Urteil des FG Schleswig-Holstein vom 15.03.2017

FG Schleswig-Holstein: ausländische steuer, einkünfte, staat, limitation, anwendbares recht, quellensteuer, europäisches gemeinschaftsrecht, puerto rico, kapitalverkehrsfreiheit, wahlrecht

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Gericht:
Schleswig-
Holsteinisches
Finanzgericht 2.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 K 221/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 34c Abs 1 EStG, § 34c Abs 2
EStG, § 68a EStDV
Die Begrenzung der Anrechnung ausländischer
Kapitalertragsteuer auf die deutsche Einkommensteuer
nach dem Grundsatz der "Per-Country-Limitation" verstößt
nicht gegen EU-Recht
Leitsatz
Die Begrenzung der Anrechnung ausländischer Kapitalertragsteuer auf die deutsche
Einkommensteuer nach dem Grundsatz der "Per-Country-Limitation" verstößt nicht
gegen EU-Recht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Steuerabzugs für ausländische
Einkünfte bei der deutschen Einkommensteuer.
Der Kläger erzielte in den Streitjahren 2004 - 2006 unter anderem ausländische
Kapitaleinkünfte aus den Niederlanden, Kanada, Puerto Rico (USA) und Italien. Den
hierauf entfallenden ausländischen Steuerabzug rechnete das Finanzamt nur
teilweise bei der deutschen Einkommensteuer an. Es ergeben sich insgesamt
folgende Werte:
Hinsichtlich der Zusammensetzung der Einkünfte im Einzelnen sowie der darauf
entfallenden Abzugsbeträge wird auf die Anlagen AUS zu den Steuererklärungen
verwiesen.
Die Einkommensteuerbescheide 2004 und 2005 ergingen unter dem Vorbehalt der
Nachprüfung. Gegen den Einkommensteuerbescheid 2006 vom 19. März 2008
erhob der Kläger form- und fristgerecht Einspruch. Einen Antrag auf Änderung der
Einkommensteuerbescheide 2004 und 2005 in Bezug auf die anzurechnende
ausländische Steuer lehnte das Finanzamt mit Bescheid vom 20. März 2008 ab.
Auch hiergegen erhob der Kläger rechtzeitig Einspruch.
Zur Begründung der Einsprüche trug der Kläger vor:
Die vom Finanzamt eingeschränkte Berücksichtigung ausländischer Quellensteuer
gemäß § 34 c EStG sei im Ergebnis nicht richtig. Bei der Berechnung würden nach
dem so genannten Grundsatz der „Per-Country-Limitation“ Fiktionen
vorgenommen, die durch das Gesetz nicht gedeckt seien. Das
Einkommensteuergesetz verlange die Besteuerung nach dem
Welteinkommensprinzip. Im Sinne einer gerechten Besteuerung müssten dann
auch alle geleisteten und der Einkommensteuer entsprechenden Steuern
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auch alle geleisteten und der Einkommensteuer entsprechenden Steuern
berücksichtigt werden. Dieses sei jedoch durch die länderweise Berechnung und
Berücksichtigung von ausländischen Steuern nicht gewährleistet.
Mit Entscheidung vom 25. September 2008 wies das Finanzamt die Einsprüche als
unbegründet zurück:
Der Steuerabzug für ausländische Einkünfte sei zutreffend berücksichtigt worden.
Gemäß § 34 c Abs. 1 Satz 1 EStG sei bei unbeschränkt Steuerpflichtigen, die mit
ausländischen Einkünften in dem Staat, aus dem die Einkünfte stammten, zu einer
der deutschen Einkommensteuer entsprechenden Steuer herangezogen worden,
die festgesetzte und gezahlte und keinem Ermäßigungsanspruch mehr
unterliegende ausländische Steuer auf die deutsche Einkommensteuer
anzurechnen, die auf die Einkünfte aus diesem Staat entfalle. Der Gesetzeszweck
des § 34 c Abs. 1 EStG liege darin, auf Grund des Welteinkommensprinzips
mögliche Doppelbesteuerung durch Anrechnung der ausländischen Steuer zu
vermeiden. Eine Anrechnung ausländischer Steuern sei nur bis zur Höhe der
deutschen Einkommensteuer möglich, die auf die betreffenden ausländischen
Einkünfte entfalle, da auch nur insoweit eine doppelte Besteuerung vorliege.
Würden inländische und ausländische Steuerbelastung voneinander abweichen,
wie das regelmäßig der Fall sein werde, so würden diese Einkünfte nach der
Anrechnung im Ergebnis der höheren der beiden Steuerbelastungen unterliegen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende Klage, zu deren
Begründung der Kläger Folgendes ausführt:
Das deutsche Einkommensteuersystem sei darauf gegründet, für das gesamte
Einkommen eines Steuerpflichtigen einen einheitlichen Steuerbetrag zu
bestimmen. § 36 EStG regele diesen Zusammenhang, in dem er bestimme, dass
einbehaltene inländische Quellensteuern auf die Gesamtsteuerschuld
anzurechnen und gegebenenfalls dann sogar zu erstatten seien. § 34 c EStG stelle
dagegen auf einen Teilbetrag der Einkünfte ab, und zwar nur auf die ausländischen
Einkünfte, die außerdem wiederum getrennt für jeden ausländischen Staat
betrachtet würden („Per-Country-Limitation“). § 34 c EStG führe also in das
deutsche Einkommensteuerrecht eine separierende Betrachtensweise ein, die
diesem normalerweise völlig fremd sei. Dieser Systembruch habe keine tragende
Begründung und verletze somit den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1
Grundgesetz) und führe zu einem Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit (Art.
56 EG-Vertrag). Die Anwendung der „Per-Country-Limitation“ verhindere eine
durchgängige Vermeidung der Doppelbesteuerung bei Bezug von Einkünften aus
mehreren Staaten, die mit ausländischen Steuern belastet seien, die teils höher
und teils niedriger als die entsprechenden deutschen Steuern seien. Ein Ausgleich
von hoch und niedrig besteuerten Einkünften verschiedener Länder sei nicht
möglich. Übersteige die ausländische Steuer den Anrechnungshöchstbetrag, so
könne für den übersteigenden Teil die Doppelbesteuerung im Ergebnis nicht
vermieden werden. Der nicht anrechenbare Teil der ausländischen Steuer könne
nämlich weder gemäß § 34 c Abs. 2 oder Abs. 3 EStG noch unter anderen
Gesichtspunkten bei der Einkommensermittlung abgesetzt werden. Insbesondere
könnten derartige Anrechnungsüberhänge nicht im Rahmen eines
Anrechnungsvor- oder Rücktrags steuerlich zur Geltung gebracht werden. Auf die
vom Kläger in diesem Zusammenhang durchgeführte Beispielsrechnung im
Schriftsatz vom 20. November 2008 wird Bezug genommen. Demzufolge führe die
nur teilweise anrechenbare ausländische Quellensteuer zu einer umso stärkeren
steuerrechtlichen Ungleichbehandlung, je mehr die Verlagerung auf verschiedene
Länder erfolge. Dieser Effekt werde noch verstärkt, wenn der deutsche
Einkommensteuersatz unter dem Satz der ausländischen Quellensteuer liege.
Prof. Dr. Schaumburg vertrete ebenfalls die Auffassung, dass die in § 34 c Abs. 1
EStG verankerte „Per-Country-Limitation“ zu einem Verstoß gegen die
Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 EG-Vertrag) führe. Die Kapitalverkehrsfreiheit
verlange zwar - so sei die bislang vertretene Auffassung gewesen - nicht die
Anrechnung der ausländischen Steuer über die inländische Steuer hinaus.
Ausländische Kapitalanlagen würden aber jedenfalls dadurch behindert, dass im
Rahmen der nach § 34 c Abs. 1 EStG erforderlichen Höchstbetragsberechnung
jeweils gesondert auf die Steuer eines jeden Staates abgestellt werde. Hierdurch
werde der freie Kapitalverkehr beeinträchtigt. Kapitalanleger würden aus
steuerlichen Gründen veranlasst, ihre Kapitalanlagen möglichst in einem Staate zu
konzentrieren, um Anrechnungsüberhänge zu vermeiden. Auf die weiteren
Ausführungen von Schaumburg (in Besteuerung von Einkommen, DStJG Band 24,
Seite 250 ff) nimmt der Kläger Bezug. Auch der Aufsatz „Europarechtliche
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Seite 250 ff) nimmt der Kläger Bezug. Auch der Aufsatz „Europarechtliche
Vorgaben für die Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung im Wege der
Anrechnungsmethode“ von Cordewener/Schnitger (in Steuer und Wirtschaft -
StuW- 2006, 50 ff) zeige, dass der Einfluss der EG-Grundfreiheiten in Deutschland
zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei der konkreten Anrechnungsmethode
zu beachten sei. Dies betreffe den objektiven Anwendungsbereich dieser Norm
und dort vor allem die durch den Anrechnungshöchstbetrag vorgegebenen
quantitativen Begrenzungen für den Umfang der anrechnungsfähigen
ausländischen Steuer. Die gesetzliche Regelung in § 34 c EStG wirke in Bezug auf
Grundfreiheiten diskriminierend. Zur Vermeidung wäre zum einen die für die
inländische Quellensteuerabzüge vorgesehene Vollanrechnung (§ 36 Abs. 2 Nr. 2
EStG) auf die vergleichbare Auslandseinkünfte im ausländischen Quellenstaat
erhobenen Abzugssteuern gleichfalls vollständig zur Anrechnung auf die
inländische Steuerschuld zu bringen. Zum anderen verstoße die durch die
Berechnungsformel des § 34 c Abs. 1 Satz 2 EStG eintretende Verkürzung der
Berücksichtigung personenbezogener Steuervergünstigungen einer natürlichen
Person gegen die Grundfreiheiten in ihrer Auslegung durch den Europäischen
Gerichtshof. Des Weiteren sei die Berechnung des Anrechnungshöchstbetrages
nach Maßgabe einer „Per-Country-Limitation“ binnenmarktfeindlich. Eine
einheitliche „Per-Country-Limitation“ Ausland könne den Verfassungsverstoß
zumindest mildern. Aber auch dies beseitige nicht den Verstoß gegen die EU-
Grundfreiheiten. Schließlich sei der Anrechnungsausschluss ausländischer Steuern
im Falle der Erzielung von Inlandsverlusten grundfreiheitlich bedenklich. Das
Finanzgericht Köln (Urteil vom 11. Juli 2002 Az. 7 K 8572/98, EFG 2002, 1391) habe
zwar bestätigt, dass eine Steuerermäßigung gemäß § 34 c Abs. 1 Satz 1 EStG nur
dann gewährt werde, wenn auf die ausländischen Einkünfte rechnerisch deutsche
Einkommensteuer entfalle. Dieses solle weder gegen das EU-Recht noch gegen
den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz verstoßen. Dabei verkenne
jedoch das Finanzgericht, dass einerseits Welteinkünfte in voller Höhe versteuert
würden, andererseits jedoch der deutschen Einkommensteuer entsprechende
Quellensteuern nur teilweise angerechnet würden. Diese Entscheidung werde auch
in der Fachliteratur kritisch beurteilt. Denn durch die limitierte Steueranrechnung
werde das Anlageverhalten beeinflusst. Eine verminderte Anrechnung von
ausländischen Quellensteuern sei geeignet, Kapitaltransfer zu unterbinden. Dies
könne insbesondere gravierende Auswirkungen in den Fällen haben, in denen mit
dem Kauf von ausländischen Wertpapieren kurz vor einem Zinstermin Stückzinsen
anfallen; danach werde die Zinszahlung und der Quellensteuerabzug fällig, der
Saldo aus Zinsertrag abzüglich Stückzinsen führe in Relation zu den ungekürzten
Quellensteuern zu einer unverhältnismäßigen steuerlichen Belastung; zugleich sei
der Verstoß gegen die Grundfreiheiten des EG-Vertrages offenbar. Auch insoweit
wird auf die vom Kläger durchgeführte Beispielsrechnung Bezug genommen.
Im Schriftsatz vom 10. Februar 2011 führt der Kläger schließlich aus, dass die
Besteuerung des Steuersubstrats „Kapitaleinkünfte“ in mehr als einem Staat
durch die Anknüpfung an den Kläger als Einkommensteuer-Subjekt grundsätzlich
zu einer rechtlichen Doppelbesteuerung der in Rede stehenden Kapitalerträge
führe, die im vorliegenden Fall auch zu einer Überbesteuerung führe. Die als
Grundfreiheiten in den Art. 29, 45, 49, 56 und 63 des Vertrages über die
Arbeitsweise der Europäischen Gemeinschaften i.d. Fassung vom 13. Dezember
2007 –Lissabon (AEUV) verbrieften Rechte der Gemeinschaftsbürger seien
unmittelbar anwendbares Recht, das nationales Recht überlagere und im
Kollisionsfall gegenüber Gemeinschaftsbürgern unanwendbar mache. Die Freiheit
des Kapital- und Zahlungsverkehrs, Art. 63 AEUV verbiete Beschränkungen des
Kapitalverkehrs zwischen Mitgliedstaaten und zwischen Mitgliedstaaten und
Drittländern. Zu dem Kapitalverkehr in diesem Sinne würden auch der Erwerb und
das Halten von Aktien und Beteiligungen und der Bezug von Dividenden hieraus
gehören. Im vorliegenden Fall habe die Höchstbetragsregelung in § 68a Satz 2
ESTDV dazu geführt, dass Steuerbeträge, die in den jeweiligen Quellenstaaten
erhoben worden seien, i.H. von 3.104,-EUR nicht auf die EST des Klägers
angerechnet worden seien. Für diesen tatbestandlichen Eingriff in eine
Grundfreiheit bestünden auch keine geschriebenen oder ungeschriebenen
Rechtfertigungsgründe. Im Einzelnen wird auf den Schriftsatz vom 10. Februar
2011 Bezug genommen.
Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Finanzamt bezieht sich zur Begründung auf die Ausführungen in der
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Das Finanzamt bezieht sich zur Begründung auf die Ausführungen in der
Einspruchsentscheidung.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die vorbereitenden
Schriftsätze sowie 1 Band Einkommensteuerakten mit der Steuernummer ...
Bezug genommen. Diese waren beigezogen und Gegenstand der mündlichen
Verhandlung und Entscheidung.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Die angefochtenen Verwaltungsakte sind nicht rechtswidrig und verletzen den
Kläger daher nicht in seinen Rechten. Eine Änderung der Steuerfestsetzung 2006
bzw. eine Verpflichtung des Finanzamts zur Änderung der Steuerfestsetzungen
2004 und 2005 kommen somit nicht in Betracht (§§ 100 Abs. 1, 2, 101
Finanzgerichtsordnung -FGO-). Das Finanzamt hat zu Recht die Anrechnung
weiterer ausländischer Steuerabzugsbeträge auf die festzusetzende inländische
Einkommensteuer abgelehnt. Hierin liegt kein Verstoß gegen europäisches
Gemeinschaftsrecht. Die hilfsweise geltend gemachte Berücksichtigung der nicht
angerechneten ausländischen Kapitalertragsteuer als Werbungskosten kommt
ebenfalls nicht in Betracht.
Gemäß § 34 c Abs. 1 EStG ist bei unbeschränkt Steuerpflichtigen, die mit
ausländischen Einkünften in dem Staat, aus dem die Einkünfte stammen, zu einer
der deutschen Einkommensteuer entsprechenden Steuer herangezogen werden,
die festgesetzte und gezahlte und keinem Ermäßigungsanspruch mehr
unterliegende ausländische Steuer auf die deutsche Einkommensteuer
anzurechnen, die auf die Einkünfte aus diesem Staat entfällt. Nach Satz 2 ist die
auf diese ausländischen Einkünfte entfallende deutsche Einkommensteuer in der
Weise zu ermitteln, dass die sich bei der Veranlagung des zu versteuernden
Einkommens - einschließlich der ausländischen Einkünfte - nach den §§ 32 a, 32 b,
34 und 34 b ergebende deutsche Einkommensteuer im Verhältnis dieser
ausländischen Einkünfte zur Summe der Einkünfte aufgeteilt wird. Nach § 68 a
Einkommensteuerdurchführungsverordnung -EStDV- ist die für die Einkünfte aus
einem ausländischen Staat festgesetzte und gezahlte und keinem
Ermäßigungsanspruch mehr unterliegende ausländische Steuer nur bis zur Höhe
der deutschen Steuer anzurechnen, die auf die Einkünfte aus diesem
ausländischen Staat entfällt. Stammen die Einkünfte aus mehreren ausländischen
Staaten, so sind die Höchstbeträge der anrechenbaren ausländischen Steuern für
jeden einzelnen ausländischen Staat gesondert zu berechnen (§ 68 a Satz 2
EStDV, so genannte „Per-Country-Limitation“).
Diese Höchstbetrags-Berechnung ist im Streitfall auch anwendbar, obwohl mit
allen Staaten, aus denen der Kläger Kapitalerträge bezogen hatte
Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) bestehen. Zwar sind nach § 34c Abs. 6
Satz 1 EStG die Absätze 1-3 nicht anzuwenden, wenn die Einkünfte aus einem
ausländischen Staat stammen, mit dem ein DBA besteht. Soweit in einem DBA
die Anrechnung einer ausländischen Steuer auf die deutsche Einkommensteuer
vorgesehen ist, sind aber nach § 34c Abs. 6 Satz 2 die Absätze 1 Satz 2-5 und
Abs. 2 entsprechend auf die nach dem DBA anzurechnende ausländische Steuer
anzuwenden. Sämtliche im Streitfall maßgeblichen DBA sehen eine entsprechende
Anrechnung vor (vgl. Art. 20 Abs. 2 DBA-Niederlande, Art. 24 Abs. 3b DBA-Italien,
Art. 23 Abs. 2b DBA-Kanada, Art. 23 Abs. 3b DBA-USA).
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass das Finanzamt in den angefochtenen
Einkommensteuerbescheiden die anzurechnende ausländische Steuer
entsprechend diesen Rechtsgrundlagen ermittelt hat. Auch für den Senat
bestehen insoweit keine Bedenken.
Es bestehen zunächst keine Bedenken dagegen, dass die Vorschrift des § 68a
EStDV auf einer ausreichenden Ermächtigungsgrundlage im Sinne des Art. 80 Abs.
1 Grundgesetz (GG) basiert. Denn nach § 34c Abs. 7 Nr.1 EStG können durch
Rechtsverordnung Vorschriften erlassen werden über die Anrechnung
ausländischer Steuern, wenn die ausländischen Einkünfte aus mehreren fremden
Staaten stammen. Konkrete Bedenken hiergegen werden vom Kläger auch nicht
vorgebracht.
Diese Anrechnungsmethode verstößt auch nicht gegen EU-Recht. Nach Art. 56
Abs. 1 des für die Streitjahre maßgebenden EG-Vertrags sind alle Beschränkungen
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Abs. 1 des für die Streitjahre maßgebenden EG-Vertrags sind alle Beschränkungen
des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten verboten. Nach Art. 52, 58 EG-
Vertrag sind ferner Beschränkungen der freien Niederlassung von Gesellschaften
eines Mitgliedstaates im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates verboten. In
der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass die Beschränkung der direkten
Steueranrechnung auf den Höchstbetrag Beteiligungen an ausländischen
gegenüber solchen an inländischen Kapitalgesellschaften in mehrfacher Hinsicht
benachteiligt (z.B. Gosch in Kirchhof, Kommentar zum EStG, § 34 c Rn. 39; weitere
Nachweise bei Wassermeyer/Schönfeld, Außensteuerrecht, Vor § 34 c EStG,
Fußnote 4 zu Anm. 31), zum einen dadurch, dass dort die Steueranrechnung der
Höchstbetragsberechnung unterfällt, während hier die Anrechnung der
Kapitalertragsteuer unbeschränkt ist, und zum anderen durch die länderbezogene
Beschränkung und den dadurch ausgelösten Verlust etwaiger
Anrechnungsüberhänge. Diese Schlechterstellung aber kann dazu verleiten,
bevorzugt Anteile an inländischen Kapitalgesellschaften zu erwerben (Gosch
a.a.O.).
Dieser Auffassung ist jedoch nicht zu folgen. Denn die Grundfreiheiten wollen
lediglich sicherstellen, dass die Produktionsfaktoren ungehindert an den Ort ihres
effizientesten Einsatzes gelangen. Zu den diesen Ort determinierenden
Standortbedingungen gehören aber auch die steuerlichen Gegebenheiten. Und
sind diese aufgrund eines höheren Steuerniveaus weniger optimal, dann ist es
nicht Aufgabe der Grundfreiheiten, dafür zu sorgen, dass die Produktionsfaktoren
an diesen (negativen) Ort gelangen. Angewendet auf die Anrechnungsproblematik
bedeutet dies, dass der Wohnsitzstaat über die Grundfreiheiten nicht dazu
gezwungen werden kann, den Standortnachteil des Quellenstaats im Wege der
unbegrenzten Anrechnung zu kompensieren (so zutreffend
Wassermeyer/Schönfeld, a.a.O., Anm. 31; ebenso Beschluss des Bundesfinanzhofs
-BFH- vom 3. Dezember 2003, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter
Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -BFH/NV- 2004, 525; Blümich/Wagner,
Kommentar zum EStG, § 34 c Rn. 14). Auch der Europäische Gerichtshof hat in
seinem Urteil vom 12. Mai 1998 (Der Betrieb -DB- 1998, 1381 „Gilly“) in der
Nichtberücksichtigung eines Anrechnungsüberhangs, der aufgrund der höheren
Progression der deutschen Einkommensteuer in Frankreich verblieben war, keine
Verletzung der Grundfreiheiten gesehen. Es soll danach nicht durch die
Grundfreiheiten gewährleistet werden, dass die Steuern, die von dem
Steuerpflichtigen in dem einen Staat erhoben werden, nicht höher sind als
diejenigen, die von ihm in dem anderen Staat erhoben werden. Die möglichen
nachteiligen Auswirkungen des Steueranrechnungsverfahrens ergeben sich in
erster Linie aus den unterschiedlichen Steuersätzen der betreffenden
Mitgliedstaaten, deren Festsetzung in Ermangelung einer Gemeinschaftsregelung
auf diesem Gebiet in die alleinige Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt. Im
Übrigen wäre der Wohnsitzstaat, wenn er als Steueranrechnungsbetrag einen
höheren Betrag als den den Einkünften aus ausländischer Quelle entsprechenden
Teilbetrag der nationalen Steuer berücksichtigen müsste, gezwungen, seine
Steuer auf die übrigen Einkünfte entsprechend zu verringern, was für diesen Staat
zu einem Verlust an Steuereinnahmen führen und damit seine Souveränität auf
dem Gebiet der direkten Steuern beeinträchtigen würde (Urteil des EuGH vom 12.
Mai 1998, a.a.O., Rn. 46-48). Auch nach Ansicht des FG Baden-Württemberg
verstößt die Regelung zur quotalen Ermittlung der auf die ausländischen Einkünfte
entfallenden deutschen Einkommensteuer nicht gegen die Grundsätze der Freiheit
des Kapitalverkehrs (Urteil vom 21. Juli 2010 1 K 332/09, EFG 2010, 1689, Revision I
R 71/10).
Die „Per-Country-Limitation“ stellt ebenfalls keine Verletzung der Grundfreiheiten
dar. Denn die Anrechnungsüberhänge sind lediglich das Ergebnis von schlechteren
steuerlichen Rahmenbedingungen im Einkunftsstaat. Es ist aber nicht Aufgabe der
Grundfreiheiten, die Produktionsfaktoren an einen solchen wenig optimalen
Standort zu lenken. Insbesondere vor dem Hintergrund eines vom
Gemeinschaftsrecht eingeforderten Wettbewerbs der Steuersysteme wäre es
geradezu kontraproduktiv, eine grenzüberschreitende Wertschöpfung in einem
derart steuerlich nachteilhaften ausländischen Staat dadurch zu ermöglichen,
dass der inländische Steuerpflichtige (zu Lasten des inländischen Fiskus) den
entstehenden Anrechnungsüberhang mit einem Anrechnungsguthaben in einem
Niedrigsteuerstaat ausgleicht (Wassermeyer/Schönfeld, a.a.O., Vor § 34 c EStG,
Anm. 32; ebenso Lieber in Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zum KStG, § 26
Anm. 4 zu § 26 Abs. 6 KStG, der auf § 34c Abs. 1 EStG verweist).
Eine Gemeinschaftsrechtswidrigkeit ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass
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Eine Gemeinschaftsrechtswidrigkeit ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass
bei der Berechnung der jeweiligen länderbezogenen Höchstbeträge auf das
Verhältnis der ausländischen Einkünfte zur Summe der Einkünfte abgestellt wird.
Allerdings wird hierin ein anteiliger Verlust der persönlichen Verhältnisse des
Steuerpflichtigen in Gestalt der Sonderausgaben und außergewöhnlichen
Belastungen und damit eine diskriminierende Wirkung gesehen, da die
Niederlassungsfreiheit und das Recht auf Freizügigkeit die volle Berücksichtigung
dieser persönlichen Verhältnisse im Wohnsitzstaat erfordern (Gosch a.a.O. RNr.
39; Schnitger Finanzrundschau –FR- 2003, 148, 150 Nr. 11 a.E. unter
Bezugnahme auf das Urteil des EuGH vom 12. Dezember 2002, FR 2003, 141 „de
Groot“; auch Schönfeld a.a.O. Anm. 35 a.E.). Dagegen könnte bereits sprechen,
dass es aufgrund des Neutralisierungsgedankens der Anrechnungsmethode
sachgerecht ist, bei der Bestimmung des Anrechnungshöchstbetrages danach zu
fragen, welche Steuerbelastung eingetreten wäre, wenn die ausländischen
Einkünfte im Inland erzielt worden wären, da dies der Vergleichsmaßstab ist (vgl.
Berechnungsbeispiel bei Schönfeld a.a.O.) Letztlich sieht der Senat einen Verstoß
gegen Gemeinschaftsrecht jedenfalls deshalb als nicht gegeben an, da dem
Steuerpflichtigen alternativ zur Anrechnung das Wahlrecht nach § 34c Abs. 2 EStG
zusteht und die ausländische Steuer bei der Ermittlung der Einkünfte abziehen
kann (Wagner a.a.O.).
Soweit geltend gemacht wird, dass das Gemeinschaftsrecht bei Geltung des „Per-
Country-Limitation“ jedenfalls die Möglichkeit eines Vor- oder Rücktrages von
Anrechnungsüberhängen erfordere, kann der Senat dem ebenfalls nicht folgen (so
aber Lieber a.a.O.; Schönfeld a.a.O.). Es kann offen bleiben, inwieweit gegenüber
dem Kläger im Streitfall bei Geltung einer derartigen Vor- und/oder
Rücktragsregelung in den Streitjahren eine niedrigere Steuerfestsetzung zu
erfolgen hätte. Denn auch insoweit steht dem Kläger als Ausweichmöglichkeit das
Wahlrecht des § 34c Abs. 2 EStG zur Verfügung.
Schließlich führt auch die unterschiedliche Behandlung der inländischen bzw.
ausländischen Quellensteuer nicht zu einem Verstoß gegen das
Gemeinschaftsrecht. Insoweit ist die Systematik des Einkommensteuer-Rechts zu
berücksichtigen: Die festgesetzte Einkommensteuer wird durch Zahlung getilgt.
Festgesetzte Einkommensteuer ist die Einkommensteuer, die nach
Berücksichtigung von Ermäßigungen - zum Beispiel Anrechnung ausländischer, der
deutschen Einkommensteuer entsprechender Steuern nach § 34c EStG - durch
Steuerbescheid bestimmt bzw. festgesetzt ist. Nach § 36 Abs. 2 Satz 2 EStG sind
sodann auf die Einkommensteuer die für den Veranlagungszeitraum entrichteten
Einkommensteuervorauszahlungen, die einbehaltenen Steuerabzugsbeträge -
dazu zählt gemäß § 43 EStG auch die Kapitalertragsteuer einschließlich
Zinsabschlag - und die anzurechnende Körperschaftsteuer anzurechnen. Reicht
die Summe der anzurechnenden Steuerbeträge zur Tilgung der Einkommensteuer
nicht aus, hat der Steuerpflichtige die Differenz (Minderzahlung) innerhalb eines
Monats nach Bekanntgabe des Steuerbescheids als Abschlusszahlung zu
entrichten (§ 36 Abs. 4 Satz 1 EStG). Ist die genannte Summe größer, ist die sich
zugunsten des Steuerpflichtigen ergebende Überzahlung nach Bekanntgabe des
Steuerbescheids aufgrund der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung in § 36 Abs. 4
Satz 2 EStG auszuzahlen. Die inländische Quellensteuer stellt lediglich eine
Vorauszahlung auf die ESt dar. Die ausländische Quellensteuer bewirkt aber eine
abschließende Besteuerung im Ausland und begründet diejenige
Standortbestimmung, die im Falle eines nachteiligeren Steuerniveaus eben als
wenig optimal einzustufen ist. Die abschließend wirkende ausländische
Quellensteuer ist im Hinblick auf ihre Funktion im Besteuerungssystem anders
gelagert und deshalb der inländischen Quellensteuer nicht vergleichbar (Schönfeld
a.a.O Anm. 31).
Für den hilfsweise geltend gemachten Abzug der nicht angerechneten
ausländischen Steuern als Werbungskosten ist keine Rechtsgrundlage vorhanden.
Nach § 34c Abs. 2 EStG kann zwar statt der Anrechnung nach Absatz 1 die
ausländische Steuer auf Antrag bei der Ermittlung der Einkünfte abgezogen
werden, soweit sie auf ausländische Einkünfte entfällt, die nicht steuerfrei sind.
Hiermit wird dem Kläger aber ein Wahlrecht gewährt (Schmidt/Heinicke, EStG, §
34c RNr. 26). Vorliegend hat der Kläger keinen solchen Antrag gestellt. Vielmehr
geht sein Begehren dahin, grundsätzlich die ausländischen Steuern nach Absatz 1
auf die inländischen Steuern anzurechnen. Das Gesetz sieht keine
kumulative Möglichkeit vor, den Anrechnungsüberhang von den Einkünften
abzuziehen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung
zuzulassen.