Urteil des KG Berlin vom 13.03.2017

KG Berlin: einstweilige verfügung, urschrift, geschäftsbetrieb, schriftstück, anfechtung, link, entscheidungsformel, quelle, sammlung, zwangsvollstreckung

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Gericht:
KG Berlin 5. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 W 17/10, 5 W 23/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 317 Abs 2 S 1 ZPO, § 329 Abs
1 S 2 ZPO, § 68 Abs 1 GKG, § 12
Abs 2 UWG
Formfehlerhafte Beschlussfassung im lauterkeitsrechtlichen
Eilverfahren
Leitsatz
1. Ein versehentlich ohne richterliche Unterschrift gebliebener (unverkündeter)
Streitwertbeschluss wird im Rechtssinne existent, wenn er mit dem Willen des Gerichts aus
dem inneren Geschäftsbetrieb heraustritt. Er unterliegt dann grundsätzlich der Anfechtung
und der Aufhebung durch das Beschwerdegericht.
2. Eine durch Beschluss erlassene einstweilige Verbotsverfügung ist fehlerhaft zu Stande
gekommen, wenn die vom Richter unterzeichnete Urschrift die Verbotsformel nicht
unmittelbar erkennen lässt, sondern auf eine solche nur mittelbar - beispielsweise im Wege
der "Spitzklammernmethode" - verweist (Anschluss an BGH GRUR 2004, 975 - Urschrift der
Beschlussverfügung).
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 14. Dezember 2009 (5 W 17/10) wird
der Beschluss der Kammer für Handelssachen 97 des Landgerichts Berlin vom 16.
November 2009 zu Nr. 3 (Wertfestsetzung) - 97 O 228/09 - aufgehoben.
2. Das als Beschwerde auszulegende Rechtsmittel der Antragsgegnerin vom 25. Januar
2010 (5 W 23/10) gegen den Nichtabhilfebeschluss der Kammer für Handelssachen 97
des Landgerichts Berlin vom 13. Januar 2010 - 97 O 228/09 wird zurückgewiesen.
3. Die Verfahren sind gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht
erstattet.
Gründe
I.
Die Antragstellerin hat eine einstweilige Verfügung beantragt. Das Landgericht hat eine
solche entworfen und hierzu das nachfolgend dargestellte Schriftstück zu Blatt 12 bis 14
der Akten (Aussonderungsheft) genommen:
Zu diesem - nicht unterschriebenen - Schriftstück hat das Landgericht eine beglaubigte
Abschrift zu den Akten genommen (hinter Bl. 12-14 d.A./AH) und dem
Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin - ausweislich Bl. 15/16 d.A. - am 17./18.
November 2009 eine Ausfertigung zugestellt. Mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2009
hat die Antragstellerin mitgeteilt, den "Beschluss des Landgerichts Berlin vom
16.11.2009" der Antragsgegnerin am 9. Dezember 2009 zugestellt zu haben (Bl. 40
d.A.).
Mit ihrer Beschwerde vom 14. Dezember 2009 wendet sich die Antragsgegnerin "gegen
die Wertfestsetzung unter Ziffer 3 des Beschlusses des Landgerichts Berlin vom 16.
November 2009" mit dem Ziel, den Verfahrenswert herabzusetzen.
Mit Beschluss vom 13. Januar 2010 (der drei richterliche Unterschriften aufweist) hat das
Landgericht dieser Beschwerde nicht abgeholfen (Bl. 36-37 der Akten).
Mit Schriftsatz vom 25. Januar 2010 legt die Antragsgegnerin gegen den letztgenannten
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Mit Schriftsatz vom 25. Januar 2010 legt die Antragsgegnerin gegen den letztgenannten
Beschluss "das zulässige Rechtsmittel" ein, "soweit dies überhaupt erforderlich ist".
II.
zuerst
der Sache insoweit Erfolg, als die angegriffene Wertfestsetzung vom 16. November 2009
aufzuheben ist.
1.
Die Beschwerde ist statthaft. Dass die angegriffene Entscheidung nicht unterschrieben
ist, steht dem nicht entgegen. Denn ungeachtet dessen ist ein Beschluss dann
"erlassen" (und damit auch im Rechtssinne "existent"), wenn er - wovon im Streitfall
ausgegangen werden kann - mit dem Willen des Gerichts aus dem inneren
Geschäftsbetrieb herausgetreten ist (vgl. BGHZ 164, 347, 353). Ein solcher Beschluss
unterliegt daher, auch wenn er nicht unterschrieben ist, prinzipiell der Anfechtung (vgl.
BGHZ 137, 49 ff.; vgl. ferner BGH NJW 1996, 1969, 1970).
2.
Die Beschwerde ist begründet. Die angefochtene Wertfestsetzung ist unwirksam, weil es
sich um einen (unverkündeten) Beschluss handelt, der vom Richter nicht unterzeichnet
worden ist (vgl. BGHZ 137, 49, 51).
3.
Da die Wertfestsetzung vom 16. November 2009 unwirksam ist, ist sie aufzuheben. Einer
damit - an sich ggf. erforderlichen - Zurückverweisung an das Landgericht zwecks
("erneuter") Festsetzung, bedarf es indes im Streitfall nicht, weil das Landgericht mit
Nichtabhilfebeschluss vom 13. Januar 2010 diese "Neufestsetzung" gewissermaßen
bereits - wenn auch unbewusst - vorgenommen, nämlich an einer Festsetzung in Höhe
von 13.400 € festgehalten hat. Es käme daher einer überflüssigen Förmelei gleich, die
Neufestsetzung vom Landgericht nochmals vornehmen zu lassen. Die prozessualen
Rechte der Antragsgegnerin werden hierdurch nicht verkürzt. Sie hat den
Nichtabhilfebeschluss gesondert angegriffen, was vom Senat in der Sache zu
bescheiden ist (dazu siehe unten III).
4.
Nur vorsorglich für den etwaigen weiteren Gang des Verfahrens, und ohne dass es für
die hier zu bescheidenden Rechtsmittel von Bedeutung wäre, weist der Senat die
Parteien und das Landgericht auf die folgenden weiteren rechtlichen Gesichtspunkte hin:
a)
Der durch die fehlende richterliche Unterschrift erzeugte Mangel beschränkt sich nicht
auf die Wertfestsetzung vom 16. November 2009, sondern erstreckt sich auf die unter
diesem Datum expedierte Entscheidung insgesamt, also auch auf die Einstweilige
Verfügung als solche (Nr. 1 dieses Beschlusses) und die Kostengrundentscheidung (Nr.
2 dieses Beschlusses).
b)
Von dem nicht unterschriebenen Beschluss hätte das Landgericht keine Ausfertigungen
und Abschriften erteilen dürfen, § 329 Abs. 1 Satz 2 i.V. mit § 317 Abs. 2 Satz 1 ZPO.
c)
Eine fehlende richterliche Unterschrift kann mit Wirkung für die Zukunft nachgeholt
werden (BGHZ 137, 49, 53).
d)
Die einstweilige Verfügung (Nr. 1 des Beschlusses vom 16. November 2009) wäre auch
dann nicht ordnungsgemäß ergangen, wenn sie in der dortigen Form richterlich
unterzeichnet worden wäre. Denn die Urschrift lässt die Verbotsformel nicht erkennen,
sondern verweist darauf nur mittelbar per "Spitzklammernmethode". Eine solche -
allerdings bis heute nicht selten anzutreffende - Gerichtspraxis hat der
Bundesgerichtshof im Jahre 2003 dezidiert bemängelt: Sonach muss bei einem
Beschluss, aus dem wie bei einer einstweiligen Verfügung die Zwangsvollstreckung
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Beschluss, aus dem wie bei einer einstweiligen Verfügung die Zwangsvollstreckung
stattfindet, die Bezeichnung des Rubrums und der Entscheidungsformel unmittelbar aus
dem Text der vom Richter unterzeichneten Urschrift selbst ersichtlich sein. Wird dagegen
in der Urschrift auf einen - wenn auch bestimmten, eindeutig bezeichneten - Teil der
Akten verwiesen, so ist der Beschluss fehlerhaft zu Stande gekommen (BGH GRUR
2004, 975 = NJW 2003, 3136 - Urschrift der Beschlussverfügung).
III.
zweites
Verfahren zugrunde liegenden besonderen Konstellation - gleichfalls gemäß § 68 Abs. 1
GKG zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
1.
Der insoweit angegriffene Nichtabhilfebeschluss vom 13. Januar 2010 ist in Konsequenz
zu dem unter II 1-3 Ausgeführten wie eine (erstmals formell ordnungsgemäße)
Festsetzung des Verfahrenswerts auf 13.400 € anzusehen.
2.
Gegen diese Bemessung ist in der Sache nichts zu erinnern, der Wert ist jedenfalls nicht
übersetzt. Hierzu hat das Landgericht im Nichtabhilfebeschluss - auch in Ansehung des
(weiteren) Beschwerdevorbringens - zutreffend ausgeführt. Der Senat verweist darauf
und stimmt dem in allen Punkten zu.
III.
Die Nebenentscheidungen zu den Kosten beruhen auf § 68 Abs. 3 GKG.
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