Urteil des FG Schleswig-Holstein vom 15.03.2017

FG Schleswig-Holstein: unmittelbarkeit, körperschaft, juristische person, verfügung, hilfsperson, geschäftsbetrieb, gesellschafter, begriff, satzung, unternehmen

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Gericht:
Schleswig-
Holsteinisches
Finanzgericht 1.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahr:
1997
Aktenzeichen:
1 K 104/00
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 55 AO, § 57 AO, § 58 Nr 3
AO, § 5 Abs 1 Nr 9 KStG 1996,
§ 64 AO
Personalgestellung an andere gemeinnützige Einrichtung
zur Verwirklichung deren satzungsmäßiger Zwecke steht
Gebot der "Unmittelbarkeit" i.S. des 57 AO nicht entgegen
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob die Klägerin der Körperschaftsteuer(KSt)-Pflicht
unterliegt.
Die Klägerin ist durch notariellen Vertrag vom 30. September 1997 gegründet
worden. Das Stammkapital wird zu 90 % von der Stiftung für ... (im Folgenden
abgekürzt X), sowie in Höhe von 10 % von der Stiftung für ... (im Folgenden
abgekürzt Y), gehalten. Die X ist eine heilpädagogische christlich-soziale
Facheinrichtung für heilende Erziehung und Behandlung von verhaltensgestörten,
behinderten Kindern und Jugendlichen in therapeutisch eingerichteten
Kinderfamilien mit Anschlussmaßnahmen zur beruflichen Eingliederung und
Ausbildung von entwicklungsverzögerten, behinderten Jugendlichen und
Heranwachsenden in sozialpädagogischen Wohngemeinschaften mit
Ausbildungsplätzen.
Die Y betätigt sich u.a. in der heilpädagogischen und christlichen Betreuung und
Förderung junger Menschen mit Entwicklungsstörungen und Behinderungen.
Sowohl die X wie auch die Y sind als gemeinnützig anerkannt.
Gegenstand der Tätigkeit der Klägerin sind gem. § 2 des Gesellschaftsvertrages
vom 30. September 1997
“Heilpädagogische Dienstleistungen zur ergänzenden und begleitenden Betreuung
von entwicklungsgestörten und behinderten Menschen, insbesondere die
abendliche und nächtliche Betreuung, die therapeutische Förderung und
Freizeitlenkung dieser Menschen sowie die pflegerische Betreuung von Menschen
mit psychischen, geistigen und körperlichen Einschränkungen und
Behinderungen.”
In § 2 Tz. 2 des Gesellschaftsvertrages heißt es weiterhin, dass die Klägerin Sorge
dafür trägt, dass bei der Führung der Geschäfte sinngemäß die Grundsätze der X
und Y dem Gesellschaftszweck entsprechend beachtet werden. Gem. § 3 des
Gesellschaftsvertrages verfolgt die Klägerin ausschließlich und unmittelbar
gemeinnützige, wohltätige Zwecke im Sinne des Abschnitts “steuerbegünstigte
Zwecke” der Abgabenordnung (AO), insbesondere die in § 2 genannten Zwecke.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Gesellschaftsvertrag Bezug
genommen.
Die Klägerin ist Mitglied des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbands -
Landesverband Schleswig-Holstein.
Die Klägerin hat entsprechend ihrem Gesellschaftszweck in dem Zeitraum vom 1.
bis 31. Dezember 1997 (Rumpfwirtschaftsjahr) mit bei ihr angestellten Betreuern
und Honorarkräften entwicklungsgestörte und behinderte Jugendliche, die in den
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und Honorarkräften entwicklungsgestörte und behinderte Jugendliche, die in den
beiden Stiftungen untergebracht waren in Abend- und Nachtdiensten betreut und
therapeutisch gefördert und auch Fördermaßnahmen gegenüber anderen
Jugendlichen erbracht. Die Abend- und Nachtdienste waren, bis zur Gründung der
Klägerin von der X und der Y erbracht worden; seitdem sind diese Dienste auf die
Klägerin verlagert worden. Der Tages- und Frühdienst wird nach wie vor von der X
und der Y erbracht. Durch ihre Dienste stellt die Klägerin lückenlose Betreuung und
Beaufsichtigung der behinderten Jugendlichen sicher. Grund für die Ausgliederung
waren einmal Haftungsgründe und zum anderen das Bestreben, die
Mitarbeiterzahl für die einzelnen Unternehmen so zu senken, dass die Vorschriften
des Betriebsverfassungsgesetzes nicht eingriffen; ohne die Ausgliederung hätte
Personal für die vollzeitliche Betriebsratstätigkeit freigestellt werden müssen (vgl.
im Übrigen Top 8 der Sitzung des Heilpädagogiums vom 13. September 1997).
Das Verhältnis zwischen der X und Y einerseits und der Klägerin andererseits stellt
sich (unstreitig) wie folgt dar: Die X und Y erteilen der Klägerin den Auftrag zur
Durchführung von Abend- und Nachtdiensten in den Betreuungsgruppen der
Stiftungen; unter Beachtung der organisatorischen Rahmenbedingungen der
Stiftungen werden die Aufträge in Eigenverantwortung der Klägerin durchgeführt. In
ihren Händen liegt die gesamte Personalplanung und -disposition sowie
insbesondere die Auswahl und Fortbildung der Mitarbeiter. Die erforderlichen
fachlichen Dienst- und Arbeitsanweisungen werden ebenfalls von der Klägerin
erteilt; ihre Einhaltung wird durch ihre Leitung bzw. leitende Mitarbeiter überwacht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die von der Klägerin mit Schriftsatz vom
13. Juni 2003 eingereichte Leistungsbeschreibung Bezug genommen.
Über die im Jahre 1997 (Dezember) erbrachten Betreuungsleistungen stellte sie
der X und Y insgesamt 74.895 DM in Rechnung; hiermit sollten die bei ihr
entstandenen Personalkosten einschließlich eines Organisationszuschlags
abgegolten werden. Weiterhin erzielte sie aus sonstigen heilpädagogischen
Leistungen, die sie im Auftrag der X für Sozialämter erbrachte
(Arbeitstrainingsmaßnahmen) und diesen unmittelbar in Rechnung stellte,
Einnahmen in Höhe von 4.954 DM. Insgesamt beliefen sich danach die Einnahmen
des Jahres 1997 auf 79.849 DM. Im Streitjahr 1997 erzielte die Klägerin einen
Gewinn von 4.117 DM. In den Folgejahren erzielte sie folgende Einnahmen bzw.
Gewinne:
Die Einnahmen aus den Ergotherapie-Maßnahmen, der Beschäftigungstherapie
und Sprachheilpraxis wurden ohne Zwischenschaltung der X und der Y erzielt. Die
übrigen Leistungen wurden auch in diesen Jahren im Auftrag der X und Y erbracht.
Für das Streitjahr 1997 erklärte die Klägerin unter Hinweis darauf, dass ihre
Tätigkeit als gemeinnützig und damit steuerfrei anzusehen sei, in ihrer KSt-
Erklärung einen Gewinn von 0 DM. Darüber hinaus vertrat die Klägerin die
Auffassung, dass ihre Betreuungsleistungen gem. § 4 Nr. 18 Umsatzsteuergesetz
(UStG) i.V.m. Abschnitt 103 Abs. 5 Satz 1 Umsatzsteuerrichtlinien (UStR)
umsatzsteuerfrei seien, weil die Leistungen an die X im Rahmen eines
Organschaftsverhältnisses erbracht worden seien und demnach keine steuerbare
Leistung vorliege.
Das beklagte Finanzamt (Finanzamt) folgte bei der umsatzsteuerlichen
Beurteilung der Auffassung der Klägerin. Im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin
sah es demgegenüber die für die X und Y erbrachten Leistungen als
Personalgestellung an; die Voraussetzungen der Steuervergünstigung i.S. der §§
51 ff. Abgabenordnung (AO) und § 5 Abs. 1 Körperschaftsteuergesetz (KStG) seien
insoweit nicht erfüllt, weil es an der Unmittelbarkeit und Ausschließlichkeit i.S. der
AO fehle. Hiervon ausgehend sah es die für die Überlassung von Personal
gezahlten Entgelte als wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb an und unterwarf in dem
Bescheid vom 11. August 1999 die Einkünfte der KSt.
Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg. Zur Begründung führte das
Finanzamt seiner Entscheidung vom 24. Februar 2000 im Wesentlichen aus:
Grundsätzlich müsse eine steuerbegünstigte Körperschaft gem. §§ 56, 57 AO ihre
Satzungszwecke selbst, unmittelbar und ausschließlich verwirklichen. Im Streitfall
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Satzungszwecke selbst, unmittelbar und ausschließlich verwirklichen. Im Streitfall
fehle es an der Unmittelbarkeit. Zwar gehörten nach der Satzung
entwicklungsgestörte und behinderte Menschen zum begünstigten Personenkreis.
Empfänger der Leistungen der Klägerin (d.h. der Personalgestellung) seien jedoch
nicht diese Personen, sondern die Einrichtungen, in denen diese Personen betreut
würden. Wenn eine Körperschaft eigene Arbeitskräfte einer anderen Einrichtung für
deren begünstigte Zwecke zur Verfügung stelle, mangele es an einer
unmittelbaren (eigenen) Zweckverwirklichung. Dies gelte im Streitfall umso mehr,
als die Klägerin in Bezug auf die Personalgestellung gegenüber den Stiftungen
sogar ausdrücklich weisungsgebunden sei und keine eigenen Entscheidungen über
Art und Umfang der Personalüberlassung treffen könne. Damit erbringe die
Klägerin ihre Leistungen im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs i.S.
der §§ 14, 64 AO. Die Steuerbefreiung sei nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 KStG i.V.m.
§ 64 AO insoweit ausgeschlossen.
Der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb “Personalgestellung” stelle auch keinen
Zweckbetrieb i.S. des § 65 AO dar. Nach § 65 Nr. 1 AO müsse nämlich der
wirtschaftliche Geschäftsbetrieb in seiner Gesamteinrichtung dazu dienen, die
steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke der Körperschaft zu verwirklichen.
Dieses Erfordernis sei nicht gegeben, wenn der Betrieb nur mittelbar der
Verwirklichung satzungsmäßiger Zwecke diene. Die Personalgestellung diene
demgegenüber nicht unmittelbar der Erfüllung der satzungsmäßigen Zwecke der
Klägerin, sondern ermögliche lediglich den Stiftungen, mit Hilfe des von ihr zur
Verfügung gestellten Personals deren satzungsmäßige Zwecke zu erfüllen.
Darüber hinaus seien auch die Voraussetzungen des § 65 Nr. 3 AO für einen
Zweckbetrieb nicht gegeben, weil die von der Klägerin ausgeübten Tätigkeiten –
Personalgestellung – auch von privaten Unternehmern erbracht werden könnten.
Die Klägerin könne sich auch nicht auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs
(BFH) berufen. Zwar habe der BFH in seinem Urteil vom 8. Juli 1971
(Bundessteuerblatt -BStBl- II 1972, 70) den Standpunkt vertreten, dass Leistungen
auch dann unmittelbar gemeinnützigen Zwecken dienen könnten, wenn sie an
einen Empfänger bewirkt würden, der seinerseits ausschließlich gemeinnützige
oder wohltätige Zwecke verfolge. In dem der Entscheidung zu Grunde liegenden
Fall habe die Körperschaft allerdings neben der Schwesterngestellung auch selbst
unmittelbar eigennützige Zwecke verfolgt und daneben Schwestern zur Verfügung
eines Studentenwohnheims abgestellt. Lediglich für diesen Fall habe der BFH unter
ausdrücklicher Bezugnahme auf § 5 der Gemeinnützigkeitsverordnung (GemV) die
Personalgestellung als steuerlich unschädlichen Nebenzweck angesehen. Hiermit
sei der Streitfall nicht vergleichbar, weil die Klägerin im Streitjahr 1997
ausschließlich im Bereich der Personalgestellung tätig gewesen sei und damit
ausschließlich lediglich mittelbar gemeinnützigen Zwecken gedient habe. In einem
solchen Fall greife auch die Vorschrift des § 58 Nr. 3 AO nicht ein. Durch diese
Vorschrift werde den steuerbegünstigten Körperschaften trotz Verstoßes gegen
das Gebot der unmittelbaren Zweckverfolgung der Erhalt der Steuerbegünstigung
eröffnet. Die Vorschrift begründe jedoch weder einen eigenständigen
steuerbegünstigten Zweck noch eine Zwecknorm i.S. der §§ 65 ff AO (vgl. BFH-
Urteil vom 30. November 1995, BStBl II 1997, 189).
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer fristgerecht erhobenen Klage, mit der
sie – ähnlich wie teilweise im Vorverfahren – vorträgt:
Entgegen der Auffassung des Finanzamts verfolge sie mit ihren
Betreuungsleistungen selbst unmittelbar eigene steuerbegünstigte
satzungsmäßige Zwecke im Rahmen eines Zweckbetriebes gem. § 66 AO. Sie
erfülle ihre satzungsmäßigen Zwecke – heilpädagogische und pflegerische
Betreuung entwicklungsgestörter und behinderter Menschen – dadurch, dass sie
durch bei ihr angestellte Betreuer und Honorarkräfte (ausschließlich)
hilfsbedürftige Kinder und Jugendliche in unmittelbarem, persönlichem Kontakt
selbst betreue und therapiere. Es gebe im Gemeinnützigkeitsrecht keine
Vorschrift, die besage, dass eine tatsächlich unmittelbare Betreuungsleistung,
durch die die eigenen satzungsgemäßen Zwecke erfüllt würden, nur dann
begünstigt sei, wenn ihr auch eine entsprechende unmittelbare Rechtsbeziehung
zwischen Betreuer und Betreutem zu Grunde liege. Vielmehr habe der BFH das
Merkmal der “Unmittelbarkeit” leistungsbezogen definiert und dabei auf die
konkrete Leistung selbst, nicht dagegen auf die zivilrechtliche Vertragsbeziehung
abgestellt (Urteile vom 18. März 2004, BStBl II 2004, 798 und vom 07. November
1996, BStBl II 1997, 366). Eine unmittelbarere Leistungsbeziehung als die direkte
persönliche betreuende Ansprache/Unterstützung zwischen Betreuer und
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persönliche betreuende Ansprache/Unterstützung zwischen Betreuer und
Betreutem sei nicht vorstellbar. Da der Begriff der “Unmittelbarkeit” nur
leistungsbezogen zu verstehen sei, während mit dem Begriff der
“Personalgestellung” an die zu Grunde liegenden Rechtsbeziehungen angeknüpft
werde, schlössen sich die “Unmittelbarkeit” und eine Personalgestellung nicht
gegenseitig aus. Auch das Gesetz trage dem Rechnung. So stelle § 66 Abs. 3 S. 1
AO nicht auf das zivilrechtliche Verhältnis, sondern darauf ab, wem die Leistungen
“zu Gute kommen”. Bei Krankenhäusern stelle der Gesetzestext darauf ab, “bei”
welchen Patienten die Entgelte berechnet würden. Auf den Leistungsempfänger
komme es deswegen nicht an. Entscheidend sei vielmehr die Wirkung des
Betriebs: der Zweckbetrieb müsse direkt und unmittelbar der Erfüllung der
satzungsmäßigen Zwecke - hier der Betreuung der Kinder und Jugendlichen -
dienen.
Dies sei gängige Praxis im gesamten Bundesgebiet. So erbrächten z. B. die
Rotkreuzschwestern, die bei den Schwesternschaften des Deutschen Roten
Kreuzes angestellt seien, Pflegeleistungen in Krankenhäusern aufgrund von
zwischen den Schwesternschaften und den Krankenhäusern abgeschlossenen
“Personalgestellungsverträgen”. Dieser in nahezu in allen OFD-Bezirken
anzutreffende Sachverhalt werde bundeseinheitlich überall als
umsatzsteuerbefreiter Zweckbetrieb behandelt und sei mit dem Streitfall
identisch. Das Auseinanderfallen zwischen zivilrechtlichem Vertragsverhältnis und
begünstigtem Leistungsempfänger gebe es im Übrigen zuhauf, wie z. B. wenn ein
Wohlfahrtsverband Personal zur Führung eines Studentenwohnheims oder
Schullandheims zur Verfügung stelle (vgl. BFH-Urteil vom 08. Juli 1971, aaO) oder
wenn Wohlfahrtsverbände, die aus öffentlichen Kassen finanzierte Schuldner-,
Schwangerschafts-, Eltern- und Drogenberatung übernähmen.
Auch wenn es nach den vorstehenden Ausführungen nicht darauf ankomme, sei
klarstellend darauf hinzuweisen, das entgegen der Auffassung des Finanzamts
keine Personalgestellung vorliege. Dies werde insbesondere durch die (o.a.
dargestellten) Arbeitsabläufe deutlich.
Abgesehen davon sei die Steuervergünstigung auch nach der Vorschrift des § 58
Nr. 3 AO zu gewähren. Wie sich aus den Umsatzerlösen der Jahre 1997 bis 2000
ergebe, sei seit dem Gründungsjahr der Gesellschaft der Betreuungsumfang
gegenüber “eigenen” zu betreuenden Jugendlichen ständig ausgeweitet worden.
Nach dem BFH-Urteil vom 15. Juli 1998 (Sammlung amtlich nicht veröffentlichter
Entscheidungen -BFH/NV- 1999, 244) dürften bei einer im Aufbau befindlichen
Gesellschaft aus den Umsatzverhältnissen während der Aufbauphase keine
negativen Folgen für die Steuerbegünstigung abgeleitet werden.
Sie sei auch selbstlos im Sinne des § 55 AO tätig gewesen. Der Begriff der
Selbstlosigkeit sei nach § 55 AO dahingehend definiert, dass vorrangig keine
gewerblichen Zwecke, keine privatwirtschaftlichen Zwecke und keine unzulässige
Vermögensbildung verfolgt werden dürften. Dies sei hier nicht der Fall.
Selbstverständlich seien auch steuerbegünstigte Organisationen gehalten, Kosten
zu mindern. Deswegen sei es unerheblich, dass sie mit dem vorrangigen Ziel
gegründet worden sei, Betreuungsleistungen kostengünstiger zu erbringen.
Schließlich sei auch nicht gegen den Grundsatz des § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO verstoßen
worden, nach dem eine Körperschaft ihre Mittel zeitnah für ihre
steuerbegünstigten Zwecke verwenden müsse. Der in dem Rumpfwirtschaftsjahr
(1. bis 31. Dezember 1997) erzielte Jahresüberschuss von 4.117,62 DM habe
gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 6 AO als Betriebsmittelrücklage gedient. Diese sei
erforderlich, um die periodisch wiederkehrenden Leistungen - insbesondere die
Personalkosten - zu finanzieren. Während die Personalkosten eine konstante
Größe darstellten, handele es sich bei den Pflegeerlösen um unsichere
Einnahmen. Die Betreuungsverträge könnten nämlich im Gegensatz zu den mit
dem Personal abgeschlossenen Arbeits- und Dienstleistungsverträgen, bei denen
Kündigungsfristen zu beachten seien, täglich gekündigt oder unterbrochen werden.
Abgesehen davon sei der im Streitjahr erzielte Jahresüberschuss auch deswegen
zu vernachlässigen, weil hiervon die Personalkosten für ein bis zwei Tage hätten
finanziert werden können.
Die Klägerin beantragt, den KSt-Bescheid für 1997 vom 11. August 1999 in Gestalt
der Einspruchsentscheidung vom 24. Februar 2000 zu ändern und die KSt von
1.852 DM auf 0 DM herabzusetzen.
Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision
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Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision
zuzulassen.
Zur Begründung wiederholt es im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen.
Ergänzend trägt es vor:
Die Tätigkeit der Klägerin sei deswegen nicht gemeinnützig, weil sie die in ihrer
Satzung verankerten Zwecke überwiegend nicht unmittelbar selbst erfülle. Sie
erbringe vielmehr in ihrem Kernbereich Leistungen gegenüber ihren
Gesellschaftern, die ihrerseits wiederum zivilrechtlich und steuerrechtlich
rechtsfähig seien. Eine unmittelbare Leistungsbeziehung bestehe bei dem
überwiegenden Teil der im Streitjahr erbrachten Leistungen nur zwischen den
Stiftungen und den betreuten Personen. Zwar habe das Personal der Klägerin
direkten Kontakt zu den betreuten Personen. Dies sei jedoch nicht
gleichbedeutend mit dem Begriff der “Unmittelbarkeit” i.S. des § 57 AO.
Entscheidungserheblich sei, dass die Klägerin nicht selbst und sozusagen auf
“eigene Rechnung” Betreuungsleistungen erbringe, sondern durch die
Personalgestellung gegenüber ihren Gesellschaftern diese lediglich in die Lage
versetze, solche Betreuungsleistungen gegenüber Dritten zu erbringen.
Die Klägerin erbringe auch keine eigenen Leistungen an die zu betreuenden
Personen durch bzw. über ihre Gesellschafter als “Hilfspersonen” i.S. des § 57 Abs.
1 Satz 2 AO. Denn diese seien in ihrem Handeln im Hinblick auf den Einsatz des
Personals gegenüber den zu betreuenden Personen, auf den in diesem
Zusammenhang abzustellen sei, völlig selbständig und nicht etwa an Weisungen
der Klägerin gebunden. Eine unmittelbare Einflussmöglichkeit der Klägerin auf das
Verhalten ihrer Gesellschafter bestehe in dieser Hinsicht nicht. Vielmehr sei es so,
dass die Klägerin bezüglich des Personaleinsatzes gegenüber den Gesellschaftern
weisungsgebunden sei.
Die Klägerin könne sich zur Begründung ihrer Rechtsauffassung nicht auf das BFH-
Urteil vom 7. November 1996 (BStBl II 1997, 366) berufen. Zwar habe der BFH in
diesem Urteil den Standpunkt vertreten, dass das Merkmal der Unmittelbarkeit in
§ 4 Nr. 18 Satz 1 Buchst. b UStG leistungsbezogen sei. Die Klägerin verkenne
jedoch, dass § 4 Nr. 18 Satz 1 Buchst. a UStG als unternehmensbezogene
Voraussetzung ausdrücklich fordere, dass der Unternehmer ausschließlich und
unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken diene. Insoweit
sei auf § 57 AO zurückzugreifen. Ob die Klägerin die leistungsbezogene
Voraussetzung des § 4 Nr. 18 Satz 1 Buchst. b UStG erfülle, könne dahinstehen,
da sie bereits die Voraussetzungen des § 4 Nr. 18 Satz 1 Buchst. a UStG nicht
erfülle. Die Rechtsauffassung des Finanzamts werde durch das BFH-Urteil vom 18.
März 2004 (aaO) bestätigt. Aus diesem Urteil sei zu entnehmen, dass eine
unmittelbare Verwendung nur dann vorliege, wenn die jeweilige Leistung
gegenüber den in § 53 AO bezeichneten Personen eingesetzt werde. Dagegen
reiche es nicht aus, dass die Leistung lediglich als Eingangsleistung in eine vom
Leistungsempfänger erst an die nach § 53 AO bezeichneten Personen zu
erbringende Leistung eingehe. Bezogen auf den Streitfall reiche es ebenfalls nicht
aus, dass die Leistung der Klägerin (Gestellung von Personal) die von ihren
Gesellschaftern gegenüber den Heimbewohnern geschuldete Betreuungsleistung
lediglich ermögliche. Unmittelbar sei die Klägerin nur ihren Gesellschaftern
gegenüber zu den streitigen Leistungen zivilrechtlich verpflichtet gewesen.
Abgesehen davon seien die im Bereich des Gemeinnützigkeitsrechts bestehenden
ertrags- und umsatzsteuerrechtlichen Regelungen nicht aufeinander abgestimmt.
Auch wenn in Bezug auf die von einer Körperschaft erbrachte Leistung
umsatzsteuerlich die leistungsbezogene Unmittelbarkeit bejaht werde, folge
hieraus nicht zwingend die Bejahung der Unmittelbarkeit im Sinne des § 57 Abs. 1
AO. Aus diesem Grund könne dahinstehen, ob in Bezug auf die
Personalüberlassung an die Gesellschafter aufgrund der unmittelbaren Arbeit des
Personals am Patienten eine leistungsbezogene Unmittelbarkeit im Sinne des § 4
Nr. 18 b UStG zu bejahen wäre. Im Bereich der Beurteilung der Frage der
Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG komme es (u. a.) auf das Vorliegen
der Voraussetzungen für die Bejahung der Unmittelbarkeit im Sinne des § 57 Abs.
1 AO an. Diese Voraussetzungen lägen im Streitfall aus den genannten Gründen
nicht vor.
Da das Tatbestandsmerkmal der Unmittelbarkeit nicht erfüllt sei, scheide die
Annahme eines Zweckbetriebs im Sinne des § 66 Abs. 1 und 3 AO aus, weil die
Tätigkeit der Klägerin unmittelbar nur ihren Gesellschaftern und nicht dem in § 53
AO genannten Personenkreis zugute gekommen sei. Die Vorschrift des § 58 Nr. 3
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AO genannten Personenkreis zugute gekommen sei. Die Vorschrift des § 58 Nr. 3
AO enthalte zwar eine Ausnahme von dem Erfordernis der unmittelbaren
Zweckerfüllung, jedoch greife sie in den Regelungszusammenhang der §§ 64, 65
AO nicht ein (BFH-Urteil vom 30. November 1997, BStBl II 1997, 189). Daraus
folge, dass die entgeltliche Personalgestellung i.S. des § 58 Nr. 3 AO einen
wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb darstelle (vgl. auch Dötsch/Evers-berg/Jost/ Witt,
Komm. zum KStG nF, Tz. 133ff zu § 5 Abs. 9 KStG). Die Tätigkeit der Klägerin wäre
demnach nur dann ein Zweckbetrieb, wenn sie den Voraussetzungen des § 65 AO
entsprechen würde. Dies sei aus den genannten Gründen nicht der Fall.
Darüber hinaus bestünden erhebliche Zweifel daran, ob das Handeln der Klägerin
als selbstlos im Sinne des § 55 Abs. 1 AO anzusehen sei. Da ihre Gründung nach
ihrem eigenen Vorbringen mit dem vorrangigen Ziel erfolgt sei, ihre Gesellschafter
in die Lage zu versetzen, Betreuungsleistungen kostengünstiger, flexibler und
wettbewerbsfähiger zu erbringen, diene ihre Tätigkeit in erster Linie
eigenwirtschaftlichen Zwecken der Gesellschafter.
Gegen ein selbstloses Handeln spreche auch, dass die Klägerin im Streitjahr und
im darauf folgenden Jahr Überschüsse erzielt habe. Die Bildung einer
Betriebsmittelrücklage in pauschalierter Form sei unzulässig. Zwar dürften für
einen angemessenen Zeitraum Mittel angesammelt werden, um periodisch
wiederkehrende Ausgaben zu bezahlen. Wenn aber - wie im Streitfall - fast
ausschließlich sichere Einnahmen erzielt würden, sei dies bei der Höhe der
Betriebsmittelrücklage entsprechend zu berücksichtigen. Die Klägerin habe nicht
hinreichend dargelegt, dass überhaupt und aus welchem Grund sie habe damit
rechnen müssen, dass ihre periodisch wiederkehrenden Ausgaben durch ihre
laufenden Einnahmen nicht gedeckt sein würden.
Beigezogen und Gegenstand des Verfahrens waren die Steuerakten der Klägerin.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Das Finanzamt hat den angegriffenen Körperschaftsteuerbescheid zu Unrecht
erlassen, weil die Klägerin gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG von der Körperschaftsteuer
befreit ist.
Nach dieser Vorschrift sind Körperschaften von der Körperschaftsteuer befreit, die
nach ihrer Satzung oder sonstigen Verfassung und nach der tatsächlichen
Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen
oder kirchlichen Zwecken dienen (§§ 51 - 68 AO). Die Steuerbefreiung ist indessen
gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 S. 2 KStG i.V.m. § 64 AO jedoch ausgeschlossen, sofern
ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb im Sinne des § 14 AO unterhalten wird, der
keinen Zweckbetrieb im Sinne von §§ 65 - 68 AO darstellt.
Die Klägerin unterhält im Streitfall zwar einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb;
dies schließt aber die Steuerbegünstigung nicht aus, weil sie einen Zweckbetrieb
im Sinne des § 66 AO betreibt. Nach dieser Vorschrift ist als Zweckbetrieb
insbesondere eine “Einrichtung” der Wohlfahrtspflege anzusehen, die in
besonderem Maße den in § 53 AO genannten Personen dient.
Gemäß § 2 ihrer Satzung ist Gegenstand der Betätigung der Klägerin die
Erbringung heilpädagogischer Dienstleistungen und die begleitende Betreuung von
entwicklungsgestörten bzw. behinderten Jugendlichen. Diese Tätigkeit gehört zu
den in § 52 Abs. 2 Nr. 2 AO (beispielhaft) aufgezählten förderungswürdigen
Zwecken (Jugendhilfe und Wohlfahrtswesen). Zugleich verfolgt die Klägerin
mildtätige Zwecke im Sinne des § 53 Abs. 1 Nr. 1 AO, weil ihre Tätigkeit darauf
gerichtet ist, Personen selbstlos zu unterstützen, die infolge ihres körperlichen,
geistigen oder seelischen Zustands auf die Hilfe anderer angewiesen sind.
Bestätigt wird dies dadurch, dass die Klägerin Mitglied des Deutschen Paritätischen
Wohlfahrtsverbandes ist. Der Senat hat auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass
die tatsächliche Geschäftsführung nicht der Verwirklichung der Satzungszwecke
gedient hat; auch von dem Finanzamt wird dies nicht bestritten.
Im Gegensatz zur Auffassung des Finanzamts hat die Klägerin ihre
Satzungszwecke unmittelbar verfolgt.
Nach § 57 Satz 1 AO ist eine unmittelbare Verfolgung der Satzungszwecke dann
anzunehmen, wenn die Körperschaft die Zwecke selbst verwirklicht. Nach Satz 2
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anzunehmen, wenn die Körperschaft die Zwecke selbst verwirklicht. Nach Satz 2
dieser Vorschrift kann dies auch durch Hilfspersonen erfolgen, wenn nach den
Umständen des Falls, insbesondere nach den rechtlichen und tatsächlichen
Beziehungen, die zwischen der Körperschaft und der Hilfsperson bestehen, das
Wirken der Hilfsperson wie eigenes Wirken der Körperschaft anzusehen ist. Nach
Tz. 2 des Anwendungserlasses zu § 57 AO ist dabei von Bedeutung, ob die
Hilfsperson nach den Weisungen der Körperschaft zu verfahren hat, den Inhalt und
Umfang der Tätigkeit der Hilfsperson bestimmen kann und die Hilfsperson
überwacht. Hilfsperson kann auch eine juristische Person sein.
Hiervon ausgehend trifft es zwar zu, dass die Mitarbeiter der Klägerin auf Grund
von mit der X und der Y abgeschlossenen Verträgen die Betreuungsleistungen in
deren Auftrag erbracht haben und ihre Dienstleistungen von den beiden
vorgenannten Unternehmen bezahlt worden sind. Auch mussten wegen der
organisatorischen Einbindung in die beiden Stiftungen Absprachen, insbesondere
bei Dienstbeginn und Dienstende, getroffen werden. Die “Unmittelbarkeit” ist aber
dennoch gewahrt, weil die Aufträge von der Klägerin eigenverantwortlich
ausgeführt worden sind. Wie sich aus der Leistungsbeschreibung der Klägerin
ergibt, ist sie für die Auswahl, den Einsatz und die Überwachung des von ihr
gestellten Personals bis hin zur Erteilung der erforderlichen fachlichen
Anweisungen verantwortlich gewesen. Diese Darstellung erscheint plausibel; sie ist
von dem Finanzamt auf ausdrückliche Nachfrage des Berichterstatters nicht
bestritten worden. Damit hat die Klägerin die eigenen Satzungszwecke unmittelbar
verwirklicht. Dass zugleich die steuerbegünstigten Zwecke der beiden Stiftungen
verfolgt worden sind, schließt nicht aus, auch bei der Klägerin die unmittelbare
Verfolgung steuerbegünstigter Zwecke anzunehmen, wenn diese - wie im Streitfall
- innerhalb der gemeinnützigen Tätigkeit erfolgen (Schauhoff, Handbuch der
Gemeinnützigkeit, 2. Auflage Anm. 128 unter § 6).
Für die Einordnung als Zweckbetrieb ist entscheidend, ob die Tätigkeit als solche
(und nicht die Entgelterhebung) für die Verwirklichung der steuerbegünstigten
Zwecke erbracht wird (BFH-Urteil vom 6. April 2005, 545ff unter Tz. 4). Dies ist hier
der Fall, weil die Betreuungsleistungen den betreuten Personen unmittelbar zugute
gekommen sind.
Aus dem Gesetzeszusammenhang ist zwar zu entnehmen, dass eine
Personalgestellung im Regelfall keine unmittelbare Zweckverfolgung darstellt.
Denn sonst hätte es der Vorschrift des § 58 Nr. 3 AO nicht bedurft, nach der die
Steuervergünstigung nicht dadurch ausgeschlossen wird, dass eine Körperschaft
ihre Arbeitskräfte anderen Personen, Unternehmen oder Einrichtungen für
steuerbegünstigte Zwecke zur Verfügung stellt. Nach Ansicht des Senats handelt
es sich indessen von vornherein nicht um eine (grundsätzlich steuerschädliche)
Personalgestellung, wenn - wie im Streitfall - die Personalverantwortung bei dem
Unternehmen verbleibt, das das Personal “zur Verfügung stellt”.
Selbst wenn man dies als Personalgestellung ansehen würde, wären die
Voraussetzungen des § 58 Nr. 3 AO erfüllt, weil die Mitarbeiter der Klägerin in den
Stiftungen für steuerbegünstigte Zwecke eingesetzt worden sind. Im Gegensatz zu
der Vorschrift des § 58 Nr. 2 AO, nach der eine Körperschaft die
Steuervergünstigung nicht verliert, wenn sie ihre Mittel “teilweise” einer anderen
Körperschaft für steuerbegünstigte Zwecke zur Verfügung stellt, enthält die
Vorschrift des § 58 Nr. 3 AO keine vergleichbare Einschränkung. Die
Steuerbegünstigung entfällt also selbst für den Fall nicht, dass sich die Tätigkeit
ausschließlich auf die Personalgestellung beschränkt hat (ebenso Müller in Pump,
Leibner, Kommentar zur AO, Anm. 29 zu § 58 AO; Fischer in Hübschmann-Hepp-
Spitaler, Kommentar zur AO, Anm. 24 zu § 58 AO in der Kommentierung 1996,
anders Kommentierung 2003 Anm. 49 zu § 58 AO). Dass die Steuerbegünstigung
des § 58 Nr. 3 AO nur eingreifen soll, wenn die Personalgestellung nur eine
Nebenbetätigung darstellt und eine steuerbegünstigte Haupttätigkeit ausgeübt
werden muss (so Urteil des FG Baden-Württemberg vom 31. Juli 1997, EFG 1997,
1341, Fischer, a.a.O. Anm. 49;, vgl. auch Tipke-Kruse, Kommentar zur AO, Anm. 1
zu § 58 AO), erscheint angesichts des Gesetzeswortlauts und vor allem deswegen
nicht überzeugend, weil gemäß §§ 57 Abs. 2, 58 Nr. 1 AO bei Spitzenverbänden
und Fördervereinen auch bei einer ausschließlich mittelbar gemeinnützigen
Tätigkeit die Steuervergünstigungen nicht entfallen.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin, die im Dezember des
Streitjahres ihre Tätigkeit aufgenommen hat, lediglich in diesem Jahr ausschließlich
Einnahmen aus der Überlassung von Arbeitskräften erzielt hat. In den Folgejahren
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Einnahmen aus der Überlassung von Arbeitskräften erzielt hat. In den Folgejahren
wurden Einnahmen aus Betreuungsleistungen außerhalb der Personalgestellung
erzielt. Nach dem BFH-Urteil vom 15. Juli 1998 (a.a.O.) ist es steuerlich
unschädlich, wenn eine Körperschaft in einzelnen Veranlagungszeiträumen
ausschließlich anderen, ebenfalls steuerbegünstigten Körperschaften Mittel
zuwendet, in anderen Veranlagungszeiträumen auch selbst ihre
steuerbegünstigten Zwecke verfolgt.
Da die Klägerin ihre steuerbegünstigten Zwecke bereits aus den vorgenannten
Gründen unmittelbar verfolgt hat, kann es dahingestellt bleiben, ob der Klägerin
darin gefolgt werden kann, dass der Begriff der Unmittelbarkeit in § 57 AO ebenso
wie im Umsatzsteuerrecht leistungsbezogen auszulegen ist.
Aus den vorgenannten Gründen folgt zugleich, dass auch die Voraussetzungen
des § 66 Abs. 3 AO erfüllt sind: Nach dieser Vorschrift dient eine Einrichtung der
Wohlfahrtspflege dann “in besonderem Maße” (vgl. Abs. § 66 Abs. 1 AO) den in §
53 genannten Personen, wenn, wenn diesen mindestens zwei Drittel ihrer
Leistungen zugute kommen. Im Streitfall sind die Leistungen dem begünstigten
Personenkreis sogar ausschließlich zugute gekommen.
Da die Klägerin eine Einrichtung der Wohlfahrtspflege gemäß § 66 AO darstellt, ist
es unerheblich, ob die für die Anerkennung von Zweckbetrieben im Regelfall
erforderlichen Voraussetzungen des § 65 Nr. 1 - 3 AO, nach denen u.a. der
Zweckbetrieb nicht in Wettbewerb zu anderen nicht begünstigten Betrieben treten
darf, erfüllt sind. Denn die Vorschrift des § 66 AO geht als sog. “lex specialis” der
Generalnorm des § 65 AO vor.
Die Tätigkeit der Klägerin ist auch selbstlos erfolgt.
Gemäß § 55 AO geschieht eine Förderung selbstlos, wenn dadurch nicht in erster
Linie eigenwirtschaftliche Zwecke - z.B. gewerbliche Zwecke oder sonstige
Erwerbszwecke - verfolgt werden. Dazu ist gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO erforderlich,
dass die Mittel grundsätzlich zeitnah für die satzungsgemäßen Zwecke verwendet
werden; nach Satz 3 dieser Vorschrift ist eine zeitnahe Mittelverwendung gegeben,
wenn sie spätestens in dem auf den Zufluss folgenden Jahr für die
steuerbegünstigten Zwecke verwendet werden. Das Erfordernis einer zeitnahen
Mittelverwendung wird durch § 58 Nr. 6 AO eingeschränkt: Danach wird die
Steuervergünstigung nicht ausgeschlossen, wenn die Körperschaft ihre Mittel ganz
oder teilweise einer Rücklage zuführt, so weit dies erforderlich ist, um ihre
steuerbegünstigten Zwecke nachhaltig erfüllen zu können. Letzteres ist hier der
Fall. Die Klägerin hat hierzu überzeugend dargelegt, dass die
Betriebsmittelrücklage erforderlich ist, um angesichts der schwankenden Erlöse
ihre Mitarbeiter fristgerecht bezahlen zu können. Angesichts des hohen
Personalaufwands, der sich im Jahr 1998 auf ca. 1 Million DM belief, ist die Rücklage
in Höhe von rd. 4.000 DM auch nach Auffassung des Senats von marginaler
Bedeutung und in kürzester Zeit verbraucht worden. Aus dem gleichen Grund ist
es unerheblich, dass auch im darauf folgenden Jahr ein Gewinn (13.417 DM) erzielt
worden ist, zumal die in den Jahren 1999 und 2000 erzielten Verluste die Gewinne
der beiden Vorjahre übersteigen.
Abgesehen davon kann das Finanzamt gemäß § 63 Abs. 4 Satz 1 AO eine Frist
setzen, wenn seiner Auffassung nach die Voraussetzungen des § 58 Nr. 6 AO für
eine Rücklage nicht erfüllt sind. Hierbei handelt es sich zwar um eine
Ermessensentscheidung. Im Regelfall ist aber davon auszugehen, dass das
Finanzamt eine Frist setzen muss (Tipke-Kruse, a.a.O., Anm. 4 zu § 64 AO). Im
Streitfall ist dies nicht geschehen. Angesichts der verhältnismäßig geringen
Überschüsse/Rücklagen wäre dies aber erforderlich gewesen, wenn das Finanzamt
die Steuervergünstigung (auch) im Hinblick auf eine (angeblich) nicht zeitgerechte
Mittelverwendung hätte versagen wollen.
Dem Gebot der Selbstlosigkeit steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin mit
der organisatorischen Umgestaltung den Zweck verfolgt hat, ihre
Betreuungsleistungen kostengünstiger zu erbringen. Dies stellt im Gegensatz zur
Auffassung des Finanzamts nicht die Verfolgung von eigenwirtschaftlichen
Zwecken dar. Denn wie die Klägerin zutreffend ausführt, müssen auch
steuerbegünstigte Organisationen mit den ihnen von öffentlichen Kassen zur
Verfügung gestellten Mitteln sparsam umgehen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
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Im Hinblick auf die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage war gemäß § 139 Abs. 3
Satz 3 FGO die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren für
notwendig zu erklären. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit und
deren Abwendungsbefugnis folgt aus § 151 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der
Zivilprozessordnung.
Der Senat hat wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 FGO die
Revision zugelassen.