Urteil des KG Berlin vom 01.07.1994

KG Berlin: rückübertragung, wahrung der frist, grundstück, eigentum, berechtigung, vermögenswert, vollmachten, erbengemeinschaft, grundbuch, gefahr

1
2
Gericht:
KG Berlin 24.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
24 U 206/03
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 7 Abs 7 S 3 VermG, § 7 Abs 8
VermG, § 16 Abs 2 InVorG, § 17
Abs 2 InVorG, § 21b InVorG
Vereinfachtes Rückübertragungsverfahren: Anspruch des
Anmelders auf Herausgabe der Entgelte aus einem Miet-, Pacht-
oder sonstigen Nutzungsverhältnis
Leitsatz
Der Anmelder im vereinfachten Rückübertragungsverfahren gemäß § 21b InVorG, dessen
Berechtigung nach dem VermG festgestellt worden ist, hat gegenüber dem
Verfügungsberechtigten einen Anspruch auf Herausgabe der Entgelte, die ihm ab dem 1. Juli
1994 bis zum Zeitpunkt der Rückgabe aus einem Miet-, Pacht- oder sonstigen
Nutzungsverhältnis zustehen gemäß § 7 Abs. 7 Satz 3 VermG, sofern der Berechtigte diesen
in der Frist des § 7 Abs. 8 VermG geltend macht.
Tenor
Auf die Berufung der Kläger zu 1. - 8. wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 27. Juni
2003 - 20 O 253/02 - geändert:
Die Beklagte wird verurteilt,
1. den Klägern Auskunft betreffend die Erträge des Grundstücks C... S... in B... -
M…, eingetragen in das Grundbuch des Amtsgerichts B... -M..., Band ..., Blatt ..., Flur ...,
Flurstück ..., in dem Zeitraum vom 1. Juli 1994 bis zum 30. April 2000 zu erteilen und
durch Vorlage einer schriftlichen, systematischen Aufstellung über die
Grundstückserträge durch Vorlage der bei der Beklagten üblichen
Grundstücksabrechnungen für den genannten Zeitraum
2. die erteilten Auskünfte gemäß 1. zu belegen durch Vorlage der
Belegungslisten der vermieteten Räume und Flächen mit Mietangaben und der Belege
für die Ausgaben.
Die Kostenentscheidung erster Instanz bleibt dem Schlussurteil erster Instanz
vorbehalten.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 3.000 Euro zuzüglich der beitreibbaren Kosten abzuwenden, sofern nicht die Kläger
zu 1. - 8. zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils wird Bezug
genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO) und ergänzend ausgeführt:
Die Kläger bilden die Erbengemeinschaft nach E. G. Das streitgegenständliche
Grundstück C... S... in B... -M... gehörte zum Vermögen des E. G., welches dieser
aufgrund der Verfolgung der Juden durch die Nationalsozialisten – auch der im Ausland
lebenden Juden – verlor (Bescheid des LAROV vom 15. März 2001, Anlage K 4). Das
Grundstück wurde gemäß der Verordnung des Magistrats von Groß-Berlin über die
Verwaltung und den Schutz ausländischen Eigentums in Groß-Berlin vom 18. Dezember
1951 unter staatliche Verwaltung genommen. Durch Inanspruchnahmebescheid vom 22.
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
1951 unter staatliche Verwaltung genommen. Durch Inanspruchnahmebescheid vom 22.
Oktober 1980 wurde das Grundstück mit Wirkung vom 1. Januar 1980 in das Eigentum
des Volkes überführt. Zum Rechtsträger wurde der V. K... W... B... - M... bestellt. Durch
Zuordnungsbescheid vom 19. September 1995 erfolgte die Übertragung des
Vermögenswertes auf die Beklagte.
Dem Kläger zu 8. wurde das Eigentum an dem Grundstück aufgrund des
Investitionsvorrangbescheids vom 12. April 2000 gemäß § 21 b InVorG übertragen
(Anlage K 2).
Die Übergabe durch die Beklagte erfolgte am 3. Juli 2000 (Anlage K 3). Mit Schreiben
vom 6. Juli 2000 (Anlage BK 2) überreichte der Prozessbevollmächtigte der Kläger der
Beklagten die Vollmacht des Klägers zu 8. vom 10. Januar 1995 sowie ein Schreiben vom
20. Januar 2000 mit folgendem Text:
„Da die Erben, vertreten durch mich (den Kläger zu 8.), gemeinsam entschieden
haben, das Eigentum das bekannt ist als Haus C... S... in B... auf unseren Namen zu
übertragen, und da es die auf Kenntnis beruhende rechtliche Auffassung von Prof. M...
ist, dass die Übertragung auf den Namen eines der Erben erfolgen soll, nehme ich
hiermit an, dass das Eigentum auf meinen Namen als Vertreter der Erben registriert
wird. Ich stimme hiermit zu, entsprechend den Entscheidungen der Erben und ihrem Rat
als unserer Anwalt zu handeln.“
Mit Bescheid des LAROV vom 15. März 2001, bestandskräftig seit dem 7. Mai 2001,
wurde festgestellt, dass die Kläger zu 1. bis 8. in Erbengemeinschaft berechtigt sind im
Sinne des Vermögensgesetzes. Wegen des Inhalts des Bescheides wird auf die Anlage K
4 Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 4. Juli 2001 forderte der Prozessbevollmächtigte der Kläger die
Beklagte unter Beifügung des vorgenannten Bescheides „zugunsten seiner
Mandantschaft“ zur Herreichung der Grundstücksabrechnung ab 1. September 1994 bis
30. April 2000 und Überweisung des seiner Mandantschaft zustehenden Betrages auf.
Das Schreiben enthielt im Betreff die folgende Formulierung: „Grundstück B... -M…, C...
S..., J... A...“ (Anlage K 6).
Die Beklagte wies dieses Ansinnen mit Schreiben vom 20. Juli 2001 unter Hinweis auf die
Entscheidung des BGH vom 25. Juni 1999, V ZR 259/98, zurück (Anlage K 7).
Mit Schreiben vom 27. März 2002 (Anlage K 8) wiederholte der Prozessbevollmächtigte
der Kläger sein Anliegen unter Zurückweisung der Rechtsansicht der Beklagten. Im
Betreff war das Schreiben gleichlautend wie das Schreiben vom 4. Juli 2001 formuliert.
Das Schreiben diente „vor allen Dingen der Wahrung der Frist nach § 7 Abs. 8 VermG, da
der Bescheid betreffend die Feststellung der Berechtigung meiner Mandanten am 7. Mai
2001 bestandskräftig geworden ist“.
Mit der Stufenklage begehren die Kläger zunächst in der ersten Stufe Auskunft über die
Grundstückserträge in der Zeit vom 1. Juli 1994 bis 30. April 2000.
Die Kläger haben die Ansicht vertreten, dass ihnen ein Anspruch gemäß §§ 7 Abs. 7 Satz
2 VermG und § 16 Abs. 2 Satz 1 InVorG analog zustehe. Die von der Beklagten zitierten
Entscheidung des BGH sei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Die Entscheidung
beziehe sich nicht auf die Verfahren nach § 21 b InVorG.
Sie hätten auch die Vollmachten innerhalb der Frist des § 7 Abs. 8 VermG
nachgewiesen. Der Kläger zu 8. habe das Grundstück für die Erbengemeinschaft
übernommen. Die Klage eines Miterben reiche im Übrigen aus (§ 2039 BGB).
Die Kläger haben beantragt,
1. ihnen Auskunft betreffend die Erträge des Grundstücks C... S... in B... -M…,
eingetragen in das Grundbuch des Amtsgerichts B... -M..., Band ..., Blatt ..., Flur ...,
Flurstück ..., in dem Zeitraum vom 1. Juli 1994 bis zum 30. April 2000 zu erteilen und
durch Vorlage einer schriftlichen, systematischen Aufstellung über die
Grundstückserträge durch Vorlage der bei der Beklagten üblichen
Grundstücksabrechnungen für den genannten Zeitraum.
2. die erteilten Auskünfte gemäß I.1. zu belegen durch Vorlage der
Belegungslisten der vermieteten Räume und Flächen mit Mietangaben und der Belege
für die Ausgaben.
Die Beklagte hat beantragt,
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, dass dem Kläger in Anlehnung an die
streitgegenständliche BGH-Entscheidung ein Anspruch nicht zustehe. Im Übrigen sei der
Anspruch durch die Kläger nicht binnen der Frist des § 7 Abs. 8 VermG geltend gemacht
worden. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger habe die Vollmachten nicht
nachgewiesen.
Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 27. Juni 2003, den Klägern zugestellt am
1. Juli 2003, insgesamt abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen darauf
abgestellt, dass die Kläger nicht binnen der Frist des § 7 Abs. 8 VermG ihre Ansprüche
angemeldet hätten. Aus den Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 4.
Juli 2001 und 23. März 2002 ergebe sich keine Anmeldung der Ansprüche für alle Kläger,
sondern allein für den Kläger zu 8. Auch durch die Klageeinreichung sei die Frist nicht
gewahrt worden. § 167 ZPO bezwecke nur den Schutz dessen, der zur Fristwahrung auf
die Hilfe des Gerichts angewiesen sei. Dies sei bei § 7 Abs. 8 VermG nicht der Fall.
Hiergegen haben die Kläger am 28. Juli 2003 Berufung eingelegt und diese am 27.
August 2003 begründet.
Sie vertiefen ihren erstinstanzlichen Vortrag und legen erneut Vollmachten der Kläger
vor.
Die Kläger beantragen,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Berlin vom 27. Juni 2003, - 20 O
253/02 – die Beklagte zu verurteilen,
1. ihnen Auskunft betreffend die Erträge des Grundstücks C... S... in B... -M…,
eingetragen in das Grundbuch des Amtsgerichts B... -M..., Band ..., Blatt ... Flur ...,
Flurstück ..., in dem Zeitraum vom 1. Juli 1994 bis zum 30. April 2000 zu erteilen und
durch Vorlage einer schriftlichen, systematischen Aufstellung über die
Grundstückserträge durch Vorlage der bei der Beklagten üblichen
Grundstücksabrechnungen für den genannten Zeitraum.
2. die erteilten Auskünfte gemäß I.1. zu belegen durch Vorlage der
Belegungslisten der vermieteten Räume und Flächen mit Mietangaben und der Belege
für die Ausgaben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag und nimmt im Übrigen auf das angefochtene
Urteil Bezug.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den
vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die gesetzliche Form und Fristen wahrende Berufung der Kläger hat Erfolg.
A. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger hat seine Vollmacht zur Klageerhebung
nachgewiesen. Auf die insoweit zutreffenden Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils
wird Bezug genommen.
B. Die Klage ist begründet.
1. Den Klägern zu 1. bis 8. steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Auskunftserteilung
und Vorlage der Belege für das Grundstück C... S... . in B... - M.. in dem tenorierten
Umfang gemäß § 7 Abs. 7 VermG, §§ 16 Abs. 2, 17 Abs. 2 InVorG entsprechend zu.
Gemäß § 7 Abs. 7 Satz 3 VermG hat der Berechtigte gegen den Verfügungsberechtigten
einen Herausgabeanspruch für Entgelte, die dem Verfügungsberechtigten ab dem 1. Juli
1994 aus einem Miet-, Pacht- oder sonstigen Nutzungsverhältnissen zustehen. Dies gilt
auch dann, wenn der Berechtigte das Eigentum im vereinfachten
Rückübertragungsverfahren gemäß § 21 b InVorG zurückerhält.
35
36
37
38
39
40
41
42
43
44
§ 21 b InVorG ist 1997 durch das WoModSiG als sog. Vereinfachtes
Rückübertragungsverfahren in das InVorG eingeführt worden. Der Gesetzgeber wollte
durch dieses Verfahren u.a. eine Beschleunigung der vermögensrechtlichen Rückgaben
erreichen.
Voraussetzung für das vereinfachte Rückübertragungsverfahren ist, dass der Anmelder
bereits einen Rückübertragungsantrag beim LAROV gestellt hat und dies glaubhaft
macht. Die für die Durchführung des Investitionsvorrangverfahrens zuständige Behörde
übernimmt im Falle des § 21 b InVorG Aufgaben des LAROV im Hinblick auf die
Rückübertragung von Wohngrundstücken. Das LAROV stellt im Rahmen des
Rückübertragungsverfahrens nach dem VermG allein noch die Berechtigung des/der
Anmelder fest (Rädler/Raupach/Bezzenberger; Vermögen in der ehemaligen DDR, v.
Drygalski, Rn 10 zu § 21 b InVorG). Durch den Investitionsvorrangbescheid wird das
Eigentum auf den Anmelder übertragen unter der Auflage, dass er für den Fall, dass das
LAROV die Berechtigung nicht feststellt oder er den Antrag zurücknimmt, jedenfalls den
Verkehrswert an den Verfügungsberechtigten oder den Berechtigten zu zahlen hat.
Sonstige finanzielle Verpflichtungen nach dem VermG wie Wertausgleich nach § 7
VermG sind nur im vermögensrechtlichen Feststellungsbescheid zur Berechtigung des
Anmelders zu berücksichtigen (R/R/B, a.a.O. Rn 41 zu § 21 b InVorG).
So ist es vorliegend geschehen. Dem Kläger zu 8. ist das streitgegenständliche
Grundstück gemäß § 21 b InvorG als Anmelder von Rückübertragungsansprüchen (nach
dem VermG) übertragen worden. Zugleich wurde eine Sicherungshypothek in Höhe des
Verkehrswertes zugunsten der Verfügungsberechtigten in das Grundbuch eingetragen.
Für den Fall, dass das LAROV die Rückübertragung ablehnt oder der Anmelder den
Antrag auf Rückübertragung zurücknimmt, ist von dem Eigentümer an die
Verfügungsberechtigte oder den Berechtigten ein Betrag in Höhe von 957.000,- DM ab
Vollziehbarkeit des Bescheides zu zahlen.
Der Investitionsvorrangbescheid enthält keine Verpflichtung zur Durchführung von
Investitionsmaßnahmen.
Sinn und Zweck des § 21 b InVorG ist es, dass der Berechtigte im Sinne des VermG in
einem beschleunigten Verfahren sein Eigentum zurück erhält, ohne zu investiven
Maßnahmen verpflichtet zu sein. Durch den Investitionsvorrangbescheid wird nur das
Eigentum übertragen. Die Frage der Berechtigung wird im Rückübertragungsverfahren
nach dem VermG geklärt. Wird die Berechtigung des Anmelders nach dem VermG
festgestellt – wie es vorliegend geschehen ist - so hat dieser den Berechtigten
gegenüber, d.h. den übrigen Miterben, den Verkehrswert zu zahlen. Daneben steht ihm
gemeinsam mit den übrigen Berechtigten aber nach dem Wortlaut des Gesetzes und
auch unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks des Gesetzes auch ein Anspruch
gemäß § 7 Abs. 7 VermG gegenüber dem Verfügungsberechtigten zu. Davon geht auch
das LAROV in seinem Bescheid auf Seite 7 aus.
Auch in dem Entwurf eines zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung
vermögensrechtlicher und anderer Vorschriften (Bundestagsdrucksache 641/01) war
eine entsprechende Änderung des § 7 Absatz 7 Satz 3 vorgesehen. Der Entwurf lautete:
„In Absatz 7 Satz 3 werden nach den Wörtern „des Eigentums“ folgende Wörter
eingefügt:
„oder, wenn der Berechtigte das Eigentum an dem Vermögenswert auf
Grund eines Bescheides nach §§ 21 oder 21 b des Investitionsvorranggesetzes erworben
hat, mit der Bestandskraft des Bescheides über die Feststellung der Berechtigung.“
Zur Begründung wurde ausgeführt:
„... Unklar und offen bleibt nach dieser Formulierung, ob der
Herausgabeanspruch auch besteht, wenn ein die Rückübertragung aussprechender
vermögensrechtlicher Bescheid nur deshalb nicht ergehen kann, weil der Berechtigte
den Vermögenswert bereits im Investitionsvorrangverfahren zurück erhalten hat und der
vermögensrechtliche Bescheid daher nur noch seine Berechtigung feststellen kann. Eine
Entscheidung des BGH... (...BGHZ 142, 111-116) thematisiert die hier aufgeworfene
Frage nicht. Der Änderungsvorschlag stellt klar, dass der Herausgabeanspruch auch in
den Fällen besteht, in denen der - später als solcher festgestellte - Berechtigte den
Vermögenswert im Rahmen eines Investitionsvorrangverfahrens zurück erhalten hat.
Betroffen sind insbesondere die Fälle des ... § 21 b InVorG (...). ...Wird später die
Berechtigung des Anmelders festgestellt, so stellt sich das vorgeschaltete
Investitionsvorrangverfahren nur als eine Abkürzung auf dem Weg zur Rückübertragung
45
46
47
48
49
50
51
Investitionsvorrangverfahren nur als eine Abkürzung auf dem Weg zur Rückübertragung
des Vermögenswertes dar. Im Ergebnis erhält der Anmelder - wie der Berechtigte im
Rückübertragungsverfahren - den Vermögenswert selbst. ...In den vorgenannten Fällen
verschwimmen die Grenzen zwischen Rückübertragung nach dem Vermögensgesetz
und Investitionsvorrangbescheid; es ist nicht sachgerecht, dass dem
Verfügungsberechtigten allein wegen der Vorschaltung eines
Investitionsvorrangverfahrens der Mietauskehranspruch nicht zustehen soll.“
Der Bundesrat hat den Gesetzentwurf zwar abgelehnt. Die Begründung vermag
allerdings nicht zu überzeugen. Zur Begründung der ablehnenden Haltung gegenüber
der Änderung des § 7 Abs. 7 Satz 3 VermG hat er insbesondere auf den besonderen
Gesetzeszweck des § 7 Abs. 7 VermG, dass damit einer Verzögerung der
Restitutionsverfahren durch die Verfügungsberechtigten entgegengewirkt werden sollte,
abgestellt. Eine solche Verzögerung sei bei den vereinfachten
Rückübertragungsverfahren nicht zu erwarten. Im Übrigen hat der Bundesrat
Gesichtspunkte der Rechtssicherheit auf Seiten der Berechtigten angeführt, die gegen
eine Erweiterung der eindeutigen Gesetzeslage sprechen.
Bei seiner ablehnenden Haltung hat der Bundesrat übersehen, dass § 7 Abs. 7 Satz 3
VermG nicht allein aus dem Grunde eingeführt worden ist, einer Verzögerung der
Restitutionsverfahren durch die Verfügungsberechtigten entgegenzuwirken. Weiterer
Sinn und Zweck der Regelung war auch, bei den Verfügungsberechtigten, die die
Mieteinnahmen nicht zur laufenden Instandhaltung und/oder Instandsetzung des
Gebäudes genutzt, sondern dieses Geld anderweitig verwendet haben, diese Mittel
zugunsten der Berechtigten abzuschöpfen. Dieser Gesetzeszweck wird bereits aus der
Formulierung des § 7 Abs. 7 Satz 4 VermG deutlich, der dem Verfügungsberechtigten für
bestimmte Fälle eine Aufrechnungsbefugnis eingeräumt hat. An dieser Sachlage, dass
der Verfügungsberechtigte die Mieteinnahmen nicht für notwendige Instandhaltungen
bzw. Erhaltungsmaßnahmen des Gebäudes verwandt hat, ändert auch das vereinfachte
Rückübertragungsverfahren gemäß § 21 b InVorG nichts.
Auch die Entscheidung des BGH vom 25. Juni 1999 V ZR 259/98 steht dem Anspruch der
Kläger nicht entgegen. Der dort vom BGH entschiedene Fall ist mit dem vorliegenden
Fall nicht vergleichbar und entfaltet für diesen keine Rechtswirkungen.
In dem vom BGH entschiedenen Fall ging es um eine investive Maßnahme im Sinne des
InvestitionsvorrangG. Für diesen Fall hat der BGH ausgeführt:
„... Soweit er durch eine investive Maßnahme im Sinne von § 2 Abs. 1 Ziff. 1
InVorG untergeht oder beeinträchtigt wird, ist dem Berechtigten nach § 16 InVorG
Ausgleich zu gewähren. Der Ausgleich beruht auf dem Gedanken der Surrogation. Im
hier gegebenen Fall der Veräußerung steht dem Berechtigten gegenüber dem
Verfügungsberechtigten ein Anspruch auf Zahlung eines Geldbetrages in Höhe aller auf
den Vermögenswert entfallenden Geldleistungen aus dem investiven Vertrag,
mindestens aber in Höhe des Verkehrswertes zu. Dies ist eine in sich abgeschlossene,
mit der Grundregel des § 7 Abs. 7 Satz 1 VermG in Einklang befindliche Regelung. Der
Wortlaut des Gesetzes bleibt nicht hinter seinem Sinn zurück. Neben dem Wertausgleich
auch noch den früher erwirtschafteten Ertrag des Vermögenswertes auszukehren, liefe
im Ansatz auf eine nicht gewollte Zuordnung des Vermögenswertes an den Berechtigten
bereits vor Rückübertragung hinaus. .... § 7 Abs. 7 Satz 2 VermG liegt ebenfalls eine
andere, nicht mit dem vorliegenden Fall vergleichbare Interessenlage zugrunde. ... Es
ging darum, einem Mißstand abzuhelfen. Es hatte sich nämlich herausgestellt, dass die
oftmals beachtlich hohen Mieteinnahmen aus restitutionsbelasteten, gewerblich
genutzten Immobilien von den Verfügungsberechtigten vielfach nicht für dringend
notwendige Reparatur- und Erhaltungsmaßnahmen zugunsten des Objekts eingesetzt,
sondern für andere Zwecke verwendet wurden. Das stieß auf Unverständnis bei
Alteigentümern und Mietern. Zugleich sollte die Regelung einer Verzögerung des
Restitutionsverfahrens entgegenwirken. Der Berechtigte sollte so gestellt werden, wie er
bei zügiger Abwicklung des Restitutionsverfahrens stünde.
Im Falle der investiven Veräußerung (§ 16 Abs. 1 InVorG) erhält der Berechtigte
demgegenüber den Mindestausgleich in Höhe des Verkehrswertes der veräußerten
Immobilie zu dem Zeitpunkt, in dem der Investitionsvorrangbescheid vollziehbar wurde.
Die Gefahr sich lang hinziehender und wegen unterlassener Reparatur- und
Erhaltungsmaßnahmen im Ergebnis wertmindernder Restitutionsverfahren besteht im
Hinblick auf die vom Gesetz geforderten besonderen Investitionszwecke (§ 3 Abs. 1
InVorG) nicht.“
Auch im vereinfachten Rückübertragungsverfahren besteht die Gefahr „wegen
unterlassener Reparatur- und Erhaltungsmaßnahmen im Ergebnis wertmindernder
52
53
54
55
56
57
58
59
unterlassener Reparatur- und Erhaltungsmaßnahmen im Ergebnis wertmindernder
Restitutionsverfahren“, mag auch die Rückübertragung schneller von Statten gehen und
dem Berechtigten damit auch die Verfügungsgewalt zu einem früheren Zeitpunkt zurück
übertragen werden. Das vereinfachte Rückübertragungsverfahren birgt für den
Berechtigten weiterhin die Gefahr, dass ihm eine „heruntergewirtschaftete Immobilie“
übergeben wird und ihm andererseits die Mieteinnahmen der Vorjahre, aus denen er
eine Instandhaltungsrücklage hätte bilden können, nicht zur Verfügung stehen. Die
Interessenlage ist damit vergleichbar derjenigen, die der Gesetzgeber bei der Einführung
des § 7 Abs. 7 Satz 3 VermG im Auge hatte. Auch die Rechtssicherheit des
Verfügungsberechtigten gebietet keine andere rechtliche Bewertung. Dem
Verfügungsberechtigten, der mit dem Mieteinnahmen „ordentlich“ gewirtschaftet hat
und Instandhaltungsmaßnahmen durchgeführt hat steht gegenüber dem Berechtigten
ein Anspruch gemäß § 7 Abs. 7 Satz 4 VermG zu.
Entgegen dem vom BGH entschiedenen Fall erhält der Berechtigte, der im vereinfachten
Rückübertragungsverfahren gem. § 21 b InVorG sein Eigentum zurückübertragen
erhalten hat, auch keinen Wertausgleich in Form des Verkehrswertes. Ihm verbleibt das
Grundstück ebenso wie in den Fällen der Rückübertragung nach dem VermG. Durch die
Einführung des § 21 b InVorG sollte allein das Rückübertragungsverfahren bei
Wohngrundstücken beschleunigt werden. Die Berechtigten sollten dadurch gegenüber
den Verfügungsberechtigten nicht schlechter gestellt werden. Denn die Interessenlage
bei der beschleunigten Rückübertragung entspricht der bei der Rückübertragung nach
dem VermG. Beide Verfahren sind im Übrigen voneinander abhängig. Der
Berechtigte/Anmelder nach dem InVorG erhält das Grundstück wie es steht und liegt
zurück. Hat der Verfügungsberechtigte die Mieteinnahmen nicht für notwendige
Instandsetzungs- und Erhaltungsmaßnahmen genutzt, sondern die Gelder anderweitig
verwendet, so würden ihm diese Gelder, würde man der Ansicht der Beklagten folgen,
verbleiben und dem Berechtigten würde wiederum die Last der notwendigen
Instandsetzung verbleiben, obwohl er aus den laufenden Mieteinnahmen der letzten
Jahre keine Rücklagen bilden konnte. Diesem Missstand sollte § 7 Abs. 7 VermG gerade
entgegenwirken (s.o.). Diesem Missstand jetzt durch die Hintertür, durch die Einführung
des § 21 b InVorG Vorschub zu leisten, war sicherlich nicht die Absicht des
Gesetzgebers. Auch der BGH hat diesen Fall in der streitgegenständlichen Entscheidung,
auf die sich die Beklagte stützt, nicht entschieden.
2. Der Anspruch der Kläger ist auch nicht gemäß § 7 Abs. 8 Satz 2 VermG erloschen.
Entgegen der Ansicht des Landgerichts haben die Kläger zu 1. bis 8. ihren Anspruch
innerhalb der Frist des § 7 Abs. 8 VermG gegenüber der Beklagten geltend gemacht.
Gemäß § 7 Abs. 8 Satz 2 VermG erlöschen die Ansprüche gemäß § 7 Abs. 2 und Abs. 7
VermG, wenn sie nicht binnen eines Jahres seit dem Eintritt der Bestandskraft des
Bescheides über die Rückübertragung des Eigentums schriftlich geltend gemacht
worden sind, jedoch nicht vor dem 1. August 1999.
Durch die Einfügung dieser Ausschlussfrist in das Gesetz sollte erreicht werden, dass der
Verfügungsberechtigte nach der Bestandskraft des Restitutionsbescheides innerhalb
eines angemessenen Zeitraumes Klarheit über die von ihm vorzuhaltenden
Rückstellungen erlangt. Im Sinne der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens sollte
daher der Berechtigte innerhalb dieser Frist seine Ansprüche gegenüber dem
Verfügungsberechtigten geltend machen.
Berechtigte sind vorliegend die Miterben, d.h. die Kläger zu 1. bis 8. Die
Erbengemeinschaft selbst ist nicht parteifähig.
Entgegen der Ansicht des Landgerichts Berlin ergibt sich aus der Zusammenschau der
Anlagen K 2, 3, 4, 6 und 7, dass der Prozessbevollmächtigte der Kläger nicht nur
Bevollmächtigter des Kläger zu 8., sondern auch der übrigen Miterben war.
Ausweislich des Investitionsvorrangbescheides vom 12. April 2000, der der Beklagten
bekannt war (s. Anlage K 3) hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger für die Erben
nach E. G. an dem Anhörungstermin teilgenommen. Der Beklagten war, wie sich aus
dem Schreiben vom 6. Juli 2000 (Anlage BK 2) ergibt, auch bekannt, dass das Eigentum
an dem Grundstück an den Kläger zu 8. als Vertreter aller Miterben übertragen werden
sollte. Dem Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Kläger an die Beklagte vom 4.
Juli 2001, mit welchem er erstmalig Ansprüche gemäß § 7 Abs. 7 VermG anmeldet, war
der Bescheid des LAROV beigefügt, aus dem sich wiederum ergibt, dass der
Prozessbevollmächtigte der Kläger im Namen aller Miterben handelte. Dem LAROV
lagen die diesbezüglichen Vollmachten ausweislich des Bescheides vor. Die Beklagten
wiesen die Ansprüche, die der Prozessbevollmächtigte der Kläger im Namen seiner
60
61
62
63
64
wiesen die Ansprüche, die der Prozessbevollmächtigte der Kläger im Namen seiner
Mandantschaft geltend gemacht hat, auch nicht wegen mangelnder Vertretungsmacht
oder mangelnden Vollmachtsnachweises (§ 174 BGB), sondern aus materiell-rechtlichen
Gründen unter Hinweis auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes zurück. Auch in
dem weiteren Schreiben vom 27. März 2003 spricht der Prozessbevollmächtigte der
Kläger von seinen Mandanten.
Die Bezeichnung in dem Betreff, auf den das Landgericht abstellt, ist demgegenüber von
untergeordneter Bedeutung. Die eingereichten Unterlagen sind im
Gesamtzusammenhang zu sehen. Im Gesamtkontext war es für die Beklagte ersichtlich,
dass der Prozessbevollmächtigte der Kläger für alle Miterben auftrat und auch für alle
Miterben die Ansprüche gem. § 7 Abs. 7 VermG geltend machte. Erstmals mit
Schriftsatz vom 1. Juli 2002 wird dies von der Beklagten in Zweifel gezogen.
Im Übrigen steht den Klägern zu 1. bis 8. auch aus einem anderen Rechtsgrund der
Anspruch gegen die Beklagte zu. Gemäß § 2039 Satz 1 BGB kann jeder einzelne Miterbe
die Leistung von dem Verpflichteten an alle Miterben fordern. Folgt man der Auslegung
des Landgerichts, so hat jedenfalls der Kläger zu 8. gemäß § 2039 BGB die Ansprüche
gegenüber der Beklagten innerhalb der Frist des § 7 Abs. 8 VermG geltend gemacht. Wie
sich aus dem Schreiben des Klägers zu 8. vom 20. Januar 2000 ergibt, sollte er im
Namen aller Miterben handeln. Dies war der Beklagten ausweislich des Schreibens des
Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 6. Juli 2000 auch bekannt.
Auf die Frage, ob die Klageerhebung durch alle Miterben aufgrund der
Rückwirkungsfiktion des § 167 ZPO die Frist des § 7 Abs. 8 VermG unterbrochen hat,
kam es daher nicht mehr an.
3. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die
Kostenentscheidung des erstinstanzlichen Urteils war dem Schlussurteil vorzubehalten.
4. Die Revision war zuzulassen, da die Sache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs.
2 1. Alt. ZPO). Es fehlt bisher an einer höchstrichterlichen Klärung der Rechtsfrage. Wie
aus den Akten ersichtlich und von den Parteivertretern auch nochmals im Termin zur
mündlichen Verhandlung bekräftigt, ist die Beantwortung der Frage, ob § 7 Abs. 7 Satz 3
VermG auch in den Fällen der Rückübertragung gemäß § 21 b InVorG Anwendung findet,
noch für eine Vielzahl von weiteren Fällen von Bedeutung.
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum