Urteil des KG Berlin vom 01.10.2002

KG Berlin: avb, eintragung im handelsregister, eintritt des versicherungsfalls, verrechnung, versicherungsnehmer, versicherungsschutz, versicherer, anzeige, versicherungsvertrag, verfügung

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Gericht:
KG Berlin 6. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 U 276/02
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 2 Nr 3 WaKredAVB 1984, § 366
Abs 1 BGB
Warenkreditversicherung: Erlöschen der versicherten Forderung
durch Verrechnung
Leitsatz
Der Versicherungsnehmer einer Warenkreditversicherung kann sich im Verhältnis zum
Versicherer auf eine Verrechnungsbestimmung seines Kunden nicht berufen, wenn und
soweit diese im Widerspruch zur Anrechnungsvorschrift des § 2 Nr. 3 AVB Warenkredit 1984
steht.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der Zivilkammer 7 des Landgerichts Berlin
vom 1. Oktober 2002 teilweise geändert:
Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils
beizutreibenden Betrages zuzüglich 10 % hiervon abwenden, wenn nicht die Beklagte vor
der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
Der Kläger, der einen Fruchtgroßhandel betreibt, unterhielt bei der Beklagten vom 1.
Januar 1993 bis zum 31. Dezember 2001 eine Versicherung gegen Verluste durch
Zahlungsunfähigkeit seiner Kunden mit einer Selbstbeteiligung von 25 %
(Versicherungsschein Nr. 58447, Anlage K 1 zur Klage).
Dem Vertrag lagen die Allgemeinen Bedingungen für die Warenkreditversicherung (AVB
Warenkredit 1984) zugrunde, gemäß deren § 2 Nr. 1, 2 Versicherungsschutz gewährt
wird für fakturierte Forderungen aus Warenlieferungen, soweit vom Versicherer für den
Kunden eine Versicherungssumme festgesetzt ist und das vertraglich vereinbarte
äußerste Kreditziel – vorliegend drei Monate gemäß Versicherungsschein – nicht
überschritten wird. In § 2 Nr. 3 heißt es dann:
"Im Rahmen der Versicherungssumme sind die jeweils ältesten ab Beginn des
Versicherungsschutzes entstandenen Forderungen versichert. Forderungen, welche die
Versicherungssumme eines Kunden übersteigen, rücken erst und insoweit in den
Versicherungsschutz nach, als durch die Bezahlung älterer Forderungen innerhalb der
Versicherungssumme dafür Raum wird.
Jede vor Eintritt der Zahlungsunfähigkeit geleistete Zahlung wird auf die jeweils
älteste Forderung angerechnet. ..."
Der Kläger unterhielt u.a. Geschäftsbeziehungen zur M. F. Handels GmbH (nachfolgend:
M. GmbH), in deren Verlauf es erstmals im April 2000 zur Überschreitung des im
Versicherungsvertrag vereinbarten äußersten Kreditziels um 21 Tage kam (Anlage K 7
zur Klageschrift).
Am 26. Juni 2000 teilte die Kundin mit, dass die GmbH "mit Wirkung zum 01. Juli 2000
von der Firma A. F. Import GmbH ... [= A. GmbH] mit allen Forderungen und
Verbindlichkeiten übernommen" werde (Anlage K 4 zur Klage). Rechnungen und
Lieferungen sollten nur noch an die A. GmbH gerichtet werden.
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Bereits mit Wirkung vom 1. März 1999 hatte die Beklagte Versicherungsschutz für
Warenkredit-Forderungen gegen die A. GmbH bis zu der Versicherungssumme von
100.000,00 DM gewährt (Anlage B 1 zur Klageerwiderung, Bl. 25). Lieferungen an diese
GmbH wurden jedoch erstmals im Juli 2000 vorgenommen. Zwischen dem 6. Juli 2000
und dem 27. November 2000 erbrachte die A. GmbH mehrere Zahlungen in Höhe von
insgesamt 73.609,82 DM, die sich aus der Aufstellung in Anlage K 10 (Bl. 42) ergeben
und um deren Verrechnung die Parteien streiten.
Im November 2001 wurde über das Vermögen der A. GmbH das Insolvenzverfahren
eröffnet. Der Kläger übersandte auf entsprechende Anforderung eine Aufstellung der
offenen Forderungen (Bl. 38), von denen die Parteien im zweiten Rechtszug noch über
folgende, alle an die A. GmbH gerichteten, Rechnungen streiten (vgl. Anlagenkonvolut K
3):
Der Kläger hat vorgetragen, die A. GmbH habe das Handelsgeschäft der M. GmbH
wirksam übernommen. Er hat Versicherungsschutz für die oben bezeichneten und für
weitere, gegen die M. GmbH gerichtete Forderungen mit einem Gesamtbetrag von
51.875,48 DM = 26.523,53 EUR geltend gemacht und unter Berücksichtigung des
vereinbarten Selbstbehalts
beantragt,
die Beklagte zur Zahlung von 19.892,63 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 % über
dem Basiszinssatz seit dem 21. Dezember 2001 an ihn zu verurteilen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Wirksamkeit der Geschäftsübernahme bestritten und sich hinsichtlich der an
die M. GmbH gerichteten Rechnungen auf die Verletzung der in § 7 Nr. 2 AVB
Warenkredit 1984 geregelten Obliegenheit – unterbliebene Anzeige der
Kreditzielüberschreitung – berufen. Die vom Kläger gegenüber der A. GmbH geltend
gemachten Forderungen seien erfüllt.
Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von (33.108,80 DM = 16.928,26 EUR
abzgl. 25 % Selbstbehalt =) 12.696,20 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz
seit dem 18. Januar 2002 (Zugang des Ablehnungsschreibens der Beklagten) verurteilt
und die weitergehende Klage wegen Obliegenheitsverletzung abgewiesen. Hinsichtlich
des Verurteilungsbetrages hat das Landgericht die Zahlungen anhand der in der
Aufstellung in Anlage K 10 enthaltenen Belegnummern auf andere, anhand dieser
Belegnummern ermittelte Forderungen verrechnet.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie vorträgt, die Zahlungen
der A. GmbH hätten nicht auf die Forderungen gegen die M. GmbH verrechnet werden
dürfen, sondern gemäß § 2 Nr. 3 AVB Warenkredit 1984 auf die jeweils älteste Forderung
gegen die A. GmbH. Dem entsprechend sei zum Zeitpunkt der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens bereits Erfüllung eingetreten.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil teilweise zu ändern und die Klage insgesamt
abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil und meint, die Regelung in § 2 Nr. 3 AVB
Warenkredit greife nur ein, soweit der Kunde keine abweichende
Verrechnungsbestimmung getroffen habe. Außerdem legt er zu den
streitgegenständlichen Zahlungen weitere Rechnungen und Überweisungen vor.
Für den weitergehenden Parteivortrag wird auf den vorgetragenen Inhalt der
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die zulässige Berufung ist begründet.
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1. Der Kläger hat aus §§ 1 Abs. 1 VVG, 2 Nr. 1 a) AVB Warenkredit 1984 keinen Anspruch
auf Ersatz eines anteiligen Forderungsbetrages für die Lieferung von Waren an die A.
GmbH, den er gegenüber seiner Kundin wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im
November 2001 nicht realisieren konnte.
a) Durch das Schreiben vom 16. März 1999, Anlage B 1 zur Klageerwiderung, hat die
Beklagte bis zu einer Versicherungssumme von 100.000,00 DM im Sinne des § 2 Nr. 2
AVB Warenkredit 1984 Versicherungsschutz für die Forderungen gegen diese Kundin
zugesagt. Der Kläger hat auch die in den Rechnungen vom 3. Juli 2000, 7. Juli 1000, 10.
Juli 2000 und 17. Juli 2000 fakturierten Warenlieferungen erbracht und deshalb gegen die
Kundin einen Zahlungsanspruch von insgesamt 33.108,80 DM = 16.928,26 EUR. Durch
die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über deren Vermögen ist zudem gemäß § 9 Nr. 1
a) AVB Warenkredit 1984 der Versicherungsfall eingetreten.
b) Im Verhältnis zur beklagten Versicherung sind jedoch unabhängig von einer
abweichenden Verrechnungsbestimmung der Kundin die streitgegenständlichen
Forderungen als erloschen anzusehen, weil gemäß § 2 Nr. 3 AVB Warenkredit 1984 die
zwischen dem 6. Juli 2000 und dem 27. November 2000 geleisteten Zahlungen, die als
solche zwischen den Parteien unstreitig sind, überwiegend auf die hier noch in Rede
stehenden, soweit ersichtlich einzigen Forderungen des Klägers gegen die A. GmbH, zu
verrechnen sind. Etwas Gegenteiliges ergibt sich nicht etwa daraus, dass sich die aus der
Aufstellung in Anlage K 10 zum Schriftsatz vom 14. Mai 2002 (Bl. 42) ergebende, durch
die mit der Berufungserwiderung eingereichten Überweisungsträger, auf denen die
jeweiligen Rechnungen ausdrücklich genannt sind, bestätigte Verrechnungsbestimmung
(§ 366 Abs. 1 BGB) auf Forderungen gegen die M. GmbH bezog. Dabei ist von
Folgendem auszugehen:
aa) Bei der M. GmbH handelt es sich zwar um eine formal selbständige Kundin,
jedenfalls in Bezug auf den Versicherungsvertrag ist aber von einer
Geschäftsübernahme durch die A. GmbH auszugehen. Dabei kommt es nicht darauf an,
dass ein Übergang des Vermögens durch Verschmelzung im Sinne des § 1 Nr. 1 UmwG
mangels Eintragung im Handelsregister (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG) nicht stattgefunden
hat. Es kann auch offen bleiben, ob in der Mitteilung der M. F. Handels GmbH vom 26.
Juni 2000 und den nachfolgenden Zahlungen der A. GmbH eine durch den Kläger
konkludent genehmigte Schuldübernahme im Sinne des § 415 BGB zu sehen ist. Denn
jedenfalls hat sich die Beklagte in ihrem Schreiben vom 29. Juni 2000 (Anlage K 5 zur
Klageschrift) selbst darauf berufen, dass die Geschäftstätigkeit der bisherigen Kundin
durch die A. GmbH übernommen worden sein soll und aus diesem Grund für die M.
GmbH gemäß § 8 Nr. 6 AVB Warenkredit 1984 den Versicherungsschutz für die Zukunft
entzogen. Geht die Beklagte damit selbst von einer wie auch immer rechtlich
ausgestalteten Geschäftsübernahme aus, kann dies bei Auslegung nach dem objektiven
Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) nur so verstanden werden, dass die Zahlungen
des "Übernehmers", der A. GmbH, auf die Forderungen gegen die ursprüngliche Kundin
zu verrechnen sind. Anders ist der weitere Hinweis in dem Schreiben, der Kläger möge
sich um den Abbau der Forderungen bemühen und bis zum Versicherungsfall
eingehende Zahlungen seien auf die jeweils ältesten Forderungen zu verrechnen, nicht
zu erklären.
bb) Damit gilt in dem – wie vorstehend aufgezeigt – einheitlichen Rechtsverhältnis des
Klägers mit der A. GmbH, d.h. auch in ihrer Eigenschaft als Geschäftsübernehmerin der
M. GmbH, die Verrechnungsbestimmung des § 2 Nr. 3 Abs. 2 AVB Warenkredit 1984 mit
der Folge, dass Zahlungen der A. GmbH auf die Forderungen des Klägers gegen die M.
GmbH zu verrechnen sind. Dabei kann die einleitende Formulierung, dass "im Rahmen
des Versicherungsschutzes" die jeweils ältesten Forderungen versichert sind bzw. bei
Bezahlung vorrangiger Forderungen in den Schutz einbezogen werden, jedoch nur so
verstanden werden, dass sich auch die Bestimmung über die Verrechnung eingehender
Zahlungen, die mitentscheidend dafür ist, wann welche Forderung versichert ist, nur auf
die versicherten Forderungen bezieht. Ist der Versicherer hinsichtlich einzelner
Forderungen leistungsfrei, können nachfolgende Zahlungen auf diese Forderungen nicht
mehr verrechnet werden. Andernfalls erhielte der Versicherungsnehmer durch
Verrechnung eingehender Zahlungen auf nicht versicherte Forderungen für diese
letztlich doch Versicherungsschutz, weil die Zahlungen dann nicht mehr für nachrangige
versicherte Forderungen zur Verfügung stehen. Dass dies nicht dem Zweck des
Versicherungsvertrags entspricht, kann dem durchschnittlich erfahrenen
Geschäftsinhaber, der als Versicherungsnehmer einer Warenkreditversicherung
überhaupt nur in Betracht kommt, nicht verborgen bleiben (zur Berücksichtigung des
Adressatenkreises bei der Auslegung von AVB Römer in Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl.,
Rn. 22 vor § 1 VVG; Präve, Versicherungsbedingungen und AGB-Gesetz, Rn. 270).
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cc) Dem kann der Kläger nicht entgegen halten, dass er auf die von seinem Kunden
getroffene Verrechnungsbestimmung keinen Einfluss hat und diese ihm gegenüber
wirksam ist. Dies führt nicht zu einem Vorrang des § 366 Abs. 1 BGB gegenüber der
Regelung in § 2 Nr. 3 AVB Warenkredit 1984, vielmehr ist die Verrechnung in beiden
Rechtsverhältnissen gesondert zu beurteilen mit der Folge, dass sich damit für das
Vertragsverhältnis des Versicherungsnehmers zu seinem Abnehmer und zum
Versicherer unterschiedliche Rechtsfolgen ergeben können. Dies ist allerdings nicht
unumstritten. So ist etwa eine Stundungsvereinbarung, die der Versicherungsnehmer
mit dem Kunden getroffen hatte, auch gegenüber dem Versicherer für bindend gehalten
worden mit der Folge, dass die Frist für die Bestimmung des äußersten Kreditziels nicht
zu laufen begann (OLG Hamburg VersR 1996, 1102, 1103). Wollte man diesen Gedanken
verallgemeinern, könnte man die Auffassung vertreten, dass der Versicherer (von den
hier nicht in Betracht kommenden Fällen eines treuwidrigen Verhaltens oder eines
kollusiven Zusammenwirkens zu seinen Lasten abgesehen) jede zivilrechtlich wirksame
Verfügung über die versicherte Forderung gegen sich gelten lassen müsste. Gerade die
hier vorliegende Konstellation zeigt jedoch, dass dies nicht uneingeschränkt gelten kann,
sondern durch den Zweck des Versicherungsvertrags eingeschränkt wird. Bei der
Beurteilung kommt es dabei nicht auf die einseitig gebliebenen Erwartungen des
Versicherungsnehmers an, sondern auf die vereinbarten Vertragsbedingungen, deren
Wirksamkeit anhand der Vorschriften des AGBG a.F. zu überprüfen ist (BGH WM 1987,
187). Dabei führt die hier vertretene Auslegung nicht zur Unwirksamkeit der Klausel.
Dass sich eine versicherungsvertraglich relevante Verrechnung nur auf solche
Forderungen beziehen kann, die dem Versicherungsschutz unterfallen, ist für den
Versicherungsnehmer weder überraschend im Sinne von § 3 AGBG a.F. noch stellt es
eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 9 AGBG a.F. dar, wenn der
Versicherungsnehmer für Forderungen, hinsichtlich derer die Versicherung leistungsfrei
ist, auch keinen mittelbaren wirtschaftlichen Vorteil erzielt. Die hier vorzunehmende
Verrechnung ist damit letztlich Folge einer Obliegenheitsverletzung des Klägers (vgl.
dazu unter c)).
c) Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Zahlungen der A. GmbH nur zu
einem geringen Teil auf die gegen die M. GmbH bestehenden Forderungen zu
verrechnen sind. Denn die Beklagte hat sich, wie das Landgericht zutreffend festgestellt
und der Kläger auch nicht angegriffen hat, zu Recht auf die Verletzung der in § 7 Nr. 2
AVB Warenkredit 1984 geregelten Obliegenheit zur unverzüglichen Anzeige einer
Überschreitung des äußersten Zahlungsziels berufen, so dass sie gemäß § 14 Nr. 1 AVB
Warenkredit 1984 leistungsfrei ist. Unstreitig ist es erstmals im April 2000 zu einer
Überschreitung des im Versicherungsvertrag mit drei Monaten vereinbarten äußersten
Kreditziels um 21 Tage gekommen, die der Kläger nicht angezeigt hat.
Dabei muss nicht abschließend entschieden werden, ob die Klausel des § 7 Nr. 3 AVB
Warenkredit 1984, die den Ausschluss des Versicherungsschutzes für Forderungen aus
künftigen Lieferungen sowie den Ausschluss des "Nachrückens" von Forderungen allein
an die nicht angezeigte Kreditzielüberschreitung knüpft, den Versicherungsnehmer
unangemessen benachteiligt und damit gegen § 9 AGBG a.F. verstößt. Dafür könnte
sprechen, dass eine vergleichbare Klausel, die die Leistungsfreiheit an eine unterlassene
Saldenmitteilung ohne Berücksichtigung eines etwa mangelnden Verschuldens des
Versicherungsnehmers geknüpft hat, als dem gesetzlichen Leitbild des § 6 VVG
widersprechend und damit als unwirksam angesehen wurde (OLG Koblenz VersR 1992,
571, 572; bestätigt durch BGH VersR 1993, 223, 224). Ob etwas anderes gilt, wenn es
um die unterlassene Anzeige einer Kreditzielüberschreitung geht, die für den Versicherer
– für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer insbesondere anhand der Regelungen
in § 8 Nr. 1, 2 AVB Warenkredit 1984 erkennbar – von zentralem Interesse ist, um das
Risiko überprüfen und ggf. Maßnahmen gemäß § 8 Nr. 6 AVB ergreifen zu können, kann
offen bleiben. Denn gemäß § 7 Nr. 3 S. 2 AVB bleiben die Vorschriften über die
Verletzung von Obliegenheiten hiervon unberührt. Die Beklagte hat sich ausdrücklich
sowohl in dem Schreiben vom 16. Januar 2002 als auch im Rechtsstreit auf die
Verletzung der Obliegenheit berufen. Dass die fehlende Anzeige nicht auf ein
Verschulden des Klägers zurückzuführen ist, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Im
Gegenteil hatte die Beklagte in ihrer außergerichtlichen Korrespondenz bereits 1996 (vgl.
das Schreiben Anlage K 8) auf die besondere Bedeutung dieser Anzeige hingewiesen.
Das Erfordernis der Kündigung ist in § 14 Nr. 1 AVB (wirksam, vgl. § 187 VVG)
ausgeschlossen, zudem war der Vertrag im Januar 2002 durch fristgemäße Kündigung
bereits beendet.
Die Berufung auf die Obliegenheitsverletzung führt nach dem zu b)bb) Gesagten dazu,
dass eine Verrechnung eingehender Zahlungen auf die Forderungen gegen die M. GmbH
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dass eine Verrechnung eingehender Zahlungen auf die Forderungen gegen die M. GmbH
nur insoweit möglich ist, als die Verletzung keinen Einfluss auf den Eintritt des
Versicherungsfalls oder den Umfang der Leistung hatte, § 14 Nr. 2 AVB Warenkredit
1984. Die erste meldepflichtige Kreditzielüberschreitung trat mit Ablauf des 12. April
2000 ein, so dass bei regulärem Verlauf eine Meldung ca. innerhalb einer Woche, d.h. bis
spätestens zum 19. April 2000, erforderlich gewesen wäre. Danach konnte die
Obliegenheitsverletzung hinsichtlich der bereits am 7. März 2000 bzw. 17. April 2000
fakturierten Forderungen über 2.954,48 DM und 11.269,35 DM keine Auswirkung mehr
haben, so dass die Verrechnung insoweit zulässig ist. Hinsichtlich der weiteren
Zahlungen der A. GmbH in Höhe von insgesamt 59.185,99 DM gilt dies jedoch nicht, da
sie sich auf Forderungen bezieht, die nach Verletzung der Anzeigeobliegenheit fällig
geworden sind und bei denen es mithin nicht ausgeschlossen werden kann, dass die
Beklagte – insbesondere angesichts des Umstands, dass die erste
Kreditzielüberschreitung einen Betrag von immerhin 27.011,65 DM betraf – umgehend
Maßnahmen zur Liquiditätsprüfung und ggf. Einschränkung des Versicherungsschutzes
getroffen hätte. Dieser Betrag stand daher für eine Verrechnung auf Forderungen der M.
GmbH nicht mehr zur Verfügung und ist mithin auf die streitgegenständlichen
Forderungen des Klägers gegen die A. GmbH zu verrechnen. Ein Anspruch auf
Versicherungsleistungen für den tatsächlichen Forderungsausfall besteht nicht mehr.
2. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die
Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, weil zur Auslegung des § 2 Nr. 3 AVB
Warenkredit 1984, insbesondere zu dessen Verhältnis zu § 366 BGB, keine
höchstrichterliche Rechtsprechung existiert und derartige Verträge erhebliche
wirtschaftliche Bedeutung haben dürften.
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