Urteil des KG Berlin vom 29.10.2002

KG Berlin: verwalter, interessenkonflikt, eigentümer, treuhänder, abgabe, grundbuchamt, eignungsprüfung, rechtsgeschäft, zwischenverfügung, vertretungsmacht

1
2
3
Gericht:
KG Berlin 1. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 W 244/03
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 181 BGB, § 12 Abs 1 WoEigG
Wohnungseigentum: Erklärung der Zustimmung zur
Veräußerung durch den mit dem Erwerber identischen Verwalter
Leitsatz
Erklärt der WEG-Verwalter, der zugleich Erwerber ist, die Zustimmung nach § 12 Abs 1 WEG
auch gegenüber dem Veräußerer, ist dies wirksam; § 181 BGB findet insoweit keine
Anwendung.
Tenor
Die angefochtene Entscheidung und die Zwischenverfügung des Amtsgerichts
Tempelhof-Kreuzberg vom 29. Oktober 2002 werden aufgehoben.
Das Grundbuchamt wird angewiesen, von den in der Zwischenverfügung geäußerten
Bedenken Abstand zu nehmen.
Gründe
Die weitere Beschwerde ist gemäß §§ 78 bis 80 GBO zulässig. Sie ist auch begründet,
denn die angefochtene Entscheidung beruht auf einem Rechtsfehler (§ 78 GBO, §§ 561
ff. ZPO).
Das Landgericht hat angenommenen, die durch den Beteiligten zu 2) in seiner
Eigenschaft als Verwalter erklärte Zustimmung zur Veräußerung nach § 12 Abs. 1 WEG
sei entsprechend § 181 BGB (schwebend) unwirksam, weil der Beteiligte zu 2) an dem
Veräußerungsgeschäft als Erwerber beteiligt ist. Das hält der rechtlichen Nachprüfung
nicht stand; die Zustimmung des Verwalters, der zugleich Erwerber ist, unterliegt nicht
den Beschränkungen des § 181 BGB, wenn die Zustimmungserklärung gegenüber dem
Veräußerer abgegeben werden kann und dementsprechend – wie hier anzunehmen ist –
auch abgegeben wird (vgl. OLG Düsseldorf, NJW 1985, 390; Röll in Münchener
Kommentar, BGB, 3. Aufl., § 12 WEG Rn. 6; Weitnauer/Lüke, WEG, 8. Aufl., § 12 Rn. 13;
Pick in Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl., § 12 Rn. 21; a.A. LG Traunstein, MittBayNot
1980, 164; Soergel/Stürner, BGB, 12. Aufl., § 12 WEG Rn. 4c).
Zwar handelt es sich bei der Zustimmung zur Veräußerung nach § 12 Abs. 1 WEG um
ein einseitiges empfangsbedürftiges Rechtsgeschäft, für das § 181 BGB grundsätzlich
gilt (vgl. BGH, NJW-RR 1991, 1441; RGZ 143, 350, 352; BayObLG, Rpfleger 1983, 350;
Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl., § 181 Rn. 6). Auch scheitert die Anwendung der
Vorschrift nicht daran, dass der Verwalter bei der Abgabe der Zustimmungserklärung
nicht im fremden, sondern im eigenen Namen handelt. Denn er nimmt bei der
Ausübung der Zustimmungsbefugnis regelmäßig kein eigenes Recht wahr, sondern ein
solches der Wohnungseigentümer, als deren Treuhänder und mittelbarer Stellvertreter
er handelt (BGHZ 112, 240, 242; BayObLGZ 1980, 29, 35; OLG Zweibrücken, NJW-RR
1987, 269; OLG Saarbrücken, DNotZ 1989, 439 f.; Palandt/Bassenge, a.a.O., § 12 WEG
Rn. 4; Bub, NZM 2001, 502, 503). Das legt es nahe, den Anwendungsbereich des § 181
BGB auf den WEG-Verwalter auszudehnen (vgl. BayObLG, NJW-RR 1986, 1077, 1078);
seine Stellung als Treuhänder ist der von Trägern eines privaten Amtes
(Testamentsvollstrecker, Nachlass- und Insolvenzverwalter) vergleichbar, für welche die
entsprechende Anwendung des § 181 BGB wegen der Gleichheit der Konfliktslage
anerkannt ist (vgl. BGHZ 113, 262, 270; 108, 21, 24; 30, 67; Palandt/Heinrichs, a.a.O., §
181 Rn. 3). Es liegt auch typischerweise ein Interessengegensatz vor, wenn der
Verwalter, der zugleich Erwerber ist, über die Zustimmung zur Veräußerung entscheidet.
Die Veräußerungsbeschränkung nach § 12 Abs. 1 WEG dient dem Schutz der
Wohnungseigentümer vor einem persönlich oder finanziell unzuverlässigen Erwerber
(Senat, FGPrax 1996, 140, 141; OLGZ 1978, 296, 298; BayObLG, DNotZ 1992, 229, 230;
BayObLGZ 1977, 40, 42; OLG Zweibrücken, a.a.O.; vgl. auch BGHZ 37, 203, 208). Dieses
durch den Verwalter treuhänderisch wahrzunehmende Interesse läuft seinem
Eigeninteresse an dem Erwerb des Wohnungseigentums zuwider; eine objektive
4
5
6
7
Eigeninteresse an dem Erwerb des Wohnungseigentums zuwider; eine objektive
Eignungsprüfung des Erwerbers durch den Verwalter ist hier – mehr noch als in dem Fall
einer Veräußerung des ihm gehörenden Wohnungseigentums (vgl. dazu BayObLG, NJW-
RR 1986, a.a.O.), bei der der Verwalter ein Eigeninteresse an der Abwicklung des mit
dem Erwerber geschlossenen Vertrages hat – schon wegen der Personenidentität
ausgeschlossen.
Jedoch handelt es sich bei der Zustimmung vorliegend nicht um ein Rechtsgeschäft, das
der Verwalter i.S.v. § 181 BGB "mit sich" vorgenommen hat. Bei einseitigen
Rechtsgeschäften ist ein Insichgeschäft grundsätzlich nur gegeben, wenn der Vertreter
dieses sich selbst gegenüber als Erklärungsempfänger vornimmt (BGHZ 94, 132, 137;
RGZ, a.a.O.; 76, 89, 92 f.; Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 181 Rn. 8). Das ist hier nicht der
Fall, denn der Beteiligte zu 2) hat die Zustimmungserklärung gegenüber dem
eingetragenen Eigentümer als Veräußerer abgegeben. Er hat mit notariell beglaubigter
Erklärung vom 19. April 2001 die soeben beurkundete Veräußerung genehmigt, ohne
einen Erklärungsempfänger zu benennen; das bedeutet, dass die Zustimmung
jedenfalls auch gegenüber dem anderen Teil des Vertrages erklärt wurde, wie dies
gemäß § 182 Abs. 1 BGB möglich ist (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O.; BayObLG, a.a.O.).
Eine erweiternde oder entsprechende Anwendung des § 181 BGB ist für diese
Konstellation abzulehnen. § 181 BGB ist eine formale Ordnungsvorschrift, die auf die Art
des Zustandekommens des Rechtsgeschäfts bezogen ist; der Interessengegensatz
zwischen mehreren vom Vertreter repräsentierten Personen ist zwar gesetzgeberisches
Motiv, aber zur Tatbestandserfüllung grundsätzlich weder erforderlich noch ausreichend
(BGHZ 77, 7, 9; 50, 8, 11). Das schließt es nach neuerem Verständnis allerdings nicht
aus, den Schutzzweck des § 181 BGB für eine tatbestandliche Erweiterung
heranzuziehen, wenn sich bei bestimmten Geschäften ein möglicher Missbrauch der
Vertretungsmacht "generell-abstrakt" nach objektiv und einwandfrei feststellbaren
Merkmalen erfassen lässt oder die Vorschrift bei einer rein formalen Betrachtungsweise
ihre Bedeutung verlöre, weil sie ohne weiteres umgangen werden könnte (vgl. BGHZ 91,
334, 337; 77, a.a.O., S.9 f.; 64, 72, 76; Senat, NJW-RR 1999, 168). So ist anerkannt, dass
bei amtsempfangsbedürftigen Willenserklärungen § 181 BGB Anwendung findet, wenn
der handelnde Vertreter materiell Betroffener und damit sachlich der eigentliche
Erklärungsempfänger ist (BGHZ 77, a.a.O.; RGZ 143, a.a.O., S. 353; BayObLGZ 1983,
213, 220). Handelt es sich jedoch – wie hier – um eine Erklärung, die wahlweise
gegenüber verschiedenen privaten Adressaten abgegeben werden kann, kommt eine
Anwendung des § 181 BGB nicht in Betracht, wenn der Dritte nicht nur formal, sondern
auch der Sache nach Erklärungsempfänger ist (BGHZ 94, a.a.O.; RGZ 76, a.a.O., OLG
Hamm, DNotZ 2003, 635, 636; OLG Düsseldorf, a.a.O.; Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 181
Rn. 8; Soergel/Leptien, BGB, 13. Aufl., § 181 Rn. 31; a.A. Schramm in Münchener
Kommentar, a.a.O., § 181 Rn. 28; Staudinger/Schilken, BGB, Neubearb. 2001, § 181 Rn.
41; offen lassend BayObLG, NJW-RR 1995, 1032, 1033; 1986, a.a.O.; Rpfleger 1983,
a.a.O.). In der Abgabe der Erklärung gegenüber dem am Interessenkonflikt nicht
beteiligten Empfänger liegt keine Umgehung der sonst eingreifenden gesetzlichen
Beschränkung, da der formale Adressat durch die Erklärung auch materiell in seinen
Rechten betroffen ist. Es liegt auch kein typischer Fall des Missbrauchs der dem
Verwalter eingeräumten Befugnis vor, wenn er die Zustimmung zu einer Veräußerung
erklärt, an der er selbst beteiligt ist; der darin liegende materielle Interessenkonflikt
rechtfertigt allein die Anwendung des § 181 BGB nicht (vgl. BGHZ 113, a.a.O.;
Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 181 Rn. 14). Ein solches Verständnis ist nach Ansicht des
Senats aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit, welche bei der teleologischen
Auslegung zu beachten sind (vgl. Schramm in Münchener Kommentar, a.a.O., § 181 Rn.
9), weiterhin geboten.
Vorliegend ist der eingetragene Eigentümer gemäß § 182 Abs. 1 BGB auch der Sache
nach Erklärungsempfänger; der von ihm geschlossene Vertrag wird durch die
Zustimmung wirksam (§ 12 Abs.3 WEG). Zudem steht ihm als veräußerungswilligem
Wohnungseigentümer allein der Anspruch auf Erteilung der Zustimmung nach § 12
Abs.1 WEG zu (vgl. Sohn, NJW 1985, 3060).
Schließlich ergibt sich – unabhängig von der Anwendung des § 181 BGB – auch aus dem
Sinn und Zweck des Zustimmungserfordernisses nicht mit der für die Auslegung von
Grundbucheintragungen erforderlichen Klarheit (vgl. dazu Demharter, GBO, 24. Aufl., §
53 Rn. 4), dass der Verwalter von der Ausübung der Zustimmungsbefugnis
ausgeschlossen sein soll, wenn er an der Veräußerung als Erwerber beteiligt ist. Auch
wenn eine objektive Eignungsprüfung durch den Verwalter nicht stattfindet, wenn dieser
selbst Erwerber ist, kann es zweckmäßig erscheinen, es im Außenverhältnis bei der
Zuständigkeit des Verwalters zu belassen. Den Wohnungseigentümern verbleibt die
Möglichkeit, eine Entscheidung über die Versagung der Zustimmung zu treffen, welche
8
Möglichkeit, eine Entscheidung über die Versagung der Zustimmung zu treffen, welche
den Verwalter gemäß § 27 Abs.1 Nr.1 WEG bindet (vgl. BayObLGZ 1980, a.a.O.; OLG
Saarbrücken, a.a.O.). Ob der Verwalter bei Gefahr eines Interessenkonflikts verpflichtet
ist, eine Beschlussfassung der Wohnungseigentümer herbeizuführen, ist vom
Grundbuchamt nicht zu prüfen.
Für eine Kostenerstattungsanordnung nach § 13a Abs.1 S.1 FGG besteht kein Anlass.
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum