Urteil des KG Berlin vom 18.08.2004

KG Berlin: pfleger, täuschung, vertretung, vergütung, strafbarkeit, betrug, bestrafung, sammlung, quelle, link

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Gericht:
KG Berlin 4.
Strafsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
(4) 1 Ss 490/04
(202/04)
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 22 StGB, § 23 StGB, § 352
StGB
Gebührenübererhebung: Abschluss einer unzulässigen
Honorarvereinbarung als versuchte Gebührenübererhebung
Leitsatz
Allein der Abschluss einer unzulässigen Honorarvereinbarung stellt in aller Regel noch keine
versuchte Gebührenüberhebung dar
Tenor
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 18.
August 2004 wird verworfen.
Die Landeskasse Berlin trägt die Kosten des Rechtmittels und die dem Angeklagten
insoweit entstandenen notwendigen Auslagen.
Gründe
Das Amtsgericht hat den Angeklagten von dem Vorwurf der versuchten
Gebührenüberhebung freigesprochen. Das Landgericht hat die Berufung der
Staatsanwaltschaft verworfen. Ihre Revision, mit der sie das Verfahren beanstandet und
die Verletzung materiellen Rechts rügt, bleibt ohne Erfolg.
Das Landgericht hat festgestellt, daß der Angeklagte, ein Rechtsanwalt, am 29. Mai 2001
durch einen vom Amtsgericht Cloppenburg eingesetzten Nachlaßpfleger beauftragt
wurde, die Erben des verstorbenen E. zu ermitteln, wofür ihm ein Erfolghonorar von 20 %
des Nachlaßwertes zugesagt wurde, auf das etwaige Zahlungen der Erben angerechnet
werden sollten. Nachdem der Angeklagte die Erbin M. ermittelt hatte, schloß er mit ihr
am 12./15. August 2001 eine schriftliche „Honorarvereinbarung“, wonach er mit der
„rechtsgeschäftlichen Vertretung“ (auch gegenüber Versicherungen) und „zur Regelung
des Nachlasses“ beauftragt wurde und zur Durchführung dieser Tätigkeit ein Entgelt
„unter Ausschluß der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung“ in Höhe von 30 % des
sich aus dem Vermögensverzeichnis des Nachlaßgerichts ergebenden „aktiven
Nachlaßvermögens“ erhalten sollte. Tätigkeiten im Rahmen dieser Vereinbarung
entfaltete der Angeklagte in der Folgezeit nicht. Nachdem ihm die Erbin Mitte Oktober
2001 mitgeteilt hatte, daß sie einen anderen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung
beauftragt habe, sah der Angeklagte das Mandatsverhältnis als beendet an und nahm
für sein Honorar als Erbenermittler den Nachlaß aus dem Vertrag mit dem
Nachlaßpfleger vom 29. Mai 2001 in Anspruch. Aus der Honorarvereinbarung vom
12./15. August 2001 erhob er keine Forderungen.
Das Landgericht ist auf der Grundlage dieser Feststellungen zu der Annahme gelangt,
daß es sich bei dem Vertrag vom 12./15. August 2001 nicht um eine unzulässige
Honorarvereinbarung gehandelt habe, darin jedenfalls noch nicht der Versuch einer
Gebührenüberhebung zu sehen und selbst dann der Angeklagte davon freiwillig
zurückgetreten sei.
Die dagegen gerichteten Angriffe der Revision bleiben im Ergebnis erfolglos.
1. Die erhobene Aufklärungsrüge, mit der die Revision beanstandet, daß die Erbin nicht
vernommen worden ist, entspricht nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2
StPO. Die Staatsanwaltschaft teilt zwar mit, welches Ergebnis ihrer Auffassung nach von
einer Vernehmung der Zeugin M. zu erwarten gewesen wäre. Denn es wird auf ihre
polizeiliche Befragung im Ermittlungsverfahren Bezug genommen, aus der sich ergeben
soll, daß die Zeugin das vereinbarte Honorar ausschließlich für die schriftlich fixierten
(anwaltlichen) Leistungen des Angeklagten und nicht für dessen Erbenermittlung
erbringen wollte. Dem Revisionsvorbringen läßt sich jedoch nicht entnehmen, ob und
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erbringen wollte. Dem Revisionsvorbringen läßt sich jedoch nicht entnehmen, ob und
gegebenenfalls mit welchem Ergebnis die Zeugin durch das Amtsgericht vernommen
worden ist und ob die Staatsanwaltschaft ihre Vernehmung in der
Berufungshauptverhandlung beantragt hat. Diese Mitteilungen wären aber erforderlich
gewesen, um dem Senat die Prüfung zu ermöglichen, ob das Landgericht sich zu einer
(erneuten) Vernehmung der Zeugin M. gedrängt sehen mußte.
2. Auch die Sachrüge, die von der Generalstaatsanwaltschaft vertreten wird, deckt im
Ergebnis keine Rechtsfehler auf.
Der Senat kann offen lassen, ob dem Landgericht auf der Grundlage der getroffenen
Feststellungen in der Annahme zu folgen ist, der Angeklagte habe entgegen dem
Wortlaut der von ihm selbst formulierten Vereinbarung für die Zeugin M. nicht als
Rechtsanwalt tätig werden und sich mit 20 % des Honorars die Erbenermittlung bezahlen
lassen wollen.
Denn die Feststellungen ergeben nicht, daß der Angeklagte mit der Tatausführung schon
begonnen hatte.
Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des
Tatbestandes unmittelbar ansetzt (§ 22 StGB). Das ist ohne weiteres dann
anzunehmen, wenn der Täter bereits ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht hat. Das
Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß aufgrund der getroffenen
Feststellungen, die insoweit auch die Revision nicht beanstandet, der Angeklagte –
unabhängig von der Frage der Zulässigkeit der Honorarvereinbarung vom 12./15. August
2001 – aus ihr keine Vergütung erhoben hat. Denn mit dem Begriff „erheben“ in § 352
StGB sind solche Handlungen des Täters gemeint, die ein Zahlungsverlangen enthalten
oder sonst der Durchsetzung einer beanspruchten Forderung dienen.
Das Versuchsstadium kann allerdings auch schon zu einem Zeitpunkt erreicht sein,
bevor der Täter einzelne Tatbestandsmerkmale verwirklicht hat. Das ist dann der Fall,
wenn er subjektiv die Schwelle zum „jetzt geht es los“ überschritten und objektiv zum
tatbestandsmäßigen Angriff auf das durch die Norm geschützte Rechtsgut angesetzt
hat, so daß sein Tun ohne Zwischenakte in die Tatbestandsverwirklichung übergeht (vgl.
BGHSt 37, 294). Daran fehlt es hier.
Denn Voraussetzung für das Entstehen eines Zahlungsanspruchs waren nach der
Vereinbarung zunächst weitere (anwaltliche) Tätigkeiten des Angeklagten, die er aber
nicht erbracht hatte, und eine konkrete Bezifferung der Vergütung, die er ebenfalls nicht
vorgenommen hatte. Aus diesem Grund war das Vermögen seiner Auftraggeberin durch
die Honorarvereinbarung noch nicht konkret und unmittelbar gefährdet.
Eine Strafbarkeit des Angeklagten nach den §§ 263, 22, 23 StGB scheidet ebenfalls aus.
Betrug kann neben der Spezialvorschrift der Gebührenüberhebung nur vorliegen, wenn
zu der Täuschung über das Entstehen und die Höhe der Zahlungspflicht, die
begriffsnotwendig zum Tatbestand des § 352 gehört, eine weitergehende Täuschung
hinzutritt (vgl. BGHSt 2, 35; OLG Köln NStZ 1991, 239; OLG Düsseldorf NJW 1989, 2901),
die den Mandanten zum Abschluß einer Honorarvereinbarung bewegen soll. Derartige
Täuschungshandlungen des Angeklagten sind hier nicht ersichtlich.
Auch eine Bestrafung nach § 291 Abs. 1 Nr. 3 StGB kommt entgegen der Ansicht der
Staatsanwaltschaft nicht in Betracht. Für die Annahme, die Erbin habe sich bei Abschluß
der Honorarvereinbarung mit dem Angeklagten in einer Schwächesituation der in § 291
Abs. 1 Satz 1 StGB bezeichneten Art befunden, die der Angeklagte ausgenutzt habe,
bieten die Feststellungen des Landgerichts keine Anhaltspunkte.
3. Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2
Satz 1 StPO.
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