Urteil des KG Berlin vom 13.03.2017

KG Berlin: eigentümer, lebensversicherung, aufenthalt, anschrift, brief, grundbuch, link, gewissheit, quelle, sammlung

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Gericht:
KG Berlin 12.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 W 30/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 1170 BGB, § 467 Abs 2 FamFG
Leitsatz
Der mit Namen, Anschrift und Aufenthalt bekannte Gläubiger einer Briefgrundschuld, der eine
Löschungsbewilligung erteilt hat, ist nicht allein dadurch unbekannt im Sinne des § 1170 BGB,
dass der Grundschuldbrief abhanden gekommen ist.
Auch der Eigentümer, dem der Gläubiger einer Grundschuld die Löschungsbewilligung erteilt
hat, ist berechtigt, das Aufgebotsverfahren nach § 467 Abs. 2 FamFG zu betreiben, wenn der
Grundschuldbrief abhanden gekommen ist.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts Mitte vom 7.
September 2010 aufgehoben.
Das Verfahren wird an das Amtsgericht Mitte zurückverwiesen.
Der Wert das Beschwerdeverfahrens wird auf 85.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller hat mit Schreiben vom 20. Oktober 2009 als eingetragener
Eigentümer des im Grundbuch von Mitte Blatt ... eingetragenen Wohnungseigentums im
Aufgebotsverfahren die Kraftloserklärung des Grundschuldbriefs für die im Grundbuch,
Abteilung III unter lfd. Nr. 3 zu Gunsten der A... Lebensversicherungs-Aktiengesellschaft
eingetragenen Grundschuld über ... DM beantragt.
Er hat durch eidesstattliche Versicherung vom 30. September 2009 sowie weitere
Schriftstücke glaubhaft gemacht, die A... Lebensversicherung AG habe als
Rechtsnachfolgerin der Gläubigerin mit Brief vom 4. Februar 2004 die
Löschungsunterlagen übersandt, der Grundschuldbrief sei nicht auffindbar und die
Ersatzlöschungsbewilligung der Gläubigerin vom 17. August 2009 vorgelegt.
Das Amtsgericht hat unter dem 5. Mai und dem 15. Juli 2010 Zwischenverfügungen
erlassen, unter dem 7. September 2010 den Antrag zurückgewiesen und zur
Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Dem Antragsteller fehle als Eigentümer die Berechtigung, das Aufgebotsverfahren nach
§ 467 FamFG zu betreiben, da insoweit nur der Gläubiger antragsberechtigt sei.
Die angeregte Antragsumstellung in einen Antrag auf Durchführung eines
Gläubigeraufgebotsverfahrens nach § 447 ff. FamFG sei ausdrücklich nicht erfolgt,
obwohl vorliegend der Fall eines unbekannten Gläubigers vorliege, in welchen allein
dieses Verfahren gegeben sei.
Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers, mit der er seinen
Antrag auf Durchführung des Aufgebotsverfahrens weiter verfolgt.
II.
Das Rechtsmittel ist zulässig, insbesondere statthaft und rechtzeitig eingelegt worden,
§§ 58, 63 FamFG.
III.
Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Zurückverweisung an das
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Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Zurückverweisung an das
Amtsgericht.
1. Nach § 1162 BGB kann der Grundschuldbrief, der abhanden gekommen oder
vernichtet ist, im Wege des Aufgebotsverfahrens für kraftlos erklärt werden.
Dieses Verfahren ist möglich, wenn - wie hier - der Grundschuldgläubiger bekannt ist und
lediglich der Brief abhanden gekommen ist.
Rechtsnachfolger des eingetragenen Grundschuldgläubigers (A... Lebensversicherung
AG) ist - wie durch notariell beglaubiget Handelsregisterauszüge nachgewiesen - die A...
Lebensversicherung AG, in 5... K... , die hinsichtlich des Grundpfandrechts die
Löschungsbewilligung erteilt und dem Antragsteller mit Schreiben vom 8. September
2010 die Ersatzlöschungsbewilligung vom 17. August 2009 übersandt hat.
Es liegt hier - entgegen der Auffassung des Amtsgerichts auf S. 2 des angefochtenen
Beschlusses - kein Fall eines unbekannten Gläubigers vor.
Der mit Namen, Anschrift und Aufenthalt bekannte Gläubiger einer Briefgrundschuld, der
eine Löschungsbewilligung erteilt hat, ist nicht allein dadurch “unbekannt” im Sinne des
§ 1170 BGB, dass der Grundschuldbrief abhanden gekommen ist. Denn in einem
solchen Fall kann ausgeschlossen werden, dass das Recht in Wahrheit einem anderen
zusteht.
Auch aus der Begründung der Entscheidung des BGH vom 29. Januar 2009 - V ZB
140/08 - (NJW-RR 2009, 660 = MDR 2009, 558 = Rpfleger 2009, 325) oder der des KG
vom 25. November 1969 - 1 W 7164/69 - OLGZ 1970, 323, ist kein anderes Ergebnis
abzuleiten, da diese Beschlüsse jeweils nachhaltig andere Sachverhalte betreffen.
2. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts im angefochtenen Beschluss sowie in den
Zwischenverfügungen vom 5. Mai 2010 und vom 15. Juli 2010 fehlt dem Eigentümer
nicht in jedem Falle das Recht, nach § 467 FamFG (§ 1004 ZPO a. F.) das
Briefaufgebotsverfahren zu beantragen.
§ 467 Abs. 2 FamFG bestimmt, “bei anderen Urkunden ist derjenige zur Stellung des
Antrags berechtigt, der das Recht aus der Urkunde geltend machen kann”.
Das ist zwar grundsätzlich der Grundpfandrechtsgläubiger.
Der Eigentümer, dem der Gläubiger eine Löschungsbewilligung oder löschungsfähige
Quittung erteilt hat, ist jedoch ebenfalls berechtigt, das Verfahren zu beantragen.
Das war seit langem für das alte Recht des § 1004 ZPO a. F. anerkannt (vgl. LG
Flensburg, SchlHA 1969, 200; Staudinger/Wolfsteiner, BGB, 2002, § 1162 Rn 2;
Zöller/Geimer, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 1003 Rn 2; § 1004 Rn 2).
Es gilt unstreitig nach wie vor für die gleichlautende neue Vorschrift des § 467 FamFG
(Bumiller/Harders, FamFG, 9. Aufl. 2009, § 467 Rn 3; Keidel/Giers, FamFG, 16. Aufl. 2009,
§ 467 Rn 2; Schulte-Bunert/Weinreich, FamFG, 2. Aufl. 2010, § 467 Rn 2; Zöller/Geimer,
ZPO, 28. Aufl. 2010, FamFG § 466 Rn 2; § 467 Rn 2; Heinemann, NotBZ 2009, 300, 310).
3. Da der Antragsteller die Voraussetzungen für die Einleitung eines
Aufgebotsverfahrens nach § 1162 BGB mit der dafür erforderlichen Gewissheit glaubhaft
gemacht hat, wird das Amtsgericht dieses Verfahren durchzuführen haben.
Da das Amtsgericht den Antrag auf Einleitung des Verfahrens mangels Antragsbefugnis
des Antragstellers zurückgewiesen, also in der Sache noch nicht entschieden hat, ist das
Verfahren nach § 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG an das Gericht des ersten Rechtszuges
zurückzuverweisen.
4. Eine Kostenentscheidung nach § 84 FamFG nicht veranlasst.
Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 30 FamFG.
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