Urteil des KG Berlin vom 13.03.2017

KG Berlin: verkehrswert, ersatzwert, eigentümer, vorkaufsrecht, grundbucheintragung, inhaber, auflage, ausnahme, link, sammlung

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Gericht:
KG Berlin 1. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 W 382/06
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 18 Abs 3 KostO, § 19 KostO, §
60 KostO, § 51 Abs 2 ZVG, § 74a
Abs 5 ZVG
Grundbuchkosten: Geschäftswert bei Eintragung des Erstehers
im Grundbuch; Erhöhung des Meistgebots um den
festgesetzten Ersatzwert eines bestehenbleibenden
Erbbaurechts
Leitsatz
1. Der Geschäftswert für die Eintragung des Erstehens als Eigentümer im Grundbuch bemisst
sich nach dem Meistgebot, wenn dieses höher als der nach § 74a Abs. 5 ZVG festgesetzte
Verkehrswert ist.
2. Der nach § 51 Abs. 2 ZVG festgesetzte Ersatzwert für ein bestehen bleibendes
Erbbaurecht ist dem Meistgebot nicht hinzuzurechnen, da der Wert des nicht ablösbaren
Erbbaurechts den Verkehrswert des Grundstücks nicht erhöht.
Tenor
Die Beschlüsse des Amtsgerichts Schöneberg vom 5. Oktober 2001 sowie des
Landgerichts vom 29. September 2006 werden aufgehoben. Die in dem Kostenansatz
der Rechtspflegerin des Amtsgerichts Schöneberg vom 6. März 2001 festgesetzten
Gebühren werden auf 500 DM (255,65 EUR) herabgesetzt.
Im Übrigen wird die weitere Beschwerde zurückgewiesen.
Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Die Beschwerdeführerin erwarb durch Zuschlag am 23. August 2000 auf ihr Bargebot
von 246,000 DM das im Eingang bezeichnete Grundstück. Der Verkehrswert des mit
einem Wohn- und Geschäftshaus bebauten Grundstücks war im
Zwangsversteigerungsverfahren aufgrund eines Gutachtens des Sachverständigen Dr.-
Ing. K. zum Bewertungszeitraum Oktober 1999 auf 75.000 DM festgesetzt worden. In
seinem Gutachten hatte der Sachverständige ein bis zum 31. Dezember 2059
eingetragenes Erbbaurecht, welches bei der Zwangsversteigerung bestehen blieb,
wertmindernd berücksichtigt. Den Wert des Erbbaurechts hatte der Sachverständige mit
5,1 Millionen DM geschätzt. Darüber hinaus blieb ein in Abt. II Nr. 10 des Grundbuchs
eingetragenes befristetes Vorkaufsrecht bestehen. Für die Eintragung als Eigentümerin
in das Grundbuch wurden der Beschwerdeführerin Gebühren in Rechnung gestellt, die
sich nach einem Verkehrswert von 5.351.000 DM richteten. Die Rechtspflegerin des
Amtsgerichts Schöneberg hat das Bargebot von 246.000 DM um die Ersatzwerte in
Höhe von 5,1 Millionen DM sowie 5000 DM für die bestehenbleibenden Rechte erhöht.
Hiergegen legte die Beschwerdeführerin Erinnerung ein und machte geltend, aus dem
Inhalt des Geschäfts ergebe sich ein Wert von maximal 246.000 DM. Da jedoch einer der
Ersteigerer Inhaber der Forderung gewesen sei, wegen derer die Versteigerung
durchgeführt wurde, sei wirtschaftlich ein deutlich niedrigerer Wert anzusetzen. Das
Amtsgericht Schöneberg hat die Erinnerung mit Beschluss vom 5. Oktober 2001
zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte Beschwerde hat das Landgericht am 29.
September 2000 zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Beschwerdeführerin mit
ihrer zugelassenen weiteren Beschwerde.
II.
1. Die weitere Beschwerde der Kostenschuldnerin ist Kraft Zulassung durch das
Landgericht statthaft (§14 Abs. 5 Satz 1 KostO) und auch sonst zulässig.
2. In der Sache hat die weitere Beschwerde im wesentlichen Erfolg.
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Der für die Grundbucheintragung des Erstehers eines zwangsversteigerten Grundstücks
maßgebliche Geschäftswert ist nach den Vorschriften der § 18, 19 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2
Satz 1 KostO zu bestimmen (BayObLG Rechtspfleger 2002 382 ff. m.w.N.; Senat, KGR
Berlin 2006 783ff). Nach diesen Vorschriften sind alle ausreichenden Anhaltspunkte für
einen den Einheitswert übersteigenden Wert heranzuziehen, um den Verkehrswert des
versteigerten Grundstücks zum Zeitpunkt der Grundbucheintragung zu ermitteln. Der
Verkehrswert des Grundstücks, der den gemeinen Wert im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 1
KostO darstellt, läßt sich nicht mathematisch exakt errechnen, sondern nur schätzen
(BayObLG a.a.O., Senat a.a.O.). Das Rechtsbeschwerdegericht kann diese
Ermessensentscheidung nur auf ihre Gesetzmäßigkeit überprüfen, dass heißt darauf, ob
der Richter den maßgebenden Sachverhalt ausreichend und ohne Gesetzesverletzung
erforscht hat, ob die Ermessensausübung auf fehlerhaften Erwägungen beruht, ob
Rechtsvorschriften, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt oder wesentliche
Tatumstände außer Acht gelassen worden sind. Die Angemessenheit und
Zweckmäßigkeit unterliegt dem gegenüber nicht der Nachprüfung des
Rechtsbeschwerdegerichts (BayObLG a.a.O. m. w. N.; Senat a.a.O.).
a) Nach diesen Grundsätzen ist es nicht zu beanstanden, dass das Landgericht nicht
von dem gemäß § 74 a Abs. 5 ZVG festgesetzten Verkehrswert in Höhe von 75.000 DM
ausgegangen ist, sondern das höhere Mindestgebot von 246.000 DM zugrunde gelegt
hat. Es entspricht, soweit ersichtlich, der allgemeinen Meinung, ein
Verkehrswertgutachten nach § 74 a Abs. 5 ZVG nur dann zugrunde zu legen, wenn es
über dem Meistgebot liegt (Senat a.a.O.; OLG Zweibrücken, Jur-Büro 1988, 1045). Liegt
das Meistgebot aber über dem vom Sachverständigen geschätzten Wert, so ist dieser
höhere Betrag zugrunde zu legen (BayObLG JurBüro 1989, 1710; Rechtspfleger 1996,
129; Hartmann, Kostengesetze, 39. Aufl. § 19 Rdn. 35). Wenn die Beschwerdeführerin
dem gegenüber geltend macht, das Meistgebot, das vom Inhaber der angemeldeten
Forderung abgegeben worden sei, könne nicht zur Annahme eines höheren
Verkehrswertes führen, so ist dem nicht zu folgen. Den Akten kann nicht entnommen
werden, aus welchen Gründen das höchste Gebot eines Bieters, der selbst
Forderungsinhaber ist, den festgesetzten Verkehrswert übersteigt.
b) Zu Recht beanstandet die Beschwerdeführerin aber, dass die Rechtspflegerin des
Amtsgerichts Schöneberg und ihr folgend das Landgericht die Ersatzwerte der
stehengebliebenen Rechte, nämlich des Erbbaurechts und des Vorkaufsrechts zum
Betrag des Meistgebots hinzugerechnet hat. Anders als für die Zuschlagsgebühr im
Zwangsversteigerungsverfahren (GKG KV a.F. Nr. 5130) gilt für den Wertansatz hier nicht
§ 29 Abs. 2 GKG a.F., jetzt § 54 Abs. 2 GKG, wonach dem Meistgebot die nach den
Versteigerungsbedingungen bestehen bleibenden Rechte nach ihrem Ersatzwert gem.
§§ 50, 51 ZVG hinzuzurechnen sind. Es kann daher offen bleiben, ob der im
Versteigerungstermin vom 23. August 2000 festgesetzte Ersatzwert für das
bestehenbleibende Erbbaurecht in Höhe von 5,1 Millionen DM bei der dort erhobenen
Gebühr zu berücksichtigen war, oder ob dem § 25 ErbbRVO entgegen steht, der als
Ausnahme zu § 52 Abs. 1 ZVG vorsieht, dass das Erbbaurecht auch dann bestehen
bleibt, wenn es bei der Feststellung des geringsten Gebots nicht berücksichtigt ist.
Jedenfalls ist hier § 18 Abs. 3 Satz 1 KostO anzuwenden. Danach sind Verbindlichkeiten,
die auf dem Gegenstand lasten, bei der Ermittlung des Geschäftswerts nicht
abzuziehen, sofern nicht Sondervorschriften eingreifen wie etwa § 107 Abs.2 KostO. Zu
den nicht abzugsfähigen Verbindlichkeiten gehören neben auf dem Gegenstand
lastenden schuldrechtlichen Verbindlichkeiten jeder Art auch dingliche Lasten (Senat,
KGR Berlin 1996, 121 m. w. N.). Das gilt grundsätzlich auch für auf den Gegenstand
lastende lang dauernde Nutzungsrechte. Abzugsfähig sind demgegenüber solche
Rechte, die nach der Verkehrsanschauung den Wert des Gegenstandes selbst mindern,
weil sie vom Eigentümer nicht einseitig abgelöst werden können. Hierzu zählen nach
allgemeiner Ansicht auch Erbbaurechte (Senat, KGR Berlin 1996, 121; BayObLGZ 76,
239/242; JurBüro 1981, 411/412 Hartmann a.a.O. § 18 KostO Rdn. 10 a.E.;
Korintenberg/Schwarz, KostO 17. Auflage, § 18 Rdn. 9; Filzek KostO 4. Auflage, § 18 Rdn.
14; Rohs/Wedewer/Rohs, KostO 3. Aufl., § 18 Rdn. 7; Wilsch RPflStud 2007, 101/102 zu B.
V, 108 zu E. II). Denn es liegt auf der Hand, dass der Wert eines Grundstücks durch die
Belastung mit einem Erbbaurecht verringert wird (BayObLG a.a.O., Wilsch a.a.O.).
Allerdings ist auf der anderen Seite ein vereinbarter Erbbauzins zu berücksichtigen
(Wilsch a.a. O. S. 108). Im vorliegenden Fall besteht jedoch die Besonderheit, dass der
Erbbauzins mit einem einmaligen Entgelt in Höhe von 1.725000 DM festgesetzt wurde
und ein laufender Erbbauzins, der dem Grundstückserwerber zugute käme, nicht gezahlt
wird, wie der Sachverständige auch auf Seite 25 seines Gutachtens ausgeführt hat.
Mithin bleibt maßgeblich für den Verkehrswert das Meistgebot in Höhe von 246.000 DM,
der Ersatzwert des Erbbaurechts in Höhe von 5,1 Millionen DM ist nicht hinzuzurechnen.
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der Ersatzwert des Erbbaurechts in Höhe von 5,1 Millionen DM ist nicht hinzuzurechnen.
Die vorstehenden Ausführungen gelten entsprechend für das dingliche Vorkaufsrecht,
welches ebenfalls nicht vom Eigentümer einseitig abgelöst werden kann und daher dem
Meistgebot nicht hinzuzurechnen ist.
c) Ausgehend von einem Verkehrswert in Höhe von 246.000 DM errechnet sich nach der
zum Zeitpunkt der Eintragung am 6. März 2001 geltenden Fassung des § 32 KostO eine
Eintragungsgebühr in Höhe von 500 DM, entsprechend 225, 65 Euro.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 14 Abs. 9 KostO.
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