rn. 5 m.w.N.).
b) Dies ist hier nicht der Fall. Zutreffend und unangefochten hat das Landgericht auf
Seite 3 des Beschlusses dargelegt, die Eheschließung, bei der sich der Beteiligte zu 2.
durch seinen älteren Bruder T. J. K. hat vertreten lassen, sei nach den gemäß Art. 11
EGBGB maßgeblichen Grundsätzen pakistanischen Rechts formwirksam. Es besteht
auch kein Zweifel daran, dass der Bruder als Vertreter des Beteiligten zu 2. die
Eheschließung mit der Beteiligten zu 1. entsprechend dem Willen des Vertretenen
bewirkt hat: Der Beteiligte zu 2. wollte die Beteiligte zu 1. heiraten, so ist es geschehen.
Das kann ohne jeden Zweifel aus der Erklärung des Bruders des Beteiligten zu 2. – die
am 27. April 2000 vom Außenministerium in Islamabad beglaubigt wurde – sowie der
persönlichen Anwesenheit der Beteiligten zu 1. bei der Trauungszeremonie am 14. Mai
2000 geschlossen werden. Die Anerkennung der Eheschließung als wirksam widerspricht
nicht den Gerechtigkeitsvorstellungen der deutschen Rechtsordnung; sie steht vielmehr
im Einklang mit Art. 6 Abs. 1 GG, nach dem Ehe und Familie unter dem besonderen
Schutz der staatlichen Ordnung stehen.
2) Der sofortigen weiteren Beschwerde liegt die Auffassung zugrunde, eine nach
Ortsform gemäß Art. 11 EGBGB zu beurteilende und daher wirksame „Handschuhehe“
liege nur dann vor, wenn die Vollmacht bereits ihrem Wortlaut nach keine Möglichkeit der
Willensvertretung zulasse. Da die notariell beglaubigte Generalvollmacht vom 3. Mai
1990 keine inhaltliche und zeitliche Begrenzung enthalte und das Schreiben des
Bevollmächtigten an den Beteiligten zu 2. vom April 2000 keine ausreichende
Bevollmächtigung darstelle, liege notwendig ein Fall der Vertretung im Willen vor, was zur
Unwirksamkeit der Ehe führe.
6
7
8
9
Dem ist nicht zu folgen.
a) Richtig ist allerdings, dass eine Stellvertretung im Willen gegen das Vertretungsverbot
des deutschen Rechts verstößt, das als zweiseitiges Ehehindernis aufzufassen ist (vgl.
Staudinger/Mankowski, BGB, Neubearbeitung 2003, Art. 13 EGBGB, Rn. 219 m.w.N.).
Soweit der übereinstimmende Wille beider Teile, die Ehe zu schließen, in Frage steht, ist
nach Art. 13 Abs. 1 EGBGB für die Beteiligte zu 1. das deutsche Recht anzuwenden, so
dass dieses Ehehindernis der Wirksamkeit der Ehe auch dann entgegensteht, wenn das
pakistanische Heimatrecht des Beteiligten zu 2. die Vertretung im Willen zulässt.
b) Eine Vertretung im Willen kann aber, wie zu 1 b) ausgeführt wurde, im vorliegenden
Fall ausgeschlossen werden. Ob die für eine „Handschuhehe“ verwendete Vollmacht, um
gültig zu sein, bestimmte formelle Voraussetzungen zu erfüllen hat, ist eine Frage der
Form der Eheschließung und daher gemäß Art. 11 EGBGB nach pakistanischem Recht zu
beurteilen. Insoweit bestehen, auch unter Berücksichtigung der Überprüfung der
Heiratsurkunde durch die deutsche Botschaft in Islamabad gemäß deren Schreiben vom
28. September 2001, keine Bedenken. Soweit eine schriftliche, möglichst notariell
beglaubigte und den Heiratspartner genau bezeichnende Vollmacht verlangt wird (vgl.
Fritsche, StAZ 86, 329), handelt es sich nicht um formelle Voraussetzungen nach
pakistanischem Recht, sondern um Hilfsmittel zur tatsächlichen Feststellung, dass im
konkreten Fall keine unzulässige Vertretung im Willen vorliegt. Diese Feststellung kann –
wie auch in dem der Senatsentscheidung FamRZ 1973, 313 zugrunde liegenden, ähnlich
gelagerten Fall – auch aufgrund außerhalb der Vollmachtsurkunde liegender Umstände
getroffen werden (zust. Staudinger/Mankowski; a.a.O. Rdn. 221; ebenso BayObLGZ
2000, 335). Das haben für den vorliegenden Fall die Vorinstanzen zu Recht bejaht (s.o.
zu 1 b).
3) Eine Kostenerstattungsanordnung nach § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG ist ausgeschlossen,
denn die Beteiligte zu 3. ist nicht Beteiligte im Sinne dieser Vorschrift, weil sie als
Standesamtsaufsichtsbehörde öffentliche Interessen wahrnimmt (Senat, StAZ 2000,
216). Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf § 131 Abs. 2, 30 Abs. 2 KostO.
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum