Urteil des KG Berlin vom 20.01.2009

KG Berlin: ehescheidung, eigentumswohnung, abschlag, aufwand, freibetrag, grundstück, nettoeinkommen, vermögenswert, beschwerdeschrift, scheidungsverfahren

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Gericht:
KG Berlin Senat für
Familiensachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
18 WF 90/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 48 GKG
Streitwertbemessung bei der Ehescheidung: Berücksichtigung
von Freibeträgen für die Ehegatten und des Nutzungswerts der
selbst genutzten Eigentumswohnung
Tenor
Auf die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin wird der
Beschluß des Amtsgerichts Pankow/Weißensee vom 20. Januar 2009 – 26 F 430/08 -
betreffend die Festsetzung des Werts der Ehescheidung in der Fassung des
Teilabhilfebeschlusses vom 11. März 2009 abgeändert:
Der Streitwert für die Ehescheidung wird auf 55.000.- EUR festgesetzt.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht
erstattet.
Gründe
Das Amtsgericht hat in seiner Teilabhilfeentscheidung den Wert für die Ehescheidung auf
insgesamt 19.645,00 € festgesetzt und hierbei das von den Eheleuten in drei Monaten
erzielte Nettoeinkommen in Höhe von 8217,00 € sowie das Vermögen der Eheleute mit
einem bestimmten Anteil, gekürzt um ein Drittel wegen des geringen Umfangs des
Verfahrens, berücksichtigt.
Hiergegen wendet sich der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin mit Schriftsatz
vom 24. März 2009, in dem er an seiner Beschwerde festhält und ausführt, dass das
Vermögen beider Eheleute mit einem Betrag von netto 1.000.000,00 € in Ansatz zu
bringen und hiervon ein Prozentanteil von 10 % bei der Bemessung zu berücksichtigen
sei; ein Freibetrag von 20.000,00 € je Ehegatten werden nicht angegriffen.
Die gemäß § 32 Abs. 2 RVG i. V. m. § 68 Abs. 1 GKG zulässige Beschwerde des
Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin ist in dem aus der Beschlussformel
ersichtlichen Umfang begründet und der Streitwert anderweitig auf 55.000 €
festzusetzen. Im Übrigen ist sie unbegründet und deshalb zurückzuweisen, denn nach
den Darlegungen des Verfahrensbevollmächtigten in seinem Schriftsatz vom 24. März
2009 müsste ein Streitwert nur für die Ehescheidung auf ca. 96.000,00 € festgesetzt
werden. Das Amtsgericht hat den Streitwert zu niedrig festgesetzt. Das
Bundesverfassungsgericht hat im Übrigen in Verfahren um die Festsetzung des Werts
für eine Ehescheidung bereits mehrfach entschieden, dass durch eine zu geringe
Wertfestsetzung auch ein Rechtsanwalt in seinen Rechten aus Art. 12 GG betroffen sein
kann, da die Festsetzung auch für seine Vergütung maßgeblich ist (BVerfG vom 17.
Oktober 1990 zu 1 BvR 283/85; BVerfG in FamRZ 2006, 24-26 und zuletzt BVerfG in NJW
2009, 1197).
Die Streitwertfestsetzung für eine Ehesache ist in dem Beschwerdeverfahren daraufhin
zu überprüfen, ob sie im Gesamtergebnis den in § 48 GKG genannten
Bemessungsfaktoren in angemessener Weise Rechnung trägt. Soweit dabei der Umfang
der Sache zu beurteilen ist, kommt es nur auf denjenigen des gerichtlichen Verfahrens
und nicht auf den vor- oder außergerichtlichen Aufwand der beteiligten Rechtsanwälte
an. Art, Anzahl und Umfang der Folgesachen beeinflussen den Wert der Ehesache nicht.
Gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 GKG ist der (Teil-)Streitwert für die Ehescheidung
zunächst nach dem in drei Monaten erzielten Nettoeinkommen der Eheleute zu
bemessen und im Übrigen bei entsprechenden Vermögensverhältnissen der Parteien im
Sinne von § 48 Abs. 2 Satz 1 GKG, der auch insoweit Anwendung findet (Hartmann,
Kostengesetze, 35. Aufl., § 48 GKG Rn. 36), gegebenenfalls zu erhöhen. Maßgebend sind
die Verhältnisse im Zeitpunkt der Anhängigkeit des Scheidungsverfahrens. Spätere
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die Verhältnisse im Zeitpunkt der Anhängigkeit des Scheidungsverfahrens. Spätere
Einkommensveränderungen sind unbeachtlich, § 40 GKG.
Vorliegend hat das Amtsgericht bereits das bei Antragseingang vorhandene Vermögen
der Parteien zu gering bewertet. Maßgeblich hierfür ist die vom
Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin mit seiner Beschwerdeschrift vom 23.
Januar 2009 überreichte Aufstellung des Vermögens des Antragsgegners, die nicht mehr
in ihrer Gesamtheit substantiiert bestritten, sondern mit Schriftsatz vom 23. September
2009 lediglich in einzelnen Positionen korrigiert worden ist. Der Senat geht hierbei von
den dortigen Angaben des Aktivvermögens aus, wobei hinsichtlich der Positionen 3., 4.,
und 8. die vom Beschwerdeführer nicht angegriffene Berichtigung des tatsächlichen
Kurswerts, die der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 23. September 2009
vorgenommen hat, berücksichtigt worden ist; demzufolge ist die Schiffsbeteiligung „C...
Y... A... “ lediglich mit 21.000,00 € Kurswert, die Schiffsbeteiligung "N... G... “ lediglich mit
14.000,00 € und die Eigentumswohnung ... ... in ... lediglich mit 80.000,00 €
berücksichtigt worden. Das bei Antragseingang beiden Eheleuten je zur Hälfte
gehörende Grundstück in der ... ... in B... -H... ist entsprechend den Angaben des
Beschwerdeführers in der Beschwerdeschrift mit 250.000,00 € (für beide Ehegatten
zusammen) berücksichtigt worden. Nach alledem ergibt sich ein Wert des
Aktivvermögens des Antragsgegners von insgesamt 1.395.310,41 €.
Hiervon sind die Verbindlichkeiten gemäß den Angaben in der Aufstellung in Abzug zu
bringen, wobei der Senat zusätzlich die vom Beschwerdeführer unwidersprochen
hingenommenen Korrekturen im Schriftsatz vom 23. September 2009 berücksichtigt
und weitere Belastungen in Höhe von 130.000,00 € für zusätzliche Vermächtnisse,
30.000,00 € als Kosten der Testamentsvollstreckung sowie 71.530,00 € für die
Erbschaftssteuer in Abzug gebracht hat. Es verbleibt ein Nettovermögen des
Antragsgegners von 598.754,61 €. Hinzuzurechnen ist das unstreitige Nettovermögen
der Antragstellerin von 24.447,61 €. Eine Anrechnung des hälftigen Miteigentumsanteils
der Antragstellerin sowie der ebenfalls hälftig zu tragenden Belastungen für den
Miteigentumsanteil an dem Grundstück ... ... ist unterblieben, weil insoweit der Wert wie
die Belastungen bereits insgesamt beim Vermögen des Antragsgegners berücksichtigt
worden ist. Es ergibt sich damit ein beiderseitiges Vermögen von insgesamt 623.202,21
€.
Hiervon ist entsprechend der einmütigen Handhabung fast aller Oberlandesgerichte für
jeden der Eheleute ein Freibetrag in Abzug zu bringen, dessen Grund in Anlehnung an
das frühere Vermögenssteuerrecht darin liegt, dass unter den Freibeträgen liegendes
Vermögen nur eine selbst steuerrechtlich vom Gesetzgeber vormals respektierte
durchschnittliche Vorsorge für die Wechselfälle des Lebens darstellt, die deshalb im
Rahmen von § 48 Abs. 2 GKG nicht streitwerterhöhend wirken darauf (vgl. hierzu OLG
Dresden in FamRZ 2006,1053 m. w. N.). Der Senat bemisst diesen Freibetrag nach
Abwägung alle Umstände im Einklang mit dem OLG Dresden (a.a.O) auf mindestens
30.000,00 € für jeden der Ehegatten, also insgesamt 60.000,00 €. Der vom OLG Koblenz
in Ansatz gebrachte Betrag von mindestens 60.000,00 € für jeden Ehegatten (vgl. OLG
Koblenz, FamRZ 2003, 168) erscheint demgegenüber hier nach Auffassung des Senats
als zu hoch gegriffen, weil ein Vermögen von insgesamt 120.000,00 € nicht mehr für die
Wechselfälle des Lebens vorgehalten werden muss, sondern der Vermögensbildung
dient, und steuerrechtliche Gesichtspunkte bei der Festsetzung des Streitwerts in
Ehesachen nicht allein maßgeblich sein können. Es verbleibt ein Vermögen von
563.202,21 €. Hiervon ist im Grundsatz bei Privatvermögen nach der Auffassung des
Senats aus Vereinfachungsgründen regelmäßig ein Betrag von 10 % des gesamten
Vermögenswerts bei der Streitwertfestsetzung der Ehesachen als angemessen zu
berücksichtigen, ohne dass nochmals gesondert zwischen einzelnen Vermögensarten
(Wertpapierdepot, selbstgenutztes Haus, Eigentumswohnungen, etc. pp.) zu
unterscheiden ist, also ein Betrag von 56.320,22 € (vgl. zur Höhe des Prozentanteils
Zöller/Herget, ZPO, 27. Aufl. § 3, Rn. 16, Stichwort „Ehesache - Vermögen“).
Unter Berücksichtigung der Einkommensverhältnisse auf der Basis dreier
Monatsnettoeinkommen in Höhe von unstreitig 8217,00 € sowie des auf seiten des
Antragsgegners noch zu berücksichtigenden Wohnwertes für 3 Monate für das Wohnen
in einer eigenen Eigentumswohnung in Höhe von 1500,00 € ergibt sich ein zu
berücksichtigender Gesamtbetrag von 66.037,22 €. Der Senat hält in diesem
Zusammenhang in Übereinstimmung mit dem Amtsgericht auch die Berücksichtigung
eines Wohnwertes für die vom Antragsgegner selbst genutzte Eigentumswohnung für
angemessen, weil neben dem Vermögenswert der Eigentumswohnung als solchen auch
ihre Nutzung für eigene Wohnzwecke Vermögenswert besitzt, indem der Antragsgegner
entsprechende Aufwendungen für eine Mietwohnung erspart. Diese Frage ist aber
letztlich nicht von entscheidender Bedeutung, weil sie die Festsetzung des Streitwerts für
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letztlich nicht von entscheidender Bedeutung, weil sie die Festsetzung des Streitwerts für
die Ehescheidung nicht in der Weise beeinflusst, dass im Falle der Nichtberücksichtigung
des Wohnwerts eine niedrigere Gebührenstufe maßgeblich wäre.
Diese rechnerisch ermittelte Wert in Höhe von 56.320,22 €, der allein auf der Basis der
Vermögensverhältnisse beruht, ist nach Auffassung des Senats vorliegend aber noch
herabzusetzen, weil für die Streitwertbestimmung nicht nur die rechnerischen
Verhältnisse, sondern - wie es der Gesetzgeber ausdrücklich nur für § 48 Abs. 2 GKG zu
den Vermögensverhältnissen formuliert - auch Umfang und Bedeutung der Sache,
maßgeblich sind. Vorliegend war die Ehescheidung für die seit 1965 miteinander
verheiratet gewesenen Parteien im Grundsatz von sicherlich nicht geringer Bedeutung,
denn es ging um die Scheidung der Ehe von immerhin 43 Jahre Dauer. Allerdings ist
auch zu berücksichtigen, dass die Parteien nach übereinstimmenden Angaben bereits
mindestens seit 1990 getrennt gelebt haben. Gleichwohl war das vorliegende
Scheidungsverfahren von nahezu unterdurchschnittlichem Aufwand geprägt. Die jeweils
gewechselten Schriftsätze umfassten ohne Rubrum stets weniger als eine Seite und
enthielten im wesentlichen den Austausch der Statusdaten. Die Scheidung wurde im
ersten Termin nach kurzer Anhörung ausgesprochen. Unter diesen besonderen
Umständen des Einzelfalles (überdurchschnittlich hohe Vermögensverhältnisse
gegenüber einem wirklich geringen Aufwand) hält der Senat einen Abschlag von
mindestens 20 % vom rechnerisch ermittelten Streitwert vorliegend für angemessen,
und zwar nur von dem sich nach den Vermögensverhaltnissen zu bildenden Streitwert,
während im Übrigen allein wegen einer einverständlichen Scheidung von den
maßgeblichen Einkommensverhältnissen grundsätzlich keine Abschläge vorzunehmen
sind (vgl. hierzu OLG Brandenburg, FamRZ 2008,1206; auch OLG Dresden in FamRZ
2003,1677), weil die bloße Tatsache, dass eine Ehesache ohne einander
widersprechende Anträge durchgeführt wird, für sich allein noch keinen Abschlag von
dem Dreifachen der Nettoeinkünfte rechtfertigt. Kommt aber ein überdurchschnittliches
Vermögen noch hinzu, so hält der Senat dann im Einzelfall einen Abschlag für
gerechtfertigt, damit auch der geringe Arbeitsauswand einen entsprechenden Eingang in
die Streitwertbemessung findet. Gemäß § 48 Abs. 2 GKG ist neben der Bedeutung der
Sache gerade auch deren Umfang zu berücksichtigen.
Danach ergibt sich folgende Streitwertberechnung:
Unter Berücksichtigung der Beträge aus Einkommen von 8.217,00 € zuzüglich 1.500,00
€ Mietersparnis ergibt sich für die Bemessung des Streitwerts für die Ehesache ein
Betrag von 54.773,17 €, gerundet 55.000,00 €. Dieser Wert entspricht der
Gebührenstufe nach RVG von 50.001,00 € bis 65.000,00 €.
Soweit diese Höhe der Streitwertfestsetzung vorliegend dazu führt, dass die deutlich
weniger vermögende Antragstellerin gleich hohe Kosten an ihren
Verfahrensbevollmächtigten zu zahlen hat wie der vermögendere Antragsgegner, kann
dies im Verfahren auf Festsetzung des Streitwerts für die Ehescheidung zu keiner
Herabsetzung des Streitwerts führen, sondern hätte gegebenenfalls bei der
Kostenentscheidung gemäß § 93 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO berücksichtigt werden
müssen.
Die Nebenentscheidungen ergehen gemäß § 68 Abs. 3 GKG.
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