Urteil des KG Berlin vom 13.03.2017
KG Berlin: nötigung, eingriff, beleidigung, gesamtstrafe, auflage, sachschaden, sammlung, unfall, quelle, link
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Gericht:
KG Berlin 3.
Strafsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
(3) 1 Ss 72/05 (79/05)
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 240 StGB, § 315b Abs 1 StGB
Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr: Ausbremsen eines
anderen Kfz zum Zweck der Disziplinierung und Schikane
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 6.
Dezember 2004
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Beleidigung in zwei
Fällen, der Nötigung in zwei Fällen und einer versuchten Nötigung schuldig ist,
b) in der Festsetzung der Einzelstrafen, die die festgestellten Verkehrsstraftaten
vom 24. Mai 2003 zum Nachteil der unbekannt gebliebenen Fahrerin des Pkw VW-Polo
(Nötigung und Nötigung in Tateinheit mit einem vorsätzlichem gefährlichen Eingriff in
den Straßenverkehr) sowie zum Nachteil des Polizeibeamten R (Nötigung in Tateinheit
mit einem vorsätzlichen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr) betreffen, und im
Ausspruch über die Gesamtstrafe und über die Maßregel mit den insoweit zugrunde
liegenden Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung –
auch über die Kosten der Revision – an eine andere Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
Die weiter gehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen.
Gründe
Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin hat den Angeklagten wegen Beleidigung in zwei
Fällen, versuchter Nötigung und Nötigung in drei Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit
mit vorsätzlichem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr, zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt, ihm unter Einziehung
des Führerscheins die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen entzogen und eine
Sperrfrist von 24 Monaten für die Neuerteilung festgelegt. Das Landgericht hat die
Berufung des Angeklagten verworfen. Die Revision des Angeklagten hat mit der
erhobenen Sachrüge einen (vorläufigen) Teilerfolg.
1. Die Revision ist – entsprechend dem dem Angeklagten mitgeteilten Antrag der
Generalstaatsanwaltschaft Berlin – unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, soweit
sie gegen die tatsächlichen Feststellungen zum Schuldspruch mitsamt der ihnen
zugrunde liegenden Beweiswürdigung, den Schuldspruch wegen Beleidigung in zwei
Fällen, die Einzelstrafenfestsetzung in diesen beiden Fällen und die rechtliche Bewertung
des festgestellten Fahrverhaltens des Angeklagten am 24. Mai 2003 auf der K Straße als
Nötigung der unbekannt gebliebenen Fahrerin des Pkw VW-Polo und des mit dem Pkw
unterwegs gewesenen Polizeibeamten R gerichtet ist.
2. Hingegen hält die rechtliche Bewertung des festgestellten Fahrverhaltens des
Angeklagten gegenüber der Fahrerin des Pkw VW-Polo und dem Polizeibeamten R im
Übrigen der Überprüfung auf die Sachrüge nicht stand.
Für das angenommene tateinheitliche Zusammentreffen der Nötigung mit jeweils einem
gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr gemäß § 315b Abs. 1 StGB besteht keine
Grundlage. Dazu hat die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend das Folgende ausgeführt,
dem sich der Senat anschließt:
"Das Landgericht hat dabei verkannt, dass im fließenden Straßenverkehr ein
Verkehrsvorgang nur dann zu einem Eingriff in den Straßenverkehr im Sinne vom § 315b
Abs. 1 StGB pervertiert wird, wenn zu dem bewusst zweckwidrigen Einsatz eines
Fahrzeuges in verkehrsfeindlicher Einstellung hinzukommt, dass es mit mindestens
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Fahrzeuges in verkehrsfeindlicher Einstellung hinzukommt, dass es mit mindestens
bedingtem Schädigungsvorsatz – etwa als Waffe oder Schadenswerkzeug – missbraucht
wird (vgl. BGHSt 48, 233 ff.). Ein solcher Schädigungsvorsatz lässt sich den
Urteilsgründen nicht entnehmen. Das Landgericht hat lediglich eine nötigende
Einwirkung in Form des Ausbremsens zu dem Zweck der Disziplinierung und Schikane
festgestellt, nicht aber einen Vorsatz des Angeklagten, einen Unfall mit Personen- oder
Sachschaden herbeizuführen. Nötigende Einwirkungen, bei denen – wie hier – lediglich
von einem Gefährdungsvorsatz ausgegangen werden kann, erfüllen jedoch nicht (mehr)
die Tatbestandsvoraussetzungen des § 315b StGB (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 52.
Auflage, § 315b Rdnr. 14 (Anm. des Senats: ebenso die inzwischen erschienene 53.
Aufl.)). Der Schuldspruch wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr muss daher
entfallen."
Außerdem fehlt es an der Grundlage für die Annahme zweier tatmehrheitlich
begangener Nötigungstaten des Angeklagten zum Nachteil der Polo-Fahrerin. Dazu
schließt sich der Senat den folgenden zutreffenden Ausführungen der
Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme an:
"Unzutreffend ist ferner die Annahme des Landgerichts, die wiederholten
Nötigungshandlungen des Angeklagten zum Nachteil der Polo-Fahrerin – Abdrängen und
Ausbremsen – stünden zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit.
Der Angeklagte verübte seine nötigenden Einwirkungen während eines einheitlichen und
durch keine zeitliche Zäsur unterbrochenen Fahrvorgangs gegenüber derselben
Geschädigten. Sein gesamtes Verhalten ihr gegenüber war nach den
Urteilsfeststellungen von derselben verkehrsfeindlichen Motivation und somit von einem
einheitlichen Handlungswillen beherrscht. Er wollte die Geschädigte, von der er sich in
seinem Fortkommen behindert sah, disziplinieren und schikanieren. Angesichts dessen
liegt hinsichtlich der zum Nachteil der Polo-Fahrerin begangenen Straftaten der Nötigung
ein in sich geschlossenes, zusammengehörendes Verhalten, also eine natürliche
Handlungseinheit vor (vgl. BGHSt 22, 67, 76), mithin nur eine Tat der Nötigung."
Dementsprechend hatte der Senat den Schuldspruch zu berichtigen. Dadurch ist der
betreffenden Einzelstrafenfestsetzung die Grundlage entzogen und bedarf es in diesem
Punkt der Aufhebung des angefochtenen Urteils. Das liegt insoweit, als das rechtswidrige
Fahrverhalten des Angeklagten gegenüber der Polo-Fahrerin nur noch die Festsetzung
einer einzigen Einzelstrafe für das diesbezügliche Gesamtgeschehen erfordert, anstatt
der vorgenommenen Festsetzung zweier Einzelstrafen wegen zweier tatmehrheitlicher
Straftaten, auf der Hand. Es steht aber auch hinsichtlich des Wegfalls jeweils des
Vorwurfs des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr außer Frage; denn er wirkt sich
auf den Schuldumfang aus. Wegen der erforderlichen Neufestsetzung der betreffenden
Einzelstrafen unterliegt auch die auf den Einzelstrafen fußende Gesamtstrafe in dem
angefochtenen Urteil der Aufhebung. Der Senat hebt es auch im Maßregelausspruch
auf, weil nicht auszuschließen ist, dass sich der vom Landgericht mit der Annahme
jeweils eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr für vorliegend erachtete zu
große Schuldumfang auch insoweit ausgewirkt hat.
Im Umfang der Aufhebung war die Zurückverweisung an eine andere Strafkammer des
Landgerichts auszusprechen (§ 354 Abs. 2 StPO).
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