Urteil des KG Berlin vom 13.03.2017

KG Berlin: treu und glauben, allgemeine geschäftsbedingungen, abnahme, vergleich, verjährungsfrist, subunternehmer, gewährleistung, agb, bezahlung, zugang

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Gericht:
KG Berlin 7. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 U 114/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 203 S 3 BGB
Gewährleistungsansprüche beim Werkvertrag: Ende einer
Verjährungshemmung durch Verhandlungen
Leitsatz
Die Hemmung der Verjährung bei Verhandlung gemäß § 203 BGB ist zu dem Zeitpunkt
beendet, in dem nach Treu und Glauben der nächste Schritt zu erwarten gewesen wäre.
Welche Frist angemessen ist, hängt vom Einzelfall ab. In der Regel kann erwartet werden,
dass spätestens nach Ablauf eines Monats nach Zugang eines Schreibens eine Reaktion
erfolgt ist. Ist dies nicht der Fall, sind die Verhandlungen zwischen den Parteien und damit
auch die Hemmung der Verjährung beendet. Der Umstand, dass die Verjährung nach § 203
S. 3 BGB frühestens drei Monate nach dem Ende der Verjährung eintritt, wirkt sich nur dann
aus, wenn diese sonst früher als Monate nach dem Ende der Hemmung eintreten würde;
andernfalls hat § 203 S. 3 BGB keine Auswirkungen.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 19. April 2007 verkündete Urteil der
Zivilkammer 12 des Landgerichts Berlin – 12 O 510/06 – abgeändert:
Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Coburg vom 24. Oktober 2006 –
06-3102896-0-2 – wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen mit Ausnahme der durch den
Vollstreckungsbescheid entstandenen Kosten, die der Beklagten auferlegt werden.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO i. V.
m. § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
II.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.
Die Klägerin hat entgegen der Ansicht des Landgerichts gegen die Beklagte keinen
durchsetzbaren Anspruch auf Erstattung von Kosten für die Beseitigung von Mängeln am
Estrich in Höhe von 5.003,44 EUR, da ein solcher Anspruch verjährt ist.
1. Die fünfjährige Gewährleistungsfrist begann am 10. November 2000 zu laufen,
nämlich mit der zwischen den Parteien an diesem Tag getroffenen „abschließenden
Vereinbarung“ (nachfolgend: Vergleich), in deren Vorbemerkung „zum Zeit des
Abschlusses dieser Vereinbarung Mangelfreiheit an dem Gewerk“ festgestellt und damit
die Abnahme gemäß § 640 Abs. 1 BGB erklärt wurde.
Der Beginn der Gewährleistungsfrist ist nicht durch die Regelung in Ziff. 7 des
Nachunternehmervertrags zwischen der G. B. GmbH (G.) und der Beklagten vom 17. Mai
2000 (Anl. K 2) hinausgeschoben worden, nach der die Gewährleistungsfrist fünf Jahre ab
„Gesamtabnahme durch Bauherrn“ beginnen sollte.
a) Die in Ziff. 5 des Vergleichs getroffene Vereinbarung, dass die Gewährleistung aus
dem Nachunternehmervertrag in „dem dortigen Umfang“ abgewickelt wird, beinhaltet
nicht die Vereinbarung, dass die Frist erst mit der Gesamtabnahme des Bauvorhabens
gemäß Ziff. 7 des Nachunternehmervertrages beginnt. Der Umfang der Gewährleistung
ist in diesem Vertrag durch handschriftlichen Zusatz hinsichtlich der „bauseits verlegten
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ist in diesem Vertrag durch handschriftlichen Zusatz hinsichtlich der „bauseits verlegten
Rohrleitungen sowie nachbetonierten Flächen“ eingeschränkt worden. Nur darauf bezieht
sich der Umfang der Gewährleistung nicht jedoch auf den Beginn der Verjährungsfrist,
der im Vergleich dadurch neu definiert worden ist, dass die Parteien die Mangelfreiheit
der Leistung der Beklagten festgestellt und die Bezahlung des Werklohns vereinbart
haben.
b) Abgesehen davon ist die Regelung in Ziff. 7 des Nachunternehmervertrages, bei der
es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen (ABG) handelt, wegen Verstoßes gegen §
307 BGB (früher § 9 AGB-Gesetz) unwirksam, weil sie den Auftragnehmer
unangemessen benachteiligt. Diese Regelung führt zu einer Verlängerung der
Gewährleistungsfrist auf einen mitunter nicht mehr überschaubaren Zeitraum, denn der
Beginn der Gewährleistungsfrist ist in diesen Fällen auch abhängig von der Qualität der
Werkleistungen aller anderen am Bau tätigen Unternehmer (vergl. OLG Düsseldorf, BauR
1999, 497; vergl. auch BGH NJW 1989, 1602). Erbringt ein Unternehmer eine mängelfreie
Werkleistung, ein anderer aber nicht und verzögert sich dadurch die Gesamtabnahme
des Objektes, so ist der mängelfrei arbeitende Unternehmer davon abhängig, wann der
mangelhaft arbeitende Unternehmer seine mangelhafte Werkleistung nachbessert. Die
Forderung des mängelfrei arbeitenden Unternehmers wird nicht fällig, obwohl er seine
Werkleistung abnahmereif erstellt hat (vergl. OLG Düsseldorf a.a.O.). Eine in einem
Formularvertrag oder in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene
Abnahmeregelung ist unwirksam, wenn sie den Zeitpunkt der Abnahme für den
Subunternehmer nicht eindeutig erkennen lässt, dieser Zeitpunkt also ungewiss bleibt,
oder wenn sie die Abnahme auf einen nicht mehr angemessenen Zeitpunkt nach
Fertigstellung der Subunternehmerleistung hinausschiebt (BGH a.a.O.). Ungewiss ist der
Zeitpunkt der Abnahme dann, wenn er vom Subunternehmer nicht herbeigeführt oder
nicht berechnet werden kann. Dies ist der Fall, wenn die Abnahmewirkung an den
Eingang einer Mängelfreiheitsbescheinigung oder Bestätigung des Erwerbers oder an die
vorgeschriebene Abnahme durch eine Behörde geknüpft wird. Gleiches gilt, wenn die
Abnahme der Subunternehmerleistung ohne zeitliche Festlegung erst bei vollständiger
Erstellung oder Abnahme des gesamten Bauwerks in Aussicht gestellt wird (BGH a.a.O.
m.w.N.). In diesen Fällen wird die Abnahmewirkung von Handlungen Dritter abhängig
gemacht, deren Vornahme der Subunternehmer weder abschätzen noch – mangels
vertraglicher Beziehungen zu ihnen – beeinflussen kann (BGH a.a.O. m.w.N.).
Dem steht auch nicht entgegen, dass der Vergleich vom 10. November 2000 zwischen
den Parteien bzw. ihren Anwälten individuell ausgehandelt worden sein mag. AGB werden
nicht dadurch wirksam, dass durch den Subunternehmer der Vertrag seines bisherigen
Auftraggebers mit dem Hauptunternehmer vereinbart wird. In dem Vergleich stellen die
Parteien klar, dass „sämtliche Gewährleistungsrechte bzw. Gewährleistungspflichten aus
dem Vertragsverhältnis A./G. in dem dortigen Umfang ausschließlich im Verhältnis
zwischen A. und F. abgewickelt und geklärt werden.“ Eine Vereinbarung des Inhalts, dass
diesbezügliche zuvor unwirksame Vertragsklauseln nun Wirksamkeit entfalten sollten,
kann darin aus den zu a) genannten Gründen nicht gesehen werden, weil die Parteien
den Beginn der Verjährungsfrist aus dem Nachunternehmervertrag nicht in den
Vergleich übernommen haben, sondern die Mangelfreiheit der Leistung der Beklagten
und die Fälligkeit des Werklohns vereinbart haben.
2. Der Klägerin kann – insoweit in Übereinstimmung mit dem Landgericht – zugestanden
werden, dass mit dem Schreiben der Beklagten vom 28. April 2005 (K 24, Bl. 56 d.A.)
Verhandlung aufgenommen worden sind und die zu einer Hemmung der Verjährung
gemäß § 203 BGB i.V.m. Art 229 § 6 Abs. 1 EGBGB geführt haben. Der Begriff
„Verhandlungen“ ist weit auszulegen. Es genügt für ein Verhandeln jeder
Meinungsaustausch über den Schadensfall zwischen dem Berechtigten und dem
Verpflichteten, sofern nicht sofort und eindeutig jeder Ersatz abgelehnt wird (BGH NJW
2007, 587 m.w.N.). Verhandlungen schweben schon dann, wenn der in Anspruch
Genommene Erklärungen abgibt, die dem Geschädigten die Annahme gestatten, der
Verpflichtete lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung von
Schadensersatzansprüchen ein. Nicht erforderlich ist, dass dabei eine
Vergleichsbereitschaft oder eine Bereitschaft zum Entgegenkommen signalisiert wird
(BGH a.a.O.).
Diese Verhandlungen sind aber, worauf die Beklagte zu Recht hinweist, „eingeschlafen“.
Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 28. April 2005 angekündigt hatte, sich mit der
Firma A. (als Pächterin der Räume) in Verbindung zu setzen, um Reparaturarbeiten
kurzfristig auszuführen, erfolgte am 22. Juni 2005 (Anl. K 25, Bl. 108 d.A.) eine Nachfrage
der Klägerin. Daraufhin bat die Beklagte mit Schreiben vom 24. Juni 2005 (Anl. K 26) um
Benennung eines Termins und moniert, dass sie auf ihr Schreiben vom 28. April 2005
keine Antwort erhalten habe. Hierauf erfolgte offensichtlich keine Reaktion mehr, obwohl
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keine Antwort erhalten habe. Hierauf erfolgte offensichtlich keine Reaktion mehr, obwohl
die Klägerin aus dem Schreiben vom 24. Juni 2005 wusste, dass die Beklagte eine solche
erwartete. Die Verhandlung waren danach zu dem Zeitpunkt beendet, in dem nach Treu
und Glauben der nächste Schritt zu erwarten gewesen wäre (Palandt-Heinrichs, BGB, 66.
Aufl. § 203 Rdn. 4 m.w.N.). Welche Frist angemessen ist, hängt vom Einzelfall ab.
Vorliegend konnte die Beklagte jedenfalls erwarten, dass spätestens nach Ablauf eines
Monats nach Zugang ihres Schreibens vom 24. Juni 2005, nämlich am 27. Juni 2005,
eine Reaktion erfolgt. Da dies nicht geschehen ist, sind die Verhandlungen zwischen den
Parteien spätestens am 27. Juli 2005 beendet worden.
Ob die Klägerin damit gerechnet hat, dass nach Ersatzvornahme eine Bezahlung der
Rechnungen erfolgen würde, ist unerheblich, denn zum Einen bestand dazu nach den
Schreiben der Beklagten vom 28. April 2005 und vom 24. Juni 2005 keine Veranlassung,
und zum Anderen ist dies auch sonst in keiner Weise in Verhandlungen zwischen den
Parteien zum Ausdruck gekommen. Die Verjährungsfrist war daher in der Zeit zwischen
dem 28. April und dem 27 Juli 2005 für drei Monate gehemmt.
Da am 28. April 2005 insgesamt 4 Jahre + 5 ½ Monate der Verjährungsfrist abgelaufen
waren, begann die Verjährung der Gewährleistungsansprüche der Klägerin gemäß § 203
S. 1 BGB am 28. Juli 2005 wieder zu laufen. Spätestens mit Ablauf des Monats Februar
2006 trat daher Verjährung ein. Der Eingang des Antrags auf Erlass des Mahnbescheids
bei Gericht am 11. September 2006 konnte die Verjährung also nicht mehr erneut
gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB i.V.m. § 167 ZPO hemmen.
3. Entgegen der Ansicht der Klägerin stellt das Schreiben der Beklagten vom 28. April
2005 (Anl. K 24, Bl. 56 d.A.) kein Anerkenntnis dar und konnte somit keinen Neubeginn
der Verjährung gemäß § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB zur Folge haben. In diesem Schreiben wird
klar und deutlich zum Ausdruck gebracht, dass ein Gewährleistungsanspruch gerade
nicht anerkannt werden soll. Vielmehr wird erklärt, dass die Beklagte der Auffassung ist,
dass sie den Mangel nicht zu vertreten hat und die ihr entstehenden Kosten in Rechnung
stellen will, wenn sich dies bei der Reparatur bestätigen sollte. Darin kann ohne Zweifel
kein Anerkenntnis gesehen werden.
4. Die Einrede der Verjährung (im Schriftsatz vom 22. Februar 2007, Bl. 49 d.A.) ist auch
nicht verspätet erhoben worden. Das ergibt sich bereits daraus, dass das Landgericht
sie nicht als verspätet zurückgewiesen, sondern sich im angefochtenen Urteil damit
auseinandergesetzt hat. Die Zulassung dieses Verteidigungsmittels hat den Rechtsstreit
nicht verzögert, sodass eine Zurückweisung nach § 296 Abs. 1 ZPO nicht erfolgen durfte.
Im Übrigen sind die Parteien gemäß § 531 Abs. 1 ZPO nur mit Angriffs- und
Verteidigungsmitteln ausgeschlossen, die im ersten Rechtszug zu Recht zurückgewiesen
wurden. Das ist hier ersichtlich nicht der Fall.
5. Die Berufung der Beklagten musste deshalb Erfolg haben.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 344, 700 Abs. 1,
708 Nr. 10 und 713 ZPO.
Ein Grund, die Revision zuzulassen, war nicht gegeben, da die Rechtssache weder
grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543
Abs. 2 S. 1 ZPO).
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