Urteil des KG Berlin vom 13.03.2017

KG Berlin: gemeinschaftliches eigentum, einheit, aufteilungsplan, auflage, miteigentumsanteil, form, umwandlung, ermächtigung, anfang, quelle

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Gericht:
KG Berlin 11.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
11 W 15/06
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 3 ZPO, § 48 Abs 3 S 2 WoEigG,
§ 30 Abs 2 S 1 KostO
Klage eines Wohnungseigentümers gegen einen anderen auf
Zustimmung zur Veräußerung von Wohnungseigentum:
Bemessung des Streitwerts
Leitsatz
1. Wird ein Wohnungseigentümer durch die fehlende Zustimmung eines anderen
Wohnungseigentümers daran gehindert, seine Einheit zu veräußern, ist der
Gebührenstreitwert für die Klage auf Zustimmung mit 10 bis 20 % des Kaufpreises
anzusetzen.
2. Fehlt es ausnahmsweise an zureichenden Anhaltspunkten, ist der Gebührenstreitwert mit
3.000,00 EUR zu bemessen.
Tenor
Auf die Beschwerde der Beklagten vom 6. November 2006 wird der Streitwertbeschluss
des Landgerichts Berlin - Aktenzeichen 36 O 128/06 - vom 15. September 2006
abgeändert und wie folgt neu gefasst:
In dem Rechtsstreit A gegen B wird der Streitwert auf 3.571,53 EUR festgesetzt.
Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Der Kläger erwarb 1998 in der Wohnungseigentumsanlage R.-straße … in 1… die im
Aufteilungsplan mit der Nr. 1 bezeichnete Einheit. § 24 der Teilungserklärung des
Nürnberger Notars Sch vom 9. März 1994 in Form der Nachtragsänderung vom 13. Juli
1994 räumte dem Inhaber der Einheit Nr. 1 das Recht ein, das Wohngebäude durch
Aufstockung zweigeschossig zu erweitern, um dort Wohneinheiten mit den Nummern 15
bis 17 zu schaffen. Die Teilungserklärung machte das Recht des Inhabers der Einheit Nr.
1, drei neue Einheiten zu bilden und den Miteigentumsanteil der Einheit Nr. 1
abzuspalten, i.S.v. §§ 5 Abs. 4, 10 Abs. 2 WEG zum Inhalt der Gemeinschaftsordnung.
Der Kläger machte von seinem Ausbaurecht im Folgenden Gebrauch und schuf die
neuen Einheiten 15 und 16. Nach Abschluss der Bauarbeiten beabsichtigte der Kläger,
den Miteigentumsanteil der Einheit Nr. 1 auf diese sowie die neuen Einheiten 15 und 16
„aufzuteilen“. Seinen entsprechenden Erklärungen stimmte die Beklagte
außerprozessual nicht zu. Mit Klage vom 24. März 2006 nahm der Kläger die Beklagte
daher neben der Bezahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten auf Zustimmung zu einer
Unterteilung seines Sondereigentums i.S.v. § 1 Abs. 2 WEG in Anspruch. Außerdem
verlangte er von der Beklagten, der Übertragung im Gemeinschaftseigentum stehender
Flächen in sein Sondereigentum zuzustimmen. Im Laufe der gegen sie daraufhin
erhobenen Klage gab die Beklagte die erforderlichen Erklärungen ab.
Das Landgericht Berlin setzte für die Anträge auf Zustimmung der Beklagten sowie den
Antrag auf Erstattung außerprozessualer Rechtsanwaltskosten am 15. September 2006
einen Gebührenstreitwert in Höhe von insgesamt 200.000,00 EUR fest. In seinem
Nichtabhilfebeschluss vom 23. November 2006 begründete das Landgericht seine
Wertfestsetzung mit dem Umstand, dass der Kläger durch die fehlenden Zustimmungen
an der Veräußerung seiner neuen Einheiten gehindert worden sei. Der Wert dieser
Einheiten sei auf 200.000,00 EUR zu schätzen.
II.
Die nach § 66 Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 GKG i.V.m. § 569 ZPO zulässige
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Die nach § 66 Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 GKG i.V.m. § 569 ZPO zulässige
Beschwerde ist begründet.
Der Gebührenstreitwert ist gem. § 3 ZPO auf 3.571,53 EUR festzusetzen. Es geht
jedenfalls nach der maßgeblichen Auffassung der Parteien um die Klärung dem Grunde
nach unstreitiger Klägerrechte. Die Rechtslage soll durch eine von der Beklagten zu
erzwingende Willenserklärung gestaltet werden. Ferner geht es um die Berichtigung
eines Wohnungsgrundbuchs. Zu Grunde zu legen ist dabei jeweils nicht der Wert der
Einheiten, sondern das Interesse des Klägers. Dieses ist in einem Fall wie diesem als
besonders gering anzusetzen, weil es nur um die formelle Rechtslage geht. Denn
zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger jedenfalls ein Ausbaurecht besaß
und die vom ihm aufgestockten Teile des Wohngebäudes im Ergebnis in sein Eigentum
sollte überführen dürfen. Die ausstehende Erklärung der Beklagten hinderte den Kläger
auch nicht an der Vermietung der neu entstandenen Einheiten. Und auch eine
Finanzierung durch Banken war offensichtlich möglich. Nachteile durch die
Grundbuchsituation erlitt der Kläger mithin nicht. Möglich, aber nicht gesichert ist
allerdings, dass die Beklagte den Kläger an einem Verkauf der Einheiten hinderte und
sich deshalb das Interesse des Klägers an dem Wert der Einheiten Nr. 15 und 16
auszurichten hat. Die Frage, welchen Wert den Einheiten zuzumessen ist und ob es
wirklich konkrete Verkaufsverhandlungen gab, blieb aber im Ergebnis ungeklärt. Die vom
Kläger favorisierte Ansetzung eines Verkaufswertes von 400.000,00 EUR musste schon
dabei deshalb ausscheiden, weil der Kläger selbst vortrug, dass sich dieser Wert auf alle
drei in seinem Eigentum stehenden Einheiten bezieht. Hier sind aber nur die Einheiten
15 und 16 im Streit. Der Erwägung, dass alle Einheiten als „Paket“ anzusehen sind und
nur ein Verkauf aller Einheiten möglich war, ist nicht zu folgen. Der Kläger trägt keine
Gründe vor, warum ein Verkauf nur der aufgestockten Einheiten ausscheiden musste. Im
Gegenteil trägt der Kläger selbst vor, dass es angeblich in 2006 Verkaufsverhandlungen
nur hinsichtlich der Einheiten 15 und 16 gab. Dass der Verkauf an der „Paketfrage“
scheiterte, ist nicht ersichtlich. Die Auflage des Gerichts vom 15. Dezember 2006, für die
Marktwerteinschätzung der DG HYP zu erläutern, welcher Wert dort auf die hier allein
gegenständlichen Einheiten Nr. 15 und 16 entfiel, blieb unerfüllt. Eine Schätzung nach §
287 ZPO ist insoweit nicht möglich. Etwa für eine Teilung oder eine andere Methode fehlt
es an greifbaren Schätzgrundlagen. Für die angeblich durch das - freilich rechtmäßige -
Verhalten der Beklagten in 2006 „vereitelten“ Kaufverhandlungen, ließ der Kläger
ungeachtet der gerichtlichen Auflage auch nicht vortragen, wer der Käufer sein sollte,
was die Modalitäten waren und welcher Kaufpreis konkret verhandelt wurde. Wollte man
im Übrigen daran anknüpfen, dass der Kläger wegen der fehlenden Zustimmung der
Beklagten an der Veräußerung der Einheiten Nr. 15 und 16 gehindert war - würde sich
der Gebührenstreitwert allenfalls in Höhe von 10 bis 20 % des hier unbekannt
gebliebenen Kaufpreises für die Einheiten bewegen - nicht nach dem nach der
Ertragswertmethode ermittelten Wert (OLG Zweibrücken v. 8.11.2005 - 3 W 142/05, ZMR
2006, 220 [221]; OLG Düsseldorf v. 10.5.2005 - I-3 Wx 321/04, ZMR 2005, 971 [972];
BayObLG v. 4.1.1995 - 2Z BR 114/94, WuM 1995, WuM 1995, 328 [329]). Dabei wäre die
Obergrenze von 20 % nur bei einem verhältnismäßig geringen Wert einer Wohnung zu
wählen; bei einem hohen Wert hingegen sind 10 % des Verkaufspreises anzusetzen
(OLG Düsseldorf v. 10.5.2005 - I-3 Wx 321/04, ZMR 2005, 971 [972]; BayObLG v.
1.2.1990 - BReg 2 Z 141/89, BayObLGZ 1990, 24 [28]).
Weil es hier an nachvollziehbaren konkreten Anknüpfungspunkten und an einem
entsprechenden Klägervortrag mangelt, sieht es der Senat wenigstens in einem Fall wie
diesem als angemessen an, ausnahmsweise an die Wertungen der §§ 48 Abs. 3 Satz 2
WEG, 30 Abs. 2 Satz 1 KostO anzuknüpfen (für diesen Weg siehe etwa FA MietRWEG/
, 2006, 35. Kapitel Rz. 71 m.w.N.). Der Streitwert für die Erstreitung der
notwendigen Zustimmungen zur Änderung des Wohnungsgrundbuchs ist damit auf
3.000,00 EUR festzusetzen. Diese Anknüpfung ist jedenfalls hier nahe liegend, weil das
Landgericht für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht zuständig und die
Bemessungsvorschriften der ZPO dem Grunde nach gar nicht anwendbar sind. Soweit
ein Wohnungseigentümer den anderen auf Änderung der sachenrechtlichen Grundlagen
des jeweiligen Sondereigentums in Anspruch nimmt, sind nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG
nämlich die Wohnungseigentumsgerichte zuständig (OLG Schleswig v. 27.12.2005 - 2 W
6/05, OLGReport Schleswig 2006, 432 [433]; v. 24.8.2005 - 2 W 32/03, ZMR 2006, 73
[74]; BayObLG v. 30.4.1998 - 2Z BR 11/98, ZMR 1998, 582 [583]; BayObLG v. 24.1.1985
- BReg 2 Z 63/84, BayObLGZ 1985, 47 ff.; a.A. in den aber nicht tragenden Gründen OLG
Saarbrücken v. 28.09.2004 - 5 W 173/04-56, OLGReport Saarbrücken 2005, 282 [283];
KG v. 17.12.1997 - 24 W 3797/97, ZMR 1998, 368 [369]; siehe ferner Hügel, MietRB
2005, 151 [152]). Nach § 48 Abs. 3 Satz 2 WEG setzt der Richter aber den Geschäftswert
nach dem Interesse der Beteiligten an der Entscheidung von fest. Der Geschäftswert ist
niedriger festzusetzen, wenn die berechneten Kosten des Verfahrens zu dem Interesse
eines Beteiligten nicht in einem angemessenen Verhältnis stehen. Das Interesse der
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eines Beteiligten nicht in einem angemessenen Verhältnis stehen. Das Interesse der
Beklagten ist hier sehr gering. Ein etwaiges hohes Interesse des Klägers darf nicht dazu
führen, die Beklagte wegen des hohen Gebührenrisikos von einem im Ergebnis sogar
rechtmäßigem Verhalten abzuhalten. Dass das nicht erkannt wurde, darf sich jedenfalls
gebührenrechtlich nicht zum Nachteil der Beklagten auswirken.
Ferner muss jedenfalls in diesem Verfahren für die Bestimmung eines angemessenen
Gebührenstreitwerts bewertet werden, dass die Beklagte jedenfalls nach § 24 der
Teilungserklärung letztlich gar keine Zustimmung schuldete. Eine Pflicht der Beklagten,
den Änderungswünschen des Klägers zuzustimmen, konnte nicht wirksam als „Inhalt des
Sondereigentums“ i.S.v. §§ 10 Abs. 2, 5 Abs. 4 WEG beurkundet werden. Die
entsprechenden Vorbehalte waren nichtig. Eine Ermächtigung (aber auch eine
Zustimmung), Sondereigentum in gemeinschaftliches Eigentum umzuwandeln oder
umgekehrt, kann nicht als „Inhalt des Sondereigentums“ vereinbart werden (BGH v.
4.4.2003 - V ZR 322/02, NJW 2003, 2165 [2166] m.w.N.; BayObLG v. 27.10.2004 - 2Z BR
150/04, NJW 2005, 444 [445]; v. 24.7.1997 - 2Z BR 49/97, DNotZ 1998, 379 [383] =
BayObLGZ 1997, 233; OLG Saarbrücken v. 28.9.2004 - 5 W 173/04-56, OLGReport
Saarbrücken 2005, 282 [284]; OLG Celle v. 5.8.2003 - 4 W 111/03, OLGReport Celle
2004, 79 [80]). Die Änderung der Aufteilung von gemeinschaftlichem Eigentum und
Sondereigentum betrifft die dingliche Grundlage der Mitglieder der Gemeinschaft und die
sachenrechtliche Zuordnung der Flächen, Gebäudeteile und Räume und nicht das
„Verhältnis der Wohnungseigentümer“ untereinander. Die Umwandlung von
Gemeinschafts- in Sondereigentum kann nicht dem Regelungsgehalt des § 10 Abs. 1
Satz 2 und Abs. 2 WEG unterfallen, sie bedarf vielmehr gem. § 4 Abs. 1 und Abs. 2 WEG
der Einigung aller Wohnungs- und Teileigentümer in der Form der Auflassung (§ 925 Abs.
1 BGB) und der Eintragung in das Grundbuch.
Soweit der Kläger zuletzt die Ansicht vortragen ließ, er sei bereits durch die
Teilungserklärung Sondereigentümer der Einheiten Nr. 15 und 16 geworden, ist dies
unzutreffend und daher gebührenrechtlich irrelevant. Man mag zwar ggf. annehmen,
dass es nicht nur - wie es aber § 8 Abs. 1 WEG voraussetzt - möglich ist,
Sondereigentum an einem noch nicht errichteten Raum bei aber errichtetem Gebäude
zu begründen. Diese „vorgreifliche Begründung“ einzelner Gebäudeteile setzte aber
wenigstens voraus, dass den jeweiligen Einheiten bestimmte Miteigentumsanteile
zugewiesen worden waren und die Identität des Sondereigentums (seiner Flächen, seiner
Ausmaße etc.) von Anfang an sichergestellt und in der Teilungserklärung auch
hinreichend bestimmt ist. Hieran fehlt es. Der Teilungserklärung sind weder unmittelbar
noch durch Verweisung auf den Aufteilungsplan entsprechende Bestimmungen zu
entnehmen. Durch die Aufstockung des Wohngebäudes ist deshalb zunächst
Gemeinschaftseigentum entstanden. Hier gilt nichts anderes als in dem Fall, in dem
nachträglich Balkone gebaut werden ohne zu bestimmen, in wessen Eigentum sie
stehen sollen, oder in dem Fall, wenn durch die Anbringung eines Giebeldaches anstelle
des bisherigen Flachdaches ein zusätzlicher Raum entsteht (OLG München v. 5.10.2006
- 32 Wx 121/06, IMR 2007, 190) oder Räume abweichend vom Aufteilungsplan zusätzlich
errichtet werden, z.B. unter der Terrasse (OLG München v. 27.6.2005 - 34 Wx 038/05,
OLGReport München 2005, 607).
Für die Erstattung der außergerichtlichen Kosten ist von einem Wert i.H.v. 571,53 EUR
auszugehen. Die spätere Erhöhung beruhte auf einer fehlerhaften Wertfestsetzung unter
Zugrundelegung eines falschen Gebührenstreitwerts und kann damit für die Berechnung
nicht herangezogen werden.
Das Verfahren ist nach § 66 Abs. 8 GKG gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
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