Urteil des KG Berlin vom 11.12.2007

KG Berlin: auflösung der gesellschaft, gesellschafter, liquidation, kaufmännische buchführung, neues vorbringen, liquidator, gesellschaftsvertrag, bilanz, mehrheit, beweislast

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Gericht:
KG Berlin 23.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
23 U 69/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 26.02.2009 verkündete Urteil des
Landgerichts Berlin, 19 O 240/08, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 88.593,13 EUR nebst Zinsen in Höhe von
5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.12.2007 zu zahlen. Im Übrigen
wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 20 % und der Beklagte 80 % zu
tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird nachgelassen, die
Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des nach
dem Urteil zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 15 % abzuwenden, wenn nicht die
jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu
vollstreckenden Betrages zuzüglich 15 % leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien streiten über die Frage, ob und ggf. in welcher Höhe der Beklagte als
Gesellschafter der inzwischen aufgelösten Klägerin verpflichtet ist, einen
Fehlbetragsausgleich in Höhe von 108.386,76 EUR auf der Grundlage einer mit Mehrheit
– ohne die Stimmen des Beklagten - beschlossenen Liquidationsbilanz zu zahlen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens erster Instanz einschließlich der
dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Das Landgericht hat der Klage vollumfänglich stattgegeben.Wegen der Einzelheiten der
Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils Bezug genommen.
Zu ergänzen ist, dass der ursprüngliche Kaufvertrag über die Veräußerung der Immobilie
nicht durchgeführt werden konnte. Zwischenzeitlich wurde durch Umlaufbeschluss
beschlossen, das Grundstück für einen mindestens 7 Mio. EUR betragenden Kaufpreis zu
veräußern. Die Klägerin schloss Anfang 2010 einen neuen Kaufvertrag zu einem
Kaufpreis von ca. 7,8 Mio. netto ab.
Gegen das dem Beklagten am 30.03.2009 zugestellte Urteil hat er mit einem beim
Kammergericht am 29.04.2009 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese
innerhalb der bis zum 22.06.2009 gewährten Verlängerung der
Berufungsbegründungsfrist begründet.
Der Beklagte rügt mit der Berufung, das Landgericht habe zu Unrecht die Klage als
zulässig angesehen. Soweit der Anspruch auf Zahlung des Fehlbetrages auf eine
Auseinandersetzungsbilanz gestützt werde, greife bereits die Schiedsklausel gemäß § 20
Absatz 4 des Gesellschaftsvertrages. Jedenfalls hätte die Liquidationsbilanz nicht
wirksam durch Mehrheitsbeschluss und im Umlaufverfahren festgestellt werden können.
Durch die geänderte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Haftungssituation der
Gesellschafter müssten die Gesellschafter einstimmig entscheiden. Weiterhin habe das
Landgericht auch die Bindungswirkung einer Bilanz verkannt, da jene nur für die
zustimmenden Gesellschafter gelte.
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Ferner habe sich das Landgericht nicht mit den erstinstanzlichen Angriffen auf die
Bilanzposten auseinandergesetzt und die Beweislast entgegen dem Urteil des
Bundesgerichtshofs in NJW 1984, 435 zu Unrecht den Gesellschaftern auferlegt.
Der Beklagte beantragt,
unter Abänderung des am 26.02.2009 verkündeten Urteils des Landgerichts
Berlin, 19 O 240/08, die Klage abzuweisen
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin tritt der Berufung aus den bereits erstinstanzlich von ihr vorgebrachten
sachlichen und rechtlichen Gründen unter Verteidigung der angefochtenen Entscheidung
entgegen.
II.
Die zulässige, insbesondere Fristen und Form wahrende Berufung des Beklagten ist
überwiegend unbegründet.
Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Klage zulässig. Ein Prozesshindernis
aufgrund der Notwendigkeit der Einholung eines Schiedsgutachtens liegt nicht vor. Offen
bleiben kann, ob die Regelung in § 20 Absatz 4 des Gesellschaftsvertrages eine
Schiedsgutachtenklausel darstellt, auf die die §§ 1025 ff. ZPO, insbesondere die von
dem Beklagten erhobene Einrede gemäß § 1032 Absatz 1 ZPO, nicht anwendbar sind
(vgl. zu der Abgrenzung der verschiedenen Schiedsgutachtenklauseln Zöller/Geimer,
ZPO, 28. Aufl., § 1029 Rn. 5 m. w. N.).
Jedenfalls betrifft die Klausel bereits nach dem Wortlaut nur den Fall des Ausscheidens
eines Gesellschafters aus der weiterbestehenden Gesellschaft. Aber auch nach Sinn und
Zweck der Regelung ist die Anwendung der Schiedsgutachtenklausel auf die Klärung von
Fragen der Liquidationsbilanz im Rahmen von §§ 730 ff. BGB nicht geboten, da die
Interessenlage bei der Liquidation – insbesondere wenn wie vorliegend das Grundstück
bereits verkauft und die Höhe des Kaufpreises nicht in Frage gestellt ist – eine völlig
andere ist als bei der weiterhin werbend tätigen Gesellschaft. Die Sachkunde eines
Grundstückssachverständigen wird dafür offensichtlich nicht benötigt.
Die Klage ist auch überwiegend begründet, da der Klägerin ein Anspruch gemäß § 735
Satz 1 BGB auf Zahlung des Auseinandersetzungsfehlbetrages jedenfalls in Höhe von
88.593,13 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
dem 11.12.2007 gegen den Beklagten zusteht. Wegen des weitergehend geltend
gemachten Differenzbetrages von 19.793,63 EUR nebst anteiliger Zinsen, der der
anteiligen Quote des Beklagten an der Klägerin von 0,8247 % bezogen auf einen Betrag
von 2,4 Mio. EUR entspricht, ist die Klage dagegen unbegründet und war auf die insoweit
begründete Berufung des Beklagten hin das erstinstanzliche Urteil entsprechend
abzuändern.
Das Landgericht hat zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung der
Nachschussforderung gegen den Beklagten dem Grunde nach bejaht. Bei dieser
Forderung handelt sich um einen Sozialanspruch der Gesellschaft, der vom Liquidator
geltend gemacht werden kann (K. Schmidt in Münchener Kommentar zum HGB, 2. Aufl.,
§ 149 Rn. 26 f; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., 2004, Seite 573;
Bamberger/Roth/Timm/Schöne, BGB, 2. Aufl., § 735 BGB, Rn. 5;
Soergel/Hadding/Kießling, BGB, 12. Aufl., § 735 BGB, Rn. 6; Palandt/Sprau, § 735 BGB,
Rn. 2; Habersack in Großkommentar zum HGB, 4. Aufl., § 149 Rn. 21). Mindestens bei
Publikumsgesellschaften wie der Klägerin würde im Falle der Liquidation die große Zahl
von Gesellschaftern, die sich lediglich aus Gründen der Kapitalanlage in der Gesellschaft
zusammengefunden haben, zu kaum zu bewältigenden Auseinandersetzungsproblemen
führen, wenn es Sache der einzelnen Gesellschafter wäre, in der Liquidation von ihren
Mitgesellschaftern die Auseinandersetzungsfehlbeträge einzufordern. Ferner hat das
Oberlandesgericht München in dem Urteil vom 02.07.2009 (23 U 4240/08) - wenn auch
im Zusammenhang mit Ausführungen zur Auslegung des dortigen
Gesellschaftsvertrages - zutreffend auf eine Entscheidung des Reichsgerichts (RG LZ
1914, 1030) verwiesen. Danach kann selbst dann, wenn eine ausdrückliche Regelung in
der Satzung fehlt, es als Wille der Vertragsschließenden angesehen werden, dass der
Liquidator die Ansprüche gemäß § 735 BGB bei einer besonders großen Zahl von
Teilhabern geltend machen kann, um ihnen die Möglichkeit zu geben, schnell und
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Teilhabern geltend machen kann, um ihnen die Möglichkeit zu geben, schnell und
sachgemäß eine endgültige Abwicklung aller Verhältnisse, auch in den Beziehungen der
Gesellschafter zueinander, herbeizuführen, insbesondere auch fehlende Mittel zur
Gläubigerbefriedigung durch anteilmäßige Heranziehung der Gesellschafter zu
beschaffen. Diese Überlegung gilt im besonderen Maße für - wie hier vorliegend -
Publikumsgesellschaften, die durch eine große Zahl von Gesellschaftern, die
untereinander nicht in persönlicher Beziehung stehen, geprägt ist und für die der
Bundesgerichtshof auch in anderen Rechtsfragen gegenüber dem üblichen Recht der
Personengesellschaft abweichende Grundsätze aufgestellt hat.
Wirksamer Beschluss über die Auflösung und Liquidation
Der Beschluss vom 30.03.2007 über die Auflösung und Liquidation ist wirksam zustande
gekommen. Die gemäß §17 Absatz 3 Satz 2 in Verbindung mit § 16 g) des
Gesellschaftsvertrages notwendige Mehrheit von ¾ der abgegebenen Stimmen,
mindestens aber 51% aller Gesellschafterstimmen ist unstreitig erreicht worden und war
auch ausreichend; eine einstimmige Entscheidung war, auch wenn es sich um den
Kernbereich der Mitgliedschaftsrechte handelt, nicht erforderlich, da jeder Gesellschafter
durch die Zustimmung zum Gesellschaftsvertrag antizipiert seine Zustimmung zur
Fassung von Mehrheitsbeschlüssen gegeben hat. In § 16 g) der Satzung ist dies für die
Auflösung der Gesellschaft explizit geregelt.
Wirksamer Beschluss über die Liquidationsbilanz
Aber auch der Beschluss vom 12.09.2008 über die Liquidationsbilanz ist wirksam. Dies
ergibt sich zwar noch nicht aus der Regelung in § 17 Absatz 4 des
Gesellschaftsvertrages, die sich nur auf Protokollmängel beziehen dürfte. Zudem kann
nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Gesellschafter die
Unwirksamkeit eines Beschlusses unabhängig von Regelungen im Gesellschaftsvertrag
als Einrede gegen die Zahlungsklage der Gesellschaft geltend machen (vgl. BGH, Urteil
vom 09.02.2009 – Aktenzeichen II ZR 231/07 in NJW-RR 2009, 753 ff.; BGH, Beschluss
vom 26.03.2007 –II ZR 22/06 in ZIP 2007, 1368 ff.).
Der Beschluss über die Liquidationsbilanz bedurfte nicht der Zustimmung aller
Gesellschafter. Grundsätzlich sind zwar Mehrheitsentscheidungen im Recht der
Gesellschaft bürgerlichen Rechts, auch soweit sie kapitalistisch organisiert ist, nicht
unbegrenzt zulässig. Jedoch ist anerkannt, dass bereits vorab im Gesellschaftsvertrag
Mehrheitsklauseln vorgesehen werden, die nicht die Beschlussgegenstände im Einzelnen
auflisten müssen. Der Bundesgerichtshof hat im Urteil vom 15.01.2007 - II ZR 245/05 - in
NJW 2007, 1685 ff., ausdrücklich betont, es genüge, wenn sich mindestens durch
Auslegung des Gesellschaftsvertrages ergebe, dass der in Frage stehende
Beschlussgegenstand einer Mehrheitsentscheidung unterworfen sein soll. Da vorliegend
ein Beschluss über die Feststellung der Liquidationsbilanz nicht unter die ausdrücklich
angeführten qualifizierten Beschlüsse gemäß § 16 e) und g), § 17 Nr. 3 Satz 2 des
Gesellschaftsvertrages fällt, ergibt sich daraus im Umkehrschluss das Ausreichen einer
einfachen Mehrheit, zumal der Wortlaut des Gesellschaftsvertrages in § 17 Nr. 3
eindeutig ist („Sämtliche Beschlüsse werden mit der einfachen Mehrheit der
abgegebenen Stimmen gefaßt, soweit nicht...“).
Dem steht auch nicht entgegen, dass es sich bei der Zustimmung zur Liquidationsbilanz
um ein sogenanntes Grundlagengeschäft handelt. In dem Urteil vom 15.01.2007 hat der
Bundesgerichtshof darauf verwiesen, dass in einer zweiten Stufe die Legitimation einer
solchen Mehrheitsentscheidung zu überprüfen sei, ob ein unzulässiger Eingriff in
schlechthin unverzichtbare oder in "relativ unentziehbare", d.h. in nur mit (ggf.
antizipierter) Zustimmung des einzelnen Gesellschafters oder aus wichtigem Grund
entziehbare Mitgliedschaftsrechte vorliegt. Im letzteren Fall kommt es darauf an, ob die
Gesellschaftermehrheit die inhaltlichen Grenzen der ihr erteilten Ermächtigung
eingehalten und sie sich nicht etwa treupflichtwidrig über beachtenswerte Belange der
Minderheit hinweggesetzt hat. Für den Fall der Beschlussfassung über einen
Jahresabschluss hat der Bundesgerichtshof in diesem Urteil ein solches nur „relativ
unentziehbares“ Mitgliedschaftsrecht bejaht und ausdrücklich seine frühere
entgegenstehende Rechtsprechung in NJW 1996, 1678 f. aufgegeben (ebenso Priester in
Münchener Kommentar, HGB, 2. Aufl., § 120 Rn. 64).
Zugleich hat der Bundesgerichtshof betont, dass nicht der - durch den
Gesellschaftsvertrag eindeutig legitimierten - Mehrheit im Rechtsstreit der Nachweis
einer sachlichen Rechtfertigung des Beschlusses obliegt; „vielmehr hat umgekehrt die
Minderheit den Nachweis einer treupflichtwidrigen Mehrheitsentscheidung zu führen“
(BGH, Urteil vom 15.01.2007, II ZR 245/05, in NJW 2007, 1685 ff.).
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Diese Ausführungen sind auf den Beschluss über die Feststellung einer
Liquidationsbilanz zu übertragen. Im Gegensatz zu einem Beschluss über eine
Nachschussverpflichtung, die gemäß § 707 BGB nur freiwillig erfolgen kann, handelt es
sich bei der Verpflichtung, aufgrund der Liquidation der Gesellschaft einen etwaigen
Fehlbetrag ausgleichen zu müssen, um eine gesetzliche Verpflichtung gemäß § 735
BGB. In relativ unentziehbare Mitgliedschaftsrechte wird damit nicht eingegriffen; eine
Beschlussfassung auf der Grundlage der allgemeinen Mehrheitsklausel ist zulässig (im
Ergebnis ebenso OLG München, Urteil vom 02.07.2009, 23 U 4240/08, zitiert nach juris
unter Rn. 49; K. Schmidt in Münchener Kommentar, HGB, 2. Aufl., § 154 Rn. 21 mit
Verweis auf Priester in Münchener Kommentar, HGB, 2. Aufl., § 120 Rn. 64).
Den Interessen der einzelnen Gesellschafter, in zutreffender Höhe in Anspruch
genommen zu werden, wird dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass im Einzelfall
zu klären ist, ob die konkrete Beschlussfassung treuwidrig in das Recht (auch der
Minderheit) auf ordnungsgemäße Abrechnung eingreift. Dementsprechend können,
sofern die Liquidationsbilanz nicht einstimmig beschlossen worden und eine freiwillige
Zahlung nicht erfolgt ist, streitige Posten mittels eines gerichtlichen Verfahrens geklärt
werden (vgl. auch Habermeier in Staudinger, BGB - 2002 -, § 709 Rn.51 a.E.), wie dies
auch vorliegend unter Bezugnahme auf die nachstehenden Ausführungen der Fall ist.
Die Auffassung des 19. Zivilsenats des Kammergerichts im Urteil vom 12.11.1009, 19 U
25/09, in NZG 2010, 223 ff., eine interessengerechte Auslegung des
Gesellschaftsvertrages erfordere eine eindeutige Regelung, dass die Feststellung des
Liquidationsergebnisses durch Mehrheitsentscheidung erfolgen könne, und falle daher
nicht unter die Auffangklausel des § 17 Nr. 3 Satz 1 des Vertrages, überzeugt nicht.
Denn die Liquidationsfolgen ergeben sich dem Grunde nach aus dem Gesetz; die Bilanz
ist allein für die Höhe der Nachschüsse von Bedeutung und kann, wie oben ausgeführt,
durch das Gericht auf seine inhaltliche Richtigkeit überprüft werden. Dementsprechend
ist nach Rechtsprechung und Literatur die allgemeine Mehrheitsklausel (nur) dann nicht
ausreichend, wenn es sich um ungewöhnliche Beschlüsse handelt, durch die die
Rechtsstellung des Gesellschafters entscheidend verändert wird. Die dafür genannten
Beispiele einer Änderung der Gewinnverteilung, Änderung des Gesellschaftszwecks oder
Änderung
10. Aufl., § 709 Rn. 40; Habermeier in Staudinger, BGB – 2002 -, § 709 Rn. 51 jeweils
m.w.N.) sind jedoch mit der (bloßen) Feststellung der Liquidationsfolgen nicht
vergleichbar.
Daran ändert auch nichts der Hinweis auf die fehlende Verpflichtung der Gesellschaft,
Nachschüsse tatsächlich einzufordern. Unabhängig davon, dass Gläubiger dennoch
berechtigt sind, solche Ansprüche bei Bestehen eines Titels gegen die Gesellschaft zu
pfänden (vgl. Wertenbruch in Westermann, Handbuch der Personengesellschaften, § 43
Rn. 1782 a), versteht sich ein Ausgleich der Gesellschaftsschulden von selbst, zumal
anderenfalls auch die Außenhaftung der Gesellschafter analog 128 HGB eingreifen
würde.
Ebenso wenig steht einer Mehrheitsentscheidung entgegen, dass mit der Auflösung der
Gesellschaft der vormalige gemeinsame Zweck der Nutzung des Gebäudes weggefallen
ist. Zum einen wird der Gesellschaftsvertrag nicht durch die Auflösung aufgehoben,
sondern gilt fort bis zur Beendigung der Gesellschaft (vgl. dazu mittelbar BGH, Urteil
vom 15.12.2003, II ZR 358/01, in NJW-RR 2004, 472 ff.), soweit er mit dem
Abwicklungszweck vereinbar ist. Zum weiteren bleiben die Gesellschafter weiterhin
einander verbunden, wie bereits oben ausgeführt.
Schließlich kann sich der Beklagte auch nicht erfolgreich darauf berufen, dass der
Liquidator mit seiner Vorgehensweise verhindere, dass die einzelnen Gesellschafter der
Bank gegenüber bei Inanspruchnahme analog §§ 128, 130 HGB ihnen etwaig persönlich
zustehende Einwendungen geltend machen könnten. Denn der Ausgleich der offenen
Verbindlichkeiten durch Anforderung des Nachschussbetrages stellt im Innenverhältnis
bereits eine Verpflichtung des Liquidators gegenüber den Gesellschaftern dar und
könnte sich jener diesen gegenüber schadensersatzpflichtig machen, sofern durch sein
Untätigbleiben z.B. weitere - vermeidbare - Zinsforderungen der Gläubiger entstehen.
Soweit der Beklagte sich auf eine Treuwidrigkeit wegen bewusster und kollusiver
Zusammenarbeit des Liquidators mit der Bank zu Lasten der Gesellschafter behauptet
hat, stellt dieser erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat sowie in dem
nachgelassenen Schriftsatz vom 08.04.2010 erhobene Vorwurf neues Vorbringen dar,
dass mangels Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 531 Absatz 2 ZPO nicht
zuzulassen war. Auf die darüber hinaus fehlende Substanziierung der behaupteten
persönlichen Ansprüche der Gesellschafter gegen die Bank kam es nicht mehr an.
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Der Wirksamkeit des Beschlusses vom September 2008 steht ferner nicht entgegen,
dass über ihn im Umlaufverfahren abgestimmt worden ist. Das Verfahren in § 17 Nr. 5
des Gesellschaftsvertrages ist nicht auf bestimmte Anwendungsfälle beschränkt und
aufgrund der Fortgeltung des Vertrages in der Liquidation weiterhin möglich. Auch die
von den Gesellschaftern einzuhaltende Frist von zwei Wochen, die der Einladungsfrist zu
Gesellschafterversammlungen in § 15 Nr. 1 Absatz 2 Satz 1 und 2 des
Gesellschaftsvertrages entspricht, ist nicht zu beanstanden. Der Bundesgerichtshof hat
für eine Publikumsgesellschaft sogar eine die Wochenfrist des § 51 Absatz 1 Satz 2
GmbHG wahrende Frist zur Einberufung der Versammlung für ausreichend gehalten und
zusätzlich zu Lasten der Gesellschafter die Vorschrift des § 121 Abs. 4 Satz 1 letzter
Halbsatz AktG für anwendbar erklärt, sofern lediglich die nach dem Gesellschaftsvertrag
einzuhaltenden Fristen gewahrt wurden (BGH, Urteil vom 30.03.1998, II ZR 20/97, in NJW
1998, 1946 ff.).
Auch der Inhalt der Beschlussvorlage rechtfertigte nicht die Einhaltung einer längeren
Frist. Eine Sanierung war fehlgeschlagen; die Liquidation der Gesellschaft, die in viel
stärkerem Maße in die Mitgliedschaftsrechte eingreift, war bereits wirksam beschlossen.
Die Liquidationsfolgen ergeben sich aus dem Gesetz, waren nur der Höhe nach
festzustellen und sind inhaltlich voll nachprüfbar.
Auch der vom 19. Zivilsenat des Kammergerichts im Urteil vom 12.11.2009, 19 U 25/09,
vermisste Gedankenaustausch bei einer Beschlussfeststellung im Umlaufverfahren ist
nach hiesiger Auffassung kein ausreichendes Gegenargument, da dies in der Natur der
Sache liegt und dann jede wesentliche Entscheidung nur auf einer Versammlung
getroffen werden dürfte. Indem die Gesellschafter aber vorab und freiwillig die Regelung
im Gesellschaftsvertrag über das Umlaufverfahren akzeptiert haben, sind sie daran auch
für alle Beschlüsse gebunden.
Schließlich berührt die Wirksamkeit entgegen den Ausführungen des 19. Zivilsenats des
Kammergerichts im vorgenannten Urteil nicht der Umstand, dass im Umlaufverfahren
die Bilanz als Liquidationsschlussbilanz festgestellt worden ist. Eine solche ist (entgegen
dem Wortlaut) nicht erst bei Beendigung der Liquidation aufzustellen, sondern sobald
das Vermögen vollständig verteilbar, also die Schulden (mindestens) festgestellt sind
und das Liquidationsergebnis feststellbar ist und auf die Gesellschafter umgelegt werden
kann (vgl. nur Baumbach/Hopt, HGB, 33. Aufl., § 154 Rn. 3; Wertenbruch in Westermann,
Handbuch der Personengesellschaften, § 43 Rn. 1746). Bis zur endgültigen
Auseinandersetzung der Gesellschaft kann noch keine endgültige Bilanz erstellt werden,
sondern sie kann sich immer nur auf einen bestimmten Stichtag beziehen. Diese
Notwendigkeit ergibt sich auch daraus, dass z.B. aufgrund verzinslicher Darlehen
fortgesetzt weitere Verbindlichkeiten anfallen können, Wertberichtigungen zu verändern
sind oder Rückstellungen nicht in der benannten Höhe benötigt werden. Diesen
Umständen kann nur in einer Nachtragsbilanz Rechnung getragen werden.
Aus diesem Grund rechtfertigt auch die zwischenzeitlich geänderte Sachlage nicht, den
Beschluss vom 12.09.2008 für gegenstandslos zu erklären. Durch den zwischenzeitlich
von der Klägerin mitgeteilten Verkauf des Grundstücks zu einem geringeren Kaufpreis
von lediglich ca. 7,8 Mio. EUR erfolgte weder eine Wiederaufnahme der werbenden
Tätigkeit der Klägerin noch wird in sonstiger Weise der Liquidationsstatus berührt. Soweit
der von den Gesellschaftern geschuldete Fehlbetrag sich dadurch erhöhen dürfte, führt
dies nicht zur Unrichtigkeit der Liquidationsbilanz, sondern nur zur Ergänzung im
Rahmen einer weiteren Nachtragsbilanz.
Ob sich die Gesellschaft bei der Aufstellung der Bilanz an die gesetzlichen Regelungen
gehalten hat, ist im Rahmen einer inhaltlichen Prüfung zu klären, wie der
Bundesgerichtshof im Urteil vom 15.01.20072007, II ZR 245/05, ausgeführt hat. Insoweit
wird auf die nachstehenden Ausführungen Bezug genommen.
Höhe der einzelnen Bilanzposten
Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung des Auseinandersetzungsfehlbetrages ist in
Höhe des ausgeurteilten Betrages berechtigt. Das Landgericht ist zunächst zutreffend
davon ausgegangen, dass die Beweislast für die Unrichtigkeit der Liquidationsbilanz
grundsätzlich dem einzelnen Gesellschafter, also hier dem Beklagten, obliegt. Die
Entscheidung des Bundesgerichtshofs in NJW 1984, 435 betrifft einen anderen Fall und
wird von dem Beklagten nicht vollständig zitiert. Aus dem Passus
„Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts trifft in Fällen dieser Art aber
nicht den angeblich ausgleichspflichtigen Gesellschafter die Darlegungs- und Beweislast
dafür, daß eine Ausgleichspflicht in Höhe des eingeforderten Betrages nicht besteht.
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dafür, daß eine Ausgleichspflicht in Höhe des eingeforderten Betrages nicht besteht.
Vielmehr muß der Liquidator den geltend gemachten Ausgleichsanspruch dartun und
beweisen. Die Grundsätze der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung des
erkennenden Senats vom 3. Juli 1978 (...LM HGB § 149 Nr. 6) greifen hier nicht ein. Der
von der Klägerin eingeforderte Betrag wird nach der Feststellung des Berufungsgerichts
nicht zur Verwirklichung des Liquidationszwecks, insbesondere zur Befriedigung der
Gläubiger, benötigt. Die Durchführung des Ausgleichs zwischen den Gesellschaftern -
zwischen den Inhabern positiver und negativer Kapitalanteile - gehört aber nicht mehr
zur Liquidation.“
ergibt sich, dass die Beweislast nur dann den Liquidator trifft, wenn es um den Ausgleich
der Gesellschafter untereinander geht.
Die Angriffe des Beklagten gegen die einzelnen Bilanzposten gemäß Anlage K 5 gehen
zum Teil fehl; zum Teil sind sie berechtigt. Der Beklagte hat die Einwände gegen die
Höhe der offenen Mietforderungen und die Rückstellungen von 337.500,00 EUR bereits
erstinstanzlich nicht konkretisiert und unter Beweis gestellt. In der Berufungsbegründung
hat er sich darauf beschränkt, auf die allgemeinen Ausführungen unter Ziffer III. seines
Schriftsatzes vom 17.11.2008 zu verweisen. Dies war nicht ausreichend.
Auch war die Klägerin nicht gehalten, vor Beschlussfassung im September 2008 eine
aktuelle Bilanz aufzustellen, da sich die Zahlen laufend z.B. durch Zinsbelastungen
verändern und eine abschließende Regelung in Form einer Nachtragsliquidationsbilanz
erst nach vollständiger Schuldentilgung möglich ist.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist allerdings der Betrag von 2.400.000,00 €
für voraussichtliche Ausfälle von einzelnen möglicherweise insolventen Gesellschaftern
nicht zu Lasten des Beklagten einzustellen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine
Gesellschaft bürgerlichen Rechts verpflichtet ist, die kaufmännischen
Buchführungsregeln im Einzelfall aufgrund der Komplexität der Geschäftsvorgänge
anzuwenden hat (vgl. dazu Wertenbruch in Westermann, Handbuch der
Personengesellschaften, § 43 Rn. 1783; Ulmer/Schäfer, in Münchener Kommentar, BGB,
5. Aufl., § 730 Rn. 58). Angesichts des Umfangs der Bebauung des Grundstücks und der
dafür erforderlichen Verwaltungstätigkeit, aber auch aufgrund der Größe der
Gesellschafterzahl mag hier eine kaufmännische Buchführung unabdingbar sein.
Es mag auch sein, dass nach den zu beachtenden Grundsätze des allgemeinen
Bilanzrechts, zu denen u.a. auch das Vorsichtsprinzip zählt, alle vorhersehbaren Risiken
zu berücksichtigen sind, um überhöhte Ausschüttungen bzw. Auskehrungen zu
vermeiden (vgl. Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., Rn. 67). Jedoch würde im
vorliegenden Fall dadurch das gesetzliche Leitbild des § 735 Satz 2 BGB, das von einer
Nachrangigkeit der Ausfallhaftung ausgeht, verletzt. Denn sofern der Liquidator - bei
Berücksichtigung des Ausfallbetrages - so viel von den solventen Gesellschaftern
eingezogen hätte, wie zur Schuldentilgung benötigt, könnte er die Liquidation beenden
und besteht die Möglichkeit, dass er nicht mehr versuchen wird, sämtliche für nicht
ausreichend zahlungskräftig gehaltenen Gesellschafter in Anspruch zu nehmen. Damit
würde die 2. Stufe des § 735 BGB in unzulässiger Weise vorweg genommen.
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Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 92 Absatz 1 Satz 1, 97 Absatz 1 ZPO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1
und 2, 709 Satz 2 ZPO.
Die Revision war gemäß § 543 Absatz 1 Nr. 1, Absatz 2 Nr. 1 und 2 ZPO für beide
Parteien zuzulassen, da aufgrund der entgegenstehenden Auffassung des 19.
Zivilsenats des Kammergerichts hinsichtlich der Frage, ob ein einstimmiger Beschluss
über die Liquidationsbilanz erforderlich ist, eine höchstrichterliche Klärung dieser
Rechtsfrage geboten ist. Aber auch hinsichtlich der Frage, ob ein Ausfallbetrag bezüglich
voraussichtlich insolventer Mitgesellschafter vom Liquidator im Rahmen einer Klage von
§ 735 Satz 1 BGB berücksichtigt werden kann, ist eine Entscheidung des
Revisionsgerichts aufgrund einer Vielzahl vergleichbarer Fälle erforderlich.
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