Urteil des FG Schleswig-Holstein vom 13.03.2017

FG Schleswig-Holstein: vorverfahren, einspruch, innenverhältnis, zivilprozessrecht, immaterialgüterrecht, verwaltungsrecht, gerichtsverfahren, versicherungsrecht, link, abgabenordnung

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Gericht:
Schleswig-
Holsteinisches
Finanzgericht 3.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 KO 58/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 31 Abs 1 Nr 4 BRAGebO, §
32 BRAGebO, § 6 BRAGebO
Prozessdifferenzgebühr und Erörterungsgebühr nach
tatsächlicher Verständigung - Funktion und Zweck der
Erörterungsgebühr
Tatbestand
I. Die Erinnerungsführer begehren die Festsetzung einer Prozessdifferenzgebühr
sowie einer Erörterungsgebühr unter Berücksichtigung eines Streitwerts in Höhe
von 1.603,41 €.
Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die unter dem Az. I 668/96 erhobene
Klage der Erinnerungsführer gegen die Einkommensteuerbescheide 1991 und
1992 wurde mit Urteil vom 03. September 1997 abgewiesen. Der Bundesfinanzhof
hob in seiner Entscheidung vom 06. November 2001 (Az.: IX R 97/00) das Urteil
des Finanzgerichts auf und verwies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und
Entscheidung zurück (neues Az. des Rechtsstreits 3 K 10096/02). Im Termin zur
Erörterung der Sach- und Rechtslage verpflichtete sich das Finanzamt zur
Änderung der Einkommensteuerbescheide 1991 und 1992 sowie des
Einkommensteuerbescheides für 1993. Zu den Einkommensteuerbescheiden
1991 und 1992 gaben die Beteiligten eine Erledigungserklärung ab. Die Kläger
erklärten darüber hinaus ihren beim Finanzamt anhängigen, aber im Hinblick auf
die gegen die Bescheide 1991 und 1992 anhängige Klage formlos ruhenden
Einspruch hinsichtlich des Einkommensteuerbescheides 1993 für erledigt.
Der Prozessbevollmächtigte der Erinnerungsführer beantragte u. a. eine
Prozessdifferenzgebühr gemäß § 32 BRAGO sowie eine Erörterungsgebühr gemäß
§ 31 Abs. 1 Ziff. 4 BRAGO. Seinen Kostenantrag begründete der
Prozessbevollmächtigte zu dem Punkt “
” damit, dass im Erörterungstermin auch das Jahr 1993
miteinbezogen worden sei, dessen Wert mit 1.504,- DM zu berücksichtigen sei.
Eine Prozessgebühr entstehe nicht erneut nach Zurückweisung, jedoch die
Prozessdifferenzgebühr wegen Einbeziehung des Jahres 1993. Die
Erörterungsgebühr sei nach dem Gegenstand der Erörterung zu bemessen.
In seinem Beschluss vom 02. Mai 2007 berücksichtigte der Urkundsbeamte der
Geschäftsstelle für das erneute Verfahren vor dem Finanzgericht ausgehend von
einem Gegenstandswert in Höhe von 3.136,- DM (1.603,41 €) eine
Erörterungsgebühr (10/10) in Höhe von 133,- €.
Der Streitwert für das erneute Verfahren vor dem Finanzgericht betrage 1.603,41
€, da die Einkommensteuer 1993 nicht rechtshängig geworden sei. Eine
Prozessdifferenzgebühr sei nicht entstanden, die Erörterungsgebühr richte sich
nach dem angegebenen Streitwert. Seinen Beschluss ergänzte der
Urkundsbeamte der Geschäftsstelle aus hier nicht streiterheblichen Gründen
durch Beschluss vom 09. Mai 2007.
Mit ihrer Erinnerung begehren die Erinnerungsführer die Berücksichtigung der mit
Schreiben vom 10. April 2007 geltend gemachten Kosten des erneuten Verfahrens
vor dem Finanzgericht, wie dort unter Ziff. 6 ausgeführt. Auf den Inhalt der
Erinnerung wird Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
II. Die zulässige Erinnerung ist nicht begründet (§ 149 Abs. 2 FGO).
1. Der Ansatz der im Hinblick auf die ESt-Festsetzung 1993 beantragten
Prozessdifferenzgebühr kommt vorliegend nicht in Betracht. Zwar setzt das
Entstehen einer Prozessgebühr im Innenverhältnis nicht voraus, dass ein
Rechtsstreit anhängig ist. Ausreichend ist vielmehr, dass der Rechtsanwalt von
einer Partei zum Prozessbevollmächtigten in einem (anstehenden)
Gerichtsverfahren bestellt worden ist und eine unter die Prozessgebühr fallende
Tätigkeit ausgeübt hat. An einem (anstehenden) Verfahren im Sinne der §§ 31, 32
BRAGO fehlt es vorliegend, da das Vorverfahren zur ESt 1993 im Zeitpunkt des
Erörterungstermins noch nicht abgeschlossen war. Vielmehr wurde das Verfahren
von keinem der Beteiligten betrieben, da die Klärung der für die ESt-Festsetzung
1991 und 1992 maßgeblichen Rechtsfrage abgewartet werden sollte. Eine Klage
gegen den ESt-Bescheid 1993 wäre mangels abgeschlossenem Vorverfahrens
unzulässig gewesen (§ 44 Abs. 1 FGO). Es fehlte insoweit zum Zeitpunkt der
Durchführung des Termins zur Erörterung der Sach- und Rechtslage an einer
Sachentscheidungsvoraussetzung. Anhaltspunkte dafür, dass die
Erinnerungsführer eine Klage nach § 46 FGO beabsichtigten, sind nicht gegeben.
Der Steuerbescheid zur ESt 1993 war mithin noch nicht Gegenstand des
Rechtsstreits.
2. Die Erörterungsgebühr bemisst sich nach dem Gegenstand der Erörterung ohne
Berücksichtigung des auf die ESt 1993 entfallenden Streitwertes (vgl. auch
Beschluss des auch LAG Sachsen-Anhalt vom 12. März 1996 8 Ta 13/96, JurBüro
1997, 191, juris - Miterledigung zweier in 1. Instanz anhängiger Verfahren in einem
Vergleich in 2. Instanz; Beschluss des LAG Berlin vom 1. Dezember 2000 7 Ta
6063/00, JurBüro 2001, 253, juris - Nichtberücksichtigung bloß angekündigter
Klagenhäufung). Der Steuerbescheid zur ESt 1993 war noch nicht Gegenstand des
Rechtsstreits. Der Erörterungsgebühr kommt nicht die Funktion zu, durch die
gebührenrechtliche Einbeziehung von potenziellen, aber zum Zeitpunkt der
Erörterung nicht rechtshängigen Streitgegenständen in die Ermittlung des
Streitwertes (hier ESt 1993) den Umstand auszugleichen, dass die
Abgabenordnung eine Erstattung der Kosten des Bevollmächtigten im
Vorverfahren nicht vorsieht.
Danach erweist sich die Erinnerung in vollem Umfang als unbegründet.
Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei (vgl. Gräber-Stapperfend, FGO, 6.
Aufl., § 149 Rd. 18 m.w.N.). Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet. Der
Beschluss ist gemäß § 128 Abs. 4 FGO unanfechtbar.