Urteil des KG Berlin vom 02.09.2003

KG Berlin: wichtiger grund, treu und glauben, dispositives recht, kaufvertrag, anschrift, vertragsfreiheit, zustandekommen, vertreter, versteigerer, versteigerung

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Gericht:
KG Berlin 8. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8 U 310/03
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 156 BGB, § 164 Abs 2 BGB
Versteigerung: Voraussetzungen für das Zustandekommen
eines Vertrages; Gebot eines "nobody"
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 2. September 2003 verkündete Urteil der
Zivilkammer 13 des Landgerichts Berlin wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Berufung des Klägers ist unbegründet.
Weder hat der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Herausgabe des
Marmorkopfes, noch hat er gegen die Beklagte einen Anspruch auf Mitteilung von
„Namen Anschrift und Verbleib des Marmorkopfes“.
Der gegen die Beklagte geltend gemachte Herausgabeanspruch ist schon mangels
Passivlegitimation unbegründet. Die Auktion ist gemäß Ziffer 1 der Auktionsbedingungen
der Beklagten im Namen und für Rechnung der Auftraggeber, mit Ausnahme der
Eigenware, die durch keine in Klammern gesetzten Ziffern gekennzeichnet ist, erfolgt.
Dass es sich bei dem streitgegenständlichen Marmorkopf um Eigenware handelt, wird
von keiner der Parteien vorgetragen.
Erfolgt die Versteigerung im Namen und für Rechnung des Einlieferers, kommt, wenn
überhaupt, ein Kaufvertrag zwischen Einlieferer und Bieter zustande (Dr. Schneider,
Rechtliche Risiken beim Erwerb von Antiquitäten und Kunstgegenständen, DB 1981, 199;
Helmut Marx/Heinrich Arens, Der Auktionator, 1992, § 18 VerstV, Rdnr. 25; Dr. Gerrick v.
Hoybingen-Huene, Die vertragliche Stellung des Versteigerers, NJW 1973, 1473, 1477).
Willenserklärungen des Auktionators wirken unmittelbar für und gegen den Vertretenen.
Das bedeutet, dass der Einlieferer Verkäufer nach § 433 Abs. 1 BGB ist. Infolgedessen ist
auch nur der Einlieferer verpflichtet und berechtigt. Der „Käufer“ kann daher
grundsätzlich alle Ansprüche nur gegen den Einlieferer richten.
Einen etwaigen Schadensersatzanspruch gemäß §§ 311 Abs. 2 und 3 BGB, der direkt
gegen die Beklagte zu richten wäre, macht der Kläger nicht geltend.
Die Frage, ob zwischen dem Einlieferer und dem Kläger ein Kaufvertrag zustande
gekommen ist, kommt jedoch letztlich im Rahmen des von dem Kläger hilfsweise in der
Berufungsinstanz gestellten Antrages auf Mitteilung von „Namen, Anschrift sowie den
Verbleib des Marmorkopfes Wilhelm I. von Oranien“ zum tragen.
Gemäß Ziffer 12 der Auktionsbedingungen können Käufer und Verkäufer nach Abschluss
der Auktion vom Versteigerer die Anschrift des Vertragspartners erfahren.
Die Beklagte ist aber nicht verpflichtet, dem Kläger die Anschrift des Einlieferers des
Marmorkopfes mitzuteilen, weil ein wirksamer Kaufvertrag zwischen Einlieferer und
Kläger nicht zustande gekommen ist.
Nach § 156 BGB kommt ein Kaufvertrag in der Versteigerung durch das Gebot des
Bieters als Vertragsangebot und den Zuschlag des Versteigerers als Vertragsannahme
zustande (Helmut Marx/ Heinrich Arens, a.a.O., § 18 VerstV, Rdnr. 2).
Geboten hat unstreitig nicht der Kläger persönlich, sondern ein „nobody“, der sich erst
nach Erteilung des Zuschlages unter Vorbehalt auf ausdrückliches Nachfragen der
Beklagten als Vertreter des Klägers zu erkennen gegeben hat. Da das Gebot als
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Beklagten als Vertreter des Klägers zu erkennen gegeben hat. Da das Gebot als
Antragserklärung den allgemeinen Regeln für Willenserklärungen unterliegt und der
„nobody“ bei Abgabe des Gebotes nicht erkennen lassen hat, dass er in fremdem
Namen handelt, handelt es sich gemäß § 164 Abs. 2 BGB um ein Gebot des „nobody“
und nicht des Klägers.
Selbst wenn sich der Kläger das Gebot des „nobody“ zurechnen lassen könnte, stünde
dem Abschluss eines Kaufvertrages entgegen, dass die Beklagte als Versteigerin dieses
Vertragsangebot nicht wirksam angenommen hat. Sie hat keinen bedingungslosen
Zuschlag, sondern nur einen Zuschlag unter Vorbehalt erteilt. Hierzu war die Beklagte
auch berechtigt.
§ 156 BGB enthält dispositives Recht. Sowohl für das Zustandekommen als auch für den
Inhalt des Vertrages gilt der Grundsatz der Vertragsfreiheit (Staudinger/Bork, BGB, 2003,
§ 156 Rdnr. 9). Der Bieter hat keinen Anspruch auf den Zuschlag (Palandt-Heinrichs,
BGB, 63. Auflage, § 156 Rdnr. 1). Der Versteigerer ist keineswegs verpflichtet, dem
Meistbietenden den Zuschlag zu erteilen. Er hat es „in der Hand, den schließlich
gebotenen Preis anzunehmen oder abzulehnen, je nachdem dieser seinem Interesse
entspricht oder nicht entspricht (Münchener Kommentar, BGB, 4. Auflage, § 157 Rdnr. 4;
Hoyningen/Huene, a.a.O.; Staudinger/Bork a.a.O., § 156, Rdnr.3). Die Beklagte hat sich
auch nicht in den Versteigerungsbedingungen des Rechtes begeben, den Zuschlag zu
verweigern, was grundsätzlich möglich ist (Staudinger/Bork a.a.O., § 156, Rdnr. 9).
Gemäß Ziffer 4 der Auktionsbedingungen der Beklagten kann sich diese vielmehr im
Namen des Auftraggebers den Zuschlag vorbehalten oder verweigern, wenn ein
besonderer Grund vorliegt. Ein Zuschlag unter Vorbehalt ist grundsätzlich möglich
(Hoyningen/Huene a.a.O.; OLG Frankfurt in OLGR 1992, 165). Die Beklagte hat
entsprechend der Auktionsbedingungen den Zuschlag nur unter Vorbehalt erklärt. Da
sie im Namen und für Rechnung des Einlieferers versteigert hat, hat sie entsprechend
Ziffer 4 der Auktionsbedingungen auch den Zuschlag unter Vorbehalt im Namen des
Einlieferers erklärt. Die Beklagte war nicht verpflichtet, die Gründe für den Vorbehalt
mitzuteilen. Ein derartiger Informationsanspruch ergibt sich nicht aus den
Auktionsbedingungen. Im Hinblick auf die grundsätzlich bestehende Vertragsfreiheit,
kann die in Ziffer 4 der Auktionsbedingungen enthaltene Klausel nach Treu und Glauben
und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte auch nur in dem Sinne verstanden werden,
dass es allein Sache des Versteigerers ist, zu entscheiden, ob für ihn ein „wichtiger
Grund“ vorliegt. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Frage, ob ein
wichtiger Grund vorliegt, für den Ersteigerer überprüfbar sein soll. Allerdings war allein
schon der Umstand, dass es sich bei dem Vertreter des Klägers um einen „nobody“
handelte, Grund genug, den Vorbehalt auszusprechen. Dabei wird der Vorbehalt nicht,
wie von dem vom Landgericht in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, als
Erklärung gemäß § 150 Abs. 2 BGB zu verstehen sein, sondern als Ankündigung,
möglicherweise einen Vertrag abschließen zu wollen (in diesem Sinne auch Soergel/Wolf,
§ 156, Rdnr. 15). Da die Beklagte bis zum heutigen Tag den Vorbehalt nicht
zurückgenommen hat, wozu sie aufgrund ihrer Vertragsfreiheit berechtigt ist, bzw. der
Kläger das neue Vertragsangebot der Beklagten vom 26. April 2003 nicht angenommen
hat, ist auch ein wirksamer Vertrag nicht zustande gekommen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Absatz 1 ZPO. Die weiteren prozessualen
Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713, ZPO.
Die Revision zum Bundesgerichtshof wird nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache
grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543
Absatz 2 Satz 1 ZPO.
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