Urteil des KG Berlin vom 10.07.2008

KG Berlin: zustellung, quelle, einwilligung, entstehung, sammlung, rücknahme, link, einfluss, berufungskläger, einverständnis

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Gericht:
KG Berlin 1. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 W 164/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 2 Abs 2 S 1 Anl 1 Nr 3200 RVG,
§ 2 Abs 2 S 1 Anl 1 Nr 3201 Nr 1
RVG, § 520 Abs 2 S 2 ZPO
Rechtsanwaltsvergütung: Verfahrensgebühr bei einem Antrag
auf Zurückweisung der Berufung vor Zustellung der
Berufungsbegründung
Leitsatz
Wird der Antrag auf Zurückweisung der Berufung vor Zustellung der Berufungsbegründung
gestellt, fällt grundsätzlich nur eine 1,1-Verfahrensgrbühr nach Nr. 3201 Nr. 1 VV RVG an. Die
volle 1,6-Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV RVG wird nicht allein deshalb ausgelöst, weil der
Prozeßbevollmächtigte des Berufungsbeklagten auf Anfrage des Gerichts einer Verlängerung
der Berufungsbegründungsfrist nach § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO widerspricht.
Tenor
In Änderung des angefochtenen Beschlusses werden die nach dem Beschluss des
Kammergerichts vom 20. November 2007 (20 U 75/07) von der Beklagten an die
Klägerin zu erstattenden, in dem Antrag vom 20. November 2007 berechneten Kosten
auf 1.594,60 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
seit dem 23. November 2007 festgesetzt.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten der zurückgewiesenen Beschwerde hat die Beklagte zu tragen.
Von den außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Klägerin 31%
und die Beklagte 69% zu tragen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 2.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des
Landgerichts Berlin vom 16. Januar 2008 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses
vom 3. Juni 2008 ist teilweise begründet.
a) Zu Recht beanstandet die Beklagte, dass die Rechtspflegerin am Landgericht in dem
angefochtenen Beschluss eine 1,6-Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV RVG festgesetzt
hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (NJW 2007, 3723, vgl. auch NJW
2008, 1087, 1088) löst einen Zurückweisungsantrag, der vor Zustellung der
Berufungsbegründung gestellt wurde, grundsätzlich nur eine 1,1-Verfahrensgebühr nach
Nr. 3201 VV-RVG aus. Denn der Berufungsbeklagte kann sich erst nach Vorliegen der
Berufungsbegründung mit Inhalt und Umfang des Angriffs auf das erstinstanzliche Urteil
sachlich auseinandersetzen und durch einen entsprechenden Gegenantrag sowie
dessen Begründung das Verfahren fördern. Dies gilt erst recht, wenn sich die anwaltliche
Tätigkeit darauf beschränkt, einem Antrag auf erneute Verlängerung der
Berufungsbegründungsfrist zu widersprechen. Denn die Einwilligung nach § 520 Abs. 2
Satz 2 ZPO muss vom Berufungsbeklagten entweder ausdrücklich erklärt oder
zumindest vom Berufungskläger anwaltlich versichert werden (BGHZ 161, 86 ff; BGH-
NJW 2006, 2192 f). Da die Beklagte und Berufungsklägerin in ihrem Antrag vom 15. Mai
2007 nicht behauptet hatte, die Klägerin und Berufungsbeklagte habe vorab ihr
Einverständnis mit einer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist erteilt, brauchte
die Berufungsbeklagte nicht zu besorgen, der 20. Zivilsenat werde eine über einen
Monat hinausgehende Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist gewähren. Hierauf
ist es ohne Einfluss, ob die Prozessbevollmächtigte der Beklagten, wie die Klägerin mit
Schriftsatz vom 3. Juni 2008 geltend macht, bei Antragstellung wusste, dass die Klägerin
dem Fristverlängerungsantrag nicht zustimmen würde.
Im Übrigen enthält der Schriftsatz der Bevollmächtigten der Berufungsbeklagten vom
23. Mai 2007 weder Sachanträge noch Sachvortrag. Der Begriff des Sachantrags bzw.
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23. Mai 2007 weder Sachanträge noch Sachvortrag. Der Begriff des Sachantrags bzw.
des Sachvortrags im Sinne der Regelung in Nr. 3201 VV-RVG entspricht derjenigen in Nr.
3101 VV-RVG (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl., Rdnr. 1). Danach ist ein
Sachantrag derjenige Antrag, der den Inhalt der gewünschten Sachentscheidung
bestimmt und begrenzt (Hartmann a.a.O. VV 3101 Rdnr. 11). Demgegenüber reichen
reine Verfahrensanträge nicht aus, um die volle 1,6-Verfahrensgebühr auszulösen. Zu
den reinen Verfahrensanträgen in diesem Sinne gehören auch
Fristverlängerungsgesuche (Hartung/Römermann/Schons RVG 2. Aufl., VV 3101 Rdnr.
19). Für die Erklärung der Gegenseite, ob eine vom Gesetz vorgeschriebene Einwilligung
erklärt wird, kann nichts anderes gelten.
b) Soweit die Beklagte auch die Zuerkennung einer 1,1-Verfahrensgebühr nach Nr. 3201
VV-RVG für unbegründet hält, kann der Beschwerde nicht gefolgt werden. Nach der
ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH a.a.O. m. w. N.) ist die
gegnerische Partei nach Einlegung der Berufung berechtigt, ihrerseits anwaltliche Hilfe
im Anspruch zu nehmen und nach Rücknahme der Berufung grundsätzlich Erstattung
der hierdurch entstandenen Kosten zu beanspruchen. Hieran ändert auch der Umstand
nichts, dass die Verfahrensbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 15. Mai
2007 angekündigt hatte, sich noch nicht beim Kammergericht zu melden. Denn für die
Entstehung der 1,1-Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 VV-RVG genügt eine
auftragsgemäße Entgegennahme der Information ohne ein Tätigwerden nach außen
(Senat JurBüro 2005, 418).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1, 97 ZPO. Die Gerichtskosten, die
nur wegen des zurückgewiesenen Teils der Beschwerde erhoben werden (KV 1812) fallen
nach § 97 Abs. 1 ZPO der Beklagten zur Last. Zu einer Ermäßigung nach KV 1812 Abs. 2
besteht kein Anlass.
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