Urteil des KG Berlin vom 13.03.2017

KG Berlin: eintragung im handelsregister, gründung der gesellschaft, mietvertrag, geschäftsführer, dachgeschoss, herausgabe, genehmigung, bauarbeiten, kündigung, gesellschaftsvertrag

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Gericht:
KG Berlin 8. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8 U 110/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 535 BGB, § 550 S 1 BGB, § 985
BGB, § 2 Abs 1 GmbHG
Gewerberaummietvertrag mit einer GmbH i.G.: Voraussetzung
der Gründung der Vorgesellschaft; Nichteinhaltung des
Schriftformerfordernisses bei Vermieterpflicht zu Bauarbeiten
aus einer nicht beigefügten Baugenehmigung
Leitsatz
Zur Abgrenzung zwischen der Errichtung einer Vorgesellschaft und dem Abschluss eines auf
die Gründung einer Vorgesellschaft gerichteten Vorvertrages.
Nichteinhaltung des Schriftformerfordernisses, wenn der Vermieter zur Durchführung von
Bauarbeiten verpflichtet sein soll, deren Umfang aus einer nicht beigefügten
Baugenehmigung folgt.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 15.3.2006 verkündete Urteil der Zivilkammer
32 des Landgerichts Berlin teilweise abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin die in der F., im Quergebäude, Dachgeschoss
links und rechts gelegenen Räumlichkeiten mit einer Größe von ca. 115 qm
herauszugeben.
Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagte 92 % und die Klägerin 8 % zu
tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von
40.000,00 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in
dieser Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Berufung der Klägerin richtet sich gegen das am 15. März 2006 verkündete Urteil der
Zivilkammer 32 des Landgerichts Berlin, auf dessen Tatbestand und
Entscheidungsgründe Bezug genommen wird.
1. Die Klägerin hält das Urteil für unzutreffend. Das Landgericht habe die
Gesamtumstände bei Abschluss des von der Beklagten vorgelegten Mietvertrages vom
23. März 2000 unzutreffend gewürdigt; der Mitvertrag sei nichtig, weil ein Scheingeschäft
zwischen der Beklagten einerseits und dem Geschäftsführer der Beklagten andererseits
in seiner Eigenschaft als Eigentümer der Räumlichkeiten vorgelegen habe. Selbst wenn
ein wirksames Mietverhältnis vorliege, sei die Beklagte zur Räumung und Rückgabe der
Räumlichkeiten verpflichtet, weil das Mietverhältnis wegen fehlender Schriftform
ordentlich kündbar gewesen und infolge der ausgesprochenen Kündigung deshalb
beendet worden sei. Da die Beklagte das Objekt weiter nutze, sei sie zur Zahlung einer
Nutzungsentschädigung in Höhe der vertraglich vereinbarten Miete verpflichtet; eine
Minderung der Miete komme nicht in Betracht, weil die Beklagte sich auf Mängel nicht
berufen könne. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Klägerin in der
Berufungsinstanz wird auf die Berufungsbegründung vom 9. August 2006 verwiesen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Berlin vom 15. März
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die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Berlin vom 15. März
2006 zu verurteilen,
a) an sie 3.105,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
jeweiligen Basiszinssatz seit dem 6. Juli 2005 zu zahlen,
b) an sie die in der F. im Quergebäude, Dachgeschoss links und rechts gelegenen
Räumlichkeiten mit einer Größe von ca. 115 qm zu räumen und geräumt an sie
herauszugeben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das landgerichtliche Urteil für zutreffend. Wegen der Einzelheiten des
Vorbringens der Beklagten in der Berufungsinstanz wird auf ihren Schriftsatz vom 6.
Oktober 2006 Bezug genommen.
2. Die Berufung ist in den aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang begründet.
a) Die Klägerin kann nach § 985 BGB Herausgabe der Räumlichkeiten verlangen, da sich
die Beklagte auf ein Recht zum Besitz im Sinne des § 986 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht
berufen kann. Ein solches Recht zum Besitz ergibt sich nicht aus dem auf den 23. März
2000 datierten Mietvertrag zwischen der Beklagten einerseits und ihrem Geschäftsführer
(dem Zwangsverwaltungsschuldner) andererseits, weil der Vertrag nichtig ist. Es kann
dahinstehen, ob es sich bei dem Mietvertrag um ein Scheingeschäft gehandelt hat,
dessen Nichtigkeit aus § 117 Abs. 1 BGB folgen würde. Der Mietvertrag ist jedenfalls -
worauf der Senat im Verhandlungstermin hingewiesen hat - aus einem anderen Grund
unbeachtlich. Nach dem Vortrag der am 15. Oktober 2001 in das Handelsregister
eingetragenen Beklagten soll am 4. März 2000 deren Gründung beschlossen worden
sein, was sich aus dem als Anlage B5 eingereichten „Gründungsprotokoll der d. GmbH
i.G.“ vom selben Tag ergeben soll. Diese Einschätzung mit der Annahme des Entstehens
einer sogenannten Vorgesellschaft zu diesem Zeitpunkt ergibt sich aus dem
eingereichten Protokoll gerade nicht. Voraussetzung für die Annahme der Gründung
einer Vorgesellschaft als notwendige Vorstufe einer GmbH am 4. März 2000 wäre
gewesen, dass bereits an diesem Tag eine Gesellschaft durch Abschluss eines
Gesellschaftsvertrages errichtet worden wäre. Dieser Annahme steht schon die
Eintragung im Handelsregister entgegen, wonach der Gesellschaftsvertrag der
Beklagten (erst) am 22. Juni 2001 geschlossen worden sein soll. Gegen die Errichtung
einer Gesellschaft am 4. März 2000 spricht insbesondere aber auch der Wortlaut des
Gründungsprotokolls. Danach haben die dort genannten Personen sich „... in den
zukünftigen Geschäftsräumen ...“ getroffen und „... über die Gründungsmodalitäten ...
verhandelt.“ Weiter heißt es, dass die Erschienenen „alsbald“ eine Gesellschaft errichten
wollen, für die der „Gesellschaftsvertrag, der für die Gesellschaft maßgebend sein soll“
festgestellt werde. Unter III des Protokolls wird sodann ausgeführt, dass die
Gesellschafter „alsbald“ zur ersten Gesellschafterversammlung zusammentreten
werden um zu beschließen: „Zum Geschäftsführer wird Herr A. T. bestellt werden ...“
Sämtliche Formulierungen beinhalten zur Überzeugung des Senats nicht die Errichtung
bzw. Gründung der Gesellschaft im Sinne einer Vorgesellschaft schon zu diesem
Zeitpunkt, sondern (lediglich) den Abschluss eines Vorvertrages mit dem Ziel einer erst
noch vorzunehmenden Gründung der GmbH. Soweit der Prozeßbevollmächtigte der
Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, dass die
damals Vertragsschließenden sich einig gewesen seien, dass schon zum damaligen
Zeitpunkt eine Gesellschaft errichten werden solle, steht dem der Aussicht des Senats
eindeutige Wortlaut der zitierten Passagen im Gründungsprotokoll entgegen, wobei
Vortrag der Beklagten dazu, warum die Beteiligten gerade diese Formulierungen gewählt
haben, wenn sie doch etwas anderes - zusätzliches - beabsichtigt hatten, fehlt. Die aus §
416 ZPO folgende Vermutung, wonach die Urkunde dem endgültigen, wohl überlegten
Willen der Parteien enthält (BGH, Urteil vom 5.7.2002 - V ZR 143/01, NJW 2002, 3164,
3165 linke Spalte), ist durch die Beklagten mit Tatsachenvortrag nicht widerlegt worden.
Deshalb konnte dem Beweisantritt der Beklagten auch nicht nachgegangen werden. Der
somit anzunehmende Vorvertrag hätte allerdings der notariellen Beurkundung nach § 2
Abs. 1 GmbHG bedurft (vgl. Baumbach/Huck/Fastrich, GmbH G, 18. Aufl., § 2 Rdn. 29
m.w.N. in Fußnote 53). Da der Vertrag die notwendige Form nicht einhält, ist er nach §
125 Satz 1 BGB nichtig und scheidet deshalb als Ermächtigungsgrundlage für den
Abschluss des Mietvertrages vom 23.3.2000 aus. Dem Vortrag der Beklagten kann
deshalb nur entnommen werden, dass der Zwangsvollstreckungsschuldner als von den
Beschränkungen des § 181 BGB nicht befreiter Vertreter ohne Vertretungsmacht
gehandelt hat mit der Folge der schwebenden Unwirksamkeit des behaupteten
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gehandelt hat mit der Folge der schwebenden Unwirksamkeit des behaupteten
Mietvertrages nach § 177 BGB. Eine Genehmigung durch die Beklagte nach § 184 Abs. 1
BGB wäre zwar möglich gewesen, ist aber weder vorgetragen noch etwa aus dem
Verhalten der Beklagten nach Abschluss des Mietvertrages ersichtlich, so dass die
Beklagte Rechte aus dem Mietvertrag, die gegenüber der Klägerin als Zwangsverwalterin
des Eigentums gelten würden, nicht herleiten kann.
Zur Räumung und Herausgabe wäre die Beklagte aber auch dann verpflichtet, wenn der
Mietvertrag durch Genehmigung Wirksamkeit erlangt hätte.
Die Kündigung der Klägerin vom 14. Oktober 2005 hätte das Mietverhältnis nach § 580 a
Abs. 2 BGB trotz der Befristung im Vertrag bis zum 31. März 2010 jedenfalls zum 30. Juni
2006 beendet. Der Mietvertrag hat die nach § 550 Satz 1 BGB notwendige Schriftform
nicht eingehalten, galt deshalb als auf unbestimmte Zeit geschlossen und war somit
jederzeit mit der aus § 580 a BGB ersichtlichen Frist ordentlich kündbar. Die
Nichteinhaltung der Schriftform folgt daraus, dass die unter § 1 Ziff. 5 des Vertrages
erwähnte Verpflichtung des Zwangsverfahrensschuldners zur Vornahme von Arbeiten in
der Wohnung zu unbestimmt ist. § 550 Satz 1 BGB schreibt im Hinblick auf seinen
Zweck, einem möglichen Grundstückserwerber Kenntnis über sämtliche bedeutsamen
Mietvertragsverhältnisse- und Bestimmungen zu ermöglichen (BGH, Urteil vom
14.7.2004 - XII ZR 68/02, NJW 2004, 2962, 2964), im Falle des Abschlusses eines
Mietvertrages für einen Zeitraum über ein Jahr hinaus die schriftliche Niederlegung aller
wesentlichen Vertragsbestimmungen vor. Von wesentlicher Bedeutung wäre hierfür
einen potenziellen Erwerber der Räumlichkeiten der Umfang und die Einzelheiten der
durchzuführenden Arbeiten gewesen, allein deshalb, um sich Klarheit über die Höhe der
Kosten zu verschaffen, die für die Durchführung dieser Arbeiten erforderlich wäre und -
wenn er den Kaufvertrag zu einem Zeitpunkt geschlossen hätte, zu dem diese Arbeiten
noch nicht durchgeführt waren - auf ihn zukommen würden. Diesen Anforderungen
genügte der bloße Hinweis auf die eingereichte Baugenehmigung (II Nachtrag) nicht, weil
diese Baugenehmigung zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages noch gar
nicht vorlag, deshalb dem Vertrag auch nicht als Anlage beigefügt werden konnte, so
dass im Falle einer Veräußerung des Grundstücks für den Erwerber in keiner Weise
ersichtlich war, welche Verpflichtungen im Einzelnen auf ihn zukommen würden.
b) Soweit die Klägerin im Hinblick auf die Unwirksamkeit des Mietvertrages von der
Beklagten nach §§ 987 ff. BGB eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 173,50 Euro
monatlich verlangt, ist die Klage jedoch unbegründet und die Berufung zurückzuweisen.
Im Falle der Nutzung von Räumlichkeiten ohne vertragliche Grundlage ist der Besitzer
zur Entrichtung einer Nutzungsentschädigung in Höhe der ortsüblichen Miete
verpflichtet. Der Eigentümer muss deshalb darlegen, welche Miete für vergleichbare
Objekte innerhalb der Stadt oder Gemeinde, in der sich das Objekt befindet, gezahlt
wird. Dieser Darlegungslast ist die Klägerin unter Berücksichtigung des Umstandes, dass
es sich bei den Mieträumen um ein unausgebautes Dachgeschoss handelt, nicht
nachgekommen. Die Klägerin hat insoweit lediglich vorgetragen, dass die
Nutzungsentschädigung pro qm 1,50 Euro betragen würde und sich für die Richtigkeit
ihrer Behauptung, wonach dieser Betrag ortsüblich sei, auf die Einholung eines
Sachverständigengutachtens berufen. Dem dahingehenden Beweisantritt musste der
Senat nicht entsprechen. Es gibt für Objekte dieser Art keinen „Markt“, so dass die
Klägerin die Höhe der von ihr verlangten Nutzungsentschädigung näher hätte erläutern
müssen, z.B. unter Berücksichtigung der von ihr behaupteten Nutzung als „Lager“ durch
die Beklagte. Dies hat die Klägerin jedoch nicht getan, so dass der von ihr gemachte
Zahlungsbetrag (nach wie vor) nicht nachprüfbar und einer Beweisaufnahme nicht
zugänglich ist.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, die über die vorläufige
Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Ziff. 10, 711, 713 ZPO.
Revisionszulassungsgründe nach § 543 Abs. 2 BGB waren nicht ersichtlich.
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