Urteil des FG Schleswig-Holstein vom 14.03.2017

FG Schleswig-Holstein: nichteheliche lebensgemeinschaft, wirtschaftliches interesse, grundstück, kaufvertrag, käufer, kaufpreis, aufhebungsvertrag, besitz, alleineigentum, rücktritt

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Gericht:
Schleswig-
Holsteinisches
Finanzgericht 3.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 K 40/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 1 Abs 1 Nr 1 GrEStG 1997, §
13 Nr 1 GrEStG 1997, § 16 Abs
1 Nr 1 GrEStG 1997
(Keine Rückgängigmachung eines
Grundstückskaufvertrages i.S. des § 16 Abs. 1 GrEStG bei
Aufhebung des Kaufvertrages und Abschluss eines
Kaufvertrages mit einem der früheren Erwerber in zwei
aufeinanderfolgenden Urkunden)
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Aufhebung von Grunderwerbsteuerfestsetzungen.
Die Kläger waren zu je ½ ideelle Miteigentümer des Grundstücks in …. Das
Grundstück hat eine Größe von 1.308 qm und war mit einem zum
Mehrfamilienhaus umgebauten Einfamilienhaus bebaut. Mit notariellem
Kaufvertrag vom 23. September 2006 veräußerten die Kläger das Grundstück an
Frau A und Herrn B jeweils zur ideellen Hälfte. Der Kaufpreis betrug 199.000 € und
war nach § 2 des Kaufvertrages am 31. Oktober 2006 fällig. Der Besitz an dem
Kaufgegenstand sollte nach § 4 des Kaufvertrages am 01. November 2006 auf die
Käufer übergehen, jedoch nicht, bevor der gesamte Kaufpreis auf einem
Notaranderkonto eingegangen war. Die Kläger bewilligten in dem Kaufvertrag die
Eintragung einer Auflassungsvormerkung zu Gunsten der Käufer und waren sich
mit den Käufern über den Eigentumsübergang einig (Auflassung).
Mit Grunderwerbsteuerbescheiden vom 03. November 2006 setzte der Beklagte
gegenüber Herrn B und Frau A jeweils eine Grunderwerbsteuer von 3.482 € fest.
Nachdem der Kaufpreis aus dem Grundstückskaufvertrag vom 23. September
2006 nicht entrichtet worden war, hoben die Vertragsparteien mit notariellem
Vertrag vom 25. November 2006 den Kaufvertrag auf und wiesen den Notar an,
den Vollzug des Vertrages nicht weiter zu betreiben. Die Käufer verpflichteten sich,
an die Kläger einen pauschalen Schadensersatz in Höhe von 1.000 € zu zahlen,
womit alle gegenseitigen Ansprüche aus der Auflösung des Kaufvertrages vom 23.
September 2006 erledigt sein sollten. Die Käufer bewilligten und beantragten, die
bereits im Grundbuch des Amtsgerichts eingetragene Auflassungsvormerkung zu
ihren Gunsten zu löschen. Die Kaufvertragsparteien beantragten ferner, die
Grunderwerbsteuerfestsetzungen aufzuheben. Beim Abschluss des
Aufhebungsvertrages vertrat Frau A aufgrund einer Vollmacht vom 10. November
2006 Herrn B.
Mit notariellem Kaufvertrag vom selben Tag (nächste Urkundenrollen Nr.
desselben Notars) veräußerten die Kläger das streitgegenständliche Grundstück
an Frau A zu Alleineigentum. Der Kaufpreis blieb mit 199.000 € unverändert und
war am 01. Dezember 2006 fällig. In § 4 des Kaufvertrages ist bestimmt, dass der
Besitz am Kaufgegenstand bereits am 01. Oktober 2006 auf die Käuferin
übergegangen ist, ebenso die Gebäudeversicherung und die mit dem
Kaufgegenstand verbundenen Rechte und Nutzen sowie die Gefahr des zufälligen
Unterganges.
Die Löschung der zu Gunsten von Herrn B und Frau A im Grundbuch
eingetragenen Auflassungsvormerkung erfolgte am 07. Dezember 2006.
Nachdem Herr B die Grunderwerbsteuer aus dem Bescheid vom 03. November
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Nachdem Herr B die Grunderwerbsteuer aus dem Bescheid vom 03. November
2006 nicht entrichtet hatte und er auf eine Vollstreckungsankündigung des
Beklagten nicht reagierte, setzte der Beklagte nach Anhörung mit Bescheiden
vom 29. Mai 2007 gegenüber den Klägern jeweils Grunderwerbsteuer in Höhe von
1.741 € fest. In den Erläuterungen zu den Bescheiden wurde jeweils ausgeführt,
dass bei einem Kaufvertrag oder einem anderen Rechtsgeschäft, das den
Anspruch auf Übereignung begründe, stets alle Vertragsteile auf der Erwerber- und
Veräußerungsseite Steuerschuldner seien und der Erwerber Herr B bisher keine
Grunderwerbsteuer gezahlt habe.
Die Kläger erhoben am 27. Juni 2007 Einspruch gegen diese Bescheide, die sie im
Wesentlichen damit begründeten, dass für den ursprünglichen Erwerbsvorgang ein
Aufhebungsanspruch aus § 16 Abs. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) zu
berücksichtigen sei, weil die Beteiligten die tatsächliche und vollständige
Rückgängigmachung des Kaufvertrages bewirkt hätten. Sie hätten durch den
Folgevertrag sämtliche Wirkungen aus dem Erwerbsvorgang aufgehoben und
damit eine Rechtslage geschaffen, als ob dieser Vertrag nicht zu Stande
gekommen sei. Insbesondere sei die Löschung der zu Gunsten der Erwerber
eingetragenen Auflassungsvormerkung bewirkt worden. Deshalb sei die
Heranziehung des Herrn B ohne Grundlage und auch die Kläger hätten nicht als
Gesamtschuldner einzutreten.
Mit Einspruchsentscheidungen vom 30. Januar 2008 wies der Beklagte die
Einsprüche der Kläger als unbegründet zurück.
Die Kläger haben am 03. März 2008 (einem Montag) Klage erhoben. Zur
Begründung tragen sie im Wesentlichen vor, dass Herr B ursprünglich allein den
Kaufpreis aus dem Vertrag vom 23. September 2006 habe tragen wollen. Die
Käufer hätten eine nichteheliche Lebensgemeinschaft und die Absicht gehabt, das
Gebäude gemeinsam zu bewohnen. Herr B sei aber wegen Überschuldung
finanziell nicht in der Lage gewesen den Kaufpreis zu entrichten, und deshalb habe
ein Rücktritt vom Kaufvertrag mit erheblichen Kostenfolgen im Raume gestanden.
Die Beziehung zwischen Herrn B und Frau A sei dann gescheitert und Letztere
habe das Grundstück alleine erwerben und bewohnen wollen. Zunächst hätten die
Kläger einem Kauf von Frau A skeptisch gegenüber gestanden, weil sie befürchtet
hätten, dass diese ihn nicht würde finanzieren können. Nachdem Frau A indes
durch Vorlage einer Bankbescheinigung belegt gehabt habe, dass die Finanzierung
gesichert sei, habe man schließlich einem Verkauf an sie zugestimmt. Ein anderer
Käufer habe auch nicht zur Verfügung gestanden. Aus praktischen Gründen habe
man den Aufhebungsvertrag und den neuen Kaufvertrag an einem Tag und
hintereinander notariell beurkunden lassen. Der Besitz und der Nutzen und die
Lasten des Kaufgegenstandes seien schon am 01. Oktober 2006 auf die Käufer
übergegangen, weil diese den Wunsch geäußert hätten, die Wohnung bereits
vorher einrichten zu können. Es habe deshalb schon eine Schlüsselübergabe
stattgefunden und aus Haftungsgründen habe man sich auch auf einen vorherigen
Übergang von Nutzen und Lasten geeinigt.
Die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Grunderwerbsteuerbescheides lägen
vor, so dass eine Inanspruchnahme der Kläger rechtswidrig sei. Der Beklagte
unterstelle einen Beitritt der Frau A zu dem ursprünglich von den Klägern und
Herrn B geschlossenen Vertrag. Dem stehe die Aufhebung dieses Vertrages
entgegen. Die ursprünglichen Vertragsparteien hätten damit gemäß § 16 Abs. 1
Nr. 1 GrEStG die Aufhebung des Vertrages vereinbart und die Kläger damit ihre
ursprüngliche Rechtsstellung wieder erlangt. Sie seien in der Lage gewesen, über
das Grundstück auch anderweitig zu verfügen. Für den Käufer habe sich kein
Vorteil aus der Aufhebung des Vertrages und der anschließenden Veräußerung
des Grundstücks an Frau A ergeben. Die erste Erwerbergemeinschaft habe auch
keine Einwirkungsmöglichkeit auf den späteren Erwerbsvorgang gehabt. Frau A
habe allein das Interesse gehabt, das Grundstück zu Wohnzwecken zu erwerben.
Ein wirtschaftliches Interesse der Ersterwerber an dem Alleinerwerb von Frau A
liege nicht vor. Bei ihr handele es sich auch rechtlich um eine andere Person als
die Ersterwerbergemeinschaft.
Frau A sei nicht in der Lage gewesen, die Veräußerung an sich alleine zu
erzwingen. Sie sei durch den gemeinsamen Erwerb geschwächt und einem
erheblichen Kostenrisiko ausgesetzt gewesen. Die Kläger seien nach der
Löschungsbewilligung für die Auflassungsvormerkung wieder in der Lage gewesen,
über das Grundstück zu verfügen. Nach dem Aufhebungsvertrag sollten mit der
pauschalen Schadenersatzregelung alle gegenseitigen Ansprüche aus der
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pauschalen Schadenersatzregelung alle gegenseitigen Ansprüche aus der
Auflösung des Kaufvertrages vom 23. September 2006 erledigt sein. Das Interesse
von Frau A am Erwerb des Grundstücks sei allein persönlich motiviert gewesen. Es
fehle an jeder Steuerung, hier wirtschaftliche Verwertungsinteressen aus der
Nutzung des Grundstücks anzunehmen.
Die Kläger beantragen, die Grunderwerbsteuerbescheide vom 29. Mai 2007 in der
Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 30. Januar 2008 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er bezieht sich zur Begründung auf die Einspruchsentscheidungen und trägt
ergänzend im Wesentlichen vor, dass das bloße Abstellen auf ein wirtschaftliches
Interesse beim Neuabschluss des Vertrages nicht sachgemäß sei. Im Übrigen
habe das wirtschaftliche Interesse der Frau A daran gelegen, dass sie letztlich
Eigentümerin des Grundstücks habe werden wollen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakte und den der beigezogenen Grunderwerbsteuerakten des
Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Die angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheide vom 29. Mai 2007 in Gestalt der
Einspruchsentscheidungen vom 30. Januar 2008 sind rechtmäßig.
Die Grunderwerbsteuerbescheide vom 29. Mai 2007 beruhen auf § 1 Abs. 1 Nr. 1
i.V.m. § 13 Nr. 1 GrEStG. Danach unterliegt ein Kaufvertrag, der sich auf
inländische Grundstücke bezieht, der Grunderwerbsteuer. Steuerschuldner sind die
in einem Erwerbsvorgang als Vertragsteile beteiligten Personen.
Besteuerungsgegenstand ist hier der notarielle Grundstückskaufvertrag vom 23.
September 2006, mit dem Herr B von den Klägern den Anspruch auf Übereignung
einer ideellen Miteigentumshälfte an dem verkauften Grundstück erwarb. Der
Anteil eines einzelnen Miteigentümers wird grunderwerbsteuerlich wie
Alleineigentum am Grundstück behandelt. Bezieht sich ein Rechtsvorgang auf
mehrere Miteigentumsanteile, so liegen so viele getrennt zu behandelnde
Steuerfälle vor, wie Miteigentumsanteile veräußert wurden (vgl. BFH-Urteil vom 31.
August 1994 II R 82/93, BFH/NV 1995, 437; Viskorf, in: Boruttau,
Grunderwerbsteuergesetz, 16. Aufl. 2007, § 13 Rn. 72 m.w.N.). Der Verkauf des
Miteigentumsanteils an Herrn B ist somit grunderwerbsteuerrechtlich als eigener
Erwerbsvorgang zu beurteilen, an dem auf der Veräußererseite die Kläger und auf
der Erwerberseite Herr B beteiligt waren. Nachdem die auf diesen Erwerbsvorgang
entfallende Grunderwerbsteuer von 3.482 € von Herrn B nicht beizutreiben war,
konnten die Kläger als Verkäufer des Miteigentumsanteils als Gesamtschuldner je
zur Hälfte für die Grunderwerbsteuer in Anspruch genommen werden.
Ermessensfehler sind insoweit weder geltend gemacht worden noch ersichtlich.
Entgegen der Auffassung der Kläger sind die Grunderwerbsteuerbescheide vom
29. Mai 2007 nicht deshalb rechtswidrig, weil der durch den Kaufvertrag vom 23.
September 2006 ausgelöste Erwerbsvorgang rückgängig gemacht wurde.
Nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG wird auf Antrag die Grunderwerbsteuer nicht
festgesetzt oder die Steuerfestsetzung aufgehoben, wenn ein Erwerbsvorgang
rückgängig gemacht wird, bevor das Eigentum am Grundstück auf den Erwerber
übergegangen ist, wenn die Rückgängigmachung durch Vereinbarung, durch
Ausübung eines vorbehaltenen Rücktrittsrechts oder eines Wiederkaufsrechts
innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer stattfindet.
Ein Erwerbsvorgang ist dann „rückgängig gemacht“, wenn sich die Vertragspartner
über die zivilrechtliche Aufhebung des den Steuertatbestand erfüllenden
Rechtsgeschäfts hinaus derart aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen
haben, dass die Möglichkeit zur Verfügung über das Grundstück nicht beim
Erwerber verbleibt, sondern der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung
wieder erlangt. Der Wegfall der Verfügungsmöglichkeit des Erwerbers über das
Grundstück einerseits und die Wiedererlangung der ursprünglichen Rechtsstellung
des Veräußerers andererseits stehen - dem systematischen Verhältnis der
Steuertatbestände des § 1 GrEStG zu der gegenläufigen Korrekturvorschrift des §
16 GrEStG entsprechend - in einem sachlichen Zusammenhang. Erfolgt im
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16 GrEStG entsprechend - in einem sachlichen Zusammenhang. Erfolgt im
Zusammenhang mit der „Rückgängigmachung“ des Erwerbsvorgangs eine
Weiterveräußerung des Grundstücks, ist für die Anwendung des § 16 Abs. 1
GewStG entscheidend, ob für den früheren Erwerber trotz formaler Aufhebung des
den ursprünglichen Tatbestand erfüllenden Rechtsgeschäfts im Zusammenhang
mit der Weiterveräußerung die Möglichkeit der Verwertung einer aus dem
„rückgängig gemachten“ Erwerbsvorgang herzuleitenden Rechtsposition
verblieben und der Verkäufer demgegenüber nicht aus seinen Bindungen
entlassen war. War dem ursprünglichen Erwerber eine solche Rechtsposition
verblieben und hat er diese im Zusammenhang mit der Weiterveräußerung des
Grundstücks auch tatsächlich im eigenen (wirtschaftlichen) Interesse verwertet, ist
die Anwendung des § 16 Abs. 1 GrEStG ausgeschlossen. Zur Bejahung einer dem
Ersterwerber aus dem Erwerbsvorgang verbliebenen Möglichkeit, eine ihm
verbliebene Rechtsposition zu verwerten, bedarf es konkreter Feststellungen unter
Berücksichtigung des Einzelfalles (vgl. BFH-Urteile vom 23. August 2006 II R 8/05,
BFH/NV 2007, 273; vom 24. April 2007 II R 18/05, BFHE 217, 276, BStBl II 2007,
726; vom 14. November 2007 II R 1/06, BFH/NV 2008, 403).
Heben die Vertragspartner eines Grundstückskaufvertrages diesen zwar auf,
schließen jedoch dieselben Personen oder mit diesen nahestehende Personen im
unmittelbaren Anschluss an die Aufhebung einen neuen Vertrag über dasselbe
Grundstück, so ist damit der ursprüngliche Vertrag in der Regel nicht „rückgängig
gemacht“. Zumindest grunderwerbsteuerrechtlich ist dies vielmehr regelmäßig als
Vertragsänderung zu werten. Es kann dahingestellt bleiben, ob eine derartige
Sachverhaltsgestaltung nicht auch bürgerlich-rechtlich als Vertragsänderung zu
beurteilen ist. Aus einem solchen Geschehensablauf wird jedenfalls die Absicht der
Beteiligten deutlich, sich nicht tatsächlich aus ihren bestehenden vertraglichen
Bindungen zu entlassen, sondern diese nur modifizieren zu wollen (vgl. BFH-Urteil
vom 17. Oktober 1990 II R 148/87, BFH/NV 1991, 413; vgl. auch BFH-Urteile vom
06. Oktober 1976 II R 131/74, BStBl II 1977, 253; vom 13. Juli 1983 II R 25/82, juris
und vom 26. September 1990 II R 107/87, BFH/NV 1991, 482; Schleswig-
Holsteinisches Finanzgericht, Urteil vom 28. Dezember 2006, 3 K 199/06; Sack in:
Boruttau, a.a.O., § 16 Rn. 61 e, 62).
Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Grundsätze in der oben angeführten
neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes aufgegeben wurden und in der
vorliegenden Fallkonstellation überhaupt greifen. Zweifel an Letzterem bestehen
deshalb, weil die nichteheliche Lebensgemeinschaft zwischen Frau A und Herrn B
bei Abschluss des Aufhebungsvertrages und des neuen Kaufvertrages am 25.
November 2006 offenbar schon beendet war und deshalb fraglich erscheint, ob zu
diesem Zeitpunkt noch von einem Näheverhältnis im Sinne der dargelegten
Grundsätze ausgegangen werden kann.
Dem früheren Erwerber verbleibt die Möglichkeit der Verwertung einer aus dem
„rückgängig gemachten“ Erwerbsvorgang herzuleitenden Rechtsposition in jedem
Fall dann, wenn die Aufhebung des ursprünglichen tatbestandserfüllenden
Rechtsgeschäfts und das die Weiterveräußerung betreffende Rechtsgeschäft in
einer einzigen Vertragsurkunde zusammengefasst sind. In diesem Fall hat der
Ersterwerber die rechtliche Möglichkeit, die Aufhebung des ursprünglichen
Kaufvertrages zum Zwecke des anschließenden Erwerbs des Grundstücks durch
eine von ihm ausgewählte dritte Person zu nutzen. Denn der Veräußerer wird aus
seiner Übereignungsverpflichtung gegenüber dem früheren Erwerber erst mit der
Unterzeichnung des Vertrages durch alle Vertragsbeteiligten und damit erst in
dem Augenblick entlassen, in dem er bereits wieder hinsichtlich der Übereignung
des Grundstücks an den Zweiterwerber gebunden ist (vgl. BFH-Urteil vom 23.
August 2006 II R 8/05, a.a.O.).
Da sich diese Schlussfolgerung trotz gleicher Beweggründe der Parteien mühelos
umgehen lässt, indem die Aufhebung des ursprünglichen und der Abschluss des
neuen Kaufvertrages nacheinander beurkundet werden, kann der Abschluss beider
Verträge in aufeinanderfolgenden Urkunden nicht anders beurteilt werden, als ihre
Zusammenfassung in einer. Um die Anwendung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG
auszuschließen, muss bei beiden Vorgehensweisen jedoch hinzukommen, dass
der Ersterwerber die verbliebene Rechtsposition in seinem eigenen
(wirtschaftlichen) Interesse verwertet hat (vgl. BFH-Urteile vom 25. April 2007 II R
18/05, a.a.O.; vom 14. November 2007 II R 1/06, a.a.O.). Dies ist hier der Fall.
Herr B hatte als Ersterwerber des streitgegenständlichen Miteigentumsanteils die
rechtliche Möglichkeit, die Aufhebung des ursprünglichen
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rechtliche Möglichkeit, die Aufhebung des ursprünglichen
Grundstückskaufvertrages zum Zwecke des anschließenden Alleinerwerbs des
Grundstücks durch Frau A zu nutzen. Die ursprünglichen Vertragsparteien hatten
sich vor der Beurkundung darauf geeinigt, dass Frau A das Grundstück zu
Alleineigentum erwerben sollte, nachdem die zunächst vorgesehene (alleinige)
Finanzierung des Grundstückskaufs durch Herrn B wegen dessen
Zahlungsschwierigkeiten gescheitert war und ein Rücktritt vom Kaufvertrag mit
erheblichem Kostenrisiko für beide Käufer im Raume stand. Zum Zwecke des
Alleinerwerbs durch Frau A musste der ursprüngliche Grundstückskaufvertrag
geändert oder aufgehoben werden. Für letztere Möglichkeit hat man sich
entschieden. Dafür war die rechtliche Mitwirkung von Herrn B erforderlich, die
dieser durch Vollmachtserteilung am 10. November 2006 an Frau A zur Aufhebung
des Kaufvertrages in seinem Namen erfüllt hat. Die zum Aufhebungsvertrag vom
25. November 2006 erforderliche Willenserklärung von Frau A ist Herrn B nach §
164 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zuzurechnen. Unmittelbar
anschließend hat Frau A sodann den notariellen Kaufvertrag zum Erwerb des
Grundstückes zu Alleineigentum unterschrieben.
Die Aufhebung des Grundstückskaufvertrages und der damit ermöglichte
Alleinerwerb des Grundstücks durch Frau A lag auch im wirtschaftlichen Interesse
von Herrn B. Dieser konnte den ursprünglichen geplanten Kauf nicht finanzieren.
Ein Rücktritt vom Kaufvertrag mit schwer absehbaren Kostenrisiken stand im
Raum. Im Aufhebungsvertrag wurde hingegen nur eine pauschale
Schadensersatzverpflichtung der Käufer in Höhe von 1.000 € vereinbart. Zudem
gab es keinen anderen Interessenten für das Grundstück, so dass der Verkauf an
Frau A für Herrn B zu diesem Zeitpunkt die einzige Möglichkeit war, durch eine
Vertragsaufhebung von seinen Kostenrisiken aus dem Kaufvertrag vom
23. September 2006 befreit zu werden.
Hinzu kommt, dass Herr B und Frau A bereits am 01. Oktober 2006 den Besitz des
Kaufgegenstands und die damit verbundenen Rechte und Nutzungen erlangt
hatten sowie zu diesem Zeitpunkt ein Gefahrübergang stattgefunden hatte. Dies
sind im Rahmen des § 16 Abs. 1 GrEStG zu berücksichtigende, aus einem
Erwerbsvorgang herrührende Rechtspositionen (vgl. BFH-Urteil vom 19. März 2003
II R 12/01, BStBl II 2003, Seite 770). Diese Rechtspositionen sind nicht auf die
Kläger zurückübertragen worden, sondern sind ausweislich von § 4 des
Grundstückskaufvertrages vom 25. November 2006 bei Frau A verblieben. Auch
diese Rechtspositionen sind von Herrn B in seinem oben dargestellten
wirtschaftlichen Interesse durch Mitwirkung an der Aufhebung des
Grundstückskaufvertrages zur Ermöglichung des Alleinerwerbs von Frau A
verwertet worden.
Im vorliegenden Zusammenhang ist es unerheblich, ob der Beklagte hinsichtlich
des zweiten Erwerbsvorgangs der Frau A zu Recht von einer
Grunderwerbsteuerpflicht gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 5 GewStG ausgegangen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.