Urteil des FG Schleswig-Holstein vom 15.03.2017

FG Schleswig-Holstein: verkehr, fahrzeug, steuerbefreiung, werk, auslieferung, grenzwert, kennzeichen, händler, begriff, steuerpflicht

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Gericht:
Schleswig-
Holsteinisches
Finanzgericht 3.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahr:
2006
Aktenzeichen:
3 K 27/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 3c Abs 1 S 1 KraftStG 2002
(Kraftfahrzeugsteuerbefreiung nach § 3c KraftStG:
Nachrüstung eines Rußpartikelfilters)
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über eine Steuerbefreiung für besonders partikelreduzierte
Personenkraftwagen.
Der Kläger erwarb Anfang Dezember 2006 einen Pkw (Neuwagen) der Marke
Honda. Das Fahrzeug besitzt einen Dieselmotor und wurde ab Werk in
serienmäßigem Zustand ohne Rußpartikelfilter ausgeliefert. Auf Bestellung des
Klägers baute sein Honda-Vertragshändler am 5. Dezember 2006 einen
Rußpartikelfilter des Herstellers “Twin-Tec” mit der Partikelminderungsstufe PM 3
in das Fahrzeug ein. Das Fahrzeug wurde am 8. Dezember 2006 erstmals mit dem
amtlichen Kennzeichen ... auf den Kläger zugelassen.
Der Kläger beantragte am 25. Juli 2007 beim Beklagten die Erteilung einer
Steuerbefreiung für besonders partikelreduzierte Personenkraftwagen nach § 3c
des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG).
Der Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 18. Oktober 2007 ab, weil
das Fahrzeug des Klägers bereits vor der Erstzulassung mit einem Rußpartikelfilter
ausgerüstet worden sei und das Gesetz eine Nachrüstung fordere. Der dagegen
vom Kläger am 2. November 2007 erhobene Einspruch wurde mit
Einspruchsentscheidung vom 11. Januar 2008 als unbegründet zurückgewiesen.
Der Kläger hat am 13. Februar 2008 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er im
Wesentlichen vor, dass die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 3 c
KraftStG vorlägen. Sein Fahrzeug sei vor dem 31. Dezember 2006 zugelassen
worden. Der eingebaute Rußpartikelfilter erfülle die gesetzlichen Anforderungen
und stelle eine nachträgliche technische Verbesserung im Sinne des Gesetzes dar.
Dieses differenziere nach dem Wortlaut nicht danach, ob die Nachrüstung vor oder
nach der Erstzulassung erfolgt sei.
Nach dem Willen des Gesetzgebers solle auch für Neufahrzeuge ein finanzieller
Anreiz geschaffen werden, das Fahrzeug so zu verbessern, dass es einen
möglichst geringen Partikelausstoß aufweise. In der Gesetzesbegründung sei nicht
die Rede davon, dass die steuerliche Förderung nur dann gewährt werden solle,
wenn die Nachrüstung nach der Erstzulassung erfolge. Das gesetzgeberische Ziel
der Minimierung gesundheitlicher Gefährdungen könne nur dann wirksam erreicht
werden, wenn das Tatbestandsmerkmal “nachträglich” extensiv dahingehend
ausgelegt werde, dass darunter auch eine Nachrüstung nach Auslieferung des
Fahrzeugs ab Werk verstanden werde. Die Formulierung “im Verkehr befindliche
Fahrzeuge” in den Gesetzgebungsmaterialien meine solche Fahrzeuge, die bereits
ausgeliefert worden seien, die sich somit im (Handels-)Verkehr befänden. Bei einer
anderen Auslegung sei von einer planwidrigen Regelungslücke des Gesetzgebers
auszugehen, zumal bei einer Nachrüstung nach Erstzulassung zusätzliche
Zulassungkosten entstünden.
Abgrenzungsschwierigkeiten bestünden nicht, weil im Einzelfall feststellbar sei, ob
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Abgrenzungsschwierigkeiten bestünden nicht, weil im Einzelfall feststellbar sei, ob
ein Filter auf Kosten des Kunden nach der Auslieferung eingebaut worden sei. Die
weiteren tatbestandsbeschränkenden Merkmale in § 3c KraftStG belegten nicht,
dass der Gesetzgeber für die Steuerbefreiung an die straßenverkehrsrechtliche
Zulassung angeknüpft habe. Sie sollten lediglich sicher stellen, dass nur
Fahrzeuge jüngeren Baudatums steuerlich gefördert würden.
Der Kläger beantragt sinngemäß, den Beklagten zu verpflichten, ihm für sein
Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen ... unter Aufhebung des ablehnenden
Bescheides vom 18. Oktober 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.
Januar 2008 eine Steuerbefreiung von 330 € gemäß § 3c Abs. 1 KraftStG zu
bewilligen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er ist weiterhin der Auffassung, dass das Gesetz eine Nachrüstung nach der
Erstzulassung des Fahrzeuges voraussetze.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakte und den der beigezogenen Kraftfahrzeugsteuerakte des
Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der Ablehnungsbescheid vom 18. Oktober 2007 in der Fassung der
Einspruchsentscheidung vom 11. Januar 2008 ist rechtmäßig. Der Beklagte geht
zutreffend davon aus, dass die Voraussetzungen des § 3c Abs. 1 KraftStG nicht
vorliegen.
Nach § 3 c Abs. 1 KraftStG ist das Halten von besonders partikelreduzierten
Personenkraftwagen mit Selbstzündungsmotor befristet von der Steuer befreit,
wenn das Fahrzeug in der Zeit vom 01. Januar 2006 bis zum 31. Dezember 2009
nachträglich technisch so verbessert wird, dass es einer
entspricht. Die Steuerbefreiung wird nur für Personenkraftwagen gewährt, die bis
zum 31. Dezember 2006 erstmals zugelassen wurden. Sie beginnt an dem Tag, an
dem nach Feststellung der Zulassungsbehörde die Voraussetzungen hierfür erfüllt
waren. Die Steuerbefreiung endet, sobald die Steuerersparnis auf der Grundlage
des jeweiligen Steuersatzes nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 KraftStG den Betrag von 330 €
erreicht hat. Sie wird für jedes Fahrzeug nur einmal gewährt.
Das Fahrzeug des Klägers wurde zwar am 08. Dezember 2006 und damit bis zum
31. Dezember 2006 erstmals zum Verkehr zugelassen. Es wurde aber nicht
nachträglich technisch so verbessert, dass es einer der im Gesetz angeführten
Partikelminderungsstufen oder -klassen entspricht. Eine nachträgliche technische
Verbesserung im Sinne von § 3c Abs. 1 Satz 1 KraftStG liegt nur dann vor, wenn
die Nachrüstung - etwa mit einem Rußpartikelfilter - nach der erstmaligen
Zulassung des Fahrzeuges erfolgt (vgl. Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht,
Urteile vom 10. Januar 2008, 3 K 100/07, EFG 2008, 725; vom 6. Februar 2008, 3 K
167/07, EFG 2008, 726, Revision anhängig BFH II R 15/08; Finanzgericht Sachsen-
Anhalt, Urteil vom 27. Februar 2008, 2 K 1527/07, StE 2008, 267; Zens, NWB Fach
8, S. 1567, 1569; Strodthoff, Kraftfahrzeugsteuer, § 3c Rdnr. 10 [Stand September
2007]).
Der Begriff “nachträglich” ist auslegungsbedürftig. Der Wortlaut ist nicht eindeutig
und lässt mehrere Interpretationen zu. In ihm kommt aber jedenfalls zum
Ausdruck, dass Fahrzeuge die bereits ab Werk - das heißt ursprünglich - mit der
erforderlichen Partikelminderungstechnik ausgerüstet sind, nicht gefördert werden
sollen. Dem Gesetzeswortlaut ist aber nicht klar zu entnehmen, ob sich der Begriff
“nachträglich” auf den Zeitpunkt nach der werkseitigen Herstellung des
Fahrzeuges oder auf den Zeitpunkt nach dessen Erstzulassung bezieht. Der
Wortlaut lässt vielmehr beide Auslegungen zu.
Aus den Gesetzgebungsmaterialien ist allerdings ersichtlich, dass es dem
Gesetzgeber um die Schaffung finanzieller Anreize zur Nachrüstung im Verkehr
befindlicher - und damit zugelassener - Fahrzeuge geht. Nach dem Gesetzentwurf
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befindlicher - und damit zugelassener - Fahrzeuge geht. Nach dem Gesetzentwurf
der Bundesregierung kann die Partikelbelastung durch Personenkraftwagen mit
Dieselmotor dadurch effizient reduziert werden, dass im Verkehr befindliche
Fahrzeuge mit moderner Partikelminderungstechnik nachgerüstet werden.
Vordringlich sei daher die Nachrüstung von Altfahrzeugen. Die Vorschrift des
Kraftfahrzeugsteuergesetzes werde geändert, um steuerliche Anreize für den
nachträglichen Einbau von Partikelminderungstechnik in Personenkraftwagen mit
Dieselmotor zu schaffen, damit von diesen deutlich geringere gesundheitliche
Gefährdungen und Belastungen für die Umwelt ausgingen. Nachgerüstete im
Verkehr befindliche Fahrzeuge würden befristet steuerlich befreit, während nicht
nachgerüstete zugelassene Fahrzeuge und Neufahrzeuge, die den
voraussichtlichen Euro-5-Grenzwert für Partikelmasse (0,005 g/km) nicht
einhielten, erhöht besteuert würden (vgl. BT-Drs. 16/4010, S. 1).
Dem Gesetzgeber ging es somit darum, bereits im Verkehr befindliche - und damit
zugelassene - Dieselfahrzeuge zu fördern. Dies wird durch die Gegenüberstellung
der gesetzgeberischen Konzeption für nachgerüstete im Verkehr befindliche und
für nicht nachgerüstete zugelassene Fahrzeuge und Neufahrzeuge, die den
voraussichtlichen Euro-5 Grenzwert für Partikelmasse nicht einhalten, deutlich.
Anhaltspunkte dafür, dass mit der Wortwahl “im Verkehr befindlich” der
Handelsverkehr gemeint sein könnte, bestehen nicht. Weder mit
Partikelminderungstechnik ausgerüstete Neufahrzeuge noch vor ihrer
Erstzulassung mit einer solchen Technik “nach”-gerüstete Pkw sollen danach
gefördert werden (vgl. auch Strodthoff, a.a.O., § 3c KraftStG Rdnr. 10). Mit
Partikelminderungstechnik ausgerüstete Neufahrzeuge und mit einer solchen
Technik vor Erstzulassung “nach”-gerüstete Pkw werden nach dem Konzept des
Gesetzgebers insoweit steuerlich begünstigt, als auf sie kein Zuschlag nach § 9a
KraftStG zu erheben ist.
Die Kraftfahrzeugsteuerpflicht knüpft nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG an das Halten
von inländischen Fahrzeugen zum Verkehr auf öffentlichen Straßen an. Dies setzt
bei zulassungspflichtigen Fahrzeugen die straßenverkehrsrechtliche Zulassung
voraus (vgl. BFH-Urteil vom 13. Januar 1987 VII R 147, 148, 150/84, BFHE 148, 542,
BStBl II 1987, 272). Damit wird auf einen klaren Abgrenzungsmaßstab abgestellt,
der auch im vorliegenden Zusammenhang nahe liegt, um das Merkmal
“nachträglich” leicht feststellbar zu machen. Wenn hingegen auf die werkseitige
Herstellung des Fahrzeuges abgestellt werden würde, kann es zu
Abgrenzungsschwierigkeiten kommen, wie die Ausrüstung mit einem
Rußpartikelfilter zeitlich einzuordnen ist, etwa wenn der Filter vom Werk als
Sonderausstattung vor der Auslieferung an den Händler oder den Endkunden
eingebaut wird.
Dass der Gesetzgeber das Entstehen der Steuerbefreiung mit der vorherigen
straßenverkehrsrechtlichen Zulassung verknüpfen will, kommt im Übrigen auch
dadurch zum Ausdruck, dass Sie grundsätzlich an dem Tag beginnt, an dem nach
Feststellung der Zulassungsbehörde die Voraussetzungen hierfür erfüllt waren. Sie
endet, sobald die Steuerersparnis auf der Grundlage des jeweiligen Steuersatzes
nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 KraftStG den Betrag von 330 € erreicht hat (§ 3c Abs. 1
Sätze 3 und 4 KraftStG; abweichende Regelung in § 3c Abs. 2 Satz 3 KraftStG).
Eine Steuerbefreiung setzt begrifflich eine Steuerpflicht voraus, so dass sie vor
Beginn der Steuerpflicht nicht entstehen kann. Sie würde nach der gesetzlichen
Berechnungsmethode jedenfalls teilweise oder sogar ganz ins Leere laufen, wenn
sich die Erstzulassung nach der Filterausrüstung beim KfZ-Händler verzögert.
Auch dies spricht für die Auslegung des Begriffes “nachträglich”, dass damit eine
technische Verbesserung des Fahrzeugs nach dessen Erstzulassung gemeint ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO).