Urteil des KG Berlin vom 27.03.2007

KG Berlin: berufliche tätigkeit, öffentliche meinung, kritik, persönlichkeitsrecht, meinungsfreiheit, zeitungsartikel, ausgrenzung, wiedergabe, internetseite, quelle

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Gericht:
KG Berlin 9. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 W 75/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 1 GG, Art 2 GG, § 823 Abs 1
BGB, § 1004 Abs 1 S 2 BGB
Persönlichkeitsrechtsverletzung durch Presseberichterstattung:
Kritische Auseinandersetzung mit dem Prozessverhalten eines
Presserechtsanwalts
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 4. April 2007 gegen den Beschluss des
Landgerichts Berlin vom 27. März 2007 (27.O.273/07) wird auf dessen Kosten bei einem
Beschwerdewert von 10.000,00 Euro zurückgewiesen.
Gründe
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Der Antragsteller hat gegen den Antragsgegner keinen Anspruch analog § 1004 Absatz
1 Satz 2 BGB in Verbindung mit § 823 Absatz 1 BGB, Art. 1 Absatz 1, 2 Absatz 1 GG auf
Unterlassung der angegriffenen Berichterstattung.
Zwar beinhaltet das allgemeine Persönlichkeitsrecht das Recht, in gewählter Anonymität
zu bleiben und die eigene Person nicht in der Öffentlichkeit dargestellt zu sehen (BGH
NJW-RR 2007, 619), auch dieses Grundrecht wird jedoch nicht grenzenlos gewährt.
Vielmehr können im Einzelfall das Informationsinteresse der Öffentlichkeit und die
Meinungsfreiheit Vorrang haben, was hier der Fall ist.
1. Die Berichterstattung des Antragsgegners betraf die berufliche Tätigkeit des
Antragstellers und damit dessen Sozialsphäre.
Diese umfasst den jenseits des Privaten liegenden Bereich der Person, der nach außen
so in Erscheinung tritt, dass er grundsätzlich von jedem, jedenfalls aber auch von
Menschen wahrgenommen werden kann, zu denen keine rein persönlichen Beziehungen
bestehen, der aber der Öffentlichkeit nicht bewusst zugekehrt ist (Wenzel/Burkhardt, Das
Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage, Kap. 5, Rn. 65).
Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Antragsteller in dem angegriffenen
Bericht einen Rechtsstreit referiert, in dem der Antragsteller gegen den Autor eines in
einer Zeitung veröffentlichten Artikels vorging. Dieser Artikel beschäftigte sich nämlich
gerade mit dem Auftreten des Antragstellers als Rechtsanwalt vor Gericht in einem
Rechtsstreit, in dem es wiederum um die Zulässigkeit von Textpassagen in einem Buch
über einen bekannten Privatbankier ging. Damit thematisiert der Antragsgegner in
seinem Bericht das Spannungsverhältnis zwischen Pressefreiheit und
Persönlichkeitsrecht und informiert anhand einer konkreten juristischen
Auseinandersetzung zwischen einem Autor einer Zeitung einerseits und dem von
dessen Berichterstattung betroffenen Rechtsanwalt andererseits über die Grenzen einer
öffentlichen, kritischen und satirischen Berichterstattung über die Tätigkeit eines
Rechtsanwaltes vor Gericht.
Eine derartige Auseinandersetzung mit dem Auftreten des Antragstellers in dessen
Sozialsphäre muss der Antragsteller grundsätzlich hinnehmen.
„Äußerungen zu der Sozialsphäre desjenigen, über den berichtet wird, dürfen nur im
Falle schwerwiegender Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht mit negativen
Sanktionen verknüpft werden, so etwa dann, wenn eine Stigmatisierung, soziale
Ausgrenzung oder Prangerwirkung zu besorgen sind. Tritt der Einzelne als ein in der
Gemeinschaft lebender Bürger in Kommunikation mit anderen, wirkt er durch sein
Verhalten auf andere ein und berührt er dadurch die persönliche Sphäre von
Mitmenschen oder Belange des Gemeinschaftslebens, dann ergibt sich auf Grund des
Sozialbezuges nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG eine Einschränkung des
Bestimmungsrechts desjenigen, über den berichtet wird“ (BGH NJW-RR 2007, 619). Der
Einzelne muss sich in diesem Bereich von vornherein auf die Beobachtung seines
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Einzelne muss sich in diesem Bereich von vornherein auf die Beobachtung seines
Verhaltens durch eine breitere Öffentlichkeit wegen der Wirkungen, die seine Tätigkeit
hier für andere hat, einstellen und setzt sich damit auch der Kritik an seinen Leistungen
aus (BGH a.a.O.).
Anhaltspunkte für eine Stigmatisierung, soziale Ausgrenzung oder Prangerwirkung durch
den Internetauftritt des Antragsgegners lassen sich vorliegend nicht finden.
Hierbei war auch zu berücksichtigen, dass es sich bei dem zitierten Artikel um eine
satirische Darstellung der Person des Antragstellers handelte, die ersichtlich nicht für
sich in Anspruch nimmt, den Gang der Verhandlung und das Verhalten des
Antragstellers ernsthaft, detailgetreu und vollständig wiederzugeben.
Hinzukommt schließlich, dass eine öffentliche Kritik des Antragstellers als Rechtsanwalt
nicht zuletzt Ausfluss des (auch) den Zivilprozess beherrschenden
Öffentlichkeitsgrundsatzes (§ 169 GVG) ist und der Antragsteller im Rahmen dessen
selbst eine satirische Kritik an seiner Tätigkeit als unabhängiges Organ der Rechtspflege
(§ 1 BRAO) hinzunehmen hat.
2. Der Antragsgegner kann sich demgegenüber auf seine grundgesetzlich garantierte
Meinungsfreiheit (Art. 5 Absatz 1 Satz 1 GG) berufen.
Gerade der Meinungsfreiheit, der das BVerfG wegen ihrer herausragenden Bedeutung
für die menschliche Persönlichkeit und die demokratische Staatsordnung seit jeher einen
besonders hohen Rang zuerkennt (BVerfG NJW 1991, 2339), muss hier bei der Abwägung
mit den anderen Rechtsgütern ein höheres Gewicht eingeräumt werden. Dies gilt
insbesondere bei Äußerungen, die nicht im privaten Interesse, sondern in öffentlichen
Angelegenheiten gemacht werden. Hier spricht bereits eine Vermutung zugunsten der
Redefreiheit; an die Zulässigkeit öffentlicher Kritik dürfen keine überhöhten
Anforderungen gestellt werden (BVerfG a.a.O.). Ebenso wenig ist die geäußerte Meinung
selbst hierbei einer inhaltlichen Wertung zu unterziehen.
Der Antragsgegner betreibt eine Internetseite, auf der er über die Rechtsprechung
einschließlich der mündlichen Verhandlungen (insbesondere) des Landgerichts Hamburg
sowie des hanseatischen Oberlandesgerichts in Pressesachen berichtet, diese auswertet
und referiert. Damit übt er öffentliche Kritik an der Rechtsprechung dieser Gerichte.
Dieses Bemühen des Antragsgegners um eine öffentliche Beschäftigung mit der
Tätigkeit dieser Gerichte ist hinzunehmen. Ersichtlich nimmt der Antragsgegner hierbei
für sich in Anspruch, sein Anliegen auch im öffentlichen Interesse und zur Einflussnahme
auf die öffentliche Meinung zu verfolgen, mag dies in der breiten Öffentlichkeit auch nur
in relativ geringem Maße Resonanz finden. Jedenfalls ist die vom Antragsgegner auf
seiner Internetseite geführte öffentliche Darstellung und Diskussion der
Rechtsprechungstätigkeit (insbesondere des Landgerichts Hamburg sowie des
hanseatischen Oberlandesgerichts) in Pressesachen als adäquates Mittel für die
Durchsetzung der eigenen Meinung in der geistigen Auseinandersetzung von Art. 5
Absatz 1 Satz 1 GG gedeckt.
Im Rahmen einer solchen vom Antragsgegner betriebenen Auseinandersetzung, was
auch das Auftreten und Handeln der einzelnen Prozessbeteiligten in den mündlichen
Verhandlungen einschließt, ist es deshalb zulässig, auch unter namentlicher Nennung
das Bemühen eines betroffenen Rechtsanwaltes darzustellen, eine kritisch-satirische
Berichterstattung über das Prozessverhalten der Beteiligten mit juristischen Mitteln zu
verhindern. Gerade um die Darstellung des Beispielsfalles hierbei plastisch und
nachvollziehbar zu machen, war es hierbei auch gerechtfertigt, den Inhalt des
Zeitungsartikels, der den Anlass für den Rechtsstreit, über den der Antragsgegner
berichtet hat, bildet, zu zitieren, mögen hierdurch auch die vom Antragsteller dem Autor
gegenüber beanstandeten und durch das Gericht dem dortigen Prozessgegner
untersagten Äußerungen im Wortlaut wiedergegeben werden. Der Bericht des
Antragsgegners über die mündliche Verhandlung in dem Rechtsstreit zwischen dem
Antragsteller und dem Autor des Zeitungsartikels wäre nicht verständlich, würde der
Inhalt des Zeitungsartikels nicht wiedergegeben.
So ist der Bericht des Antragsgegners nicht lediglich ein Vorwand, um die
beanstandeten Äußerungen aus dem Zeitungsartikel öffentlich erneut zu wiederholen.
3. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Verbreitung eines Teils dieser Äußerungen
als Schmähkritik gerichtlich untersagt worden sind, denn der wiedergegebene
Zeitungsartikel ist als subjektive Äußerung eines Dritten erkennbar.
Zwar kann auch in der Wiedergabe der Aussage eines Dritten eine eigene Äußerung des
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Zwar kann auch in der Wiedergabe der Aussage eines Dritten eine eigene Äußerung des
Zitierenden liegen, wenn er sich den Inhalt der fremden Äußerung erkennbar zu eigen
macht (BGH NJW 1997; BVerfG NJW 2004, 590). Auch ist dies regelmäßig dann
anzunehmen, wenn es an einer eigenen und ernsthaften Distanzierung fehlt (BGH NJW
1996, 1131; NJW 1997, 1148). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall.
Aus dem Inhalt des Berichtes des Antragsgegner sowie aus der äußeren Gestaltung wird
vorliegend hinreichend erkennbar, dass sich der Antragsgegner die wiedergegebenen
Textpassagen nicht zu eigen gemacht hat. Dem Antragsgegner ging es erkennbar allein
darum, Anlass und Entwicklung des Rechtsstreits zwischen dem Antragsteller und dem
Autor des Zeitungsartikels zu dokumentieren, ohne die angegriffenen Äußerungen
selbst einer eigenen Wertung zu unterziehen. So lässt der Bericht des Antragsgegners
keine Billigung der wiedergegebenen Fremdäußerung erkennen. Es wird deutlich
gemacht, dass der in dem Rechtsstreit zwischen dem Antragsteller und dem Autor
streitige Zeitungsartikel wiedergegeben und damit allein der Anlass dieses Rechtsstreits
dokumentiert wird. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass der Antragsgegner der in
diesem Artikel geäußerten Meinung beipflichtet. Die Äußerungen werden nicht etwa in
einen eigenen Gedankengang eingefügt, so dass dadurch eine Aussage des
Antragsgegners bekräftigt werden würde (vgl. BGH NJW 1976, 1198).
Letztlich macht der Antragsgegner dies auch äußerlich dadurch deutlich, dass er sich
am Ende der Wiedergabe des Zeitungsartikels von den verbotenen (rot
gekennzeichneten) Textpassagen ausdrücklich distanziert.
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