Urteil des KG Berlin vom 13.03.2017

KG Berlin: bindungswirkung, gerichtsbarkeit, link, sammlung, abgabe, quelle, widerstand, veröffentlichung, obergericht, rechtsmittelfrist

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Gericht:
KG Berlin 2. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 AR 26/03
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 17a Abs 2 S 1 GVG, § 17a Abs
2 S 3 GVG
Rechtsweg: Voraussetzung für eine Durchbrechung der
gesetzlichen Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses
Tenor
Das AG Charlottenburg wird als das zuständige Gericht bestimmt.
Gründe
Der Verweisungsstreit weist die Besonderheit auf, dass das AG Charlottenburg als
Prozessgericht den Rechtsstreit als WEG-Sache an das gemäß § 46 Abs. 1 WEG
zuständige Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit abgegeben hat. Nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und allgemeiner Ansicht finden auf die
Zuständigkeitsprüfung nach § 46 WEG die Grundsätze der §§ 17 a, Abs. 3 bis 5, 17 b
GVG entsprechende Anwendung (BGHZ 130, 159 ff.; Bärmann/Pick/Merle, WEG, B. Aufl.,
§ 46 Rn. 2). Hinsichtlich der Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs trifft § 17 a GVG
eine eigenständige Regelung, die einen Streit von Gerichten verschiedener Rechtswege
von vornherein ausschließen soll (BGH WM 2002, 406, 407; BGH, Beschluss v. 12.3.2002
– X ARZ 314/01, zur Veröffentlichung vorgesehen; BGH, Beschluss v. 9.4.2002 – X ARZ
24/02). Wenn das angerufene Gericht den zu ihm führenden Rechtsweg für unzulässig
hält, hat es dies auszusprechen und den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht
des zulässigen Rechtswegs zu verweisen. Außerdem sieht das Gesetz vor, dass die
Entscheidung auf ihre Richtigkeit hin in einem Instanzenzug überprüft werden kann (vgl.
§ 17 a Abs. 4 GVG). Anders als die Verweisung wegen örtlicher und sachlicher
Unzuständigkeit eines ordentlichen Gerichts (§ 281 ZPO) kann der nach § 17 a Abs. 2
GVG ergehende Verweisungsbeschluss auf sofortige Beschwerde einer Partei im
Rechtsmittelzug überprüft werden. Das rechtfertigt grundsätzlich die Schlussfolgerung,
dass ein nach § 17 a Abs. 2 GVG ergangener Beschluss, sobald er rechtskräftig
geworden ist, einer weiteren Überprüfung grundsätzlich entzogen ist. Die Regelung in §
17 a Abs. 5 GVG bestätigt dies (BGH Beschluss v. 9.4.2002, Beschlussumdruck S. 4).
Angesichts dieser Rechtslage besteht die Bindungswirkung nach § 17 a Abs. 2 Satz 3
GVG grundsätzlich auch bei gesetzwidrigen Verweisungen (BGHZ 144, 21, 24).
Wenn ein Gericht nach § 17 a Abs. 2 Satz 1 GVG rechtskräftig ausgesprochen hat, dass
der zu ihm beschrittene Rechtsweg unzulässig ist, bedarf es deshalb einer Bestimmung
durch ein übergeordnetes Gericht prinzipiell nicht mehr. Dem trägt § 36 ZPO Rechnung,
der eine Bestimmung durch ein Obergericht im Falle eines Streits zwischen Gerichten
unterschiedlicher Rechtswege über die Zulässigkeit des Rechtswegs nicht vorsieht (BGH
Beschluss v. 9.4.2002, Beschlussumdruck S. 4). Der Verweisungsbeschluss des AG
Charlottenburg ist rechtskräftig, weil er den Parteien zugestellt und innerhalb der
Rechtsmittelfrist nicht angefochten worden ist.
Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass eine offensichtlich
gesetzeswidrige Verweisung diese Bindungswirkung nicht entfaltet (BAG NZA 1998, 1190
f.). Der Bundesgerichtshof hat in der vorstehend zuletzt zitierten Entscheidung eine
Durchbrechung der gesetzlichen Bindungswirkung bei "extremen Verstößen" nicht
ausgeschlossen (vgl.; BGH, Beschluss v. 9.4.2002, Beschlussumdruck S. 5; vgl. auch
BVerwG DVBl. 1995, 572), etwa wenn die Verweisung bei der Auslegung und Anwendung
der Zuständigkeitsnormen sich soweit von dem diese beherrschenden
verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG)
entfernt habe, dass sie nicht mehr zu rechtfertigen sei, wenn sie also objektiv oder auch
verfahrensrechtlich willkürlich zustande gekommen sei (BGHZ 144, 21, 25; BVerfG NJW
1992, 359, 361). Hiervon könne aber allenfalls dann ausgegangen werden, wenn die
Entscheidung bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden
Gedanken nicht mehr verständlich erscheine und offensichtlich unhaltbar sei (BVerfGE
29, 45, 49; vgl. auch BGHZ 85, 116, 118 f.-Auflaufbremse; BFH RPfl 1992, 82).
Der Senat hält es in Anbetracht des verfassungsrechtlichen Rangs des Grundsatzes des
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Der Senat hält es in Anbetracht des verfassungsrechtlichen Rangs des Grundsatzes des
gesetzlichen Richters für angezeigt, eine Durchbrechung der gesetzlichen
Bindungswirkung in den vom Bundesgerichtshof beschriebenen extremen Fällen der
Verletzung der Zuständigkeitsordnung zuzulassen. Die Anfechtungsmöglichkeit der
Parteien bei rechtswegübergreifenden Verweisungen bzw. Abgaben erscheint dem Senat
hierfür als ein nur unzulängliches Korrekturinstrumentarium. Nach seinen
Beobachtungen setzen insbesondere die Kläger den seitens der angegangenen Gerichte
geäußerten Bedenken gegen die eigene Zuständigkeit meistens keinen Widerstand
entgegen und kommen den zugleich ausgesprochenen Anregungen, einen Verweisungs-
oder Abgabeantrag zu stellen, dementsprechend häufig ohne weiteres ersichtlich schon
deshalb nach, um eine Verzögerung des Rechtsstreits, insbesondere eine
Klageabweisung durch Prozessurteil zu vermeiden. An einer Beurteilung der
Zuständigkeitsfrage im Beschwerdeweg ist ihnen aus zeitlichen Gründen erst recht nicht
gelegen.
Bei dem Verweisungsbeschluss des AG Charlottenburg handelt es sich um eine im Sinne
der Ausführungen des BGH aaO (vgl. auch BGH, Bs. v. 9. Juli 2002 – X ARZ 110/02 m. w.
N.) nicht mehr verständliche und offensichtlich unhaltbare Entscheidung. Es hat die
Sache als WEG-Sache verwiesen und es dabei unter Hinweis auf neue BGH-
Rechtsprechung als nicht erheblich bezeichnet, dass es sich um Ansprüche handele, die
gegen einen vor Rechtshängigkeit aus der Wohnungseigentümergemeinschaft
Ausgeschiedenen geltend gemacht würden, obwohl in der Klageschrift nicht nur
eingangs ausgeführt war, dass es sich bei dem dem Streit zu Grunde liegenden
Rechtsverhältnis um Bruchteilseigentum handelt (Klageschrift S. 2), sondern außerdem
noch ausdrücklich betont worden war, dass kein Wohnungseigentum begründet worden
ist (Klageschrift S. 3). Das ist unhaltbar. Ein sich darüber hinwegsetzender und den
Rechtsstreit gleichwohl als WEG-Sache an das Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit
abgebender Beschluss kann keine Bindungswirkung entfalten. Dass die
Prozessbevollmächtigten der Abgabe an das WEG-Gericht zugestimmt haben, spricht
nicht gegen die Unhaltbarkeit der Entscheidung, sondern bestätigt die bereits
angesprochenen Beobachtungen des Senats zu der mangelnden Bereitschaft der
(klägerischen) Parteien, mit dem angegangenen Gericht über dessen Auffassungen von
der eigenen Unzuständigkeit zu streiten.
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