Urteil des KG Berlin vom 25.11.2004

KG Berlin: sinn und zweck der norm, wahlverteidiger, echte rückwirkung, pflichtverteidiger, vergütung, mandat, zahl, rechtskraft, meinung, ermittlungsverfahren

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Gericht:
KG Berlin 5.
Strafsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 AR 185/04 - 5 Ws
656/04, 2 AR 185/04,
5 Ws 656/04
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 3 KostRMoG, Art 8
KostRMoG, § 134 Abs 1 S 1
BRAGebO, § 15 RVG, § 61 Abs 1
S 1 RVG
Pflichtverteidigergebühren: Anwendbares Gebührenrecht für
den zuvor als Wahlverteidiger tätigen Verteidiger in Ansehung
gesetzlicher Neuregelung
Tenor
1. Auf die weitere Beschwerde des Rechtsanwalts Dr. R... F..., ... Straße 3 in ... Berlin,
vom 25. November 2004 wird der Beschluß des Landgerichts Berlin -
Wirtschaftsstrafkammer - vom 5. November 2004 aufgehoben.
2. Die aus der Landeskasse zu erstattende Pflichtverteidigervergütung wird auf 821,28
EUR festgesetzt.
3. Das Verfahren über die weitere Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht
erstattet.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer meldete sich am 9. März 2004 mit Schriftsatz vom 5. März
aufgrund einer schriftlichen Vollmacht vom 3. März als Wahlverteidiger des damaligen
Beschuldigten zum Ermittlungsverfahren. Nach Anklageerhebung wegen
gewerbsmäßiger Steuerhehlerei in vier Fällen und Eröffnung des Hauptverfahrens legte
er in der Hauptverhandlung am 13. Juli 2004 das Mandat nieder und wurde dem seit dem
23. Februar 2004 inhaftierten Angeklagten gemäß § 140 Abs. 2 StPO von dem
Vorsitzenden des Schöffengerichts am gleichen Tage als Pflichtverteidiger bestellt. Der
Angeklagte wurde ebenfalls am 13. Juli 2004 kostenpflichtig (§ 465 Abs. 1 Satz 1 StPO)
zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr mit Strafaussetzung zur Bewährung
verurteilt.
Mit seinem Antrag vom 13. Juli 2004 begehrte Rechtsanwalt Dr. F... die Festsetzung
seiner aus der Landeskasse zu erstattenden Pflichtverteidigervergütung nach dem
Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), das gemäß Art. 8 des Gesetzes zur
Modernisierung des Kostenrechts (Kostenmodernisierungsgesetz - KostRMoG) vom 5.
Mai 2004 (BGBl. I S. 718, 850) als dessen Art. 3 (BGBl. I, S. 788) am 1. Juli 2004 in Kraft
getreten ist. Er berechnete die Vergütung nach Teil 4 (Strafsachen) - jeweils unter
Berücksichtigung der Inhaftierung des Angeklagten - wie folgt:
Mit Beschluß vom 4. August 2004 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des
Amtsgerichts die Gebühren - rechnerisch richtig - auf lediglich 455,88 EUR (nicht 488,88
EUR, wie es in der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts irrtümlich heißt) fest
und führte zur Begründung aus, es sei altes Gebührenrecht (BRAGO) anzuwenden. Die
Erinnerung (§ 56 Abs. 1 Satz 1 RVG) des Verteidigers wies das Amtsgericht am 26.
August 2004 zurück. Das Landgericht Berlin verwarf die befristete Beschwerde (§§ 56
Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Sätze 1, 3 RVG), der das Amtsgericht zuvor nicht abgeholfen
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Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Sätze 1, 3 RVG), der das Amtsgericht zuvor nicht abgeholfen
hatte, mit dem angefochtenen Beschluß vom 5. November 2004, wobei es im
wesentlichen den Gründen des Beschlusses des Senats vom 20. Februar 2003 - 5 Ws
45/03 - zu § 134 BRAGO folgte. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache ließ die
Strafkammer die weitere Beschwerde gemäß § 33 Abs. 6 Satz 1 RVG zu.
II.
1. Die zulässige (§ 33 Abs. 6 Satz 1 RVG), insbesondere gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1, Abs.
2 Satz 1 RVG in Verbindung mit § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG rechtzeitig erhobene weitere
Beschwerde hat Erfolg.
Die dem Beschwerdeführer aus der Landeskasse zu erstattende
Pflichtverteidigervergütung ist nach dem neuen Gebührenrecht des RVG zu bemessen.
Die Rechtsprechung des Senats zu § 134 BRAGO hält er für den Fall des § 61 Abs. 1 RVG
nicht mehr aufrecht. Insoweit schließt er sich der Rechtsprechung des 1. Senats des
Kammergerichts in dessen Beschluß vom 17. Januar 2005 - (1) 2 StE 10/03-2 (4/03) -,
dem OLG Schleswig (NJW 2005, 234) sowie dem OLG Hamm (Beschluß vom 10. Januar
2005 - 2 (s) Sbd. VIII 267, 268 und 269/04 - veröffentlicht in
www.burhoff.de/burhoff/rvginhalte/20.htm ) an.
In der zuerst genannten Entscheidung hat der 1. Senat des Kammergerichts ausgeführt:
„Gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 RVG ist altes Gebührenrecht (BRAGO) weiter
anzuwenden, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit im
Sinne des § 15 RVG vor dem 1. Juli 2004 erteilt oder der Rechtsanwalt vor diesem
Zeitpunkt gerichtlich bestellt oder beigeordnet worden ist. Der Senat legt die
Übergangsvorschrift des § 61 Abs. 1 Satz 1 RVG dahin aus, dass dann, wenn der
Verteidiger vor dem 1. Juli 2004 bereits als Wahlverteidiger tätig war und an oder nach
diesem Stichtag zum Pflichtverteidiger bestellt worden ist, es für die Frage des
anzuwendenden Gebührenrechts allein auf den Zeitpunkt der Pflichtverteidigerbestellung
ankommt. Wurde sie am Stichtag oder später vorgenommen, gilt neues, war sie vorher
erfolgt, gilt altes Gebührenrecht. Der Gesetzestext des hinsichtlich seiner
Anknüpfungsmerkmale mit § 134 Abs. 1 Satz 1 BRAGO wortgleichen § 61 Abs. 1 Satz 1
RVG lässt sich sowohl in diesem Sinne als auch dahin auslegen, dass die
Anknüpfungspunkte der unbedingten Auftragserteilung einerseits und der gerichtlichen
Bestellung oder Beiordnung andererseits alternativ nebeneinander stehen, mithin in
Fällen wie dem gegebenen, in dem ein Anknüpfungsumstand vor dem Stichtag
verwirklicht wurde, altes Gebührenrecht anzuwenden wäre. In Rechtsprechung und
Schrifttum wurden und werden angesichts dieser - mit überzeugenden Gründen nicht
bestreitbaren - Auslegungsfähigkeit des § 134 Abs. 1 Satz 1 BRAGO und des § 61 Abs. 1
Satz 1 RVG jedoch unterschiedliche Auffassungen vertreten. Nach der herrschenden
Meinung kommt es allein auf den Zeitpunkt der Pflichtverteidigerbestellung an, da
spätestens mit ihr das Wahlmandat ende und somit nicht mehr als Anknüpfungspunkt
zur Verfügung stehe (vgl. etwa OLG Düsseldorf JurBüro 1996, 189; OLG Celle MDR 1995,
532; OLG Köln StV 1995, 306; OLG Schleswig SchlHA 1989, 80; OLG Koblenz Rpfleger
1988, 123; Madert in Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, BRAGO 15. Aufl., § 134 Rdn. 15;
Hartmann, Kostengesetze 32. Aufl., § 134 Rdn. 18 - jeweils zum alten Recht; OLG
Schleswig, Beschluss vom 30. November 2004 - 1 Ws 423/04 -; Madert in
Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 16. Aufl., § 60 Rdn. 32; Burhoff in
Burhoff/Kindermann, RVG Rdn. 470; Jungbauer in Bischof/ Jungbauer/Podlech-Trappmann,
RVG, § 61 Rdn.27; Hartmann, Kostengesetze, 34. Aufl., § 60 RVG Rdn. 18; jeweils zum
neuen Recht).
Demgegenüber kommt nach anderer Meinung dem Zeitpunkt der gerichtlichen
Bestellung des Verteidigers nur dann Bedeutung zu, wenn dieser nicht schon vor dem
Inkrafttreten der Gesetzesänderung als Wahlverteidiger mit der Sache befasst war (vgl.
zum alten Recht: OLG Frankfurt StV 1995, 597; OLG Bamberg JurBüro 1989, 965; KG,
Beschlüsse vom 20. Februar 2003 - 5 Ws 45/03 -, 18. Oktober 1995 - 5 Ws 393/95 - und
21. Dezember 1994 - 4 Ws 329/94 - in RPfleger 1995, 380; zum neuen Recht: LG Berlin,
Beschlüsse vom 9. Dezember 2004 - 533 Qs 94/04 -, 5. November 2004 - 536 Qs 7/04 -
und 21. Oktober 2004 - 503-39/03 -; Göttlich/Mümmler, RVG, zum Stichwort
Übergangsregelung, S. 974)
Der Senat schließt sich unter Aufgabe der früheren Rechtsprechung des
Kammergerichts zu § 134 Abs. 1 Satz 1 BRAGO, nach der die jeweils alten
Gebührensätze heranzuziehen waren (vgl. KG, a.a.O.), der erstgenannten, herrschenden
Auffassung an. Letztlich ausschlaggebend ist bei der Auslegung des § 61 Abs. 1 Satz 1
RVG der in den Materialien zum Gesetzentwurf (BT-Drucksache 15/1971) zu den (in
unveränderter Fassung in Kraft getretenen) §§ 60, 61 RVG-E geäußerte Wille des
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unveränderter Fassung in Kraft getretenen) §§ 60, 61 RVG-E geäußerte Wille des
Gesetzgebers. Dort heißt es bezüglich § 60:
„(...)Legt jedoch der Wahlverteidiger sein Mandat nieder und wird er anschließend
zum Pflichtverteidiger bestellt, liegt hinsichtlich der Pflichtverteidigervergütung kein
Zusammentreffen mehrerer Tatbestände im Sinne des Satzes 1 vor. Erfolgt die
Pflichtverteidigerbestellung nach dem Stichtag, soll die Pflichtverteidigervergütung nach
neuem Recht berechnet werden. Dies soll auch für Tätigkeiten vor dem Stichtag gelten,
soweit diese nach § 48 Abs. 5 RVG-E zu vergüten sind. Eine Aufspaltung der Vergütung
könnte bei einer Veränderung des Abgeltungsbereiches einzelner Gebühren zu
massiven Problemen bei der Gebührenbemessung führen. Weder diese
Übergangsvorschrift noch § 134 BRAGO gelten jedoch für die Übergangsfälle aufgrund
des Inkrafttretens dieses Gesetzes. Für diese Fälle sieht § 61 RVG-E eine eigene
Übergangsregelung vor.“
Im Anschluss daran heißt es zu § 61:
„Absatz 1 der für das Inkrafttreten dieses Gesetzes vorgeschlagenen
Übergangsvorschrift entspricht im Grundsatz dem vorgeschlagenen § 60 Abs. 1 Satz 1
und 2 RVG-E. Insoweit wird auf die dortige Begründung verwiesen (...).“
Mit diesen Ausführungen formuliert der Gesetzgeber - in Kenntnis des
Meinungsstreites zu § 134 Abs. 1 Satz 1 BRAGO - ausdrücklich für die hier in Rede
stehende Fallgestaltung seine Vorstellung, nach der die Pflichtverteidigervergütung nach
neuem Recht erfolgen und dies auf der Grundlage des insoweit für § 61 Abs. 1 Satz 1
RVG unverändert übernommenen Wortlautes des § 134 Abs. 1 Satz 1 BRAGO geschehen
soll. Diesem klar zu Tage getretenen gesetzgeberischen Willen kommt hier für die
Norminterpretation bestimmende Bedeutung zu.
Zwar gebührt dieser (subjektiven) Auslegungsmethode im Verhältnis zu den
sonstigen anerkannten Auslegungskriterien, die sich auf den Wortsinn, den
gesetzessystematischen Bedeutungszusammenhang und den Sinn und Zweck der
Norm beziehen, grundsätzlich ebensowenig der Vorrang, wie einer der anderen; lässt
sich indes, wie hier, der Regelungsgehalt einer Vorschrift weder aus ihrem Wortlaut, noch
aus ihrem Bedeutungszusammenhang oder anhand ihres Regelungszweckes eindeutig
bestimmen, kann der im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens beigegebenen
Begründung jedenfalls dann maßgebliche Bedeutung zukommen, wenn Gesetzgebung
und konkrete Rechtsanwendung zeitlich eng zusammen liegen.
Der verschiedentlich (vgl. Beschlüsse des LG Berlin a.a.O.) gegen die Anwendung
des neuen Vergütungsrechts herangezogene Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes
des Kostenschuldners führt zu keinem anderen Ergebnis. Ihm kommt bei der
Entscheidung über die Höhe der dem Pflichtverteidiger zustehenden Gebühren kein
maßgebliches Gewicht zu (tendenziell in diesem Sinne bereits KG, Beschluss vom 20.
Februar 2003 - 5 Ws 45/03 -), da sich die Pflichtverteidigerbestellung als eigener
prozessualer Akt darstellt, dessen gebührenrechtliche Folge der Kostenschuldner
hinzunehmen hat. Schließlich ist auch kein ausreichender Grund dafür ersichtlich, einen
Angeklagten, dessen Wahlverteidiger nach dem Stichtag zum Pflichtverteidiger bestellt
wird, gebührenrechtlich besser zu stellen als einen zuvor unverteidigt gewesenen
Angeklagten, dem nach Inkrafttreten des neuen Vergütungsrechts ein Pflichtverteidiger
bestellt wird. Letztlich spricht auch die Regelung des § 48 Abs. 5 Satz 1 RVG, nach
welcher der bestellte Verteidiger, mag er auch zuvor Wahlverteidiger gewesen sein, die
Vergütung rückwirkend auch für seine Tätigkeit vor dem Zeitpunkt seiner Bestellung
erhält, für die Anwendung neuen Gebührenrechts (in diesem Sinne auch Hartung in
Hartung/Römermann, Praxiskommentar zum RVG, § 60 Rdn. 22, 23).
2. Diese Ausführungen treffen zu. Der Senat macht sie sich zu eigen. Dieser
Argumentation kann auch nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, daß sich die
Tätigkeit des Wahlverteidigers nur gebührenrechtlich von der des Pflichtverteidigers
unterscheide, der Rechtsanwalt seine Arbeit nach seiner Beiordnung ansonsten aber in
derselben rechtlichen Lage unverändert fortsetze. Denn zwischen beiden bestehen
durchgreifende rechtliche Unterschiede.
a) Der vom Angeklagten gewählte Verteidiger (§ 138 StPO) ist aufgrund eines
Auftragsverhältnisses und der sie ausweisenden Vollmacht tätig, weil der Mandant ihn
beauftragt und er den Auftrag angenommen hat. Er kann wirksam eine Untervollmacht
erteilen, ohne die Zahl der gewählten Verteidiger zu erhöhen (vgl. Laufhütte in KK, StPO
5. Aufl., vor § 137 Rdn. 14) und das Mandat jederzeit wirksam niederlegen. Sein Mandat
reicht über die Rechtskraft des Urteils hinaus. Sein Vergütungsanspruch richtet sich
gegen den Auftraggeber.
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Mit der Mandatsniederlegung endet der zivilrechtliche Auftrag des Rechtsanwalts und
gibt einer öffentlich-rechtlichen Bestellung Raum, auf deren Grundlage der
Pflichtverteidiger arbeitet. Die gerichtliche Bestellung zum Verteidiger ist eine besondere
Form der Indienstnahme Privater zu öffentlichen Zwecken (vgl. BVerfGE 39, 238, 241 =
NJW 1975, 1015). Der nach § 141 Abs. 1 StPO bestellte Verteidiger muß die Verteidigung
übernehmen (§ 49 BRAO); nur aus wichtigem Grund kann er die Aufhebung der
Indienstnahme beantragen (vgl. BVerfG NJW 2001, 1269). Er ist - gegebenenfalls unter
Hintansetzung anderer beruflicher Interessen - verpflichtet, das Mandat persönlich zu
führen; wirksam kann er weder einen Unterbevollmächtigten bestellen noch das Mandat
niederlegen (vgl. BVerfG aaO). Denn er ist nicht aufgrund des mit seinem eigenen Willen
übereinstimmenden Willens des Angeklagten tätig, sondern im öffentlichen Interesse,
das der Rechtsstaat an der wirksamen Verteidigung des Angeklagten hat (vgl. BVerfGE
aaO; Meyer-Goßner, StPO 47. Aufl., § 140 Rdn. 1 mit weit. Nachw.). Seine Bestellung
endet (mit geringen Ausnahmen) mit der Rechtskraft des Urteils (vgl. Laufhütte in KK, §
141 StPO Rdn. 10). Seine Vergütung, die unter den als angemessen anzusehenden
Rahmengebühren des Wahlverteidigers liegt (vgl. BVerfGE 68, 237, 255 = NJW 1985,
727), trägt dem Umstand Rechnung, daß der Gesetzgeber die Indienstnahme nicht als
kostenlos zu erbringende Ehrenpflicht ausgestaltet hat (vgl. BVerfG NJW 2001, 1269). Die
Vergütung ist das notwendige Gegenstück zur Auferlegung einer Verpflichtung (vgl.
Hartmann, Kostengesetze 33. Aufl., § 97 BRAGO Rdn. 2). Sie ist folglich aus der
Staatskasse zu leisten; den verurteilten Angeklagten trifft sie nur mittelbar, wenn er die
Auslagen der Staatskasse zu tragen hat (§§ 465 Abs. 1, 464 Abs. 2, 464a Abs. 1 Satz 1
StPO) und wenn die Ansetzung nicht nach § 10 KostVfG unterbleibt.
b) Da der Verurteilte nicht der unmittelbare Schuldner der Vergütung des bestellten
Verteidigers ist, spricht nur wenig dafür, daß die Übergangsvorschriften dessen
dauernden Schutz vor einer Erhöhung der Bemessungsgrundlagen im Auge haben,
zumal da sich ein Anspruch des Bürgers auf die Unveränderlichkeit amtlich festgesetzter
Gebühren aus dem Art. 20 Abs. 3 GG zu entnehmenden Rückwirkungsverbot nicht
herleiten läßt (vgl. BVerfGE 28, 66, 88; zur unechten Rückwirkung allgemein vgl.
Hofmann in Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG 10. Aufl., Art. 20 Rdn. 78 ff.). Soweit § 48 Abs. 5
RVG eine echte Rückwirkung enthält, indem die Vorschrift anordnet, der später
beigeordnete frühere Wahlverteidiger solle so behandelt werden, als wäre er die
gesamte Zeit über als Pflichtverteidiger aufgetreten, beschwert das den Angeklagten in
der Regel nicht. Denn verglichen werden dürfen nicht die Pflichtverteidigergebühren nach
dem RVG und der BRAGO, sondern die Pflichtverteidigervergütung nach dem RVG und
die Wahlverteidigervergütung nach der BRAGO, die zu zahlen der Angeklagte ohne die
Beiordnung verpflichtet gewesen wäre. Die nur 80% des Mittelwerts betragenden
Pflichtverteidigergebühren können indes nur in seltenen Fällen höher bemessen sein als
diejenigen des Wahlverteidigers nach der BRAGO.
c) Im übrigen bedeuten gebühren- und erstattungsrechtliche Änderungen nicht stets,
daß sich die Beträge erhöhen. Zugunsten der Rechtsanwälte hat sich der Gesetzgeber
nach vielen Jahren, in denen die Vergütungssätze unverändert geblieben waren, gegen
die Haushaltslage der Länder (vgl. die kritische Darstellung der Kostenseite des RVG in
der Stellungnahme der Präsidentin des Kammergerichts - III 5651 - F 1 KG - vom 2.
Januar 2002) bewußt entschieden. Ebenso hat er z. B. in § 5 Abs. 2 Satz 1 JVEG
gegenüber der alten Regelung des § 9 Abs. 3 ZSEG den - von der Staatskasse
auszulegenden und im Falle der Verurteilung den Angeklagten treffenden -
Fahrtkostenersatz für Zeugen von 0,21 EUR auf 0,25 EUR und für Sachverständige von
0,27 EUR auf 0,30 EUR heraufgesetzt. Zu Lasten des Ersatzberechtigten hat er aber
beispielsweise etwa gleichzeitig im Bundesreisekostengesetz den - überwiegend Richtern
und Staatsanwälten zugute kommenden - Kilometersatz für - innerhalb eines
Strafverfahrens ebenfalls § 464a Abs. 1 StPO unterfallende - Dienstreisen von 0,22 EUR
auf 0,20 EUR herabgesetzt (vgl. Tetzmann in DRiZ 2005, 18). Daneben darf auch für die
Betrachtung der zunächst auf die Staatskasse und mittelbar auf den Verurteilten
entfallenden Gesamtlasten nicht unbeachtet bleiben, daß die Zahl der erforderlichen
Verhandlungstermine („Stütztermine“) in Umfangssachen durch die Verlängerung der
Fristen des § 229 Abs. 1 und 2 StPO durch Art. 3 Nr. 9 des 1.
Justizmodernisierungsgesetzes (JuMoG) vom 24. August 2004 (BGBl. I S. 2198)
vermindert wurde, was die Anzahl der Terminsgebühren nach Nr. 4108, 4109 VV RVG zu
senken geeignet ist.
3. Die von dem Beschwerdeführer berechnete Vergütung ist auch der Höhe nach nicht
zu beanstanden. Sie war daher antragsgemäß festzusetzen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG.
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