Urteil des KG Berlin vom 13.03.2017

KG Berlin: wiedereinsetzung in den vorigen stand, berufungsfrist, wohnkosten, rechtsmittelfrist, mietvertrag, mieter, geschäft, option, quelle, sammlung

1
2
3
Gericht:
KG Berlin 8. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8 U 76/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 545 BGB, § 736 Abs 2 BGB, §
114 ZPO
Prozesskostenhilfe für eine Berufung: Erfolgsaussicht bei Ablauf
der Berufungsfrist; Haftung des ausgeschiedenen
Gesellschafters einer GbR für Mietforderungen
Leitsatz
1. Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Berufung ist mangels hinreichender Aussicht auf
Erfolg nicht zu bewilligen, wenn die Berufungsfrist mittlerweile abgelaufen ist und
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht bewilligt werden könnte.
2. Schließt eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts einen befristeten Mietvertrag ab und
scheidet ein Gesellschafter vor Ablauf der vertraglichen Mietzeit aus, haftet er grundsätzlich
auch für die Mietforderungen wegen der Zeiträume nach dem Ablauf der vertraglichen
Mietzeit, wenn sich das Mietverhältnis gemäß § 545 BGB auf unbestimmte Zeit verlängert.
Tenor
Der Antrag des Beklagten zu 3. vom 6. April 2009 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe
für die beabsichtigte Berufung wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht
erstattet.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Beklagte zu 3. ist durch das am 9. Februar 2009 verkündete Versäumnisteil- und
Schlussurteil der Zivilkammer 25 des Landgerichts Berlin, auf das verwiesen wird, zur
Zahlung von 10.141,80 € nebst Zinsen verurteilt worden. Das Urteil ist ihm am 4. März
2009 zugestellt worden. Am 6. April 2009 (Montag) ist beim Kammergericht ein
Prozesskostenhilfeantrag des Beklagten zu 3. für eine von ihm beabsichtigte Berufung
hiergegen eingegangen. Diesem Antrag war eine Erklärung des Beklagten zu 3. über
seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 16. März 2009 auf dem dafür
vorgesehenen Vordruck beigefügt. Unter Punkt E. hat der Beklagte zu 3. die Frage zu
Einnahmen aus Kindergeld nicht beantwortet. Unter Punkt G hat er die Frage nach
„Bank-, Giro-, Sparkonten u. dgl.“ nicht beantwortet und auch keine Belege zu
Kontoständen eingereicht. Weiterhin hat er keine Belege für seine Angaben zu den
Wohnkosten beigefügt.
II.
Der Antrag des Beklagten zu 3. auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war
zurückzuweisen, da seine beabsichtigte Berufung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg
hat, § 114 ZPO.
1.
Die beabsichtigte Berufung ist bereits unzulässig, da der Beklagte zu 3. die
Berufungsfrist versäumt hat und ihm insoweit nicht Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand gewährt werden kann. Dies führt dazu, dass die Berufung keinen Erfolg verspricht
(vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR 1990, 126; Philippi in Zöller, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 114 Rn.
28; Groß in Schoreit/Groß, Beratungshilfe Prozesskostenhilfe, 9. Aufl. 2008, § 114 ZPO
Rn. 60; Zimmermann, Prozesskostenhilfe – insbesondere in Familiensachen –, 3. Aufl.
2007, Rn. 665).
a)
4
5
6
7
8
9
10
11
12
Die Berufungsfrist von einem Monat ab Zustellung des Urteils (§ 517 ZPO) ist am 6. April
2009 abgelaufen, § 222 Abs. 1 und 2 ZPO, § 188 Abs. 2 BGB. Innerhalb dieser Frist ist
keine Berufungsschrift eingegangen. Der Schriftsatz vom 6. April 2009 ist eindeutig als
Prozesskostenhilfeantrag bezeichnet worden und enthält nicht die Erklärung, dass schon
hiermit gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung eingelegt werden sollte, § 519 Abs. 2
Nr. 2 ZPO (vgl. BGH NJW-RR 2006, 140, 141).
b)
Dem Beklagten zu 3. kann auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt
werden, da er die Berufungsfrist nicht unverschuldet versäumt hat, § 233 ZPO.
Eine arme Partei, die ein Rechtsmittel einlegen will, hat zwar grundsätzlich Anspruch auf
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn sie ihr Prozesskostenhilfegesuch bis zum
Ablauf der Rechtsmittelfrist eingereicht hatte. Das setzt allerdings voraus, dass dem
Antrag auf Prozesskostenhilfe zur Durchführung des Rechtsmittelverfahrens innerhalb
der Rechtsmittelfrist neben der ordnungsgemäß ausgefüllten Erklärung über die
persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auch die insoweit notwendigen Belege
beigefügt waren, da der Antragsteller grundsätzlich nur dann davon ausgehen kann, die
wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe dargetan zu
haben (vgl. BGH NJW-RR 2008, 942).
Die Angaben des Beklagten zu 3. in seiner Erklärung über die persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnisse waren unvollständig. Zudem fehlten notwendige Belege zu
den Wohnkosten. Deshalb durfte er nicht darauf vertrauen, die wirtschaftlichen
Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe dargetan zu haben.
Enthalten die Angaben im Vordruck über die persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnisse einzelne Lücken, kann die Partei jedoch unter Umständen gleichwohl darauf
vertrauen, die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung der
Prozesskostenhilfe genügend dargetan zu haben. Solches kommt in Betracht, wenn
diese Lücken oder Zweifel auf andere Weise ohne Weiteres, etwa anhand der
beigefügten Unterlagen, geschlossen bzw. ausgeräumt werden können. Gleiches gilt,
wenn zwar einzelne Fragen zu den Einnahmen nicht beantwortet sind, sich aber auf
Grund der sonstigen Angaben und Belege aufdrängt, dass solche Einnahmen nicht
vorhanden sind (vgl. BGH NJW-RR 2008, 942).
Diese Voraussetzungen liegen aber nicht vor. Da der Beklagte zu 3. angegeben hat,
zwei minderjährige Kinder zu haben und zu unterhalten, drängt es sich nicht auf, dass er
keine Kindergeldzahlungen erhält; andererseits ist dies auch nicht zwingend, da die
Mutter der Kinder ebenfalls als Kindergeldempfängerin in Betracht kommt. Auch die
Lücke wegen der fehlenden Angaben zu den Konten kann nicht durch andere Angaben
geschlossen werden. Im Gegenteil ergibt sich aus dem vom Beklagten zu 3.
eingereichten Gehaltsnachweis, dass er offenbar über ein Konto verfügt, auf das sein
Gehalt überwiesen wird. Es drängt sich angesichts seiner sonstigen Angaben auch nicht
auf, dass Konten des Beklagten zu 3. entweder gar keine oder jedenfalls keine gemäß §
115 Abs. 3 ZPO einzusetzenden Guthaben aufweisen. Weiterhin kann die wegen der
fehlenden Belege zu den Wohnkosten entstandene Lücke nicht durch seine sonstigen
Angaben geschlossen werden.
2.
Im Übrigen hat die beabsichtigte Berufung auch mangels Begründetheit keine
hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Das Landgericht hat den Beklagten zu 3. zutreffend zur Bezahlung der offenen Mieten
für Oktober 2007 und Januar bis Juli 2008 verurteilt. Es ist dabei unerheblich, ob der
Beklagte zu 3. zum 1. Januar 2005 aus der zwischen ihm und dem Beklagten zu 2.
bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts (der früheren Beklagten zu 1.)
ausgeschieden ist und der Beklagte zu 2. durch Übernahme Rechtsnachfolger der GbR
geworden ist, da der Beklagte zu 3. jedenfalls gemäß § 736 Abs. 2 BGB i.V.m. § 160 HGB
haftet.
a)
Die Mietverbindlichkeiten waren bereits vor dem 1. Januar 2005 begründet, § 160 Abs. 1
S. 1 HGB. Bei Dauerschuldverhältnissen ist die Rechtsgrundlage für die einzelnen
Schuldverpflichtungen bereits im Vertrag selber angelegt mit der Folge, dass diese
Schuldverpflichtungen mit dem Vertragsschluss als entstanden anzusehen sind, auch
13
14
15
16
Schuldverpflichtungen mit dem Vertragsschluss als entstanden anzusehen sind, auch
wenn einzelne Verpflichtungen erst später fällig werden. Es kommt dabei nicht darauf an,
ob der Verlauf des Dauerschuldverhältnisses in der Zukunft gewiss oder ungewiss war
(vgl. BGH NJW 2002, 2170, 2171).
Unerheblich ist, dass der Mietvertrag in Gestalt der Nachtragsvereinbarung vom 28.
Februar 2002 (Bl. 16 d.A.) zum 30. Juni 2006 enden sollte und der Mieter die Option aus
Ziff. 2 S. 2 der Nachtragsvereinbarung nicht ausgeübt hat. Das Mietverhältnis hatte sich
gemäß § 545 BGB auf unbestimmte Zeit fortgesetzt, weil der Beklagte zu 3. den
Verkaufsstand für Backwaren weiterhin genutzt hat und keine Vertragspartei der
Verlängerung des Mietverhältnisses widersprochen hat. Auch dieser Verlauf war im
ursprünglichen Vertrag, der § 545 BGB gerade nicht ausgeschlossen hat, angelegt; die
Fortsetzung des Mietvertrages beruht nicht auf einer nach dem behaupteten
Ausscheiden zwischen den Mietvertragsparteien vereinbarten Vertragsverlängerung.
b)
Die geltend gemachten Ansprüche sind auch nicht durch eine Vereinbarung zwischen
der Klägerin und dem Beklagten zu 2. entfallen. Ausdrücklich hat die Klägerin zu keinem
Zeitpunkt erklärt, auf die Inanspruchnahme des Beklagten zu 3. verzichten zu wollen.
Dies ergibt sich auch nicht aus den Umständen, §§ 133, 157 BGB, zumal an derartige
Erklärungen hohe Anforderungen zu stellen sind. Die Klägerin hat sogar trotz der
mündlichen Erklärung des Beklagten zu 2. vom 13. Juni 2007, dass er das Geschäft jetzt
allein betreibe, ihr Mieterhöhungsschreiben vom 7. April 2008 (Anlage K 6, Bl. 29-31 d.A.)
und ihr Kündigungsschreiben vom 16. Mai 2008 (Anlage K 7, Bl. 32-34 d.A.) nicht an den
Beklagten zu 2., sondern an die GbR gerichtet.
3.
Der Ausspruch zu den Kosten beruht auf § 1 GKG, § 118 Abs. 1 S. 4 ZPO.
Die Rechtsbeschwerde ist nicht zugelassen worden, weil die Rechtssache keine
grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts
erfordern, § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 2, Abs. 3 S. 1 ZPO.
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum