Urteil des KG Berlin vom 25.07.2003

KG Berlin: geschäftsführer, software, widerklage, juristische person, adäquate kausalität, gesellschafterversammlung, telefonanlage, auftragsvergabe, vertragsabschluss, mangelhaftigkeit

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Gericht:
KG Berlin 14.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
14 U 226/03
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 43 Abs 1 GmbHG
GmbH-Geschäftsführerhaftung: Voraussetzungen und
Beweislast bei Schadenersatzansprüchen wegen
Vertragsabschlüssen unter interner Kompetenzüberschreitung
Leitsatz
Zu den Voraussetzungen und der Beweislast des Schadensersatzanspruches einer GmbH
gegen ihren Geschäftsführer, der beim Abschluss von Verträgen seine interne Kompetenz
überschritten hat.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 25. Juli 2003 verkündete Urteil des
Landgerichts Berlin – 96 O 9/03 – unter Berufungszurückweisung im Übrigen teilweise
abgeändert und neu gefasst:
Auf die Widerklage wird der Kläger verurteilt, an die Beklagte 113.680,00 EUR
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.
September 2002 zu zahlen. Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird gestattet, eine Vollstreckung der
jeweils anderen Partei gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des
aufgrund des Urteils für die andere Partei vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10 %
abzuwenden, wenn nicht die andere Partei zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils
vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10 % leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger war Geschäftsführer der Beklagten. Wegen seines Anstellungsvertrages wird
auf die Anlagen K 1 bis K 4 zur Klageschrift (aus dem Verfahren zur früheren
Geschäftsnummer 92 O 71/02) Bezug genommen. Unter dem 24. Juli 2001
unterzeichnete er zusammen mit einem weiteren Geschäftsführer für die Beklagte einen
Vertrag mit einer T... KG über die Anmietung einer Telefonanlage. Am 08. Oktober 2001
unterzeichnete er zusammen mit der Prokuristin der Beklagten, Frau W..., einen
Leasingvertrag über Computerhardware mit der H... -P... F... S... GmbH. Am 16.
November 2001 schloss er wiederum unter Mitwirkung der Prokuristin Frau W... einen
Vertrag über die Lieferung eines Buchhaltungsprogramms mit der G... H... U. ... GmbH
(künftig U.) ab. Wegen des Inhalts der drei Verträge wird auf die entsprechenden
Anlagen zum Schriftsatz der Beklagten vom 29. Juli 2002 (aus dem Verfahren zur
früheren Geschäftsnummer 92 O 75/02) Bezug genommen.
Mit seiner Klage wandte der Kläger sich gegen fristlose Kündigungen seines
Anstellungsvertrages. Die Beklagte hat gegenüber dem Kläger Widerklage auf
Schadensersatz wegen ihrer Auffassung nach vorliegender Verletzungen von
Geschäftsführerpflichten im Zusammenhang mit den drei vorgenannten Verträgen
erhoben. Die Parteien haben im ersten Rechtszug wegen der Klage einen Teilvergleich
abgeschlossen, wegen dessen Inhalts auf die Sitzungsniederschrift des Landgerichts
vom 20. Juni 2003 Bezug genommen wird. Das Landgericht hat die Widerklage durch ein
am 25. Juli 2003 verkündetes Urteil abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen
ausgeführt, es liege wegen der Geltendmachung von Schadensersatz keine
hinreichende Ermächtigung durch die Gesellschafterversammlung der Beklagten nach §
46 Ziffer 8 GmbHG vor. Wegen der Anträge und tatsächlichen Feststellungen im ersten
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46 Ziffer 8 GmbHG vor. Wegen der Anträge und tatsächlichen Feststellungen im ersten
Rechtszug wird auf das Urteil verwiesen.
Gegen dieses ihr am 29. Juli 2003 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 29.
August 2003 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Nach einem am 23.
September 2003 eingegangenen Antrag ist die Berufungsbegründungsfrist um einen
Monat verlängert worden. Die Berufungsbegründung ist am 29. Oktober 2003
eingegangen.
Die Beklagte verfolgt ihre Widerklage im zweiten Rechtszug unter Bezugnahme auf ihr
erstinstanzliches Vorbringen weiter. Sie meint, bereits im ersten Rechtszug habe sie
hinreichend zur Beschlussfassung der Alleingesellschafterin vorgetragen und legt im
weiteren einen Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 29. Oktober 2003 vor,
wegen dessen Inhalts auf die Anlage BK 1 zur Berufungsbegründung verwiesen wird.
Die Beklagte verlangt vom Kläger wegen des Erwerbs der Buchhaltungssoftware von der
U. Schadensersatz in Höhe von 127.410,00 EUR (124.240,00 EUR vertraglicher Festpreis
+ 3.170,00 EUR für einen Vororteinsatz eines Mitarbeiters der U.). Der Kläger habe bei
der Auftragsvergabe – die bereits pflichtwidrig um 57.055,00 EUR über dem
vorangegangenen Angebot der U. liege - wegen fehlender Einholung der Zustimmung
der Alleingesellschafterin gegen die dienstvertraglich und gesellschaftsrechtlich
festgelegte Kompetenzordnung verstoßen. Er habe es weiter pflichtwidrig versäumt,
Konkurrenzangebote einzuholen und den Vertrag unter handelsunüblich ungünstigen
Bedingungen abgeschlossen. Der Kläger habe die Prokuristin W... mit unzutreffenden
Angaben über das angebliche Einverständnis der Geschäftsführer der Gesellschafterin
der Beklagten zur Unterschriftsleistung unter den Vertrag verleitet. Die angeschaffte
Software sei mangelhaft, nicht einsatzfähig und als Investition insbesondere wegen des
im Vergleich zu anderen Angeboten mehr als doppelt so hohen Preises wirtschaftlich
sinnlos. Die Beklagte bezieht sich insoweit auf ein von ihr eingeholtes Gutachten des
Sachverständigen Prof. Dr. H... (Anlage BK 2 zur Berufungsbegründung) und ein Angebot
über 13.045,00 EUR der Fa. D. (Anlage BK 3).
Wegen der von ihr behaupteten Mangelhaftigkeit der U. -Software macht sie ferner
26.940,00 EUR für zusätzliche Arbeitskräfte zur Erstellung der Bilanzen geltend.
Hinsichtlich der Telefonanlage T... verlangt die Beklagte Schadensersatz in Höhe von 35
% des effektiven Auftragspreises von 184.390,666 EUR, also von 64.536,73 EUR mit der
Behauptung, der Anschaffungspreis wäre um 35 % niedriger gewesen, wenn nur 30
Telefonanlagen bestellt worden wären. Der Kläger habe pflichtwidrig eine Telefonanlage
mit 62 Apparaten angeschafft, obwohl er gewusst habe, dass am Ende der
Restrukturierung lediglich 30 Arbeitnehmer übrig bleiben würden. Sie rügt ferner, dass
der Kläger die Zustimmung der Alleingesellschafterin nicht eingeholt habe. Er habe den
Mitgeschäftsführer Dr. S... über das fehlende Einverständnis des Geschäftsführers Dr.
T... der Alleingesellschafterin der Beklagten getäuscht.
Wegen des Vertrages über die EDV-Hardware fordert die Beklagte Schadensersatz in
Höhe von 16.456,22 EUR. Dies entspreche dem anteiligen Anschaffungspreis für 14
Hardwaregeräte. Denn der Kläger hätte statt der bestellten 44 Computer aufgrund der
wegfallenden Arbeitsplätze nur 30 Computer anschaffen dürfen. Angesichts des
technisch zwingenden Gesamtzusammenhangs mit der Anschaffung der Telefonanlage
sei auch hier im Übrigen die nicht eingeholte Zustimmung der Gesellschafterin
notwendig gewesen.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Berlin vom 25.07.2003, Az. 96 O
9/03, den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte EUR 235.343,17 nebst 5 % Zinsen über
dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Bezugnahme auf sein
erstinstanzliches Vorbringen als zutreffend. Die Beklagte sei mit ihrem Vorbringen zur
Beschlussfassung ihrer Gesellschafterversammlung nunmehr in der Berufungsinstanz
wegen nachlässigen Vortrags ausgeschlossen.
Der Kläger trägt wegen der U. -Software vor, beide Geschäftsführer der
Alleingesellschafterin der Beklagten seien jeweils über die Auftragsvergabe informiert
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Alleingesellschafterin der Beklagten seien jeweils über die Auftragsvergabe informiert
und einverstanden gewesen, der Erwerb des Systems habe ausweislich einer Aktennotiz
der Frau W... nach einem Gespräch zwischen ihm und dem Geschäftsführer Dr. T... der
Gesellschafterin der Beklagten nur noch von der dann auch erteilten Zustimmung der
Prokuristin W... abhängen sollen. Die Software sei nicht mangelhaft, es lägen lediglich
Anwenderprobleme bei der Beklagten wegen dort fehlenden Personals vor.
Beim T... -Mietvertrag habe er angesichts der Mitunterzeichnung durch den
Mitgeschäftsführer Dr. S..., der finanziell ohne Begrenzung habe handeln dürfen, seine
finanziellen Kompetenzen nicht überschritten und zum Zeitpunkt des
Vertragsabschlusses für ihn ersichtlich auch keine überdimensionierte Anlage erworben.
Auch ein Schadensersatzanspruch hinsichtlich der Hardware der Fa. H... P... sei
unbegründet, weil im Anschaffungszeitpunkt niemand die Anzahl der künftigen
Personalreduzierungen habe kennen können und der Leasingvorgang intern bei der
Beklagten abgestimmt gewesen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf die
Sitzungsniederschrift des Senats vom 17. Dezember 2003 Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg. Die nach Teilvergleich über die
Klage nur noch rechtshängige Widerklage ist aus § 43 Abs. 2 GmbHG in Höhe von
113.680,00 EUR begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet und abzuweisen.
Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die
Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu
legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Beide Berufungsgründe
greifen hier durch.
Das erstinstanzliche Urteil beruht auf einer Rechtsverletzung, weil jedenfalls nach dem
zulässigen Berufungsvorbringen der Beklagten nicht mehr angenommen werden kann,
die geltend gemachten Schadensersatzansprüche seien nicht durch einen
Ermächtigungsbeschluss gemäß § 46 Nr. 8 GmbHG gedeckt. Die Beklagte hat insofern
einen nach Abschluss des ersten Rechtszuges gefassten schriftlichen Beschluss ihrer
Alleingesellschafterin eingereicht, der die vorliegende Widerklage auf Schadensersatz in
allen Bezügen billigt.
Weil es sich um einen nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung im ersten
Rechtszug gefassten Gesellschafterbeschluss handelt und somit ein erst nachträglich
entstandenes prozessuales Angriffsmittel der Beklagten vorliegt, kann dieses Vorbringen
schon begrifflich an sich nicht nach den §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO wegen
nachlässiger Prozessführung im ersten Rechtszug zurückgewiesen werden.
Der Beklagten kann auch nicht deshalb der Vorwurf nachlässigen Handelns gemacht
werden, weil sie den Gesellschafterbeschluss in seiner jetzt vorliegenden klaren
schriftlichen Form nicht schon im ersten Rechtszug herbeigeführt und vorgelegt hat.
Denn die Beklagte als juristische Person hat auf den Ablauf der innerverbandlichen
Willensbildung ihrer Gesellschafter keinen Einfluss, so dass man auch für sie keine
prozessuale Pflicht zur unverzüglichen Vorlage von Gesellschafterbeschlüssen
annehmen kann. Schließlich mag hier wegen der Frage einer Nachlässigkeit noch darauf
hingewiesen werden, dass weder der erstinstanzliche richterliche Hinweis auf Bedenken
wegen der tatsächlichen Grundlagen des Ermächtigungsbeschlusses so klar noch das
folgende Vorbringen der Beklagten dazu so unklar waren, als dass die Beklagte nicht von
hinreichendem Vortrag zur Beschlussfassung ihrer Gesellschafterin ausgehen konnte,
die sie damals als mündlich und formlos mit genauer Datumsangabe dargestellt hatte.
Da es aufgrund der Rechtsauffassung des Landgerichts entscheidungserheblicher
Feststellungen zu den materiellen Schadensersatzansprüchen nicht bedurfte und das
Landgericht folgerichtig in den Entscheidungsgründen dazu auch nicht weiter Stellung
genommen hat, besteht im Übrigen eine sachliche Bindung des Senats gemäß § 529
Abs. 1 ZPO nicht. Der Entscheidung ist vielmehr der gesamte Sachvortrag der Parteien
in beiden Rechtszügen, soweit in der Berufungsinstanz noch aufrechterhalten, zugrunde
zu legen.
Die Widerklage wegen der U. -Software
Die Widerklage ist in der Hauptsache aus § 43 Abs. 2 GmbHG nur teilweise in Höhe von
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Die Widerklage ist in der Hauptsache aus § 43 Abs. 2 GmbHG nur teilweise in Höhe von
113.680,00 EUR begründet.
Der Kläger unterliegt dabei dem Recht der GmbH und nicht arbeitsrechtlichen
Bestimmungen, weil die entsprechenden Regelungen in seinem Dienstvertrag in diesem
Sinne eindeutig sind und dem Parteivortrag auch nach den Erörterungen in der
mündlichen Verhandlung rechtsverbindliche Beschränkungen der
Geschäftsführerbefugnisse bei der Beklagten auf einen bloßen Arbeitnehmerstatus nicht
entnommen werden können.
Dem Kläger ist eine Pflichtverletzung nach § 43 Abs. 1 GmbHG vorzuwerfen. Er hat
gegen die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes verstoßen, weil er entgegen § 2
f) seines Geschäftsführerdienstvertrages für den Vertrag mit U. trotz eines Volumens
von mehr als 200.000,00 DM nicht vor Abschluss die Zustimmung der Gesellschafterin,
vertreten durch die Geschäftsführer Dr. T... und Dr. M..., eingeholt hat. Eine Verletzung
der Regeln des Anstellungsvertrages über finanzielle Beschränkungen kann
Schadensersatzansprüche der GmbH begründen (Michalski, GmbHG, 2002, § 43 Rn.
52f., 207, Lutter, GmbH-Rundschau 2000, S. 301/303), die evtl. Pflichtverletzung der
Kompetenzüberschreitung kann dabei nicht durch Vertretbarkeitserwägungen relativiert
werden (BGH GmbHR 1995, S. 300/301) und es kommt für die Frage einer Ersatzpflicht
allein darauf an, ob der Kompetenzverstoß vorwerfbar ist, unerheblich ist dagegen, ob
dem Gesellschafter bei der weiteren Durchführung der Geschäftsführungsmaßnahme
selbst ein Verschulden zur Last fällt oder nicht (BGH NJW 1997, S. 314).
Unter diesen Voraussetzungen liegt hier ein vorwerfbarer Kompetenzverstoß vor. Die
Zustimmung der Alleingesellschafterin hätte dabei nach dem Sinn der Vertragsregelung
und den gegebenen personellen Verhältnissen zwar nicht unbedingt förmlich im Wege
der schriftlichen Dokumentation einer Gesellschafterversammlung bzw. eines
Gesellschafterbeschlusses eingeholt werden müssen. Jedoch kann von einer
vertragsgerechten Zustimmung nur ausgegangen werden, wenn entweder die
gesamtvertretungsberechtigten Geschäftsführer der Alleingesellschafterin sich in
übereinstimmender Willensbildung bei Vorlage des konkret abzuschließenden Vertrages
jeweils zustimmend zum Vertragsabschluss äußern oder für ein bestimmtes Projekt, hier
den Ersatz der EDV-Software, von vornherein übereinstimmend die endgültige
Entscheidungsbefugnis an den Kläger bzw. den Kläger und weitere bestimmte Personen
delegieren. Die Beklagte hat Kenntnis und Zustimmung der Geschäftsführer Dr. T... und
Dr. M... umfassend in Abrede gestellt. Aus dem Vortrag des Klägers geht eine
Zustimmung beider Geschäftsführer der Beklagten im vorgenannten Sinne auch nicht
hervor. Denn der Kläger gibt nicht an, wann und in welchen ungefähren zeitlichen
Zusammenhängen entweder beide Geschäftsführer von ihm über das
vertragswesentliche Auftragsschreiben der U. vom 06. November 2001 informiert
worden sein sollen. Dem Klägervorbringen kann vielmehr nur die Behauptung einerseits
der allgemeinen Zustimmung des Dr. M... über die „H... -Auftragsvergabe“
insbesondere wegen seiner nachträglichen Zahlungsfreigabe und andererseits eine im
Einzelnen unklare „Delegation“ von Endzeichnungsbefugnissen an die Prokuristin W...
durch Dr. T... vor der eigentlichen Beauftragung entnommen werden. Auch in der
mündlichen Verhandlung vor dem Senat konnte der Kläger nur über separate
Einzelgespräche mit den beiden Geschäftsführern berichten. Damit ist aber weder eine
ggf. auch nur jeweils für sich ausgesprochene Zustimmung der Geschäftsführer zum
vorgesehenen Vertragstext noch eine wegen der Gesamtvertretungsbefugnis für die
Gesellschafterin notwendigerweise übereinstimmende Delegation der
Entscheidungsbefugnis durch beide Geschäftsführer im Vorfeld des anstehenden
Vertragsschlusses dargetan.
In der nachträglichen Zahlungsanweisung auf den Vertrag (allein) durch Dr. M... kann
dann schließlich auch nicht eine nachträgliche Genehmigung der Alleingesellschafterin
zum Vertragsabschluss gegenüber dem Kläger gesehen werden.
Da im Schadensersatzprozess der GmbH gegen den (auch ausgeschiedenen)
Geschäftsführer dieser darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen hat, dass er
seinen Sorgfaltspflichten gem. § 43 Abs. 1 GmbHG nachgekommen ist oder ihn kein
Verschulden trifft, oder dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Alternativverhalten
eingetreten wäre (BGH NJW 2003, S. 358ff.), muss bei alledem von einer Haftung des
Klägers dem Grunde nach ausgegangen werden. Denn der Kläger hat nicht darzustellen
vermocht, dass der hier fragliche Vertrag jedenfalls auch bei Kenntnis und Zustimmung
der Geschäftsführer Dr. T... und Dr. M... zustande gekommen wäre.
Der Vertragsschluss durch den Kläger ohne Zustimmung der Gesellschafterin hat in der
Folge kausal zur Begründung der aus dem Vertrag folgenden Zahlungsverpflichtungen
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Folge kausal zur Begründung der aus dem Vertrag folgenden Zahlungsverpflichtungen
bei der Beklagten geführt.
Diese vertraglichen Zahlungsansprüche stellen im Ausgangspunkt den Schaden der
Beklagten dar. Denn die Schadensberechnung ist im Wege der so genannten
Differenzhypothese vorzunehmen (Michalski, a.a.O., § 43 Rn. 203). Zu vergleichen ist der
Zustand mit und ohne Pflichtverletzung. Im vorliegenden Fall kommt es in diesem
Zusammenhang allerdings nicht auf die von den Parteien umfassend erörterten Fragen
der evtl. Mangelhaftigkeit der Software und der von der Beklagten behaupteten
wertmäßigen Überteuerung der Programme im Vergleich zu anderen Marktangeboten
an. Denn in die Differenzberechnung sind nicht die geldwerten Vorteile einzubeziehen,
die der Beklagten durch die Software zugeflossen sind. Auf den tatsächlich für ihre
Gegenleistung erhaltenen Wert kommt es daher nicht an. Bei
Kompetenzüberschreitungen des Geschäftsführers und im Falle der durch den
Geschäftsführer verletzten Zustimmungsvorbehalte hat er die von der Gesellschaft zur
Vertragserfüllung aufgebrachten Mittel zu ersetzen, ohne dass der an die Gesellschaft
gelangte Gegenwert davon abzuziehen wäre, weil auf diesem Wege ansonsten der
Gesellschaft das nicht gebilligte Geschäft aufgedrängt werden würde (OLG München,
NZG 2000, S. 741/743).
Zu Gunsten des Klägers kann auch nicht anspruchsmindernd berücksichtigt werden,
dass er nach dem Gesellschaftsvertrag eine Finanzkompetenz von bis zu 200.000,00 DM
(102.258,38 EUR) hatte. Denn im Sinne der Differenzhypothese kann mangels eines von
der Gesellschafterin bereits auch nur ansatzweise gebilligten oder vorbereiteten
entsprechenden Geschäftes in dieser Höhe nicht festgestellt werden, dass der Beklagten
jedenfalls Kosten in dieser Höhe entstanden wären.
Weiterhin kann auch nicht anspruchsmindernd die von der Beklagten zuletzt in der
Berufungsinstanz detailliert beschriebene Mangelhaftigkeit der Software im Hinblick auf
die theoretische Möglichkeit einer Vertragsrückabwicklung aus Gewährleistungsgründen
berücksichtigt werden, denn der Kläger bestreitet das Vorliegen erheblicher Mängel.
Der Kläger hat im vorliegenden Rechtsstreit ferner keine denkbaren Gegenrechte bzw.
Abzugspositionen aus entsprechender Anwendung des § 255 BGB bzw. nach den
Grundsätzen der Vorteilsausgleichung geltend gemacht (vgl. allg. dazu OLG München,
a.a.O.).
Die Beklagte kann sodann als Vermögensverlust jedoch nur die tatsächlich an die U.
geleisteten Zahlungen geltend machen, da auch nach ihrem eigenen Vortrag eine
weitere Zahlungspflicht aus ihrer Sicht wegen der Gewährleistungsrechte zumindest
nicht sicher und unvermeidlich ist. Den letzten effektiven Zahlungsstand, vom Kläger
nicht bestritten, gibt die Beklagte selbst mit 113.680,00 EUR an, worauf der Senat in der
mündlichen Verhandlung hingewiesen hat.
Die Widerklage wegen zusätzlich notwendiger Arbeitskräfte
Der Beklagten stehen die geltend gemachten 26.940,00 EUR für zusätzliche
Arbeitskräfte aus § 43 Abs. 2 GmbHG nicht zu. Sie macht diese Kosten geltend mit dem
Vorbringen, wegen der Unzulänglichkeiten der U. -Software hätten zur Aufarbeitung des
Bilanzmaterials und zur Erstellung der Bilanzen im Jahr 2002 externe Arbeitskräfte zu
diesen Gesamtkosten beschäftigt werden müssen.
Ein adäquater Zusammenhang zwischen Pflichtverletzung und geltend gemachtem
Schaden ist damit nicht vorgetragen. Festgestellte Pflichtverletzung des Klägers war die
Anschaffung der Software ohne Zustimmung der Gesellschafterin der Beklagten. Nach
dem Vortrag der Beklagten entstanden ihr die zusätzlichen Kosten für auswärtige
Arbeitskräfte, weil das an sich im Leistungsumfang der U. -Software enthaltene
Bilanzprogramm „nicht läuft“. Es handelt sich dabei mithin um eine Frage der
Gewährleistung. Zwischen der nicht gebilligten Anschaffung der Software einerseits und
einem augenscheinlich von der U. aus welchem Grunde auch immer nicht beseitigten
Mangel dieser Software besteht aber keine adäquate Kausalität mehr, weil das
eigenständige Handeln der zur Abwicklung der Gewährleistung zuständigen Personen bei
der Beklagten und der U. dem Kläger nicht mehr zugerechnet werden kann.
Die Beklagte trägt im vorliegenden Zusammenhang darüber hinaus auch nicht vor, dass
dem Kläger eine sonstige eigene Pflichtverletzung vorzuwerfen sei, etwa weil er die
softwarebedingte Notwendigkeit zusätzlicher eigener Bilanzarbeiten bei dem
Vertragsschluss erkannt hat, erkennen konnte oder musste oder weil er in seiner Zeit
als Geschäftsführer in vorwerfbarer Weise die Gewährleistung gegenüber U. nicht
durchsetzte. Der Kläger hat unstreitig eine „Abnahme“ der Softwareinstallation im dafür
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durchsetzte. Der Kläger hat unstreitig eine „Abnahme“ der Softwareinstallation im dafür
vertraglich vorgesehenen Zeitraum „Februar 2002“ nicht vorgenommen. Seine
Geschäftsführungsbefugnis endete aus der Sicht gerade der Beklagten mit der ersten
Kündigung vom 30. April 2002. Die hier fraglichen externen Arbeiten sind erst danach
ausgeführt worden.
Die Widerklagen wegen der Verträge mit T... und H... -P...
Der Beklagten stehen auch insoweit die geltend gemachten Schadensersatzansprüche
aus der allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage des § 43 Abs. 2 GmbHG
nicht zu.
In beiden Fällen macht die Beklagte als Schaden einen Differenzbetrag zwischen den
tatsächlichen Zahlungsverpflichtungen aus den Verträgen und einem Betrag geltend,
der sich ergibt, wenn man statt der vom Kläger einkalkulierten 62 bzw. 44 Arbeitsplätze
einen mit Telefonen bzw. Computern auszustattenden Bestand von nur 30
Arbeitsplätzen zugrunde legt.
Bei dem nach Auffassung des Senats isoliert zu bewertenden und damit für sich
gesehen nicht zustimmungspflichtigen Vertrag mit H... P... aus dem Oktober 2001 ist
zunächst davon auszugehen, dass dem Kläger unabhängig von der Frage der
Zustimmung der Alleingesellschafterin eine gesonderte eigenständige Pflichtverletzung
wegen der von ihm an den Ist-Zahlen des Personalbestandes orientierten
Bestellmengen nicht vorzuwerfen ist.
Denn die Beklagte hat – auch durch ihre weiteren Darlegungen in der mündlichen
Verhandlung vor dem Senat - nicht dargetan, dass der Kläger zum Zeitpunkt der beiden
hier fraglichen Vertragsschlüsse (Juli und Anfang Oktober 2001) bereits wusste oder
hätte wissen können, dass ein Personalabbau auf in jedem Falle weniger als 30
Arbeitsplätze unmittelbar bevorstand. Dabei ist nach dem Sachvortrag beider Parteien
davon auszugehen, dass der Beklagte selbst trotz seiner vertraglichen Verantwortung
für „Personalmanagement“ und „Controlling“ nicht bestimmend über den exakten
Personalabbau entscheiden konnte. Die tatsächliche Handlungsinitiative und das auch
faktische Letztentscheidungsrecht lagen vielmehr bei den beiden Geschäftsführern der
Gesellschafterin der Beklagten. Zwar wusste der Kläger um die wirtschaftlichen Probleme
der Beklagten und es ist auch davon auszugehen, dass der Personalabbau Thema bei
den Besprechungen der Parteien seit Vertragsbeginn war. Entscheidend fällt aber ins
Gewicht, dass auch nur eine ungefähre Größenordnung der Entlassungen und der
Zeitpunkt der Maßnahmen dem Kläger bei den Vertragsschlüssen nicht bekannt sein
konnten, weil darüber verbindlich bis jedenfalls zum hier interessierenden Zeitpunkt
Anfang Oktober 2001 auch auf der Ebene der Geschäftsführer der Alleingesellschafterin
der Beklagten noch gar nicht beschlossen worden war. Dass der Kläger bis jedenfalls
Oktober 2001 mit größeren Entlassungsmaßnahmen nicht (mehr) rechnete, geht u.a.
aus den von den Parteien eingereichten Vermerken des Klägers „Strategische
Ausrichtung 2002 – 2005“ hervor (Anlagen B 28, B 29, K 41). Danach nahm der Kläger
an, dass nach einem Personalabbau im ersten Halbjahr 2001 von 95 auf 50 der
Abbauprozess zwar noch nicht abgeschlossen, die Personalmaßnahmen im
Wesentlichen jedoch umgesetzt waren. Es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass der
Kläger hier entgegen einem positiven Wissen um einen unmittelbar bevorstehenden
Abbau auf mit Sicherheit 30 bzw. noch weniger Mitarbeiter entsprechend unzutreffende
Erklärungen nach außen abgab. Die Geschäftsführer Dr. T... und Dr. M... wussten im
Übrigen von den bevorstehenden Anschaffungen der Telefone und der Computer. Sie
hätten, sofern sie selbst bereits den weiteren Umfang des Personalabbaus als
hinreichend sicher und unumstößlich ansahen, angesichts ihrer
Alleinentscheidungskompetenz dann den Kläger ab diesem Zeitpunkt nicht im Unklaren
über die zukünftige Entwicklung lassen dürfen. Die Beklagte trägt aber auch zuletzt
durch ihre Ausführungen in der mündlichen Verhandlung nicht vor, dass dem Kläger bis
Oktober 2001 annähernd exakte Entlassungszahlen unter annähernder Kennzeichnung
der zu entlassenden Personen genauer mitgeteilt wurden, so dass er dies bei seinen
Anschaffungsmaßnahmen hätte berücksichtigen können.
Soweit es um den Vertrag T. geht, gelten die vorstehenden Ausführungen zunächst
entsprechend.
Zusätzlich mag angenommen werden, dass der Kläger hier den Vertrag ohne
notwendige Zustimmung der Gesellschafterin abgeschlossen hat. Die Mitunterzeichnung
des Vertrages durch einen für sich gesehen nach bestrittener Angabe des Klägers
finanziell unbeschränkt handlungskompetenten Mitgeschäftsführer entlastet den Kläger
nicht von den eigenen Vorlagepflichten, zumal dieser Mitgeschäftsführer Dr. S... auch im
Außenverhältnis nicht alleinvertretungsbefugt war, also den Vertrag nicht selbst ohne
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Außenverhältnis nicht alleinvertretungsbefugt war, also den Vertrag nicht selbst ohne
den Kläger hätte rechtswirksam zustande bringen können.
Zwischen dem geltend gemachten Schaden des zu großen Vertragsumfangs und einem
zustimmungslosen Vertragsabschluss im Fall T... besteht jedoch kein adäquater
Zusammenhang, weil sich die „Überdimensionierung“ aufgrund des Personalabbaus
ergab, der erst nach dem Abschluss beider Verträge Ende 2002/Anfang 2003 in eine
nach den vorstehenden Ausführungen auch für den Kläger verbindlichen und zu
berücksichtigenden Weise in die Wege geleitet und mit Kündigungen durchgeführt wurde.
Gleiches gilt für den Vertrag mit H... P..., soweit man auch dort entgegen der eingangs
beschriebenen Auffassung des Senats von einer nicht eingehaltenen
Zustimmungspflicht der Gesellschafterin der Beklagten ausgehen wollte.
Die Zinsentscheidung beruht auf § 291 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO, wobei der Senat es
anteilig bei der auf die Klage entfallenden Kostenquote des ersten Rechtszuges unter
Berücksichtigung der zutreffenden Ausführungen im Schreiben des Landgerichts vom
08. August 2003 belassen hat, so dass insgesamt die Kosten des Rechtsstreits
gegeneinander aufgehoben werden konnten.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO
n.F.
Die Revision war gemäß den §§ 26 Nr. 7 S. 1 EGZPO, 543 Abs. 1, 2 ZPO nicht
zuzulassen. Denn der Rechtsstreit hat keine grundsätzliche Bedeutung, da er keine
entscheidungserheblichen, klärungsbedürftigen und klärungsfähigen Rechtsfragen
aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen oder die Interessen
der Allgemeinheit berühren; ebenso erfordern auch die Fortbildung des Rechts oder die
Einheitlichkeit der Rechtsprechung die Zulassung nicht, da insbesondere von bisheriger
Rechtsprechung nicht abgewichen wird (vgl. allg. u.a. BGH NJW 2002, S. 2473ff., NJW
2003, S. 65ff.).
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