Urteil des KG Berlin vom 02.09.2008

KG Berlin: feststellungsklage, rechtsschutzinteresse, gegenleistung, vollstreckung, leistungsanspruch, lieferung, prozessökonomie, quelle, vollstreckbarkeit, ausführung

1
2
3
4
Gericht:
KG Berlin 27.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
27 U 153/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 756 ZPO, § 765 ZPO
Feststellungsklage: Zulässigkeit einer Klage auf nachträgliche
Feststellung des Annahmeverzuges
Leitsatz
Eine Klage auf Feststellung des Annahmeverzuges ist auch nachträglich möglich, wenn
hierdurch die Vollstreckung eines bereits titulierten Leistungsanspruchs gemäß §§ 756, 765
ZPO erleichtert wird. Insoweit besteht auch ein Rechtsschutzinteresse an einer isolierten
Feststellungsklage.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 10. August 2007 verkündete Urteil des
Landgerichts Berlin, 26 O 239/06, geändert:
Es wird festgestellt,
dass sich die Beklagten mit der Annahme der Lieferung und des Einbaus von zwei
Stück Terrassentüren Dreh/Kipp 97,5/208 cm (Typ NT WS II), Rotholz weiß, mit Wiener
Sprossen als Kreuzsprossen, Wärmedämmglas 1,1 und „A3“- Sicherheitsverglasung
einseitig, in den Räumen 1201 (Abstell.) und 1291 (Schwimmbad) des Hauses …, …
Berlin in Verzug befinden.
Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass sich die Beklagten im Annahmeverzug mit
den von der Klägerin zu liefernden und einzubauenden zwei Terrassentüren befinden.
Die Klägerin nahm die Beklagten in einem Vorprozess vor dem Landgericht Berlin auf
Zahlung von Restwerklohn in Anspruch. Das Landgericht Berlin verurteilte die Beklagten
mit rechtskräftigem Urteil vom 15. Oktober 2004, 26 O 484/02, unter anderem zur
Zahlung von 10.225,84 EUR Zug um Zug gegen Lieferung und Einbau von den beiden in
Rede stehenden Terrassentüren.
Die Klägerin teilte mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 16.12.2005 mit,
dass Voraussetzung für den Einbau der beiden Türen die Durchführung eines
Ortstermins sei, in welchem die durchzuführenden Maßnahmen zu klären seien. Zugleich
bat sie die Beklagten um Mitteilung von Terminvorschlägen. Mit weiterem
Anwaltsschreiben vom 17.01.2006 bat die Klägerin erneut um Terminsvorschläge und
erklärte, dass sie die im Tenor des landgerichtlichen Urteils genannten Arbeiten
ausführen werde. Mit Anwaltsschreiben vom 02.02.2006 rügte die Klägerin erneut die
fehlende Reaktion der Beklagten und setzte eine Frist bis zum 18.02.2006 zur Nennung
von Terminsvorschlägen zur Ausführung der Arbeiten. Zugleich kündigte sie für den Fall
des fruchtlosen Fristablaufes an, die vorliegende Klage zu erheben. Die Beklagten
reagierten hierauf ebensowenig wie auf die vorangegangenen Schreiben und das weitere
Schreiben der Klägerin vom 04.05.2006, mit welchem sie eine letzte Frist bis zum
15.05.2006 zur Nennung von Terminen für die Ausführung der Arbeiten setzte.
Das Landgericht Berlin hat die Klage als unzulässig abgewiesen und ausgeführt, die
Feststellung eines Annahmeverzuges könne nicht Gegenstand einer isolierten Klage
sein.
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
Die Klägerin hat gegen das ihr am 20. August 2007 zugestellte Urteil am selben Tag
Berufung eingelegt und diese am 21. September 2007 begründet.
Die Klägerin beantragt,
wie erkannt.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie vertreten die Auffassung, die isolierte Feststellungsklage diene dazu, ein
prozessuales Versäumnis im Erkenntnisverfahren zu reparieren. Dieser Umstand könne
das Rechtsschutzbedürfnis für die isolierte Feststellungsklage nicht begründen.
Wegen des weiteren Vortrages der Parteien wird auf den Inhalt der eingereichten
Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung
der Klägerin hat auch in der Sache Erfolg.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts im angefochtenen Urteil und der Beklagten
ist die vorliegende „isolierte“ Feststellungsklage zulässig. Die gegenteilige Ansicht
beruht auf einem Missverständnis der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes. Dieser
hat zwar entschieden, dass der Annahmeverzug wie auch der Schuldnerverzug nicht
Gegenstand einer isolierten Feststellungsklage sein kann (BGH, Urteil vom 31.05.2000,
XII ZR 41/98 = NJW 2000, 2663f. = MDR 2000, 1004f. bzw. Urteil vom 19.04.2000, XII ZR
332/97 = NJW 2000, 2280ff. = MDR 2000, 897f.). Er hat jedoch zugleich ausgeführt, dass
in dem Fall, in welchem der Beklagte die Leistung bis zur Bewirkung der Gegenleistung
verweigern darf, der Kläger ein schützenswertes Interesse an der Feststellung des
Annahmeverzuges des Beklagten insoweit hat, als hierdurch der Leistungsanspruch
erleichtert gemäß §§ 756, 765 ZPO, d.h. unabhängig von der dem Beklagten
gebührenden Gegenleistung vollstreckt werden kann.
Der Bundesgerichtshof hat in einer früheren Entscheidung zu dieser Problematik denn
auch lediglich die Zulässigkeit der begehrten Feststellung eines Annahmeverzuges mit
einer damit einhergehenden erleichterten Vollstreckbarkeit eines Leistungsanspruchs in
Bezug gebracht, ohne dabei auszuführen, dass das Feststellungsinteresse nur dann
bestehe, wenn der Feststellungsantrag zusammen mit dem Leistungsantrag in einem
Verfahren geltend gemacht wird (vgl. Urteil vom 28.10.1987, VIII ZR 206/86 = WM 1987,
1496ff.). Nach Sinn und Zweck dieser Rechtsprechung, nämlich die Vollstreckung eines
Leistungsanspruchs zu erleichtern oder gar erst zu ermöglichen, kann es nicht darauf
ankommen, ob der Feststellungsantrag zugleich mit dem Leistungsantrag oder später in
einem gesonderten Verfahren, wie vorliegend, geltend gemacht wird. In beiden Fällen
steht die Erleichterung der Vollstreckung im Vordergrund.
Zulässig ist folgerichtig auch eine Klage auf Feststellung, dass die
Vollstreckungsvoraussetzungen erfüllt sind, wenn der Gläubiger im Falle einer Zug-um-
Zug-Verurteilung die Gegenleistung erbracht hat, der Schuldner nicht bereit ist, dies zu
bestätigen und wenn der Gläubiger auch nicht auf andere Weise den Annahmeverzug
des Schuldners formgerecht nachweisen kann (vgl. OLG Koblenz, Rechtspfleger 1993,
28f.).
Eine unzulässige isolierte Feststellung eines Annahmeverzuges wird also nur dann
begehrt, wenn diese Feststellung sich nicht auf die erleichterte Vollstreckung des
zugleich begehrten oder anderweitig bereits erkannten Leistungsantrages bezieht
(ebenso: Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 29. Aufl., § 756, Rn. 10; MünchKomm/Heßler,
ZPO, 3. Aufl., § 756, Rn. 47; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 756, Rn. 12). Nur
wenn alleine und ohne Bezug auf einen -titulierten- Leistungsanspruch die Feststellung
eines Annahmeverzuges begehrt wird, besteht kein Rechtsschutzinteresse, da dann der
Prozess nicht der Feststellung eines Rechtsverhältnisses, sondern lediglich der Klärung
einer Vorfrage in Bezug auf mögliche Rechtsfolgen im Rahmen eines
Rechtsverhältnisses dient.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann der Aspekt der fehlenden
Prozessökonomie einer nachträglichen Feststellungsklage nicht das
Rechtsschutzinteresse entfallen lassen. Das Rechtsschutzinteresse ergibt sich immer
18
19
20
21
Rechtsschutzinteresse entfallen lassen. Das Rechtsschutzinteresse ergibt sich immer
aus dem Aspekt der Vollstreckungserleichterung gemäß §§ 756, 765 ZPO. Die
Prozessökonomie kann lediglich das Rechtsschutzinteresse eines Klägers insoweit
begründen bzw. fördern, als die Feststellungsklage eines Annahmeverzuges bereits mit
dem Verfahren über den Leistungsanspruch verbunden werden darf. Es besteht
indessen keine Verpflichtung hierzu. So ist es denkbar, dass die Voraussetzungen des
Annahmeverzuges im Zeitpunkt der Entscheidungsreife über den Leistungsantrag noch
nicht vorliegen. Dann wäre es aus materiellen Gründen noch nicht möglich, den
Feststellungsantrag schon jetzt geltend zu machen.
Ebenso kann es gute Gründe dafür geben, dass ein Kläger das Zurückbehaltungsrecht
bestreitet und eine unbedingte Verurteilung des Beklagten verfolgt. Dies entsprach
gleichfalls der Prozesstaktik der Klägerin im Vorprozess vor dem Landgericht Berlin, Az:
26 O 484/02 (vgl. S. 4 des Urteils vom 15.10.2004). Wenn in einem solchen Falle dann
das Gericht jedoch nur eine Zug-um-Zug-Verurteilung ausspricht, wäre ein solches Urteil
de facto nicht vollstreckbar, wenn die beklagte Partei anschließend das Angebot der
Gegenleistung verweigert und eine nachträgliche Klage auf Feststellung des
Annahmeverzuges als unzulässig behandelt wird. Eine solche Verfahrensweise würde
nach Auffassung des Senats indessen gegen das Grundrecht eines Klägers auf
Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG verstoßen (vgl. BGH,
Beschluss vom 13.03.2008, I ZB 59/07 = NJW 2008, 1742ff.).
Die Feststellungsklage ist auch begründet, denn die Klägerin hat mehrfach vergeblich
und unter Fristsetzung die Beklagten zur Mitteilung eines Termins zur Durchführung der
Lieferung und des Einbaus der in Rede stehenden Terrassentüren aufgefordert. Durch
das Unterlassen dieser von den Beklagten geschuldeten Mitwirkungshandlung sind diese
mit Fristablauf in Annahmeverzug geraten, § 295 BGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Revision war nicht gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, da die Rechtssache weder
grundsätzliche Bedeutung hat, noch aus anderen Gründen eine Entscheidung des
Revisionsgerichts erfordert.
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum