Urteil des FG Schleswig-Holstein vom 15.03.2017

FG Schleswig-Holstein: abnutzung, vermietung, verpachtung, einkünfte, grundstück, gebäude, eigentümer, beendigung, wertminderung, erwerb

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Gericht:
Schleswig-
Holsteinisches
Finanzgericht 1.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahr:
2006
Aktenzeichen:
1 K 61/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 9 Abs 1 S 3 Nr 7 EStG 2002,
§ 7 Abs 4 S 3 EStG 2002, § 7
Abs 1 S 7 EStG 2002
Kein Ansatz von Absetzungen für eine außergewöhnliche
wirtschaftliche Abnutzung einer Mietwohnung aufgrund von
Mietrückgängen
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob Mietrückgänge bei einer Wohnraumvermietung
Absetzungen wegen außergewöhnlicher wirtschaftlicher Abnutzung - AfawA - bei
den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung rechtfertigen können.
Die Kläger wurden im Streitjahr 2006 als Ehegatten zusammen zur
Einkommensteuer veranlagt. Bereits im Jahre 1994 hatte der Kläger drei
Eigentumswohnungen erworben, die er seither - abgesehen von vorübergehenden
kürzeren Leerstandszeiten - durchgehend vermietete, und zwar Ende 2006 an die
Mieter X, Y und Z. Die Wohnungen verfügen über eine Gesamtmietfläche von
158,47 qm, davon entfallen 48,67 qm auf die Wohnung „X“ und jeweils 54,90 qm
auf die Wohnungen „Y“ und „Z“. Die ursprüngliche Kaltmiete betrug für alle
Wohnungen 11,00 DM (5,62 €) je Quadratmeter und war in den ersten fünf Jahren
über eine Mietgarantie abgesichert. Die Monatsmieten für die einzelnen
Wohnungen beliefen sich somit auf
Zu den Wohnungen gehörte jeweils ein Kfz-Stellplatz. Diese wurden zu einem
monatlichen Mietzins von jeweils 15,50 DM (7,93 €) mitvermietet.
Im Veranlagungszeitraum 2006 erzielte der Kläger folgende Monatskaltmieten:
Für die Überlassung der mitvermieteten Kfz.-Stellplätze wurde daneben kein
gesondertes Entgelt mehr erhoben.
Für den Erwerb der Wohnungen fielen Gesamtanschaffungskosten in Höhe von
487.793,00 DM an. Hierauf nahm der Kläger in den Veranlagungszeiträumen 1994
bis 1997 neben einer zweiprozentigen linearen Absetzung für Abnutzung – AfA –
für Gebäude auch Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz in Höhe
von insgesamt 50 % der Anschaffungskosten in Anspruch. (Versehentlich erst)
Seit dem Veranlagungszeitraum 2001 wurde die AfA mit 2,22 % der nach
Inanspruchnahme der Sonderabschreibungen verbliebenen Bemessungsgrundlage
in Höhe von (487.793,00 DM abzgl. 29.765,00 DM lineare Gebäude-AfA und abzgl.
243.899,00 DM Sonderabschreibungen =) 214.219,00 DM, also mit 4.756,00 DM
bei den Einkommensteuerveranlagungen berücksichtigt.
In der Einkommensteuererklärung für 2006 machte der Kläger bei den Einkünften
aus Vermietung und Verpachtung für die drei Wohnungen AfawA in Höhe eines
Gesamtbetrages von 24.143,00 € geltend. In einer der Einkommensteuererklärung
beigefügten Anlage führten die Kläger hierzu aus, dass ihnen durch einen im
Rahmen einer Wohnungseigentümerversammlung vom 02. November 2006
erstatteten Bericht über die Immobiliensituation in … bekannt geworden sei, dass
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erstatteten Bericht über die Immobiliensituation in … bekannt geworden sei, dass
dort für Immobilien nur noch Veräußerungserlöse von 432,00 € je Quadratmeter
erzielt werden könnten. Die Kläger errechneten den Absetzungsbetrag wie folgt:
Daneben machte der Kläger weitere Werbungskosten geltend, nämlich
Finanzierungskosten (6.524,00 €), Grundsteuer (171,00 €), Wohngeld (5.076,00 €),
einen Posten für „eigene Beaufsichtigung und Verwaltung“ (243,00 €), Fahrtkosten
(450,00 €) sowie hinsichtlich des Mieters X angefallene Gerichtskosten (195,00 €).
Der Einkommensteuererklärung waren die Wohngeldabrechnungen für 2005 vom
15. Juni 2006 beigefügt. Auf sie wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug
genommen. Die ihm gegenüber dadurch abgerechneten Kosten legte der Kläger
als Nebenkosten weitgehend (nämlich die Positionen „Müllabfuhr“, „Hausstrom“,
„Versicherungen“, „Hauswart/ Gartenpflege“, „Kabelfernsehgebühr“,
„Winterdienst“, „Ungezieferbekämpfung“, „Wasser/ Heizung“, „Grundsteuer“) auf
die Mieter um, lediglich hinsichtlich der Abrechnungspositionen „Bankgebühren“,
„Verwaltergebühr“, „Zuführung zur Instandhaltungsrücklage“, „Zinserträge“,
„Zinsabschlagsteuer“, „Solidaritätszuschlag“, „Sonstige Kosten“, „Reparaturen“
und „Einzelkosten Eigentümer“ verblieb es bei einer Kostentragung durch den
Kläger. Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die seitens
des Klägers erstellten Nebenkostenabrechnungen für den Zeitraum vom 01.01.
bis zum 31.12.2006, die der Kläger im Termin vom 04. Juni 2009 zu den
Gerichtsakten gereicht hat.
In dem Einkommensteuerbescheid vom 19. Juni 2007 erkannte der Beklagte
neben den genannten weiteren Werbungskosten lediglich reguläre AfA in Höhe von
2.434,00 €, nicht aber den darüber hinaus geltend gemachten Betrag in Höhe von
(24.143,00 € ./. 2.434,00 € =) 21.709,00 € an und wies in den Erläuterungen zum
Bescheid darauf hin, dass der Ansatz von AfawA nicht in Betracht komme, da
keine erhebliche Beeinträchtigung der Nutzungsfähigkeit der Wohnungen vorliege.
Mit ihrem Einspruchsschreiben vom 21. Juni 2007, das am 25. Juni 2007 bei dem
Beklagten einging, begehrten die Kläger den Ansatz auch dieses Betrages. Sie
machten geltend, dass die Berücksichtigung von AfawA nach der
höchstrichterlichen Rechtsprechung und der einschlägigen Literatur insbesondere
dann in Betracht komme, wenn die wirtschaftliche Nutzungsfähigkeit eines
Wirtschaftgutes beeinträchtigt sei. Maßgebend sei insofern das Verhältnis der
"Verminderung der Nutzbarkeit zur normalen Nutzbarkeit". Hier sei die
wirtschaftliche Nutzbarkeit erheblich beeinträchtigt. Durch die anhaltende
„Westflucht“ junger Anwohner seien die Objekte in … nur eingeschränkt und mit
erheblichen Abschlägen vermietbar und zudem auch nahezu unverkäuflich. Wegen
der weiteren Einzelheiten wird auf das Einspruchsschreiben vom 21. Juni 2007
Bezug genommen.
Dem Einspruchsschreiben war ein an den Kläger gerichtetes Schreiben einer
Makleragentur vom 20. Juni 2007 beigefügt, aus dem sich ergibt, dass angesichts
einer "zeitweise mangelnden Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt in …" lediglich
3,50 – 3,80 € Kaltmiete erzielt werden könnten; die Möglichkeit, die Wohnungen zu
einem angemessenen Preis zu veräußern, bestehe nicht. Wegen der weiteren
Einzelheiten wird auf das Schreiben der Makleragentur vom 20. Juni 2007 Bezug
genommen.
Mit Schreiben vom 18. August 2007 führten die Kläger ergänzend zur Begründung
des Einspruchs aus, dass auch die Unverkäuflichkeit der Wohnungen geeignet sei,
Absetzungen wegen einer außergewöhnlichen wirtschaftlichen Abnutzung zu
rechtfertigen. Vor dem Hintergrund der inzwischen erheblich verminderten
Rentabilität der Objekte ergebe sich ein Abschreibungsbetrag von 27.762,00 €,
dessen Ansatz nunmehr begehrt werde. Wegen der weiteren Einzelheiten,
insbesondere wegen der Berechnung des nunmehr geltend gemachten
Abschreibungsbetrages, wird auf das Schreiben der Kläger vom 18. August
2007 Bezug genommen.
Mit Schreiben der Kläger vom 26. Oktober 2007 errechneten diese einen wiederum
abweichenden Abschreibungsbetrag in Höhe von 25.234,00 €, den sie nunmehr
geltend machten. Die Berechnung erfolgte dabei ausgehend von den in 1994 und
2006 erzielten Kaltmieten inklusive Stellplatzmiete (in 1994). Wegen der
Einzelheiten wird Bezug genommen auf das Schreiben der Kläger vom 26. Oktober
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Einzelheiten wird Bezug genommen auf das Schreiben der Kläger vom 26. Oktober
2007.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 03. April 2008
als unbegründet zurück. Es sei schon nicht erkennbar, warum die AfawA der
Mietobjekte gerade im Veranlagungszeitraum 2006 erfolgten. Es spreche nichts
dafür, dass in jenem Jahr ein besonderes Ereignis eingetreten sei. Der
Steuerpflichtige sei bei der Wahl des Zeitpunktes für den Ansatz der
Abschreibungen aber nicht wahlfrei, dieser müsse vielmehr in dem Jahr erfolgen, in
dem die außergewöhnliche Abnutzung eingetreten sei.
Die Annahme einer außergewöhnlichen wirtschaftlichen Abnutzung komme
überdies allein wegen eines Überangebotes auf dem Wohnungsmarkt, das zu
Einnahmeeinbußen führe, ohnehin nicht in Betracht. Erforderlich sei vielmehr eine
dauerhafte Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Nutzbarkeit der Wohnungen. Hier
sei aber nicht sichergestellt, dass tatsächlich eine dauerhafte Beeinträchtigung
vorliege.
Außerdem sei – was erforderlich wäre – eine erhebliche Rentabilitätsminderung
nicht gegeben. Zwar belaufe diese sich nach den Berechnungen der Kläger auf
19,17 %. Bereinigt um die Stellplatzmiete und unter Berücksichtigung von
Leerstandszeiten ergebe sich aber lediglich eine Rentabilitätsminderung von 17 %,
die nicht ausreiche, um Absetzungen wegen einer Einschränkung der
wirtschaftlichen Nutzbarkeit der Mietobjekte zu rechtfertigen. Wegen der weiteren
Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung vom 03. April 2008 Bezug
genommen.
Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer unter dem 24. April 2008 erhobenen
Klage, die am 28. April 2008 bei dem Gericht eingegangen ist. Zur Begründung
wiederholen die Kläger im Wesentlichen ihren Vortrag aus dem
Einspruchsverfahren. Zum Zeitpunkt des Ansatzes der erhöhten Abschreibungen
führen sie ergänzend aus, dass dieser in 2006 zu erfolgen habe, weil erst im
Rahmen der Eigentümerversammlung vom 02. November 2006 deutlich geworden
sei, wie hoch die zwischenzeitlich eingetretene Wertminderung der Immobilien sei.
Zuvor seien sie davon ausgegangen, dass sich ein Verkaufspreis von 1.050,00 € je
Quadratmeter für eine 54,90 qm große Wohnung hätte erzielen lassen.
Hinsichtlich der Nachhaltigkeit der Ertragsminderung verweisen die Kläger auf den
Mietspiegel der Gemeinde … für den Zeitraum 2006 – 2008, hieraus ergebe sich
für vergleichbare Objekte eine Kaltmiete von 4,22 € je Quadratmeter. Es sei eine
Absetzung für außergewöhnliche wirtschaftliche Abnutzung in Höhe von 26.219,00
€ zu berücksichtigen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Klageschrift
vom 24. April 2008 nebst Anlagen sowie die Schriftsätze der Kläger vom 17. Juni
2008 und 05. August 2008 Bezug genommen.
Die Kläger beantragen, den Einkommensteuerbescheid 2006 vom 19. Juni 2006
unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 3. April 2008 zu ändern, bei
den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung eine Absetzung für
außergewöhnliche wirtschaftliche Abnutzung der Mietobjekte in … in Höhe von
26.219 Euro zu berücksichtigen und die Einkommensteuer entsprechend niedriger
festzusetzen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er wiederholt zur Begründung ebenfalls im Wesentlichen seine bereits im
Einspruchsverfahren und insbesondere in der Einspruchsentscheidung
vorgebrachten Argumente. Ergänzend führt er aus, dass auch eine Mieteinbuße
von 19,2 % keine ins Gewicht fallende Werteinbuße sei. Außerdem sei die
Dauerhaftigkeit der Wertminderung nicht dargetan, aus den seitens der Kläger
vorgelegten Unterlagen ergebe sich eine solche nicht. Im Übrigen berühre ein
konjunktureller oder regionaler Besonderheiten geschuldeter Mietrückgang nicht
das Wirtschaftsgut selbst in seiner Widmung zur konkreten Einkunftserzielung, so
dass schon aus diesem Grunde eine Absetzung wegen außergewöhnlicher
wirtschaftlicher Abnutzung nicht in Betracht komme. Wegen der weiteren
Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Klageerwiderung des Beklagten vom
05. Juni 2008 sowie auf den Schriftsatz des Beklagten vom 25. Juli 2008.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakten sowie auf die beigezogenen Steuerakten
(Einkommensteuerakten Bände IV-VII - Veranlagungszeiträume 1996 bis 2006 -
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(Einkommensteuerakten Bände IV-VII - Veranlagungszeiträume 1996 bis 2006 -
sowie die Rechtsbehelfsakte) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Beklagte hat die für den
Veranlagungszeitraum 2006 geltend gemachten AfawA zu Recht nicht
berücksichtigt.
1.) Zwar zählen zu den Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und
Verpachtung gem. § 21 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz – EStG – nach § 9
Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i.V.m. § 7 Abs. 4 Satz 3, Abs. 1 Satz 7 EStG neben den
normalen AfA insbesondere auch die Absetzungen für eine außergewöhnliche
technische oder wirtschaftliche Abnutzung.
a.) Ob Absetzungen für eine außergewöhnliche wirtschaftliche Abnutzung – AfawA
– angesetzt werden können, wenn der Mietertrag eines Mietgrundstücks dauerhaft
zurückgegangen ist, ist höchstrichterlich bislang nicht entschieden worden. Der
Bundesfinanzhof – BFH – hat die Frage vielmehr ausdrücklich offen gelassen (vgl.
die Urteile VIII R 34/76 vom 28. Oktober 1980, BStBl II 1981, 161; IX R 146/90 vom
27. Januar 1993, BStBl II 1993, 702; IX R 29/98 vom 09. Juli 2002, BFH/NV 2003,
21). Auch in der Instanzrechtsprechung ist die Frage bisher – soweit ersichtlich –
nicht entschieden worden (vgl. etwa den Beschluss des FG München vom 29.
Oktober 1997 1 V 2373/97, EFG 1998, 178).
b.) In der Literatur wird - wohl überwiegend - vertreten, dass die mangelnde
Ertragsfähigkeit eines zum Privatvermögen gehörenden Hauses allein nicht zu
einer AfawA führen kann (vgl. in Kirchhoff/Söhn/Mellinghoff, Kommentar
zum EStG, Anm. B 146 zu § 7; in Frotscher, Kommentar zum EStG, Anm.
234 zu § 7; in Lademann, Kommentar zum EStG, Anm. 285 zu § 7;
in Korn/Carlé/Stahl/Strahl, Kommentar zum EStG, Anm. 133 zu § 7; ,
DB 1962, 1385 (1418 linke Spalte); Urt.-Anm. in HFR 1981, 7 zum BFH-Urteil vom
08. Juli 1980 VIII R 176/78), und zwar selbst dann nicht, wenn sich der Eigentümer
dadurch zu einer vorzeitigen Veräußerung gezwungen fühlen sollte (vgl. ,
a.a.O.; , a.a.O.).
Vereinzelt wird aber auch die gegenteilige Ansicht vertreten (vgl. , DStR
1995, 32; in Hermann/Heuer/Raupach, Kommentar zum EStG und KStG,
Anm. 254 und 450 „Mangelnde Rentabilität eines Gebäudes“ zu § 7; wohl auch
, DStZ 1983, 509 linke Spalte).
2.) Hier kommt der seitens der Kläger begehrte Ansatz von AfawA nicht in
Betracht. Denn der Ansatz einer AfawA setzt voraus, dass das betreffende
Wirtschaftsgut in seiner wirtschaftlichen Nutzungsfähigkeit beeinträchtigt ist. Die
wirtschaftliche Nutzungsfähigkeit eines im Privatvermögen gehaltenen
Mietwohngrundstücks besteht in seiner objektiven Eignung, mit ihm (positive)
Vermietungseinkünfte zu erzielen. Hinsichtlich der Mietwohnungen des Klägers
lässt sich eine Beeinträchtigung dieser Eignung für das Streitjahr aber nicht
feststellen.
a.) Der Ansatz von „normalen“ AfA dient dazu, die Anschaffungs- oder
Herstellungskosten eines zur Erzielung von Einkünften genutzten Wirtschaftsgutes
im Ausmaß des dabei entstehenden Wertverzehrs auf die betriebsgewöhnliche
Nutzungsdauer zu verteilen. Dabei können naturgemäß nur solche Faktoren
Berücksichtigung finden, die unter normalen (betriebs-)individuellen Verhältnissen
zu dieser Wertminderung beitragen. Die Vornahme einer AfaA dient
demgegenüber dazu, über den durch den üblichen Betrieb entstehenden
Wertverzehr hinaus auch den durch außergewöhnliche Umstände und/oder
Einwirkungen entstandenen Wertverzehr eines Wirtschaftsgutes erfolgsmäßig
berücksichtigen zu können (vgl. auch das Urteil des FG Bremen vom 25. März
1988 I 233/83 K, EFG 1988, 466; , DB 1962, 1385, 1387). Dabei kann
die außergewöhnliche Abnutzung die ursprünglich den AfA zugrundegelegte
"technische" Nutzungsdauer des Wirtschaftgutes verkürzen, sie kann aber auch -
zugleich oder bei unveränderter technischer Nutzungsdauer - die wirtschaftliche
Einsatzfähigkeit des Wirtschaftsgutes verringern. Während der Verkürzung der
technischen Nutzungsdauer durch eine Veränderung des
Abschreibungszeitraumes und damit einer Erhöhung der jährlichen Absetzungen
Rechnung getragen werden kann (ohne dass es des Ansatzes von AfawA
bedürfte), kann die eingeschränkte wirtschaftliche Nutzungsfähigkeit durch den
Ansatz von AfawA abgebildet werden, um den verringerten Beitrag des
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Ansatz von AfawA abgebildet werden, um den verringerten Beitrag des
Wirtschaftsgutes zur Einkünfteerzielung berücksichtigen zu können.
Voraussetzung für eine AfaA ist demgemäß, dass durch ein aus dem Rahmen des
üblichen fallendes Ereignis ein außergewöhnlicher „Abnutzungseffekt“
herbeigeführt wird, der über die normale Abnutzung hinausgeht und eine
Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Nutzungsmöglichkeit des Wirtschaftsgutes
zur Folge hat (vgl. das BFH-Urteil vom 08. Juli 1980 VIII R 176/78, BStBl II 1980,
743). Die AfaA stellen sich folglich als ein Sonderfall des durch die
Nutzungsentnahme verursachten Wertverzehrs dar. Soweit es die AfawA betrifft,
werden deren Ursachen - anders bei den Absetzungen für eine außergewöhnliche
technische Abnutzung - regelmäßig ohne Einfluss auf die technische Abnutzung
des Wirtschaftsgutes bleiben. Der Ansatz der AfawA rechtfertigt sich vielfach
gerade dadurch, dass dem Umstand Rechnung getragen werden soll, dass die
technische Nutzungsdauer eines Wirtschaftsgutes über den Zeitraum hinausgeht,
innerhalb dessen es noch wirtschaftlich sinnvoll genutzt werden kann (z.B. eine von
der technischen Entwicklung überholte Produktionsmaschine, vgl. dazu auch die
weiteren Beispiele bei , DB 1962, 1385, 1417). Diese Diskrepanz
zwischen wirtschaftlicher und technischer Nutzungsmöglichkeit erfolgswirksam
abzubilden ist Aufgabe der AfawA, indem die ursprünglichen Anschaffungs- oder
Herstellungskosten der kürzeren wirtschaftlichen Nutzungsdauer angepasst
werden.
b.) Ein solches Bedürfnis besteht hier jedoch nicht. Denn eine im
Veranlagungszeitraum 2006 gegebene Beeinträchtigung der wirtschaftlichen
Nutzungsfähigkeit der Mietwohnungen lässt sich nicht feststellen. Auch im
Streitjahr war jede einzelne Wohnung objektiv geeignet, (positive) Einkünfte aus
Vermietung und Verpachtung einzubringen.
aa.) Die Nutzungsfähigkeit eines Mietgrundstücks ist jedenfalls dann
beeinträchtigt, wenn sich bei Beendigung eines Mietverhältnisses herausstellt,
dass das Objekt nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr weiter zu vermieten
ist (vgl. BFH-Urteil vom 28. Oktober 1980 VIII R 34/76, a.a.O.; Urteil des FG
Düsseldorf vom 09. August 2007 16 K 840/05, EFG 2008, 122). So lag es hier im
Streitjahr aber gerade nicht. Vielmehr waren alle drei Wohnungen seit ihrem
Erwerb durch den Kläger bis Ende 2006 einschließlich – bis auf kurze
Unterbrechungen – durchgängig und in vollem Umfang vermietet. Allein die rein
hypothetische Befürchtung des Klägers, die Wohnungen nach Beendigung der
derzeitigen Mietverhältnisse nur unter erhöhten Schwierigkeiten weitervermieten
zu können, vermag eine Einschränkung ihrer wirtschaftlichen Nutzungsmöglichkeit
nicht zu begründen, zumal – soweit ersichtlich – die Beendigung der bestehenden
Mietverhältnisse im Streitjahr gar nicht im Raume stand. Soweit der Kläger im
Termin vom 04. Juni 2009 ergänzend vorgetragen hat, dass die Wohnung „X“ seit
November 2008 leer stehe und eine Neuvermietung bislang nicht gelungen sei, ist
dieser Umstand nicht geeignet, die Inanspruchnahme einer AfawA im
Veranlagungszeitraum 2006 zu begründen.
bb.) Zwar ist der Mietertrag im Laufe der Jahre hinsichtlich der Wohnungen „X“ und
„Y“ durchaus signifikant zurückgegangen – dadurch wurde aber die Möglichkeit, die
Wohnungen zu Vermietungszwecken zu nutzen, (noch) nicht beschränkt. Es kann
dahinstehen, ob es für eine solche Beeinträchtigung der Nutzungsfähigkeit eines
Mietgrundstücks stets erforderlich ist, dass der Vermieter es gar nicht mehr oder
nur noch in eingeschränktem Umfang vermieten kann. Dagegen spricht, dass die
(ursprünglich vorhandene) Möglichkeit, ein Grundstück zum Zwecke der
Einkunftserzielung zu nutzen, verloren gehen kann, obwohl das Objekt vermietet
ist. Die Möglichkeit der Einkunftserzielung entfällt nämlich ab dem Zeitpunkt, ab
dem die erzielten Mieteinnahmen - trotz aller ernsthaft unternommenen
Bemühungen des Vermieters, höhere Mieten zu erzielen - dauerhaft nicht mehr
geeignet sind und auch künftig nicht geeignet sein werden, die laufenden
Bewirtschaftungskosten des Mietobjektes zu decken. Denn ab diesem Zeitpunkt
steht fest, dass das Grundstück unabhängig von der Person des Vermieters und
dessen Dispositionen im Übrigen - insbesondere also unabhängig von der Frage
einer Eigen- oder Fremdfinanzierung des Mietgrundstücks - nicht mehr dazu
genutzt werden kann, (positive) Vermietungseinkünfte zu erzielen. Auch in einer
solchen Situation mag es für einen Vermieter vorteilhaft sein, das Grundstück
dennoch - nicht kostendeckend - zu vermieten, um seine Verluste jedenfalls zu
minimieren. Das änderte aber nichts daran, dass das Objekt nicht mehr
entsprechend seinem ursprünglichen Zweck verwendet werden kann. Eine solche
Konstellation lässt sich hier jedoch für das Streitjahr nicht feststellen, was sich aus
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Konstellation lässt sich hier jedoch für das Streitjahr nicht feststellen, was sich aus
folgender Berechnung ergibt:
Danach reichten die mit den Wohnungen erzielten Mieteinnahmen jeweils aus, um
sie in dem oben genannten Sinne kostendeckend zu vermieten. Ihre objektive
Eignung zur Erzielung (positiver) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung war
somit im Streitjahr gegeben. Das gilt, obwohl der Senat zugunsten der Kläger bei
der Berechnung mit den „Gerichtskosten X“ eine Kostenposition berücksichtigt
hat, die Ausnahmecharakter hat und somit eigentlich kaum geeignet wäre, ein
dauerhaftes Defizit hinsichtlich dieser Wohnung zu begründen. Außerdem hat der
Senat - ebenfalls zugunsten der Kläger - die zweiprozentige Gebäude-AfA gem. § 7
Abs. 4 Nr. 2 a EStG bezogen auf die ursprünglichen Anschaffungskosten der
Wohnungen in Ansatz gebracht und damit unberücksichtigt gelassen, dass der
Kläger in den Veranlagungszeiträumen 1994 bis 1997 Sonderabschreibungen in
Anspruch genommen und damit einen beträchtlichen Teil das AfA-Volumens
bereits verbraucht hat (vgl. § 7a Abs. 9 EStG).
Letztlich erzielte der Kläger in 2006 noch relativ hohe Mieten, was sich auch daran
zeigt, dass die tatsächlich vereinnahmten monatlichen Quadratmetermieten von
4,00 €/qm (Wohnung „Y“), 4,33 €/qm (Wohnung „X“) und 5,62 €/qm (Wohnung
„Z“) zum Teil erheblich über denjenigen liegen, die die Makleragentur in ihrem von
den Klägern selbst vorgelegten Schreiben vom 20. Juni 2007 als erzielbar
eingeschätzt hat (3,50 – 3,80 €/qm). Alle drei Quadratmetermieten bewegen sich
auch im Rahmen dessen, was ausweislich des seitens der Kläger vorgelegten
Mietspiegels für die Stadt ... an Quadratmeterpreisen für eine mittelmäßig
ausgestattete Wohnung bei insgesamt guter Beschaffenheit des Gesamtgebäudes
zu erzielen war (3,86 – 4,56 €; Mittelwert 4,22 €), die mit der Wohnung „Z“ erzielte
Miete überschritt diesen Rahmen sogar bei weitem. Damit mögen die Mieten zwar
weit unter denjenigen liegen, die der Kläger zu Beginn der Vermietungstätigkeit
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weit unter denjenigen liegen, die der Kläger zu Beginn der Vermietungstätigkeit
erwartet hatte. Enttäuschte Renditeerwartungen allein vermögen aber eine AfawA
nicht zu rechtfertigen.
c.) Soweit vereinzelt vertreten wird, den Maßstab für die wirtschaftliche
Nutzungsfähigkeit eines Mietgebäudes bilde unmittelbar dessen Ertragswert, so
dass eine grundsätzlich zu AfawA berechtigende Beschränkung der
Nutzungsfähigkeit schon dann anzunehmen sei, wenn der Ertrag signifikant sinke
(so ausdrücklich , DStR 1986, 32), kann dem nicht gefolgt werden. Denn
dieser Ansatz vermengt systemwidrig die Frage nach der Bewertung einer
wirtschaftlichen Nutzung mit der Frage nach der grundsätzlichen Möglichkeit ihrer
Ausübung. So mag der Ertragswert zwar Auskunft darüber geben, welchen Wert
der Markt der Nutzung eines bestimmten Gebäudes beimisst, er sagt aber
jedenfalls unmittelbar nichts über die für die Frage des Ansatzes von AfawA allein
maßgebliche Veränderung der Dauer der wirtschaftlichen Nutzungsfähigkeit des
Gebäudes aus. Denn die Nutzungsfähigkeit eines Wirtschaftsgutes bestimmt sich
nicht unmittelbar nach der Wertschätzung, die der Markt der durch das
Wirtschaftsgut eröffneten Nutzungsmöglichkeit beimisst. Diese Wertschätzung
mag Schwankungen unterliegen und ihren Ausdruck auch in der Minderung der
durch die Nutzung erzielbaren Erlöse finden. Die Möglichkeit, ein Wirtschaftsgut zu
einem bestimmten wirtschaftlichen Zweck - etwa der Erzielung von Einkünften aus
der Vermietung von Wohnraum - zu nutzen, besteht grundsätzlich aber
unabhängig davon, wie der Markt diese Nutzungsmöglichkeit bewertet. Das gilt
jedenfalls so lange, wie die durch das Wirtschaftsgut eröffnete Nutzung überhaupt
nachgefragt wird und diese Nutzung wirtschaftlich sinnvoll (vgl. oben) gezogen
werden kann. Erst wenn das Wirtschaftsgut - u.U. auch durch Marktschwankungen
(vgl. dazu z.B. , a.a.O., § 7 Rn. 123) - zu seinem ursprünglich vorgesehenen
Zweck dauerhaft nicht mehr eingesetzt werden kann, obwohl es technisch noch
nicht verbraucht ist, lässt sich eine AfawA begründen. Eine Ertragsminderung allein
ist dazu hingegen jedenfalls so lange nicht geeignet, als sie eine solche
Auswirkung auf die maßgebliche wirtschaftliche Nutzungsfähigkeit des
Wirtschaftsgutes (noch) nicht hat (vgl. auch die Anmerkung zu dem BFH-Urteil
vom 08. Juli 1980 VIII R 176/78 in HFR 1981, 7). Das erscheint auch deshalb
sachgerecht, weil etwaige Ertragswertsteigerungen sich im Rahmen des § 21 EStG
auch nicht steuererhöhend auswirkten (so z.B. auch , DB 1962, 1385,
1418 linke Spalte).
3.) Aus den oben angeführten Gründen kommt der begehrte Ansatz der AfawA
auch mit Blick auf den behaupteten Verfall der Verkaufspreise der Mietwohnungen
nicht in Betracht. Denn die bloße Minderung des Wertes eines der
Einkommenserzielung dienenden Wirtschaftsgutes, ohne dass dadurch seine
betriebsgewöhnliche Nutzungsfähigkeit beeinflusst wird, vermag für sich
genommen keine AfaA, sondern allenfalls eine Teilwertabschreibung i.S.d. § 6 Abs.
1 Nr. 1 EStG zu begründen (vgl. auch das Urteil des FG Bremen vom 25. März
1988 I 233/83 K, a.a.O., mit weiteren Nennungen). Die Vornahme einer solchen ist
im Rahmen der Überschusseinkünfte, zu denen gem. § 2 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 Nr. 2
EStG auch die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gem. § 21 EStG
gehören, aber unzulässig (BFH-Urteil vom 21. Juni 2006 XI R 49/05, BStBl II 2006,
712).
4.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision wird gem. 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.