Urteil des KG Berlin vom 13.03.2017

KG Berlin: treu und glauben, zustand, leistungsverweigerung, mietobjekt, ausführung, zugang, rückgabe, auflage, mietsache, verjährung

1
2
3
4
5
6
7
Gericht:
KG Berlin 12.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 U 80/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 280 Abs 1 BGB, § 280 Abs 3
BGB, § 281 Abs 1 S 1 BGB, §
281 Abs 2 BGB, § 546 Abs 1
BGB
Schadensersatzanspruch des Vermieters von Gewerberaum
wegen Nichterfüllung einer Rückbauverpflichtung:
Entbehrlichkeit einer Fristsetzung zur Ausführung der
Rückbauarbeiten
Leitsatz
Eine Fristsetzung des Vermieters an den Mieter zur Ausführung bei Beendigung des
Vertrages geschuldeter Rückbauarbeiten ist – als Voraussetzung der Entstehung eines
Schadensersatzanspruchs –
jedenfalls dann entbehrlich, wenn der Mieter die Durchführung der Rückbauarbeiten ernsthaft
und endgültig verweigert.
Eine derartige Erfüllungsverweigerung liegt vor, wenn der Mieter nach Erhalt einer
Aufforderung, einen konkret beschriebenen vertragswidrigen Zustand zu beseitigen,
gleichwohl erklärt, er habe seine Rückbauverpflichtung ordnungsgemäß erfüllt und weitere
Ansprüche des Vermieters würden nicht bestehen.
Tenor
Der Klageantrag ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
Gründe
I
Mit seinem am 15. März 2006 verkündeten Urteil, auf dessen Tatbestand und
Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, hat das Landgericht die auf Zahlung von
Schadensersatz wegen unterlassener Rückbauarbeiten nach Beendigung eines
Gewerbemietverhältnisses gerichtete Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das
Landgericht ausgeführt, ein möglicherweise bestehender Vornahmeanspruch der
Klägerin habe sich jedenfalls nicht gemäß § 281 Abs. 1 S. 1 BGB in einen geldwerten
Ersatzanspruch umgewandelt. Das Schreiben der Klägerin vom 15. Februar 2005
enthalte nicht die nach dem Gesetz erforderliche Fristsetzung, auch eine endgültige
Leistungsverweigerung der Beklagten läge nicht vor.
Zur Begründung ihrer hiergegen gerichteten Berufung trägt die Klägerin u. a. vor:
Das Landgericht habe in seiner Entscheidung unberücksichtigt gelassen, dass die
Beklagte zweifach schriftlich erklärt habe, dass sie von einem vertragsgemäßen Zustand
ausgehen und deshalb weitere Arbeiten nicht geschuldet seien. Auch habe das
Landgericht nicht berücksichtigt, dass es sich bei den Verpflichtungen der Beklagten
nicht um die Durchführung von Schönheitsreparaturen gehandelt habe. Die Beklagte
habe erhebliche und nicht von dem Mietvertrag der Parteien gedeckte Beschädigungen
der Substanz und Eingriffe in die Funktion des Gebäudes zu verantworten. Eine
Fristsetzung sei deshalb nicht erforderlich gewesen. Spätestens mit der endgültigen
Leistungsverweigerung durch die Beklagte sei das Erfordernis der Setzung einer Frist
entfallen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an sie
34.637,43 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz der
Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
8
9
10
11
12
13
14
15
16
Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung, die sie für zutreffend erachtet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens in beiden Rechtszügen wird auf
die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen
Verhandlungen verwiesen.
II.
Die Berufung ist zulässig und hat in der Sache dem Grunde nach Erfolg. Der Anspruch
der Klägerin ergibt sich aus §§ 280, 281 BGB.
1. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden: Beklagte) hat die Mieträume in
erheblichem Umfang umgebaut und mit Einbauten versehen. Die Beklagte war bei
Vertragsende verpflichtet, das Mietobjekt geräumt zurückzugeben (§ 546 Abs. 1 BGB).
Sie war deshalb verpflichtet, die von ihr geschaffenen Einrichtungen, Ein-, Aus- und
Umbauten zu entfernen bzw. rückzubauen (vgl. Langenberg, Schönheitsreparaturen,
Instandsetzung und Rückbau, 2. Auflage 2004, Seite 193 ff). Soweit das Mietobjekt durch
Einrichtungen oder deren Entfernung sowie Ein- und Umbauten verändert wurde, war sie
verpflichtet, die Mietsache wieder in den früheren Zustand zu versetzen, indem sie sich
bei Beginn des Mietvertrages befand (fünf vgl. Langenberg, a.a.O.). Die
Rückbauverpflichtung der Beklagten ergibt sich auch aus § 14 des Mietvertrages. Ihre
ursprüngliche Rückbauverpflichtung wird von der Beklagten auch nicht ernsthaft in
Abrede gestellt.
Die Rückbauverpflichtung der Beklagten ist auch nicht deshalb entfallen, weil die Klägerin
bzw. ein Nachmieter das Mietobjekt in einer Weise umbauen will, dass die
Wiederherstellungsarbeiten der Beklagten wieder beseitigt werden müssten. Es fehlte
insoweit ein jeglicher Darlegung konkreter Umbaupläne. Die Behauptung der Beklagten,
die Ausführung der Arbeiten sei wirtschaftlich betrachtet sinnlos, da jeder neue Mieter
eine Umgestaltung des Mietbereichs verlangen würde, ist unsubstantiiert. Sie trifft in
ihrer Allgemeinheit für nahezu jedes gewerbliche Mietobjekt zu.
2. Ihrer Rückbauverpflichtung ist die Beklagte nur in geringem Umfang nachgekommen.
Der Zustand der Mieträume nach dem Auszug der Beklagten ergibt sich aus dem von
einem Mitarbeiter der Beklagten unterzeichneten Abnahmeprotokoll vom 28. Januar
2005.
Das Unterlassen der Rückbauarbeiten stellt eine Vertragsverletzung des Mieters im
Sinne von § 280 Abs. 1 BGB dar (Langenberg, a.a.O. Seite 206), die ihn zum
Schadensersatz verpflichtet. In der Literatur ist zwar umstritten, ob der Vermieter in
diesen Fällen Schadensersatz nur unter den Voraussetzungen der §§ 280 Abs. 3, 281
BGB (so z. B. Wolf/Eckert/ Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und
Leasingrechts, 9. Auflage 2004, Rdnr. 1011) oder sogleich nach §§ 280 Abs. 1, 249 Abs.
2 S. 1 BGB (so z. B. Kraemer, NZM 2003, 417, 420 ff) verlangen kann (differenzierend:
Langenberg, a.a.O., Seite 206). Doch kann diese Frage vorliegend dahinstehen, da die
Voraussetzungen des § 281 Absatz 2 BGB entgegen der Ansicht des Landgerichts
gegeben sind. Die Beklagte hat die Durchführung der Rückbauarbeiten ernsthaft und
endgültig verweigert. Eine Fristsetzung war deshalb entbehrlich. Im Einzelnen:
a) An eine ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung des Mieters, die eine
Fristsetzung gemäß § 281 Abs. 2 1. Alternative BGB entbehrlich macht, sind nach
allgemeiner Meinung sehr hohe Anforderungen zu stellen. Erst wenn der Mieter eindeutig
zum Ausdruck bringt, seine Verpflichtungen nicht zu erfüllen und es damit
ausgeschlossen erscheint, dass er sich durch eine Leistungsaufforderung mit
Fristsetzung durch den Vermieter umstimmen lässt, sind diese strengen Anforderungen
erfüllt. Die dahingehende Erklärung des Mieters muss dementsprechend als sein letztes
Wort aufzufassen und ein Sinneswandel nicht zu erwarten seien. Zur Ermittlung, ob diese
Voraussetzungen erfüllt sind, ist eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalls
vorzunehmen.
b) Die ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung der Beklagten ergibt sich
bereits aus dem Verhalten der Beklagten Ende des Jahres 2004. Wie sich aus dem
Schreiben der Klägerin vom 20. Januar 2005 (Anlage B 6) ergibt, haben die Parteien
bereits vor Rückgabe des Mietobjektes Verhandlungen über die in den Mieträumen
durchzuführenden Arbeiten geführt. Im Rahmen dieser Verhandlungen hat die Beklagte
zur Herstellung der Räume einen Betrag von 15.000 EUR geboten. Sie hat hierdurch
zum Ausdruck gebracht, an einer Ausführung der erforderlichen Arbeiten selbst nicht
interessiert zu sein. Vielmehr hat sie zu erkennen gegeben, statt der Durchführung der
erforderlichen Arbeiten Schadensersatz in einer noch auszuhandelnden Höhe leisten zu
17
18
19
20
21
22
23
24
erforderlichen Arbeiten Schadensersatz in einer noch auszuhandelnden Höhe leisten zu
wollen. Hierin liegt eine ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung in Bezug auf
die in den Mieträumen durchzuführenden Arbeiten.
c) Entgegen der Ansicht des Landgerichtes ergibt sich die ernsthafte und endgültige
Leistungsverweigerung der Beklagten auch aus dem Inhalt des Schreibens vom 3. Juni
2005 (Anlage K 6), welches den folgenden Wortlaut hat: "Auf die Anfang des Jahres
geführte Korrespondenz darf ich zurückkommen. Der guten Ordnung halber darf ich
festhalten, dass die Rückgabeverpflichtung meiner Partei ordnungsgemäß erfüllt wurde.
Ansprüche ihrer Partei im Zusammenhang mit der Rückgabe des Objektes bestehen
dementsprechend nicht mehr."
aa) Jedenfalls unter Berücksichtigung der weiteren Umstände des vorliegenden
Sachverhaltes, insbesondere des Verhaltens der Beklagten im Zusammenhang mit der
Rückgabe des Mietobjektes und der Unterzeichnung des Abnahmeprotokolls durch die
Beklagte, 100 ob kann der Inhalt dieses Schreibens nur dahingehend verstanden
werden, dass die Beklagte die von ihr mit Schreiben vom 15. Februar 2005 geforderten
Maßnahmen ernsthaft und endgültig nicht erbringen will. Aufgrund der am 28. Januar
2005 durchgeführten gemeinsamen Begehung der Mieträume war der Beklagten der
Zustand der Mieträume Im Einzelnen bekannt. Sie hat diesen Zustand durch
Unterzeichnung des Abnahmeprotokolls (Anlage K. 3) bestätigt. Mit Schreiben vom 15.
Februar 2005 (Anlage K. 4) hat die Klägerin der Beklagten im Einzelnen mitgeteilt,
welche Arbeiten ihrer Auffassung nach erforderlich sind, um den im Abnahmeprotokoll
näher beschriebenen vertragswidrigen Zustand zu beseitigen. Wenn die Beklagte in
ihrem Schreiben vom 3. Juni 2005 gleichwohl behauptet, sie habe ihre
Rückgabeverpflichtung ordnungsgemäß erfüllt, weitere Ansprüche der Klägerin würden
nicht mehr bestehen, so kann dies nur als endgültige und ernsthafte
Erfüllungsverweigerung gewertet werden (vgl. BGH, NJW-RR 1992, 1226, 1227).
Das vom Landgericht in der angefochtenen Entscheidung in diesem Zusammenhang
genannte Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH NJW 1986, 661) ist dagegen nicht
einschlägig. Die Sachverhalte sind nicht vergleichbar.
bb) Unerheblich ist, dass das Schreiben der Klägerin vom 21. Juni 2005 (Anlage K. 4) der
Beklagten vor Zugang des Schreibens vom 3. Juni 2005 zuging. Zwar hat der
Bundesgerichtshof in seiner vorgenannten Entscheidung (BGH NJW 1986, 661)
ausgeführt, ein Schadensersatzanspruch lasse sich auf eine Erfüllungsablehnung nur
stützen, wenn die Weigerung vor dem Übergang des Gläubigers zum Schadensersatz
erklärt worden sei. Der Bundesgerichtshof hat es aber in seiner Entscheidung für
ausreichend gehalten, wenn die Umstände, aus denen auf die Weigerung geschlossen
werden soll, vor diesem Zeitpunkt entstanden sind. Vorliegend hat der
Prozessbevollmächtigte der Beklagten aber das Schreiben, aus dessen Inhalt auf die
endgültige und ernsthafte Leistungsverweigerung der Beklagten geschlossen werden
soll, vor Zugang des Schreibens der Klägerin vom 21. Juni 2005 abgefasst und an den
Prozessbevollmächtigten der Klägerin versandt.
d) Hinzu kommt, dass die Einbeziehung eines späteren Verhaltens des Schuldners in die
Auslegung seiner früheren Erklärungen nicht ausgeschlossen ist. Zu Lasten der
Beklagten ist deshalb des Weiteren zu berücksichtigen, dass der Prozessbevollmächtigte
der Beklagten in seinem Schreiben vom 28. Juni 2005 (Anlage K. 5) nochmals
ausdrücklich erklärt hat, es verbleibe bei seinem Schreiben vom 3. Juni 2005.
5. Die Klageforderung ist nicht verjährt. Da der Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides
am 29. Juni 2005 bei Gericht einging und die Zustellung des Mahnbescheides alsbald
erfolgte, käme eine Verjährung gemäß § 548 Abs. 1 ZPO nur in Betracht, wenn die
Klägerin die Mietsache spätestens am 28. Dezember 2004 zurückerhalten hätte. Ihre
beweislos aufgestellte und von der Klägerin bestrittene Behauptung, ihr Schreiben vom
28. Dezember 2004 sei am gleichen Tag bei der Klägerin eingegangen, hat die Beklagte
im Termin zur mündlichen Verhandlung am 4. Dezember 2006 ausdrücklich fallen
gelassen.
6. Ende entgegen der Ansicht der Beklagten muss sich die Klägerin auch nicht nach Treu
und Glauben (§ 242 BGB) so behandeln lassen, als ob die Verjährung am 28. Dezember
2004 begonnen hätte. Die Beklagte hat nämlich nicht dargelegt, dass sie der Klägerin
die Übergabe der Mieträume vor dem 29. Dezember 2004 konkret, in einer den
Annahmeverzug begründenden Weise angeboten hat. Vielmehr ist ein solches Angebot
frühestens mit Zugang des Schreibens vom 28. Dezember 2004 erfolgt.
7. Die Einwendungen der Beklagten zur Höhe der Klageforderung sind im vorliegenden
Zwischenurteil nicht zu erörtern. Für den Erlass eines Grundurteils reicht es aus, dass
25
26
Zwischenurteil nicht zu erörtern. Für den Erlass eines Grundurteils reicht es aus, dass
der geltend gemachte Anspruch auch unter Berücksichtigung der Einwendungen gegen
ihn mit hoher Wahrscheinlichkeit in irgendeiner Höhe besteht. Diese Voraussetzung ist
gegeben, da der Klägerin im Wege der Schadensschätzung ein Mindestbetrag als
Schadensersatz zuzusprechen ist. In welcher Höhe der Anspruch besteht, wird im
Nachverfahren gegebenenfalls nach Durchführung einer umfangreichen
Beweisaufnahme zu klären seien. Nach Auskunft des Prozessbevollmächtigten der
Klägerin wurde der Zustand der Räume bis heute nicht geändert, die Besichtigung durch
einen Sachverständigen ist deshalb möglich. Nach Stellung eines entsprechenden
Antrages könnte das Nachverfahren gemäß § 538 Abs. 2 Ziffer 4 ZPO an das
Landgericht zurückverwiesen werden.
8. Die Revision war nicht zuzulassen, da weder die Sache grundsätzliche Bedeutung hat,
noch eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (§ 543 Absatz 1 Nr.1, Absatz 2 ZPO n.
F.).
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten. Die weiteren
prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum