Urteil des FG Schleswig-Holstein vom 13.03.2017

FG Schleswig-Holstein: einwendung, rechtsschutzversicherung, luft, vergütung, vertretung, zivilprozessrecht, immaterialgüterrecht, quelle, selbstbehalt, verwaltungsrecht

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Gericht:
Schleswig-
Holsteinisches
Finanzgericht 1.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahr:
2006
Aktenzeichen:
1 KO 278/06
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 11 RVG, § 133a FGO
Ablehnung einer Vergütungsfestsetzung - Rechtsbehelf
gegen die gerichtliche Kostenentscheidung
Tatbestand
I. In dem unter dem Az. 1 K 118/05 betriebenen Verfahren wurden den
Erinnerungsführern mit Beschluss vom 07. April 2006 gemäß §§ 138 Abs. 2 S. 2,
137 FGO die Kosten des Verfahrens auferlegt. Auf den Inhalt des Beschlusses wird
Bezug genommen. Mit Kostenrechnung vom 04. Mai 2006 wurden für das
vorbezeichnete Verfahren 272,-- € Gerichtskosten erhoben. Am 20. Juli 2006
übermittelte der Prozessbevollmächtigte und Erinnerungsgegner einen
Vergütungsfestsetzungsantrag, auf dessen Inhalt gleichfalls Bezug genommen
wird.
Die Erinnerungsführer nahmen zu dem Antrag mit Schreiben vom 21. August 2006
unter Beifügung diverser Anlagen Stellung. Bei den Anlagen handelt es sich um an
den Prozessbevollmächtigten gerichtete Schreiben vom 06. Juni 2006, 23. Juni
2006, 12. Juli 2006 und 21. August 2006. Unter anderem schrieben die
Erinnerungsführer, der Prozessbevollmächtigte habe sie anwaltlich unzureichend
und fehlerhaft vertreten. Er habe durch seine fehlerhafte anwaltliche Vertretung
dafür gesorgt, dass die Rechtsschutzversicherung die Kosten des
Bevollmächtigten und die vollen Gerichtskosten zu übernehmen habe und ihnen
ein in den Versicherungsbedingungen vorgesehener Selbstbehalt in Höhe von
250,-- € zugemutet werde, obwohl sie den Prozess de facto gewonnen hätten
(Schreiben vom 21. August 2006). Im Schreiben vom 23. Juni 2006 wiesen die
Erinnerungsführer darauf hin, dass sie eine vernünftige und korrekte
Kostenrechnung, die an sie gerichtet sei und in der die bereits geleistete Zahlung
der Rechtsschutzversicherung berücksichtigt ist, begehrten. Mit weiterem
Schreiben vom 12. Juli 2006 wiesen sie den Prozessbevollmächtigten darauf hin,
dass sie, die Erinnerungsführer, fast 500,-- DM zu tragen hätten, weil der
Prozessbevollmächtigte gegen die ihnen auferlegte Kostentragungspflicht nicht
interveniert habe. Er, der Erinnerungsführer, fühle sich vom
Prozessbevollmächtigten zumindest in diesem Punkt fehlerhaft bzw. völlig
unzureichend vertreten. Der Bevollmächtigte habe entgegen der ausdrücklichen
Bitte im Hinblick auf den ungerechten Kostenspruch des Einzelrichters nichts
unternommen.
Der Erinnerungsgegner führte seinerseits in der Stellungnahme vom 15.
September 2006 aus, die Erinnerungsführer machten keine für die
Kostenfestsetzung erheblichen Einwendungen geltend, sondern beschimpften im
Wesentlichen das Gericht und unterstellten diesem eine schlicht willkürliche
Entscheidung. Die Erinnerungsführer räumten ein, den Prozess de facto gewonnen
zu haben. Weiter hätten sie erwähnt, dass der Beschluss über die Kosten rechtlich
nicht anzugreifen gewesen sei. Als Anlage reichte der Erinnerungsgegner das
Schreiben der Erinnerungsführer vom 24. April 2006 ein, auf dessen Inhalt Bezug
genommen wird.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle setzte mit Beschluss vom 05. Oktober
2006 die von den Klägern als Gesamtschuldner gemäß § 11 des
Rechtsvergütungsgesetzes an die Rechtsanwälte ... zu erstattenden Kosten auf
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Rechtsvergütungsgesetzes an die Rechtsanwälte ... zu erstattenden Kosten auf
261,20 € fest. Der Beschluss wurde den Erinnerungsführern am 07. Oktober 2006
zugestellt. In ihrer am 16. Oktober 2006 bei Gericht eingegangenen Erinnerung
rügen die Erinnerungsführer, ihre Einwendungen seien nicht im Gebührenrecht
begründet. Sie weisen u. a. auf die Regelung des § 11 Abs. 5 RVG hin. In ihrem
gesamten Vortrag seien sie mit keinem einzigen Satz auf die Kosten selbst,
sondern lediglich auf die anwaltliche Schlechtleistung eingegangen.
Der Erinnerungsgegner beantragt, die Erinnerung zurückzuweisen.
Die Begründung der Erinnerungsführer sei unsubstantiiert und widersprüchlich. Im
Kern gehe es den Erinnerungsführern nicht um die Frage, ob und welche Gebühren
an den Bevollmächtigten zu zahlen seien, sondern die Erinnerungsführer könnten
es nicht verwinden, dass sie trotz des Erreichens des Prozessziels durch die
unanfechtbare Kostenentscheidung mit den Kosten des Verfahrens belastet
worden seien. Die Erinnerungsführer hielten dem Bevollmächtigten vor, nichts
gegen die Kostenentscheidung unternommen zu haben, ohne zu sagen, was
dagegen hätte unternommen werden sollen. Es könne erwartet werden, dass die
Erinnerungsführer konkrete Einwendungen geltend machten, z. B. darlegten,
welche anwaltliche Schlechtleistung dazu geführt habe, dass der Prozess in der
Hauptsache gewonnen worden sei. Weiterhin müssten die Erinnerungsführer
darlegen, welche Maßnahmen hätten ergriffen werden sollen, um die
unanfechtbare Kostenentscheidung anzugreifen.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen. Sie
hat die Erinnerung dem Gericht zur Entscheidung vorgelegt.
Entscheidungsgründe
II. Der Beschluss war aufzuheben.
Nach § 11 des Rechtsvergütungsgesetzes (RVG) kann auf Antrag des
Rechtsanwalts oder des Auftraggebers durch das Gericht des ersten Rechtszuges
die Vergütung durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle nach Maßgabe der
weiteren in § 11 RVG enthaltenen Voraussetzungen festgesetzt werden. Die
Festsetzung ist entsprechend § 11 Abs. 5 RVG abzulehnen, soweit der
Antragsgegner Einwendungen oder Einreden erhebt, die nicht im Gebührenrecht
ihren Grund haben. Soweit der Antragsgegner des Festsetzungsverfahrens (hier
die Erinnerungsführer) eine Einwendung oder Einrede erhebt, die nicht im
Gebührenrecht ihren Grund hat, darf und muss der Urkundsbeamte der
Geschäftsstelle die Festsetzung der Vergütung des Anwalts im Verfahren als nach
§ 11 Abs. 5 RVG unzulässig ablehnen (Hartmann, Kostengesetze, 36. Aufl., § 11
RVG, Rn. 52). Dem Antragsteller eröffnet sich damit der Weg einer Klage. Die
Bedeutung einer in dieser Weise geltend gemachten Einwendung oder Einrede darf
grundsätzlich nicht über ihre Entscheidungserheblichkeit für das
Festsetzungsverfahren nach § 11 RVG hinaus geprüft werden. Als nicht
gebührenrechtlich ist ein Einwand zu behandeln, der sich nicht nur gegen die
Richtigkeit einzelner geltend gemachter Gebührenansätze richtet, sondern gegen
den Gebührenanspruch als solchen nach Grund und / oder Höhe (Hartmann
a.a.O.).
Vorliegend haben die Erinnerungsführer insbesondere im Schreiben vom 21.
August 2006 geltend gemacht, durch den Bevollmächtigten unzureichend bzw.
fehlerhaft vertreten worden zu sein, infolge dessen mit Gerichtskosten belastet
worden zu sein, obgleich sie den zu Grunde liegenden Rechtsstreit zum Az. 1 K
118/05 faktisch gewonnen hätten. Dabei wird deutlich, dass der Vorwurf gegenüber
dem Bevollmächtigten darin besteht, zu Unrecht mit diesen Kosten konfrontiert
worden zu sein, weil der Bevollmächtigte gegen die Kostenentscheidung des
Gerichts nicht bzw. genügend interveniert habe. In dieser Frage fühle man sich
unzureichend vertreten. Trotz ausdrücklicher Bitte habe der Bevollmächtigte nichts
unternommen.
In dem Vortrag der Erinnerungsführer kann damit zumindest auch ein nicht
gebührenrechtlicher Einwand liegen. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
hätte nicht tätig werden dürfen.
Nicht erforderlich ist, dass der geltend gemachte nicht gebührenrechtliche
Einwand nicht oder nur unzureichend substantiiert oder schlüssig ist. Ausreichend
ist, dass der nicht gebührenrechtliche Einwand offensichtlich nicht aus der Luft
gegriffen ist.
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Dies ergibt sich nach Überzeugung des Gerichts bereits aus der Tatsache, dass
gegen die nach § 128 Abs. 4 FGO unanfechtbare Kostenentscheidung nicht
schlechterdings alle Rechtsbehelfe ausgeschlossen sind. Dabei kommt es nicht
darauf an, dass der in Frage kommende Rechtsbehelf, hier namentlich die
Anhörungsrüge gemäß § 133a FGO, statthaft, sonst zulässig und begründet ist.
Ausreichend ist im konkreten Fall, dass die Möglichkeit eines Rechtsbehelfs
besteht und der nicht gebührenrechtliche Einwand somit nicht offensichtlich aus
der Luft gegriffen ist. Denn insoweit ist für das Gericht nicht erkennbar, dass die
Einwendung der Erinnerungsführer unter keinem vernünftigen Gesichtspunkt
Bestand haben könnte und somit ein Fall des - unbeachtlichen - Missbrauchs
vorliegt (vgl. Hartmann, a.a.O. Rn.50, 57 und 67 "Schlechterfüllung").
Da die Erinnerung statthaft, zulässig und begründet war, war der Beschluss
aufzuheben.
Der Beschluss ergeht gerichtsgebührenfrei gemäß § 66 Abs. 8
Gerichtskostengesetz.
Der Beschluss ist gemäß § 128 Abs. 4 FGO unanfechtbar.