Urteil des KG Berlin vom 26.03.2007

KG Berlin: wirkung ex tunc, ungültigerklärung, meinung, eigentumswohnung, verwalter, duldungsvollmacht, grundbuchamt, anfechtungsklage, anscheinsvollmacht, versammlung

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Gericht:
KG Berlin 1. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 W 209/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 29 GBO, § 12 WoEigG, § 26 Abs
3 WoEigG vom 26.03.2007, § 26
Abs 4 WoEigG vom 30.07.1973,
§ 46 WoEigG
Wohnungsgrundbuchverfahren: Nachweis der
Verwalterzustimmung zur Wohnungsveräußerung bei
erfolgreicher Anfechtung der Verwalterbestellung
Leitsatz
1. Die Zustimmung des Verwalters zur Veräußerung einer Eigentumswohnung ist unwirksam,
wenn der Beschluss der Wohnungseigentümer über die Bestellung des Verwalters auf
Anfechtungsklage nach § 46 WEG rechtskräftig für ungültig erklärt wird.
2. Der grundbuchmäßige Nachweis der Verwalterzustimmung ist nicht erbracht, wenn der
dem Grundbuchamt zum Nachweis der Verwaltereigenschaft gemäß § 26 Abs. 3 (früher Abs.
4 WEG) vorgelegte Bestellungsbeschluss durch einen ebenfalls dem Grundbuchamt
vorgelegten, auf Anfechtungsklage nach § 46 WEG ergangenen Beschluss des Amtsgerichts
für ungültig erklärt worden ist.
Tenor
Die weitere Beschwerde wird nach einem Wert von 75.000,00 EUR zurückgewiesen.
Gründe
Die gemäß §§ 78, 80 GBO zulässige weitere Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Jedenfalls im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht den Antrag auf
Eigentumsumschreibung wegen Fehlens der nach § 12 Abs. 1 WEG erforderlichen
Zustimmung des Verwalters zur Veräußerung zurückgewiesen.
1. Allerdings erscheint es als fraglich, ob dem Landgericht darin zu folgen ist, dass die
ursprüngliche Verwalterstellung der „S. G. GmbH“ nicht in der Form des § 29 GBO
nachgewiesen sei und sich insbesondere auch nicht aus dem Beschluss des
Amtsgerichts Tiergarten vom 16.05.2003 im Verfahren 70 II 144/02 WEG ergebe. Zwar
weist das Landgericht zutreffend darauf hin, dass gerichtliche Urteile und Beschlüsse
eine Bindungswirkung nur im Umfang ihrer Rechtskraft entfalten (BayObLG NJW RR 1997,
466; OLGR München 2008, 167; s. a. OLG Köln, FG Prax 2009, 6 f.). Darüber hinaus
entfalten sie jedoch als öffentliche Urkunden im Sinne des § 29 GBO die Beweiskraft
nach § 417 ZPO (OLG Köln a.a.O.). Wenn das Amtsgericht Tiergarten auf Seite 6 des
Beschlusses vom 16.05.2003 ausführt, die dortige Beteiligte zu 24) sei in der
Eigentümerversammlung vom 22.11.2002 für die Zeit vom 28.11.2002 bis 27.11.2003
zur neuen Verwalterin der Wohnanlage bestellt worden, so handelt es sich nicht, wie das
Landgericht meint, um die eine Vorfrage betreffende Auslegung des
Versammlungsprotokolls vom 22.11.2002 durch das Amtsgericht Tiergarten, sondern
um die Wiedergabe des Streitgegenstands des dortigen Verfahrens. Gegenstand der
Beschlussanfechtung zu TOP 1 der WE-Versammlungen war gerade die Bestellung der
dortigen Beteiligten zu 24) zur neuen Verwalterin. Die Anfechtung wurde mit der
persönlichen Ungeeignetheit der Beteiligten zu 24) begründet, nicht etwa – auch nicht
hilfsweise – mit in der Person der dortigen Beteiligten zu 7), der „S. G. GmbH & Co.
Betriebs KG“, liegenden Gründen und auch nicht etwa damit, dass die Bestellung wegen
Unbestimmtheit der ausgewählten Person nichtig sei. Unter diesen Umständen
erscheinen die Bedenken des Grundbuchamts als derart fern liegend, dass sie nicht
ernsthaft in Betracht kommen dürften. Diese Frage kann jedoch letztlich dahinstehen,
da es aus anderen Gründen an einer wirksamen Verwalterzustimmung im Sinne des §
12 Abs. 1 WEG fehlt.
2. Der nach § 29 Abs. 1 GBO erforderliche Nachweis der Verwaltereigenschaft ist nicht
erbracht. § 26 Abs. 3 (früher Abs. 4) WEG ermöglicht diesen Nachweis durch Vorlage der
nach § 24 Abs. 6 WEG abgefassten und beglaubigen Niederschrift über die Bestellung
des Verwalters durch Beschluss der WE-Gemeinschaft (vgl. Demharter, NZM 2005, 601
ff., 604). Der Beschluss über die Bestellung zur Verwalterin vom 22.11.2002 liegt zwar
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ff., 604). Der Beschluss über die Bestellung zur Verwalterin vom 22.11.2002 liegt zwar
vor, er ist aber durch den Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 16.05.2003 für
ungültig erklärt worden. Die Ungültigerklärung des Bestellungsbeschlusses durch das
Gericht erfolgt nach allgemeiner Meinung mit Wirkung ex tunc, d.h. der Beschluss ist von
Anfang an nichtig und wirkungslos, der Bestellte verliert mit rückwirkender Kraft seine
Verwalterstellung (BGH ZfIR 1997, 284 f.; BayObLG NJW RR 1988, 270; Staudinger/Bub
[2005] § 26 WEG Rdn. 164; Palandt/Bassenge, BGB, 68. Aufl., § 23 WEG Rdn. 19). Die
Zustimmung des durch nichtigen Beschluss bestellten Verwalters ist unwirksam
(BayObLGZ 1980, 331 ff., BGHZ 107, 268 ff.). Ist der Verwalter durch Gerichtsbeschluss
bestellt worden, so bleiben seine Rechtshandlungen allerdings gemäß § 32 FGG wirksam
(BayObLG NJW RR 1992, 787). Darüber hinaus greift der Rechtsgedanke des § 32 FGG für
den von der Verwalterbestellung zu unterscheidenden Verwaltervertrag, der auch bei
späterer Ungültigerklärung des Bestellungsbeschlusses nicht als vollmachtlos
geschlossen anzusehen ist (BGH a.a.O.; KG NJW-RR 1990, 153), sowie allgemein für die
Rechtshandlungen des Verwalters im Rahmen der laufenden Verwaltung oder in
Ausführung der Beschlüsse der Wohnungseigentümerversammlung (BGH Rpfleger 2007,
600; KG NJW-RR 1989, 839). Solche Beschlüsse sind entsprechend dem Rechtsgedanken
des § 32 FGG auch nicht allein deshalb als unwirksam anzusehen, weil die Bestellung des
Verwalters, der diese Versammlung einberufen hat, später für unwirksam erklärt wird
(OLGR Köln 2002, 53 f. m.w.N.). Dem liegt zugrunde, dass anderenfalls die
Wohnungseigentümergemeinschaft bis zum rechtskräftigen Abschluss des
Anfechtungsverfahrens praktisch handlungsunfähig wäre. Abgesehen von diesen Fällen
erscheint es jedoch nicht geboten, Rechtshandlungen des Verwalters, der durch einen
mangelhaften Beschluss der Eigentümerversammlung bestellt wurde, in analoger
Anwendung des § 32 FGG allgemein auch bei späterer Aufhebung des Beschlusses als
wirksam anzusehen (so aber Bärmann/Merle, WEG 10. Aufl. § 23 Rn. 193; Gruber NZM
2000, 263 ff., 269; Bassenge/Roth, FGG 11. Aufl. § 32 Rn. 5). Der in der
Beschlussanfechtung nach §§ 23 Abs. 4, 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG liegende Schutz der
Wohnungseigentümer würde sonst unterlaufen. Mit der ganz überwiegenden Meinung ist
dem Schutzbedürfnis des Rechtsverkehrs vielmehr dadurch Rechnung zu tragen, dass
die Wohnungseigentümer die vom Verwalter in ihrem Namen vorgenommenen
Rechtsgeschäfte nach den Grundsätzen der Anscheinsvollmacht oder der
Duldungsvollmacht gegen sich gelten lassen müssen (BayObLG a.a.O.;
Palandt/Bassenge a.a.O.; Weitnauer/Lüke, WEG 9. Aufl. § 26 Rdn. 20; Staudinger/Bub
a.a.O.). Dies gilt jedoch nicht für die Verwalterzustimmung nach § 12 WEG. Denn die
Grundsätze der Anscheins- und Duldungsvollmacht finden auf Grundbucherklärungen
keine Anwendung (BayObLGZ 1980, 331, 340; Weitnauer/Lüke a.a.O.; Staudinger/Bub
[2005] § 26 WEG Rn. 164). Dem entsprechend führt die Rückwirkung der rechtskräftigen
Ungültigerklärung einer Verwalterbestellung auch dazu, dass die Verwalterzustimmung
zur Veräußerung einer Eigentumswohnung rückwirkend entfällt (BayObLG ZMR 1981,
249).
Da der Antrag auf Eigentumsumschreibung mangels Nachweises der
Verwalterzustimmung nicht begründet ist, ist auch der mit ihm verbundene Antrag auf
Eintragung einer Rückauflassungsvormerkung zurückzuweisen.
3. Die Wertfestsetzung beruht auf den §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO.
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