Urteil des FG Schleswig-Holstein vom 15.03.2017
FG Schleswig-Holstein: einkünfte, eltern, beendigung, berufsausbildung, wirtschaftliche leistungsfähigkeit, universität, zivildienst, praktikum, schulausbildung, entlastung
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Gericht:
Schleswig-
Holsteinisches
Finanzgericht 5.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahr:
2008
Aktenzeichen:
5 K 121/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 32 Abs 4 S 1 Nr 2 S 2 EStG,
§ 32 Abs 4 S 1 Nr 2 S 7 EStG,
§ 32 Abs 4 S 1 Nr 2 S 8 EStG
Kein Kindergeld bei Vollzeiterwerbstätigkeit eines Kindes
nach Beendigung des Zivildienstes
Tatbestand
Der Kläger erstrebt die Festsetzung von Kindergeld für seinen Sohn A im Wege
einer Prognoseentscheidung für die Monate Juli bis einschließlich Dezember des
laufenden Jahres 2008. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte die
Festsetzung zu Recht wegen eigener, den so genannten Jahresgrenzbetrag anteilig
überschreitender Einkünfte des Sohnes abgelehnt hat.
Der Kläger ist Vater des in 1987 geborenen Sohnes A. Dieser beendete mit Ablauf
des 19. Mai 2005 seinen Zivildienst. Vom 20. Mai bis zum 18. Juli 2008 führte der
Sohn des Klägers die Betätigung bei dem Zivildienstträger im
Angestelltenverhältnis fort. Seine durchschnittliche Arbeitszeit betrug 100 % der
tariflichen Arbeitszeit (39,00 Std.). Die Arbeit im Angestelltenverhältnis wurde nach
der Entgeltgruppe 5, Stufe 01 des TVöD entlohnt. Auf den Inhalt des – in
unvollständiger Kopie von dem Kläger zur Verwaltungsakte gereichten –
Arbeitsvertrages wird ergänzend Bezug genommen. Für den gesamten Zeitraum
seiner Angestellten-Beschäftigung erhielt der Sohn A 3.525,96 EUR Bruttolohn,
der sich auf die einzelnen Monate wie folgt verteilt: Mai: 693,63 EUR, Juni: 1.791,88
EUR (nach Ausgleich einer Überzahlung in Höhe von 367,27 im Folgemonat), Juli:
1.040,45 EUR (in Kopie zur Gerichtsakte gereichte Besoldungsabrechnungen).
Sozialversicherungsbeiträge waren nicht abzuführen, da es sich um eine
geringfügige Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) IV
handelt. Weiteren Arbeitslohn wird der Sohn des Klägers nach dessen Darstellung
im Jahr 2008 voraussichtlich nicht beziehen.
Neben dem Arbeitslohn bezog der Sohn im laufenden Jahr 2008 nach Beendigung
des Zivildienstes im Mai 2008 ein Entlassungsgeld in Höhe von 690,24 EUR
(Besoldungsabrechnung Mai 2008). Weiterhin wird er voraussichtlich im laufenden
Jahr Einkünfte aus Gewerbebetrieb (Mitunternehmerschaft) in Höhe von ca.
4.000,00 EUR erhalten.
Mit Schreiben vom 19. März 2008 wandte sich der Kläger an den Beklagten und
bat im Hinblick auf den von der Kindergeldfestsetzung abhängigen
Beihilfeanspruch um Mitteilung, ab welchem Zeitpunkt wieder Kindergeld gezahlt
werden würde. Hierzu teilte er unter anderem mit, dass sein Sohn A ab dem 1.
September 2008 ein Grundpraktikum für sein nachfolgendes Studium ableisten
werde und sodann beabsichtige, ab dem 10. Oktober 2008 ein Studium an der
Technischen Universität aufzunehmen. Bei der Zwischenzeit (Sommerferien)
handele es sich um eine Übergangszeit zwischen den Tätigkeitsabschnitten.
Auf Anforderung des Beklagten stellte der Kläger sodann unter dem 11. April 2008
einen formularmäßigen Antrag auf Kindergeld und reichte gleichzeitig eine
„Erklärung zu den Einkünften und Bezügen eines über 18 Jahre alten Kindes“ und
eine „Erklärung zu den Werbungskosten bei nichtselbstständiger Tätigkeit des über
18 Jahre alten Kindes“ bei dem Beklagten ein. Ergänzend führte er in einem
Begleitschreiben vom 14. April 2008 unter anderem aus, dass als besondere
Ausbildungskosten die Fahrtkosten zum Ausbildungsort des Praktikums geltend
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Ausbildungskosten die Fahrtkosten zum Ausbildungsort des Praktikums geltend
gemacht würden. Als weitere besondere Ausbildungskosten würden voraussichtlich
die Studiengebühr in … anfallen, sofern nicht die neue Regierung in … eine
nachgelagerte Erhebung einführen werde, und Aufwendungen für einen Laptop.
Die Anschaffungskosten hierfür würden noch nicht feststehen, weil zuerst die
Systemvoraussetzungen des Laptops für das Studium geklärt werden müssten
und erst danach eine Anschaffung erfolgen könne. Ebenso könnten die Kosten für
Internetgebühren und Bücher noch nicht beziffert werden.
Mit Bescheid vom 24. April 2008 lehnte der Beklagte die Festsetzung von
Kindergeld für den Sohn des Klägers ab Mai 2008 ab. Zur Begründung führte der
Beklagte unter anderem aus, dass nach der neuesten Auslegung des Urteils des
Bundesfinanzhofs (BFH) die Zeit der Vollzeiterwerbstätigkeit berücksichtigt werden
könne. Die Einkünfte/Bezüge seien dann für den gesamten zu berücksichtigenden
Zeitraum zu ermitteln. Nach dieser Vorgabe bestehe ab Mai bis Dezember 2008
kein Kindergeldanspruch. Auf den Inhalt des Ablehnungsbescheides im Übrigen
und der diesem beigefügten Berechnung der Einkünfte und Bezüge des Sohnes A
wird ergänzend Bezug genommen.
Gegen den Ablehnungsbescheid legte der Kläger fristgemäß Einspruch ein. Zur
Begründung führte er unter anderem aus, dass nach ständiger Rechtsprechung
des Bundesfinanzhofs ein Kind, auch wenn die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4
Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, b oder c Einkommensteuergesetz (EStG) im Übrigen
vorlägen, in den Monaten einer Vollzeiterwerbstätigkeit nicht als Kind zu
berücksichtigen sei, weil es in diesen Monaten typischerweise an einer
verminderten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern fehle, die eine
Entlastung durch Kindergeld rechtfertigen würden (Hinweis auf BFH-Urteile vom 19.
Oktober 2001, VI R 39/00, Bundessteuerblatt -BStBl- II 2002, 481 und vom 15.
September 2005, III R 67/04, BStBl II 2006, 305). Davon abweichend habe der BFH
in seinem Urteil vom 16. November 2006 (BStBl II 2008, 56) entschieden, dass
diese Auslegung nicht dazu führen dürfe, dass das Existenzminimum des Kindes
bezogen auf das Kalenderjahr beim Kindergeldberechtigten nicht entsprechend
den verfassungsrechtlichen Vorgaben durch das Kindergeld oder den
Kinderfreibetrag von der Einkommensteuer freigestellt werde. Dem
Regelungszweck des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG würde es widersprechen, ein Kind für
die Monate einer Vollzeiterwerbstätigkeit nicht zu berücksichtigen, auch wenn es
die Voraussetzungen eines Berücksichtigungstatbestandes grundsätzlich erfüllen
würde und seine gesamten Einkünfte und Bezüge (einschließlich der Einkünfte aus
der Vollzeiterwerbstätigkeit) den (anteiligen) Jahresgrenzbetrag nicht
überschreiten würden. Denn bezogen auf das Kalenderjahr (bzw. den abgekürzten
Zeitraum) seien die Eltern typischerweise mit Unterhaltszahlungen belastet und
deshalb durch die Gewährung eines Kinderfreibetrages zu entlasten bzw. durch
das Kindergeld zu fördern. Aus dieser geänderten Rechtsauffassung des BFH
ergäbe sich aber mitnichten eine Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung
hinsichtlich der Beurteilung einer Vollzeitbeschäftigung, wenn der
Jahresgrenzbetrag überschritten werde. Die Zeiten der Vollerwerbstätigkeit seien
vielmehr nur dann zu berücksichtigen, wenn der Grenzbetrag nicht überschritten
werde (Hinweis auf Urteilsanmerkung des Richters am BFH Dr. Dürr, SIS 07 06 05).
Den Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 1. Juli 2008 als
unbegründet zurück. Zur Begründung stützte sich der Beklagte auf ein – nicht
näher bezeichnetes – Schreiben des Bundeszentralamts für Steuern, das sich
unter anderem mit dem Urteil des BFH vom 16. November 2006 (III R 15/06, BStBl
II 2008, 56) befasst. Während nach alter Rechtslage der Kindergeldanspruch nur für
die Monate der Erwerbstätigkeit entfallen sei, erhalte der Kindergeldberechtigte
nach neuer Rechtslage für das gesamte Kalenderjahr kein Kindergeld, wenn die
Einkünfte und Bezüge die maßgebliche Jahresgrenze überschritten. Der Sohn A
bemühe sich nachweislich seit Beendigung seines Zivildienstes um eine
Ausbildung und sei daher ab Mai als ausbildungswilliges Kind zu berücksichtigen.
Die erzielten Einkünfte seien vollständig in die Berechnung einzubeziehen. Da die
anteilige Jahresgrenze voraussichtlich überschritten werde, bestehe für den
gesamten Zeitraum kein Anspruch auf Kindergeld. Auf den Inhalt der
Einspruchsentscheidung im Übrigen wird ergänzend Bezug genommen.
Gegen diese Verwaltungsentscheidung hat der Kläger fristgemäß Klage erhoben.
Zur Begründung der Klage stützt er sich im Wesentlichen auf die bereits im
Verwaltungsverfahren dezidiert dargelegte Rechtsauffassung. Die Einkünfte seines
Sohnes würden in dem Begünstigungszeitraum vom 19. Juli 2008 bis 31.
Dezember 2008 den anteiligen Jahresgrenzbetrag nicht übersteigen. Ergänzend
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Dezember 2008 den anteiligen Jahresgrenzbetrag nicht übersteigen. Ergänzend
weist der Kläger auf die zwischenzeitlich ergangene Entscheidung des BFH vom 31.
Juli 2008 (III B 64/07) hin. Danach bestätige der Senat seine bisherige
Rechtsauffassung zur Berücksichtigung eines Kindes für Zeiten einer
Vollerwerbstätigkeit. Nach dieser ständigen Rechtsprechung sei in Zeiten der
Vollerwerbstätigkeit ein Kind nicht als solches zu berücksichtigen, wenn die
Vollerwerbstätigkeit nach Abschluss einer Schul- oder Berufsausbildung
vorübergehend aufgenommen werde. Im Streitfall sei die Vollerwerbstätigkeit nach
Abschluss des Zivildienstes, also auch nach Abschluss der Schulausbildung und
vor der Aufnahme des Studiums vorübergehend aufgenommen worden. Für diese
Zeiten der Vollerwerbstätigkeit sei ein Kind, auch wenn die
Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt seien, nicht zu berücksichtigen. In der Folge
seien auch die in diesen Monaten erzielten Einkünfte bei der Prüfung, ob der
Grenzbetrag überschritten sei, außer Ansatz zu lassen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, den Ablehnungsbescheid vom 24. April 2008 und
die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 1. Juli 2008 aufzuheben und den
Beklagten zu verpflichten, für seinen Sohn A Kindergeld für das Jahr 2008 ab Juli
2008 festzusetzen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Zur Begründung seiner Rechtsauffassung verweist der Beklagte auf seine
Einspruchsentscheidung vom 1. Juli 2008. Die so genannte „Günstigerprüfung“ sei
seit dem Urteil des BFH vom 16. November 2006 nicht mehr anzuwenden. Es sei
nunmehr zu prüfen, ob das Kind, auch während es einer Vollzeiterwerbstätigkeit
nachgehe, die Anspruchsvoraussetzungen des § 32 Abs. 4 EStG erfülle. Sei dies
der Fall, seien die gesamten Einkünfte, auch die aus der Erwerbstätigkeit, in die
Berechnung mit einzubeziehen.
Vorliegend habe bereits im Februar 2008 festgestanden, dass der Sohn A ab 1.
September 2008 ein Praktikum ableisten werde. Nach den vorliegenden
Unterlagen erfülle er somit die Anspruchsvoraussetzungen des § 32 Abs. 4 Nr. 2
Buchst. c EStG und sei als ausbildungswilliges Kind zu berücksichtigen. Daher
seien auch die vollständigen Einkünfte nach Beendigung der Zivildienstzeit in die
Berechnung eingeflossen.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird
auf die vorbereitenden Schriftsätze und den Inhalt des beigezogenen Kindergeld-
Hefters ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der Ablehnungsbescheid vom 24. April 2008 und die dazu ergangene
Einspruchsentscheidung vom 1. Juli 2008 sind rechtswidrig und verletzen den
Kläger in seinen Rechten; sie waren aufzuheben und der Beklagte zu verpflichten,
zu Gunsten des Klägers für dessen Sohn A für den Zeitraum Juli 2008 bis
einschließlich Dezember 2008 im Wege einer Prognoseentscheidung Kindergeld
festzusetzen (§ 101 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-).
Dem Kläger steht Kindergeld für seinen Sohn A im Zeitraum Juli bis einschließlich
Dezember 2008 nach den Vorschriften der §§ 63 Abs. 1 Satz 2, 32 Abs. 4 Satz 1
Nr. 2 Buchst. a, b und c, 32 Abs. 4 Sätze 2, 7 und 8 EStG zu. Der in 1987 geborene
Sohn des Klägers, der im Streitjahr das 25. Lebensjahr noch nicht vollenden wird
(bzw. vollendet hat), ist nur in diesen Monaten bei der Kindergeldfestsetzung
berücksichtigungsfähig. Die Einkünfte und Bezüge von A übersteigen in diesem
Zeitraum nicht den – anteiligen – Grenzbetrag nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG in
Höhe von 7.680,00 EUR, mithin für den Berücksichtigungszeitraum in Höhe von
3.840,00 EUR.
Nach § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG wird ein Kind, das das
18. aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat, unter anderem beim
Kindergeldberechtigten berücksichtigt, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird
(a), sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten zwischen einem
Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des Zivildienstes befindet (b) oder eine
Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen
kann (c) und wenn es Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts
oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als
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oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als
7.680,00 EUR im Kalenderjahr hat (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG). Für jeden
Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG
an keinem Tag vorliegen, ermäßigt sich der Grenzbetrag um 1/12 (§ 32 Abs. 4
Satz 7 EStG). Einkünfte und Bezüge des Kindes, die auf diese Kalendermonate
entfallen, bleiben außer Ansatz (§ 32 Abs. 4 Satz 8 EStG).
Nach diesen Grundsätzen ist der Sohn A für die Monate Oktober bis Dezember
2008, in denen er an der Technischen Universität im ersten Hochschulsemester
das Studienfach … studiert, nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG als Kind
zu berücksichtigen. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.
Eine Berücksichtigung nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG ist auch für
den Monat September 2008 gegeben. Ab dem 1. September 2008 bis
einschließlich 10. Oktober 2008 absolvierte der Sohn des Klägers den ersten Teil
eines so genannten Grundpraktikums für … bei ... . Es ist gerichtsbekannt, dass für
die Erlangung eines Hochschulabschlusses in den verschiedenen Fachbereichen
des Ingenieurstudiums – und zwar auch an der Technischen Universität– die
erfolgreiche Teilnahme an einem Grundpraktikum entsprechend der jeweiligen
Ausbildungsordnung Voraussetzung ist. Der Senat geht mangels
entgegenstehender Erkenntnisse davon aus, dass vorliegend das Praktikum in der
… der Ausbildungsordnung entsprach. Jedenfalls hat der Beklagte dies nicht
bestritten. Im Übrigen kommt es hier auch nicht darauf an, ob das Praktikum von
der Technischen Universität entsprechend der Ausbildungsordnung anerkannt
wird. Denn der Vorbereitung auf ein Berufsziel im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr.
2 Buchst. a EStG dienen alle Maßnahmen, bei denen es sich um den Erwerb von
Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen handelt, die als Grundlage für die
Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind (BFH-Urteil vom 9. September
1999, VI R 16/99, BFHE 189,133, BStBl II 1999, 713). Zumindest diese
Voraussetzungen erfüllt das Praktikum des Sohnes in der … im Hinblick auf das
angestrebte …-Studium, so dass der Sohn A bereits seit dem 1. September 2008
für einen Beruf ausgebildet wurde.
In den beiden davorliegenden Monaten Juli und August 2008 ist der Sohn A nach §
32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG zu berücksichtigen. Denn in diesem
Zeitraum konnte er seine Berufsausbildung, nämlich das Studium an der
Technischen Universität sowie das vorgelagerte Grundpraktikum, mangels
Ausbildungsplatzes nicht beginnen. Diese Voraussetzung ist nicht nur gegeben,
wenn ein Kind keinen Ausbildungsplatz gefunden hat sondern auch dann, wenn
ihm ein Ausbildungsplatz zugesagt wurde, er diesen aber aus schul- oder
studienorganisatorischen Gründen erst zu einem späteren Zeitpunkt antreten
kann (BFH-Urteil vom 15. Juli 2003, VIII R 77/00, BFHE 203, 98, BStBl II 2003, 845).
Vorliegend hatte der Sohn A des Klägers sich bereits während des Zivildienstes
um einen Studienplatz in der Fachrichtung … und das Praktikum in der …
beworben, wie sich unter anderem aus der schriftlichen Zusage der … für die
Ableistung des Grundpraktikums ergibt, die auf den 26. Februar 2008 datiert. Da
der von dem Sohn gewählte Studiengang nur im Wintersemester an der
Technischen Universität aufgenommen werden kann, konnte der Sohn A
frühestens im Oktober 2008 mit dem Studium beginnen. Dabei stellt sich für den
Monat Juli 2008 nicht die Frage, ob aufgrund der Tatsache, dass der Sohn bis zum
18. Juli 2008 einem Vollzeiterwerb nachgegangen ist, eine Berücksichtigung im
Sinne des § 32 Abs. 4 EStG entfällt. Denn für die Berücksichtigung als Kind ist es
ausreichend, dass die Voraussetzungen, nämlich die fehlende Möglichkeit, mit der
Berufsausbildung zu beginnen, an einzelnen Tagen des Monats Juli 2008 – hier
(zumindest) ab dem 19. Juli 2008 – gegeben waren (§ 32 Abs. 4 Satz 7 EStG).
Für die Monate Januar bis Juni 2008 ergibt sich demgegenüber ein anderes
Ergebnis. In den Monaten Januar bis einschließlich April 2008 ist das Kind des
Klägers nicht zu berücksichtigen, weil für Zivildienst leistende Kinder kein Anspruch
auf Kindergeld besteht (BFH-Beschluss vom 15. Mai 2003, VIII B 248/02,
Sammlung amtlich nicht veröffentlichte Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -
BFH/NV- 2003, 1182). Entgegen der Auffassung des Beklagten liegen auch für die
Monate Mai und Juni 2008 die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 EStG für die
Berücksichtigung des Sohnes A nicht vor.
Nach der Rechtsprechung des BFH befindet sich ein Kind, das sich nach
Beendigung einer Ausbildung zwar schon für eine weitere Ausbildung angemeldet
oder eingeschrieben hat, aber vollerwerbstätig ist, nicht in Berufsausbildung im
Sinne von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG (BFH-Urteil vom 19. Oktober
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Sinne von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG (BFH-Urteil vom 19. Oktober
2001, VI R 39/00, BFHE 197, 92, BStBl II 2002, 481). Denn durch das Kindergeld soll
die finanzielle Belastung der Eltern während der Ausbildung des Kindes gemindert
werden. Die Belastung durch den Unterhalt des Kindes endet aber regelmäßig in
dem Zeitpunkt, in dem das Kind im Anschluss an die Ausbildung eine
Vollzeiterwerbstätigkeit aufnimmt, unabhängig davon, ob es später eine weitere
Berufsausbildung beginnen oder die bisherige Ausbildung vervollkommnen will
(BFH-Urteil vom 24. Mai 2000, VI R 143/99, BFHE 191, 557, BStBl II 2000, 473).
Die unterhaltsrechtliche Situation stellt sich nach Aufnahme einer
Vollzeiterwerbstätigkeit durch ein Kind häufig zwar unterschiedlich dar, je
nachdem, ob ein Kind bereits eine berufsqualifizierende Ausbildung absolviert hat
oder ob es sich noch im Studium nach Beendigung einer allgemein bildenden
Schulausbildung befindet. Denn die Eltern können, wenn ein Kind nach Beendigung
der Schulausbildung in der Zeit bis zum Beginn einer angestrebten
berufsqualifizierenden Ausbildung eine von vornherein nur vorübergehend
ausgeübte Vollzeiterwerbstätigkeit ausübt, im Allgemeinen nicht damit rechnen,
schon in diesem Stadium nachhaltig von ihrer Unterhaltsverpflichtung befreit zu
werden. Dieser Gesichtspunkt rechtfertigt nach der Rechtsprechung des BFH, der
sich der erkennende Senat anschließt, jedoch keine abweichende steuerrechtliche
Beurteilung (vgl. BFH-Urteil vom 15. September 2005, III R 67/04, BFHE 211, 452,
BStBl II 2006, 305).
Die Berücksichtigungstatbestände des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG beruhen
darauf, dass die Eltern typischerweise durch die Unterhaltslasten gegenüber dem
Kind in ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt sind. Geht das Kind
einer Vollzeiterwerbstätigkeit nach, wird die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der
Eltern aber auch dann nicht gemindert, wenn das Kind diese Tätigkeit, da es noch
keinen berufsqualifizierenden Abschluss hat, möglicherweise nicht dauerhaft
ausübt. Denn entscheidend ist die unterhaltsrechtliche Situation, wie sie sich für
die Eltern in den einzelnen Monaten des Kalenderjahres darstellt. Übt das Kind in
einzelnen Monaten eine entsprechende Erwerbstätigkeit aus, fehlt es –
typischerweise – in diesen Monaten an einer verminderten wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit der Eltern, die eine Entlastung durch Kindergeld rechtfertigt.
Dementsprechend hat der BFH bereits in seinem Urteil vom 14. Mai 2002 (VIII R
83/98, BFH/NV 2002, 1551), bei dem es um die Berücksichtigung eines Kindes
ging, das seine Schulausbildung abgebrochen und somit keine
berufsqualifizierende Berufsausbildung abgeschlossen hatte, die Voraussetzungen
des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b und c EStG wegen der Aufnahme einer
Vollzeiterwerbstätigkeit verneint.
Vergleichbar liegt es hier.
Zwar wäre der Sohn A in den Monaten Mai und Juni 2008 nicht nach § 32 Abs. 4
Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG zu berücksichtigen, da er sich in diesen Monaten noch
nicht in einer Berufsausbildung befunden hat.
Grundsätzlich wären jedoch die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2
Buchst. c EStG gegeben, da der Sohn A, wie in den folgenden Monaten bis zum
Beginn des Praktikums bzw. der Aufnahme des Studiums an der Technischen
Universität, die Ausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen konnte.
Für den Monat Juni 2008, wie im Übrigen auch für die Folgemonate, läge darüber
hinaus auch grundsätzlich eine Berücksichtigungsfähigkeit nach § 32 Abs. 4 Satz 1
Nr. 2 Buchst. b EStG vor, da der Sohn des Klägers sich in dieser Zeit in einer
Übergangszeit zwischen der Beendigung des Zivildienstes im Mai und der
Aufnahme des Praktikums im September 2008 bzw. des Studiums im Oktober
2008 in einer Übergangszeit zwischen der Beendigung des Zivildienstes und des
Beginns der Ausbildung („Ausbildungsabschnitt“) von höchstens vier Monaten
befunden hat. Dieser Zeitraum von höchstens vier Monaten wäre auch dann nicht
überschritten, wenn man den nachfolgenden Ausbildungsabschnitt erst durch die
Aufnahme des Studiums im Oktober 2008 als begonnen ansehen wollte, weil nur
volle (zusammenhängende) Kalendermonate zählen (vgl. BFH-Urteil vom 15. Juli
2003, VIII R 105/01, BFHE 203, 102, BStBl II 2003, 847).
Die Berücksichtigung des Sohnes A in den Monaten Mai und Juni 2008 scheitert
jedoch daran, dass er in dem Zeitraum vom 20. Mai bis einschließlich 18. Juli 2008
einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachgegangen ist.
Für den Monat Juni 2008 folgt die mangelnde Berücksichtigungsfähigkeit daraus,
dass er den gesamten Monat im Angestelltenverhältnis bei dem bisherigen
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dass er den gesamten Monat im Angestelltenverhältnis bei dem bisherigen
Zivildienstträger mit einer durchschnittlichen Arbeitszeit von 100 % der tariflichen
Arbeitszeit tätig und damit den vollen Monat Juni über vollerwerbstätig war.
In dem Monat Mai 2008 war der Sohn des Klägers zwar erst ab dem 20. des
Monats vollzeiterwerbstätig. Gleichwohl fehlt es auch in diesem Monat an einer
Unterhaltssituation des Klägers, die typischerweise derjenigen entspricht, in der
sich ein Kind während der Ausbildung befindet. Denn in dem gesamten Zeitraum
vor der Vollzeiterwerbstätigkeit im Monat Mai, d.h. vom 1. bis 19. Mai 2008,
leistete der Sohn Zivildienst. In diesem Zeitraum sind die Eltern, ebenso wie die
Eltern von Kindern, die ihren gesetzlichen Wehrdienst leisten, typischerweise nicht
durch Unterhaltspflichten belastet, so dass das Existenzminimum dieser Kinder bei
den Eltern nicht freizustellen bzw. eine Entlastung durch Kindergeld nicht
gerechtfertigt ist (vgl. BFH-Beschluss vom 15. Mai 2003, VIII B 248/02, a.a.O., unter
Hinweis auf BFH-Beschluss vom 4. Juli 2001, VI B 176/00, BFHE 196, 98, BStBl II
2001, 675). Damit lag – auch – für den gesamten Monat Mai 2008 eine Situation
vor, die, vergleichbar mit einem vollen Monat Zivildienst oder einem vollen Monat
Vollzeiterwerbstätigkeit des Kindes, zur Nichtberücksichtigung im Sinne des § 32
Abs. 4 Nr. 2 EStG führen muss.
Der Beklagte kann sich, im Einklang mit der Rechtsauffassung des
Bundeszentralamtes für Steuern, demgegenüber nicht mit Erfolg auf das Urteil
des BFH vom 16. November 2006, III R 15/06, (BFHE 216, 74, BStBl II 2008, 56)
stützen. Denn in dieser Entscheidung ist der BFH (lediglich) zu dem Ergebnis
gelangt, dass die einschränkende Auslegung, wonach die Tatbestände des § 32
Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a bis c EStG in den (vollen) Monaten einer
Vollzeiterwerbstätigkeit des Kindes nicht erfüllt sind und die sich in den
entschiedenen Fällen jeweils zu Gunsten des Kindergeldberechtigten ausgewirkt
hatten, nicht dazu führen dürfe, dass das Existenzminimum des Kindes bezogen
auf das Kalenderjahr beim Kindergeldberechtigten nicht entsprechend den
verfassungsrechtlichen Vorgaben durch das Kindergeld oder den Kinderfreibetrag
von der Einkommensteuer freigestellt wäre. Das wäre aber dann der Fall, wenn der
(anteilige) Jahresgrenzbetrag nicht überschritten wäre, der Steuerpflichtige
gleichwohl kein Kindergeld erhalten würde. So lag es in der Entscheidung des BFH
vom 16. November 2006 (III R 15/06, a.a.O.).
Abgesehen davon, dass eine derartige Fallkonstellation in dem vorliegend zu
entscheidenden Rechtsstreit nicht gegeben ist, da bei Berücksichtigung auch der
Monate Mai und Juni 2008 der anteilige Jahresgrenzbetrag für die insgesamt acht
Monate in Höhe von (anteilig) 5.120,00 EUR überschritten wäre, kann diesem Urteil
auch nicht eine Abkehr des BFH von seiner bisherigen Rechtsprechung, wonach
Kinder, die in dem Zeitraum zwischen einem Ausbildungs- bzw. Zivildienstende
und der Aufnahme einer weiteren Ausbildung einer Vollzeiterwerbstätigkeit
nachgehen und während dieser Zeit trotz Vorliegens der Voraussetzungen des §
32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG kindergeldrechtlich nicht zu berücksichtigen sind,
entnommen werden. Der BFH hält vielmehr an seiner bisherigen Rechtsprechung
aufgrund seines Urteils vom 16. November 2006 (III R 15/06, a.a.O.) nur insoweit
nicht mehr fest, als ein Kind für die Dauer der Vollzeiterwerbstätigkeit auch dann
nicht zu berücksichtigen sei, wenn seine Einkünfte und Bezüge – bei Einbeziehung
der Einkünfte aus der Vollzeiterwerbstätigkeit – insgesamt den Jahresgrenzbetrag
nicht übersteigen würden.
Dass das Urteil des BFH vom 16. November 2006 keine Abkehr von der oben
dargestellten und hier relevanten Rechtsprechung beinhaltet, ergibt sich im
Übrigen, worauf der Kläger zu Recht hinweist, auch aus dem Beschluss des BFH
vom 31. Juli 2008 (III B 64/07, BFH/NV 2008, 1932). Der entgegenstehenden
Rechtsauffassung des Bundeszentralamtes für Steuern (Schreiben vom 4. Juli
2008 – St II 2 – S 2282 - 138/2008, Finanzrundschau -FR- 2008, 984), auf die sich
der Beklagte stützt, vermochte sich der erkennende Senat aus den dargestellten
Gründen nicht anzuschließen.
Der Kläger hat damit Anspruch auf Festsetzung von Kindergeld für den Zeitraum
Juli bis einschließlich Dezember 2008 für seinen Sohn A im Wege einer
Prognoseentscheidung, da der anteilige Jahresgrenzbetrag für diesen zu
berücksichtigenden Zeitraum in Höhe von 3.840,00 EUR durch die Einkünfte und
Bezüge des Sohnes nicht überschritten wird, wie sich aus folgender Berechnung
ergibt:
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Die Frage, ob dem Sohn höhere Werbungs- bzw. Ausbildungskosten als der
berücksichtigte anteilige Pauschbetrag in Höhe von 383,32 EUR erwachsen sind
bzw. werden, kann der Senat angesichts dessen, dass der anteilige
Jahresgrenzbetrag bei Ansatz nur des anteiligen Pauschbetrages bereits deutlich
unterschritten wird, dahinstehen lassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 1 i.V.m. § 135 Abs. 1 FGO,
hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 151 Abs. 1 und 3 FGO i.V.m. den
§§ 708, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung
zugelassen, da der Beklagte unter Hinweis auf das Schreiben des
Bundeszentralamtes für Steuern, zuletzt vom 4. Juli 2008 (a.a.O.), die
Entscheidung des BFH vom 16. November 2006 (III R 15/06, a.a.O.) dahin auslegt,
dass ein Kind auch während einer Vollzeiterwerbstätigkeit immer zu
berücksichtigen sei, wenn ansonsten die Anspruchsvoraussetzungen des § 32 Abs.
4 EStG erfüllt seien, mithin eine so genannte „Günstigerprüfung“ entfallen würde.