Urteil des KG Berlin vom 13.03.2017

KG Berlin: klinik, stationäre behandlung, eintritt des versicherungsfalls, aufenthalt, private krankenversicherung, ambulante behandlung, ärztliche aufsicht, psychotherapeutische behandlung

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Gericht:
KG Berlin 6. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 U 171/01
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 4 Abs 4 MB/KK 1994, § 4 Abs 5
MB/KK 1994, § 5 Abs 1 Buchst d
MB/KK 1994
Eintrittspflicht der Krankenhaustagegeldversicherung:
Einordnung einer Klinik als "gemischte Anstalt"; Entbehrlichkeit
vorheriger schriftlicher Leistungszusage bei Behandlung in einer
"gemischten Anstalt"
Leitsatz
1. Zum Begriff der gemischten Krankenanstalt in § 4 Abs. 5 MB/KK 94.
2. Die Zustimmung des Versicherers zur Behandlung in einer gemischten Anstalt im Sinne
des § 4 Abs. 5 MB/KK 94 kann entbehrlich sein, wenn er aufgrund besonderer Umstände
vertraglich zur Abgabe der Zustimmung verpflichtet wäre.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der Zivilkammer 7 des Landgerichts Berlin
vom 24. April 2001 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu
vollstreckenden Betrages zuzüglich 10 % hiervon abwenden, wenn nicht der Kläger vor
der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
Der Kläger unterhält bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin seit 1971 eine
Krankenhaustagegeld-Versicherung (Versicherungsschein Bd. I Bl. 5). Dem Vertrag
liegen nunmehr die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Krankheitskosten-
und Krankenhaustagegeldversicherung (MB/KK 94) zugrunde, in deren § 4 Abs. 4 und 5
es heißt:
"Bei medizinisch notwendiger stationärer Heilbehandlung hat die versicherte Person freie
Wahl unter den öffentlichen und privaten Krankenhäusern, die unter ständiger ärztlicher
Leitung stehen, über ausreichende diagnostische und therapeutische Möglichkeiten
verfügen und Krankengeschichten führen.
...
auch
Kuren bzw. Sanatoriumsbehandlung durchführen oder Rekonvaleszenten aufnehmen, im
übrigen aber die Voraussetzungen von Abs. 4 erfüllen, werden die tariflichen Leistungen
nur dann gewährt, wenn der Versicherer dies vor Beginn der Behandlung schriftlich
zugesagt hat ..."
In § 5 I d) MB/KK ist geregelt, dass für Kur- und Sanatoriumsbehandlungen keine
Leistungspflicht besteht (Bd. I Bl. 22 R).
Das tarifliche Krankenhaustagegeld betrug seit 1995 zunächst täglich 90,00 DM, zuletzt
waren es 110,00 DM täglich.
Der Kläger war im Kindesalter an Kinderlähmung erkrankt, deren Folgen fortbestehen.
Seit 1988 bezieht er eine Erwerbsunfähigkeitsrente. In den Jahren 1990 und 1992 erlitt er
jeweils einen Herzinfarkt (Myokardinfarkt), vgl. etwa Arztbericht vom 12. Oktober 1996,
Bd. I Bl. 68.
Seit 1972 hielt sich der Kläger mehrfach in der Weserbergland-Klinik in Höxter auf, um
dort Behandlungen wie Massagen, Dampfduschen, Krankengymnastik, Kurzwellen-,
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dort Behandlungen wie Massagen, Dampfduschen, Krankengymnastik, Kurzwellen-,
Ultraschall- oder Reizstromtherapie durchführen zu lassen. Für diese Aufenthalte zahlte
die Beklagte zunächst den jeweiligen tariflichen Tagegeldsatz.
Der Verband der privaten Krankenversicherung e.V. sieht diese Klinik seit dem 1. Juli
1996 als sog. gemischte Krankenanstalt im Sinne des § 4 Abs. 5 MB/KK an (Mitteilung Bl.
170).
Nach einer Behandlung des Klägers im Jahre 1986 kam es erstmals zu einem
Rechtsstreit betreffend die Verpflichtung zur Zahlung von Krankenhaustagegeld für den
Aufenthalt in dieser Klinik. Nachdem das Amtsgericht Charlottenburg die auf Zahlung
von Krankenhaustagegeld gerichtete Klage abgewiesen hatte, wurde die Beklagte auf die
Berufung des Klägers durch Urteil des Landgerichts Berlin vom 1. März 1988 - 7 S 64/87
- zur Zahlung verurteilt, weil es sich nicht um eine bloße Rehabilitationsmaßnahme
gehandelt habe (Beiakte des AG Charlottenburg 5 C 269/87).
Im Anschluss an einen Aufenthalt vom 14. September bis zum 4. November 1993 teilte
die Beklagte dem Kläger schriftlich mit, die medizinische Notwendigkeit der Behandlung
sei nach wie vor umstritten, aus der diesmaligen Zahlung könne nichts für künftige Fälle
abgeleitet werden. Bei weiteren Aufenthalten werde um rechtzeitige Mitteilung gebeten
(Bd. I Bl. 24 f.). Eine ähnliche Aufforderung erging nach einem weiteren Aufenthalt im
August/September 1995 (Bd. I Bl. 26 f.).
Der Kläger hielt sich nachfolgend weitere Male in der Weserbergland-Klinik auf. Im
Einzelnen:
Bei einem Aufenthalt vom 4. September bis 10. Oktober 1996 wurden die aus dem
Schriftsatz vom 17. Dezember 1999 (Bd. I Bl. 164) ersichtlichen 125 Behandlungen
(Behandlungen des Bewegungsapparats, Dampfduschen, Massagen, Krankengymnastik,
Kurzwelle, Ultraschall, kombinierte Reizstromtherapie) durchgeführt. Den Aufenthalt
teilte der Kläger nach Abschluss der Behandlungen am 15. Oktober 1996 mit (Bd. I Bl.
28).
Vom 16. September 1997 bis 21. Oktober 1997 wurde der Kläger erneut stationär
aufgenommen, was er der Beklagten am 8. September 1997 mitteilte (Bd. I Bl. 84). Er
erhielt insgesamt 129 Behandlungen, wobei gegenüber dem Voraufenthalt eine
Interferenztherapie, Elektrogymnastik und elektroisometrisches Training hinzukamen,
vgl. Bd. I Bl. 164.
Den folgenden Aufenthalt vom 21. Januar 1999 bis zum 25. Februar 1999 teilte der
Kläger am 18. Januar 1999 nach Bekanntgabe des Aufnahmetermins mit (Bd. I Bl. 130).
Hierbei wurden 146 der Art nach den Voraufenthalten vergleichbare Behandlungen
durchgeführt (Bd. I Bl. 164 f.).
Schließlich befand sich der Kläger vom 6. September 1999 bis zum 8. Oktober 1999 in
der Weserbergland-Klinik, was der Kläger am 30. August 1999 der Beklagten bekannt
gab. Die Anzahl der Behandlungen belief sich auf insgesamt 161 (Aufstellung Bd. I Bl.
165).
Der Kläger hat vorgetragen, es handle sich bei der Weserbergland-Klinik nicht um eine
gemischte Anstalt, sondern ausschließlich um ein Krankenhaus, was sich sowohl aus der
Art der dort durchgeführten Behandlung als auch daraus ergebe, dass die Klinik (insoweit
unstreitig) mit allen Betten in den Landeskrankenhausplan aufgenommen sei und die
Kosten für derartige Aufenthalte - wie auch beim Kläger - von den gesetzlichen
Krankenkassen getragen würden. Die Folgeerkrankungen der erlittenen Kinderlähmung,
insbesondere die Schädigungen des Bewegungsapparats, müssten stationär behandelt
werden, eine derartige Konzentration der Behandlungen sei ambulant schon deshalb
nicht möglich, weil eine ständige ärztliche Aufsicht erforderlich sei. Die Weserbergland-
Klinik sei vom zuständigen Fachverband empfohlen und komme für ihn auch deshalb
allein in Frage, weil andere Kliniken, etwa die Schlosspark-Klinik in Berlin, nicht über die
nötigen baulichen Voraussetzungen für die Behandlung Behinderter verfügten. Eine
Berufung auf das Anzeigeerfordernis sei jedenfalls treuwidrig, weil sich weder an dem
Charakter der Klinik noch an der Art der Behandlungen gegenüber den vielfachen
früheren Aufenthalten seit 1972 Wesentliches geändert habe.
Der Kläger hat seine (aufgrund des geringeren Streitwerts zunächst beim Amtsgericht
Charlottenburg anhängig gemachte) Klage mehrfach erweitert und zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 14.770,00 DM nebst 4 % Zinsen aus 3.330,00 DM seit
dem 22. Juli 1997, aus 3.850,00 DM seit dem 10. Januar 1998, aus 3.960,00 DM seit dem
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dem 22. Juli 1997, aus 3.850,00 DM seit dem 10. Januar 1998, aus 3.960,00 DM seit dem
17. Juli 1997 und aus 3.630,00 DM seit dem 12. November 1999 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat gemeint, dass es sich bei der Weserbergland-Klinik um eine gemischte
Krankenanstalt handele, was sich bereits aus dem Klinik-Prospekt (Bd. I Bl. 48 ff.) ergebe
sowie aus dem Umstand folge, dass auch Kuren für Versicherte der BfA durchgeführt
würden. Auch bei den Behandlungen des Klägers habe es sich um typische
Kurbehandlungen gehandelt, die etwa durch Herausnahme aus dem alltäglichen Umfeld,
dem Fernhalten schädlicher Einflüsse und der auf Rehabilitation bzw. Rekonvaleszenz
gerichteten Behandlungen gekennzeichnet seien. Diese hätten auch ambulant
durchgeführt werden können.
Das zunächst angegangene AG Charlottenburg hat Beweis erhoben durch Vernehmung
des Zeugen Stupperich (Bd. I Bl. 79) sowie durch Einholung einer gutachtlichen
Stellungnahme des Sachverständigen Prof. Dr. R.. (Bd. I Bl. 120, 124). Das nach
Verweisung zuständige Landgericht hat aufgrund des Beschlusses vom 17. Januar 2000,
Bd. I Bl. 174, weiteren Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des
Sachverständigen Prof. Dr. S……, für dessen Inhalt auf das Gutachten Bd. I Bl. 191 ff.
nebst schriftlicher Ergänzung vom 1. Februar 2001, Bd. I Bl. 235 f., Bezug genommen
wird.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt und zur Begründung
ausgeführt, die Beklagte könne sich auf den Leistungsausschluss des § 4 Abs. 5 MB/KK
nicht berufen, weil unabhängig vom Charakter der Weserbergland-Klinik die Behandlung
dort nach dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens medizinisch notwendig
gewesen sei.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie sich unter Wiederholung
und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiterhin auf die
Leistungsausschlüsse der §§ 4 Abs. 5, 5 Abs. 1 d) MB/KK beruft und sich zur Begründung
der Einordnung der Weserbergland-Klinik als gemischte Anstalt ergänzend auf deren
Internet-Auftritt bezieht (vgl. Ausdruck Bd. II Bl. 59 ff.). Die jährliche Wiederholung des
Klinkaufenthalts sei nach den Arztberichten mit darauf zurückzuführen, dass der Kläger
die ihm aufgetragenen krankengymnastischen Übungen nicht ausgeführt habe. Auf die
vom Gutachter herangezogenen Herzkrankheit komme es nicht an, weil diese nicht
mitbehandelt worden sei.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil, das er für zutreffend hält.
Für das weitergehende Parteivorbringen wird auf den vorgetragenen Inhalt der
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Akten des AG Charlottenburg 5 C 269/87 haben zu Informationszwecken vorgelegen
und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Der Kläger hat einen Anspruch
aus § 1 Abs. 1 VVG in Verbindung mit dem für ihn geltenden Tarif 104 KHT 1 (20) auf die
Zahlung von Krankenhaustagegeld für die streitigen Behandlungen in der
Weserbergland-Klinik Höxter.
I. Der Kläger hat zur Überzeugung des Senats nachgewiesen, dass die stationäre
Behandlung medizinisch notwendig war und ambulant nicht durchgeführt werden konnte.
Der dem Senat als zuverlässig bekannte Sachverständige Prof. Dr. S…… hat in seinem
Gutachten vom 5. Dezember 2000 überzeugend ausgeführt, dass angesichts der
Komplexität der diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen und u.a. im Hinblick
auf die 1990 und 1992, d.h. vor den hier streitigen Aufenthalten, erlittene
Herzerkrankung eine ambulante Behandlung nicht möglich war (S. 9 des Gutachtens,
Bd. I Bl. 199). Konkrete Tatsachen, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen, hat
die Beklagte auch im zweiten Rechtszug nicht vorgetragen, sondern lediglich ihre
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die Beklagte auch im zweiten Rechtszug nicht vorgetragen, sondern lediglich ihre
Wertung anstelle der des Sachverständigen gesetzt. Einer weiteren Beweisaufnahme
hierüber bedarf es nicht.
II. Dem Anspruch steht die Regelung in § 4 Abs. 5 MB/KK nicht entgegen.
Nach dieser Vorschrift darf der Versicherer den hier nicht betroffenen Ersatz der Kosten
einer stationären Behandlung und die Zahlung von Krankenhaustagegeld für den
Aufenthalt in sog. gemischten Krankenanstalten, d.h. Krankenhäusern, die auch Kuren
und Sanatoriumsbehandlungen durchführen bzw. Rekonvaleszenten aufnehmen, von
einer vorherigen Zusage abhängig machen.
1. Bei der Weserbergland-Klinik Höxter handelt es sich bereits nicht um eine gemischte
Anstalt im Sinne dieser Versicherungsbedingung, weil nicht festgestellt werden kann,
dass in dieser Klinik Sanatoriumsbehandlungen durchgeführt oder Rekonvaleszenten
aufgenommen werden. Entscheidend für die Abgrenzung sind dabei die tatsächlichen
Verhältnisse in der betreffenden Einrichtung, wie sie sich aus dem Leistungsangebot
insgesamt ergeben (OLG Stuttgart NVersZ 1999, 265 f.; OLG Düsseldorf r + s 1992,
388; LG Trier r + s 1999, 341; Schoenfeldt/Kalis in Bach/-Moser, Private
Krankenversicherung, 3. Aufl., Rn. 104 zu § 4 MB/KK), so dass es auf die Einordnung des
Verbandes der Privaten Krankenversicherung e.V. nicht entscheidend ankommen kann.
Maßgebend ist vielmehr, welche Behandlungen tatsächlich ausgeführt werden. Dabei
kann bei der Bewertung auch die Selbstdarstellung der Einrichtung, wie sie sich etwa aus
den verwendeten Werbeprospekten ergibt, herangezogen werden (vgl. z.B. OLG
Düsseldorf, a.a.O., LG Berlin NVersZ 2001, 414; Schoenfeldt/Kalis, a.a.O.).
Ausweislich des von der Beklagten in Bezug genommenen Prospekts und der
Präsentation im Internet wirbt die Weserbergland-Klinik mit der Bezeichnung
"Fachkrankenhaus für physikalische Medizin" und lässt sich schon daher nicht mit einer
Kurklinik, einem Sanatorium, einer Rehabilitationseinrichtung o.ä. vergleichen. Als
Therapieschwerpunkt wird die Besserung chronischer Krankheiten angesehen, die
Zusammenarbeit zwischen Internisten, Orthopäden und Neurologen wird hervorgehoben
(Bd. I Bl. 59). Entgegen der Auffassung der Beklagten kann dies nicht mit einer Kur oder
Sanatoriumsbehandlung gleichgesetzt werden, bei der die Anforderungen an die
Intensität des Einsatzes von medizinischem Personal und/oder medizinisch-technischer
Geräte geringer anzusetzen sind und bei der der Heilerfolg auch von einer geregelten
Lebensweise, dem Herauslösen aus der gewohnten Umgebung und dem Fernhalten von
schädlichen Umwelteinflüssen abhängt (zur Definition vgl. BGH VersR 1995, 1040; VersR
1083, 677 f.; Beispiele bei Schoenfeldt/Kalis, a.a.O., Rn. 38 zu § 5 MB/KK: Kneipp-,
Fasten-, Schlaf- oder Entziehungskuren). Dabei sind Kur- und Sanatoriumsaufenthalte
durch Gesundheitsvorsorge oder Stabilisierung gekennzeichnet, während bei einem
Krankenhausaufenthalt die Beseitigung akuter Krankheitszustände im Vordergrund steht
(Schoenfeldt/Kalis, a.a.O., Rn. 40).
Die Leistungsbeschreibung, wie sie in dem vorliegenden Klinik-Prospekt zum Ausdruck
kommt, spricht dabei nicht für einen Sanatoriumsaufenthalt in diesem Sinne. Dass eine
bestimmte Änderung der Lebensgewohnheiten und eine vorsorgende, unterstützende
Behandlung im Vordergrund steht, kann nicht festgestellt werden. Die angewandten
Methoden wie Krankengymnastik, Massagen mögen zwar teilweise auch im Rahmen
einer Kur Anwendung finden; sollen sie jedoch in einer konzentrierten, massiven Form
stattfinden und mit intensiver Betreuung durch Ärzte verschiedener Fachrichtungen
verbunden sein, handelt es sich nicht mehr um eine Steigerung des allgemeinen
Wohlbefindens, sondern um eine Krankenhaus-Behandlung, mag sie auch eine längere
Verweildauer erfordern als in "gewöhnlichen" Krankenhäusern.
Es geht auch nicht um die Aufnahme von Rekonvaleszenten. Von Rekonvaleszenz
spricht man, wenn nach medizinisch-wissenschaftlicher Erfahrung das
Krankheitsgeschehen gestoppt und zu erwarten ist, dass der Heilungsprozess sich
fortsetzt (Schoenfeldt/Kalis, a.a.O., Rn. 108 zu § 4 MB/KK). Davon zu unterscheiden sind
chronische Erkrankungen, die in Schüben auftreten oder sich verschlechtern können,
und bei denen die Abwendung des in diesem "chronischen Rahmen" auftretenden
akuten Zustands im Vordergrund steht. Die Behandlung derartiger chronischer
Erkrankungen ist keine Rekonvaleszenz, weil das eigentliche Krankheitsgeschehen eben
nicht gestoppt ist, sondern - wenn auch in kürzeren oder längeren Intervallen - neu
auftritt.
Für die Einordnung als Krankenhaus spricht ferner, dass die Klinik unstreitig mit allen
Betten in den öffentlich-rechtlichen Landeskrankenhausplan aufgenommen und damit
der Krankenversorgung und nicht der Sanatoriumsbehandlung gewidmet ist. Wenn in der
Weserberland-Klinik im fraglichen Zeitraum vereinzelt auch Patienten von
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Weserberland-Klinik im fraglichen Zeitraum vereinzelt auch Patienten von
Rehabilitationsträgern behandelt wurden
(vgl. Bd. I Bl. 122: im Jahr 1998 54 von 3.647 Patienten, also weniger als 2 %), prägt dies
den Charakter der Klinik nicht und macht sie deshalb nicht zu einer gemischten Anstalt
im Sinne des § 4 Abs. 5 MB/KK.
Da bei der Prüfung, ob es sich um eine gemischte Anstalt handelt, die rechtliche
Einordnung des Behandlungsspektrums im Vordergrund steht, ist der Senat an die
abweichende Beurteilung des vom Amtsgericht herangezogenen Sachverständigen Prof.
Dr. R… nicht gebunden (ebenso LG Bochum VersR 1997, 441). Etwa verbleibende
Zweifel gehen zu Lasten der für den Ausschluss beweispflichtigen (vgl. Schoenfeldt/Kalis,
a.a.O., Rn. 102 zu § 4 MB/KK) Beklagten.
2. Bei der Auslegung des § 4 Abs. 5 MB/KK ist zudem zu berücksichtigen, dass die
berechtigten Schutzerwartungen des Versicherungsnehmers bei chronischen
Krankheiten nicht entwertet werden dürfen. Andernfalls benachteiligte die Klausel den
Versicherten unangemessen und verstieße gegen § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG a.F.
Bei der Auslegung von AVB ist ein objektivierter Maßstab zugrunde zu legen. Ausgehend
vom Wortlaut und der systematischen Stellung der Klausel ist zu ermitteln, wie sie der
durchschnittliche Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse
verstehen muss (z.B. BGH VersR 1999, 745, 746; VersR 1996, 743, 744; VersR 1993,
957, 958; VersR 1992, 47; Präve, Versicherungsbedingungen und AGB-Gesetz, Rn. 269;
Wolf/Horn/Lindacher, AGB-Gesetz, 4. Aufl., Rn. 462 zu § 23 AGBG a.F.). Die vorliegende
Klausel soll, wie sich auch dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer erschließt, im
Einzelfall schwierige Abgrenzungsprobleme vermeiden, die sich daraus ergeben, dass
die Kosten für Kur- und Sanatoriumsbehandlungen, wenn nicht besondere Zusatztarife
vereinbart sind, in der privaten Krankheitskostenversicherung nicht ersatzfähig sind. Der
Versicherer soll daher den Kostenersatz für die stationäre Behandlung in solchen
Krankenhäusern, die zwar die medizinischen und organisatorischen Voraussetzungen
des § 4 Abs. 4 MB/KK erfüllen, zusätzlich aber auch Kuren anbieten oder
Rekonvaleszenten aufnehmen, von einer vorherigen Zusage abhängig machen dürfen.
Dies wird als zulässige Risikobegrenzung angesehen, die für den Versicherungsnehmer
weder überraschend ist noch eine unzulässige Benachteiligung darstellt, vgl. §§ 3, 9
AGBG a.F. (so z.B. OLG Frankfurt/M. VersR 2002, 601; OLG Hamm VersR 1999, 1138;
OLG Karlsruhe r + s 1998, 296, 297 f.; Schoenfeldt/Kalis, a.a.O., Rn. 98, 99 zu § 4 MB/KK
m.w.N.; anders für die Krankentagegeldversicherung OLG Oldenburg VersR 1998, 174 f.).
Eine Einschränkung der Leistungspflicht durch die Bindung an eine vorherige Zusage
kommt aber dann nicht mehr in Betracht, wenn sich solche Abgrenzungsfragen etwa
aufgrund der Eigenart einer Erkrankung nicht stellen. Dabei ist zu berücksichtigen,
welches Risiko mit der Versicherung nach dem Vertragszweck erkennbar abgedeckt
werden soll und welche zentrale Leistungserwartung der Versicherungsnehmer haben
darf (vgl. etwa BGH VersR 1999, 745, 748; VersR 1993, 957, 959; Präve, a.a.O., Rn. 540).
Bei einer Krankenhaustagegeldversicherung ist dies eine pauschale Abgeltung für die
durch einen stationären Aufenthalt entstehenden - auch finanziellen - Belastungen
(Schoenfeldt/Kalis, a.a.O., Rn. 11 zu § 1 MB/KK). Dieser Versicherungsschutz würde in
seinem Kernbereich eingeschränkt, wenn er zeitlich oder auf eine bestimmte Anzahl von
Krankenhausaufenthalten während der Vertragsdauer begrenzt wäre. Der
Versicherungsnehmer darf vielmehr die berechtigte Erwartung haben, dass jedenfalls bei
chronischen Erkrankungen bei Vorliegen der vertraglich vereinbarten Voraussetzungen -
medizinisch notwendige stationäre Heilbehandlung - auch für wiederholte Aufenthalte
Krankentagegeld geleistet wird. Dabei muss er zwar auch den berechtigten Interessen
des Versicherers, nicht versicherte bloße Kur- oder Sanatoriumsbehandlungen
auszuscheiden, Rechnung tragen, so dass das Zustimmungserfordernis des § 4 Abs. 5
MB/KK nicht als solcher zu beanstanden ist. Die Klausel muss jedoch dahin
eingeschränkt werden, dass ein vorherige Zustimmung nicht erforderlich ist, wenn nach
der Art der Erkrankung oder Behandlung Abgrenzungsschwierigkeiten nicht drohen oder
das behandelte Leiden nur in einer derartigen Anstalt behandelt werden kann (vgl.
Wolf/Horn/Lindacher, a.a.O., Rn. 500 zu § 23 AGBG a.F.; ebenso wohl BGH VersR 1999,
745 ff. unter II.1.b, aa und 3.b, wonach dann, wenn der Versicherer sich mit einer - der
hier in Rede stehenden vergleichbaren, eine psychotherapeutische Behandlung
betreffenden - Klausel hinsichtlich der allgemeinen Leistungsvoraussetzungen eine
Prüfungsmöglichkeit vor Eintritt des Versicherungsfalls sichern wolle und sich daher mit
der Klausel kein ungebundenes Entscheidungsrecht über die Zusage von
Versicherungsleistungen ausbedungen habe, diese Klausel eine unangemessene
Benachteiligung des Versicherungsnehmers nicht erkennen lassen; a.A. wohl BGH VersR
1993, 957, 959 r.Sp. unten, wonach die Auslegung einer Klausel betreffend die
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1993, 957, 959 r.Sp. unten, wonach die Auslegung einer Klausel betreffend die
Erstattung für Kosten der Behandlung von bisher als nicht heilbar angesehener
Krankheiten unter Heranziehung des § 242 BGB dann, wenn die Klausel - wie hier - für
den durchschnittlichen Versicherungsnehmer keine Einschränkungen oder
Erweiterungen für bestimmte Erkrankungen erkennen lasse, auf eine unzulässige
geltungserhaltende Reduktion hinausliefe; ebenso wohl Präve, a.a.O., Rn. 547 zu
Fußnoten 613 bis 615: Unwirksamkeit der Klausel nach § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG a.F.).
So liegt es hier. Der Kläger ist schwer chronisch krank, weil er an den Spätfolgen einer
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- also lange vor Abschluss des Versicherungsvertrags - eingetretenen Kinderlähmung
leidet. Diese Folgen müssen, wie oben unter I. dargelegt, mit einer intensiven
Kombination unterschiedlicher Heilmaßnahmen stationär behandelt werden. Die
Krankenhausaufenthalte waren auch, wie sich sowohl aus den jeweiligen
Abschlussberichten der Klinik als auch aus dem Gutachten des Prof. Dr. S….. ergibt,
insoweit erfolgreich, als jeweils eine Besserung der akuten Symptome erreicht wurde.
Dabei kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, die Feststellungen beruhten im
Wesentlichen auf den eigenanamnestischen Angaben des Klägers. Vielmehr werden
diese durch die in den Arztberichten vom 12. Oktober 1996, 28. Oktober 1997, 24. März
1999 und 20. Oktober 1999 enthaltenen Diagnosen und objektiven
Zustandsbeschreibungen betreffend z.B. die Beweglichkeit und das Gangbild ebenso
gestützt wie durch die Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen.
Abgrenzungsschwierigkeiten zu einer bloßen Kur- oder Sanatoriumsbehandlung sind
angesichts der Schwere der Erkrankung nicht zu besorgen (vgl. auch unter III.). In einem
solchen Fall kann § 4 Abs. 5 MB/KK AGB-konform nur so ausgelegt werden, dass die
Beklagte zur Erteilung einer Zustimmung verpflichtet wäre, es auf ihr Fehlen also nicht
ankommt.
III. Die Beklagte kann sich auch nicht auf den Ausschluss des § 5 I d) MB/KK berufen, weil
es sich nach den zu II. 1 dargelegten Kriterien, von denen sie in Übereinstimmung mit
der Rechtsprechung des BGH ausgeht, bei den fraglichen Aufenthalten nicht um eine Kur
im Sinne dieser Vorschrift gehandelt hat. Wie der Sachverständige Prof. Dr. S…… in
seinem Gutachten vom 5. Dezember 2000 überzeugend ausgeführt hat, stand im
Vordergrund die Behandlung von Gesundheitsstörungen des Bewegungsapparats, die
sich jeweils zum Zeitpunkt der Aufnahme in Kraftverlusten und Verspannungen
niedergeschlagen hatten. Dabei wurde ein Behandlungsplan erstellt und täglich ärztlich
überprüft, außerdem differente Untersuchungsverfahren wie Elektrokardiogramme,
Lungenfunktionsprüfungen und Oberbauchsonographien angewandt. Wenn der
Sachverständige aus diesen differenzierten Untersuchungen und der Vielzahl der
anlässlich der Aufenthalte unstreitig durchgeführten und aufeinander abzustimmenden
Behandlungsmethoden den Schluss zieht, dass die methodisch-technischen
Untersuchungen integraler Bestandteil der Therapie waren und über die Möglichkeiten
einer reinen Kur- oder Rehabilitationsmaßnahme weit hinausgehen, ist dies für den
Senat überzeugend, mögen auch die Einzelmaßnahmen jeweils isoliert betrachtet
durchaus in Rehabilitationskuren oder Sanatoriumsbehandlungen angewendet werden.
Die hiergegen erhobenen Einwendungen der Beklagten sind nicht stichhaltig. Soweit die
Beklagte im Hinblick auf die durchgeführten Behandlungsmaßnahmen nochmals
ausdrücklich vorgetragen hat, dass diese nach ihrer Auffassung für eine Reha-
Maßnahme sprächen, hat der Sachverständige sich in seiner ergänzenden
Stellungnahme vom 1. Februar 2001 mit diesem Argument ausführlich
auseinandergesetzt und überzeugend begründet, warum im Hinblick auf den durch die
Aufnahmebefunde belegten Gesundheitszustand und die durchgemachte
Herzerkrankung eine intensive ärztliche Kontrolle erforderlich war.
Gegen diese Bewertung hat die Beklagte auch im zweiten Rechtszug nichts Wesentliches
vorzubringen vermocht, insbesondere keine konkreten Tatsachen vorgetragen, die eine
weitere Ergänzung des Gutachtens erforderlich machen. Dass die Herzkrankheit des
Klägers in der Weserbergland-Klinik nicht behandelt wurde, ist unstreitig. Der
Sachverständige hat dies auch nicht angenommen, sondern ausgeführt, wegen dieser
Vorschädigung habe es einer intensiven ärztlichen Begleitung der Maßnahmen bedurft.
Dass die in den jeweiligen Arztberichten manifestierten massiven Gesundheitsstörungen
auf mangelnde Disziplin des Klägers bei der Einhaltung der verordneten
Krankengymnastik zurückzuführen seien, behauptet die Beklagte unsubstantiiert und
ohne hierfür Beweis anzutreten. Soweit sie sich damit auf eine Verletzung der
Obliegenheit des § 9 Abs. 4 MB/KK berufen will, fehlt es außerdem an einer schlüssigen
Darlegung eines Verschuldens im Sinne des § 6 Abs. 3 VVG. Dass sich der Kläger
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Darlegung eines Verschuldens im Sinne des § 6 Abs. 3 VVG. Dass sich der Kläger
vorsätzlich oder grob fahrlässig in einen Zustand gebracht hat, der weitere
Krankenhausaufenthalte erforderlich machte, ist angesichts der in den Arztberichten
dokumentierten Schwere der Behinderung fernliegend, etwas Konkretes hierzu ist nicht
vorgetragen.
IV. Die Höhe des Anspruchs ist nunmehr unstreitig. Soweit die Beklagte hinsichtlich des
ersten Krankenhausaufenthalts im ersten Rechtszug vorgetragen hatte, der Aufenthalt
habe nicht am 4., sondern erst am 5. September 1996 begonnen, hat sie diesen Vortrag
in der Berufung nicht wiederholt.
V. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711
ZPO. Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, weil es zur Auslegung und
Wirksamkeit des § 4 Abs. 5 MB/KK einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs bedarf.
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