Urteil des FG Schleswig-Holstein vom 15.03.2017

FG Schleswig-Holstein: fahrzeug, steuerbefreiung, verkehr, einbau, einspruch, kennzeichen, werk, begriff, anerkennung, ankauf

1
2
3
4
5
6
Gericht:
Schleswig-
Holsteinisches
Finanzgericht 3.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahr:
2006
Aktenzeichen:
3 K 100/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 3c Abs 1 S 1 KraftStG, § 9a
KraftStG, § 1 Abs 1 Nr 1
KraftStG
(Eine nachträgliche technische Verbesserung im Sinne von
§ 3 c Abs. 1 Satz 1 KraftStG liegt nur vor, wenn der PKW
nach seiner Erstzulassung mit einem Rußpartikelfilter
nachgerüstet wird)
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um eine Steuerbefreiung für besonders partikelreduzierte
Personenkraftwagen (Pkw).
Der Kläger erwarb im April 2006 einen Pkw (Neuwagen) der Marke Honda. Dabei
handelt es sich um ein Diesel-Fahrzeug, das werksmäßig nicht mit einem
Rußpartikelfilter ausgerüstet war. Der Kläger gab nach dem Kauf des Pkw den
Einbau eines solchen Filters in Auftrag, der nach einer Bescheinigung der Kfz-
Zulassungsstelle am 10. April 2006 erfolgte. Am 11. April 2006 wurde das
Fahrzeug mit dem Kennzeichen ... auf den Kläger zugelassen. Mit Kfz-
Steuerbescheid vom 02. Mai 2006 wurde für das Kraftfahrzeug eine Jahressteuer
von 355 € (15,44 € je angefangenen 100 cm³ Hubraum) festgesetzt. Dabei wurde
von einem Personenkraftwagen mit 2.204 cm³ Hubraum, einem Dieselmotor und
der Emissionsklasse 04/62 ausgegangen.
Mit Schreiben vom 04. April 2007 beantragte der Kläger beim Beklagten, den
Einbau des Rußpartikelfilters steuerlich zu fördern und mit seiner
Steuerfestsetzung zum 11. April 2007 zu verrechnen oder den Betrag zu
erstatten. Mit Bescheid vom 06. Juni 2007 lehnte der Beklagte eine Förderung des
Fahrzeuges des Klägers ab. Nach § 3 c des Kraftfahrzeugsteuergesetzes
(KraftStG) sei das Halten von Personenkraftwagen mit Dieselmotor befristet von
der Steuer befreit, wenn das Fahrzeug nachträglich - das heiße nach der
Erstzulassung - mit einem Partikelfilter ausgerüstet werde. Der Partikelfilter sei
aber vor der Zulassung in das Fahrzeug des Klägers eingebaut worden.
Der Kläger legte am 15. Juni 2007 Einspruch gegen den Ablehnungsbescheid ein,
den er im Wesentlichen damit begründete, dass die Voraussetzungen des § 3 c
Abs. 1 KraftStG erfüllt seien. Sein Fahrzeug sei im April 2006 nachgerüstet und am
11. April 2006 erstmals zugelassen worden. Die Steuerbefreiung habe somit am
Tag der Erstzulassung beginnen müssen. Es sei nicht ersichtlich, dass der Pkw
zunächst hätte angemeldet werden und dann am nächsten Tag oder später die
Nachrüstung hätte in Auftrag gegeben werden müssen, um die Steuerbefreiung zu
erhalten.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 31. August
2007 als unbegründet zurück.
Der Kläger hat am 24. Juli 2007 Klage erhoben. Das Fahrzeug sei nach dem Ankauf
im April 2006 nachgerüstet worden. § 3 c KraftStG stelle nicht auf eine
Nachrüstung nach Zulassung ab, so dass dessen Voraussetzungen erfüllt seien.
Es sei nicht nachvollziehbar, dass das Fahrzeug habe zunächst angemeldet und
dann erst nachgerüstet werden müssen, um die steuerliche Förderung zu
erlangen.
7
8
9
10
11
12
13
14
16
17
18
15
Der Kläger beantragt nach dem Inhalt seines schriftlichen Vorbringens sinngemäß,
den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 06. Juni 2007 in
der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 31. August 2007 zu verpflichten, die
Kraftfahrzeugsteuer für seinen Pkw mit dem Kennzeichen ... unter Anerkennung
der Steuerbefreiung für besonders partikelreduzierte Personenkraftwagen gemäß
§ 3 c KraftStG ab dem 11. April 2006 neu festzusetzen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er hält die Klage mangels vorher ergangener Einspruchsentscheidung für
unzulässig, jedenfalls für unbegründet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakte und den der beigezogenen Kraftfahrzeugsteuerakte des
Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Die Klage hat als Verpflichtungsklage das Ziel, die vom Kläger begehrte
Steuerbefreiung nach § 3 c KraftStG für besonders partikelreduzierte
Personenkraftwagen zu erlangen. Sie ist zunächst als so genannte
Untätigkeitsklage im Sinne von § 46 Abs. 1 FGO vor Ergehen der
Einspruchsentscheidung erhoben worden. Wird - wie hier - während des
Klageverfahrens der Einspruch zurückgewiesen, so wird die Klage - unabhängig
davon, ob die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 Satz 1 und 2 FGO vorgelegen
haben - zulässig. Das Klageverfahren wird fortgesetzt, ohne dass eine erneute
Klage erforderlich oder zulässig wäre (vgl. BFH-Beschluss vom 28. Oktober 1988 III
B 184/86, BFHE 155, 12, BStBl II 1989, 107; von Groll, in: Gräber, FGO, 6. Aufl.
2006, § 46 Rdnr. 34).
Die Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Ablehnungsbescheid vom 06.
Juni 2007 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 31. August 2007 ist
rechtmäßig. Der Beklagte geht zutreffend davon aus, dass die Voraussetzungen
des § 3 c KraftStG nicht vorliegen.
Nach § 3 c Abs. 1 KraftStG ist das Halten von besonders partikelreduzierten
Personenkraftwagen mit Selbstzündungsmotor befristet von der Steuer befreit,
wenn das Fahrzeug in der Zeit vom 01. Januar 2006 bis zum 31. Dezember 2009
nachträglich technisch so verbessert wird, dass es einer
entspricht. Die Steuerbefreiung wird nur für Personenkraftwagen gewährt, die bis
zum 31. Dezember 2006 erstmals zugelassen wurden. Sie beginnt an dem Tag, an
dem nach Feststellung der Zulassungsbehörde die Voraussetzungen hierfür erfüllt
waren. Die Steuerbefreiung endet, sobald die Steuerersparnis auf der Grundlage
des jeweiligen Steuersatzes nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 KraftStG den Betrag von 330 €
erreicht hat. Sie wird für jedes Fahrzeug nur einmal gewährt.
Das Fahrzeug des Klägers wurde zwar am 11. April 2006 und damit bis zum 31.
Dezember 2006 erstmals zum Verkehr zugelassen. Es wurde aber nicht
nachträglich technisch so verbessert, dass es einer der im Gesetz angeführten
Partikelminderungsstufen oder -klassen entspricht. Eine nachträgliche technische
Verbesserung im Sinne von § 3 c Abs. 1 Satz 1 KraftStG liegt nur dann vor, wenn
die Nachrüstung - etwa mit einem Rußpartikelfilter - nach der erstmaligen
Zulassung des Fahrzeuges erfolgte (vgl. Zens, NWB Fach 8, S. 1567, 1569;
Strodthoff, Kraftfahrzeugsteuer, § 3 c Rdnr. 10 [Stand September 2007]).
Der Begriff “nachträglich” ist auslegungsbedürftig. Der Wortlaut ist nicht eindeutig
und lässt mehrere Interpretationen zu. In ihm kommt aber jedenfalls zum
Ausdruck, dass Fahrzeuge die bereits ab Werk - das heißt ursprünglich - mit der
erforderlichen Partikelminderungstechnik ausgerüstet sind, nicht gefördert werden
sollen. Dem Gesetzeswortlaut ist aber nicht klar zu entnehmen, ob sich der Begriff
“nachträglich” auf den Zeitpunkt nach der werkseitigen Herstellung des
Fahrzeuges oder auf den Zeitpunkt nach dessen Erstzulassung bezieht. Der
Wortlaut lässt vielmehr beide Auslegungen zu.
19
21
22
23
24
Aus den Gesetzgebungsmaterialien ist allerdings ersichtlich, dass es dem
Gesetzgeber um die Schaffung finanzieller Anreize zur Nachrüstung im Verkehr
befindlicher Fahrzeuge geht. Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung kann
die Partikelbelastung durch Personenkraftwagen mit Dieselmotor dadurch effizient
reduziert werden, dass im Verkehr befindliche Fahrzeuge mit moderner
Partikelminderungstechnik nachgerüstet werden. Vordringlich sei daher die
Nachrüstung von Altfahrzeugen. Die Vorschrift des Kraftfahrzeugsteuergesetzes
werde geändert, um steuerliche Anreize für den nachträglichen Einbau von
Partikelminderungstechnik in Personenkraftwagen mit Dieselmotor zu schaffen,
damit von diesen deutlich geringere gesundheitliche Gefährdungen und
Belastungen für die Umwelt ausgingen. Nachgerüstete im Verkehr befindliche
Fahrzeuge würden befristet steuerlich befreit, während nicht nachgerüstete
zugelassene Fahrzeuge und Neufahrzeuge, die den voraussichtlichen Euro-5-
Grenzwert für Partikelmasse (0,005 g/km) nicht einhielten, erhöht besteuert
würden (vgl. BT-Drs. 16/4010, S. 1).
Dem Gesetzgeber ging es somit darum, bereits im Verkehr befindliche -
zugelassene - Dieselfahrzeuge zu fördern. Weder mit Partikelminderungstechnik
ausgerüstete Neufahrzeuge noch vor ihrer Erstzulassung mit einer solchen
Technik “nach”-gerüstete Pkw sollen danach gefördert werden (vgl. auch
Strodthoff, a.a.O., § 3 c KraftStG Rdnr. 10). Mit Partikelminderungstechnik
ausgerüstete Neufahrzeuge und mit einer solchen Technik vor Erstzulassung
“nach”-gerüstete Pkw werden nach dem Konzept des Gesetzgebers insoweit
steuerlich begünstigt, als auf sie kein Zuschlag nach § 9 a KraftStG zu erheben ist.
Die Kraftfahrzeugsteuerpflicht knüpft nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG an das Halten
von inländischen Fahrzeugen zum Verkehr auf öffentlichen Straßen an. Dies setzt
bei zulassungspflichtigen Fahrzeugen die straßenverkehrsrechtliche Zulassung
voraus (vgl. BFH-Urteil vom 13. Januar 1987 VII R 147, 148, 150/84, BFHE 148, 542,
BStBl II 1987, 272). Damit wird auf einen klaren Abgrenzungsmaßstab abgestellt,
der auch im vorliegenden Zusammenhang nahe liegt, um das Merkmal
“nachträglich” leicht feststellbar zu machen. Wenn hingegen auf die werkseitige
Herstellung des Fahrzeuges abgestellt werden würde, kann es zu
Abgrenzungsschwierigkeiten kommen, wie die Ausrüstung mit einem
Rußpartikelfilter zeitlich einzuordnen ist, etwa wenn der Filter vom Werk als
Sonderausstattung vor der Auslieferung eingebaut wird.
Dass der Gesetzgeber die Steuerbefreiung mit der straßenverkehrsrechtlichen
Zulassung verknüpfen will, kommt im Übrigen auch dadurch zum Ausdruck, dass
sie nur für solche Personenkraftwagen gewährt wird, die bis zum 31. Dezember
2006 erstmals zugelassen wurden (§ 3 c Abs. 1 Satz 2 KraftStG) und dass Zeiten
vorübergehender Stilllegung und Zeiten außerhalb des auf einem
Saisonkennzeichen nach § 23 Abs. 1 b der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung
angegebene Betriebszeitraums bei der Berechnung der befristeten
Steuerbefreiung berücksichtigt werden (§ 3 c Abs. 4 KraftStG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO). Die Auslegung des Begriffes “nachträglich” in § 3 c Abs. 1 Satz 1 KraftStG
kann für viele Fallgestaltungen Bedeutung erlangen und war bislang - soweit
ersichtlich - noch nicht Gegenstand der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes.