Urteil des FG Saarland vom 19.03.2003

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FG Saarbrücken Urteil vom 19.3.2003, 2 K 320/98
Haftung des formell bestellten Geschäftsführers einer GmbH für de-ren Steuerschulden;
keine Entlastung des Geschäftsführers bei Be-auftragung eines Steuerberaters, wenn zwar
die laufenden steuerli-chen Angelegenheiten ordnungsgemäß und zuverlässig erledigt
werden, aber bei einem außergewöhnlichen Ereignis (hier: Wert-aufhellung bei einer
abgeschriebenen Forderung aufgrund späterer Zahlung) der Geschäftsführer erkennen
musste, das dieses Ereignis steuerlich bedeutsam ist.
Leitsätze
1. Fehlt dem Geschäftsführer einer GmbH die erforderliche steuerliche Sachkunde, so
muss er sich einer Hilfsperson (z.B. Steuerberater) bedienen, um seine gesetzlichen
Pflichten nach §§ 34 Abs. 1, 35 Abs. 1 GmbHG erfüllen zu können. Ihn trifft dann die Pflicht
zur laufenden Überwachung.
2. Hat die beauftragte Hilfsperson immer zuverlässig und ordnungsgemäß gearbeitet, so
dass die Erledigung der laufenden steuerlichen Angelegenheiten keine Veranlassung zu
Beanstandungen gab, so muss der Geschäftsführer grundsätzlich keine besonderen
Überwachungsmaßnahmen ergreifen.
3. Bei besonderen Ereignissen (hier: Wertaufhellung einer abgeschriebenen, ursprünglich
risikobehafteten Forderung wegen späterer Erfüllung) hat der Geschäftsführer jedoch die
Pflicht, sich über die steuerlichen Folgen zu vergewissern und gegebenenfalls besondere
Maßnahmen zu ergreifen. Er darf nicht im Vertrauen darauf, dass bislang alle steuerlichen
Angelegenheiten ordnungsgemäß abgewickelt wurden, untätig bleiben.
Tenor
Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Haftungsinanspruchnahme für
Körperschaftsteuerschulden der G-GmbH.
Die Klägerin hatte mit notariellem Vertrag vom 25. April 1988 das Unternehmen B-GmbH
als Alleingesellschafterin erworben und dieses gleichzeitig in G-GmbH umbenannt.
Gegenstand des Unternehmens war die Vorbereitung und die organisatorische Abwicklung
von Bauvorhaben als Bauherr im eigenen Namen und für eigene Rechnung, sowie der
Erwerb von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten, deren Veräußerung und die
Verwaltung von Wohn- und gewerblichen Räumen.
Die Klägerin war ab Juni 1991 auch alleinige Geschäftsführerin der GmbH, nachdem ihr bis
dahin bestellter Ehemann sein Amt niedergelegt hatte. Der Ehemann hatte weiterhin im
Rahmen einer Einzelprokura Vertretungsbefugnis. Er verunglückte am 3. März 1993 bei
einem Verkehrsunfall tödlich.
Mitte 1993 wurde die werbende Tätigkeit der GmbH eingestellt. Mit Beschluss vom 27. Juni
1995 wurde das Konkursverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet. Ausweislich
des Konkursverwalterberichtes hat die Klägerin als Gesellschafterin und Geschäftsführerin
lediglich als „Strohfrau“ für ihren Ehemann fungiert, da sie keinerlei Kenntnisse und
Erfahrungen im Bezug auf die eigentlichen Geschäfte der GmbH gehabt habe. Aus diesen
Gründen sei das Unternehmen nach dem plötzlichen Tod des Ehemannes von Herrn C. und
Herrn Rechtsanwalt N. als faktische Geschäftsführer weitergeführt und insbesondere
abgewickelt worden.
Die GmbH war an anderen Gesellschaften wesentlich bzw. als Alleingesellschafterin
beteiligt. In diesem Rahmen beteiligte sie sich auch als Kommanditistin an der mit
Gesellschaftsvertrag vom 4. April 1990 gegründeten U-KG i. G. mit Sitz in S. Diese KG
wurde jedoch nicht ins Handelsregister eingetragen, da es bereits vor der Eintragung zu
Streitigkeiten zwischen den Gesellschaftern gekommen war, die in mehrere
Schadenersatzprozesse der G-GmbH gegen die U-GmbH vor dem LG Stuttgart mündeten.
Schadenersatzprozesse der G-GmbH gegen die U-GmbH vor dem LG Stuttgart mündeten.
Einer der Prozesse endete mit einem Prozessvergleich, in dem sich die Parteien einigten,
dass die beklagte U-GmbH an die G-GmbH einen Betrag in Höhe von 2.000.000 DM zahlen
solle, zahlbar in zwei Teilbeträgen, und zwar in Höhe von 750.000 DM bis 31. Dezember
1991 sowie in Höhe von 1.250.000 DM bis 31. Dezember 1992. Die Beträge wurden
vollständig und fristgerecht gezahlt, wie eine abgekürzte Außenprüfung vom 28. November
1997 ergeben hat.
In der am 26. Februar 1993 beim Finanzamt eingereichten Steuerbilanz zum 31.
Dezember 1991 wurde der Vergleichsbetrag von 2.000.000 DM als Ertrag ausgewiesen
und gleichzeitig die am 31. Dezember 1991 noch offene Restforderung von 1.250.000 DM
wertberichtigt. Dabei wurde die Wertberichtigung damit begründet, dass die Firma U-
GmbH eine Verrechnung der noch zu zahlenden Restforderung mit Gegenforderungen
angekündigt habe. Der Beklagte erkannte die Wertberichtigung nicht an, weil hierfür seiner
Auffassung nach keine kaufmännisch nachvollziehbaren Gründe vorlagen.
Am 10. Oktober 1997 erließ der Beklagte gegenüber der Klägerin einen Haftungsbescheid,
der die aus der Rückgängigmachung der Wertberichtigung zum 31. Dezember 1991 von
1.250.000 DM sich ergebende Nachzahlung an Körperschaftsteuer von 625.000 DM und
Solidaritätszuschlag von 23.437 DM beinhaltete. Der Beklagte stützte sich dabei auf die §§
69 und 71 Abgabenordnung AO. Gegen diesen Haftungsbescheid vom 10. Oktober 1997
hat die Klägerin am 11. November 1997 Einspruch eingelegt und mit Schreiben vom 28.
Januar 1998 die Aussetzung der Vollziehung beantragt. Diesen Antrag hat der Beklagte mit
Schreiben vom 8. Oktober 1998 zurückgewiesen. Dagegen hat die Klägerin am 9.
November 1998 Einspruch eingelegt, den der Beklagte mit seiner Einspruchsentscheidung
vom 4. Dezember 1998 als unbegründet zurückgewiesen hat. Den hiergegen gerichteten
gerichtlichen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung hat der erkennende Senat mit
Beschluss vom 3. August 2000 2 V 362/98 als unbegründet zurückgewiesen.
Am 9. November 1998 hat die Klägerin Klage erhoben.
Sie trägt im Wesentlichen vor, ihr verstorbener Ehemann sei in seiner Eigenschaft als
alleinvertretungsberechtigter Prokurist für die Besorgung der steuerlichen Belange im
Innenverhältnis zuständig gewesen. Dies habe er über Jahre hinweg ordnungsgemäß
erledigt. Auch habe sie sich auf den Rat des steuerlichen Beraters verlassen dürfen. Im
Übrigen sei die Forderungswertberichtigung zu Recht erfolgt. Der am Bilanzstichtag noch
ausstehende Restbetrag von 1.250.000 DM sei unter der Bilanzposition „sonstige
Vermögensgegenstände“ erfasst und gleichzeitig in voller Höhe wertberichtigt worden, weil
die U-GmbH in einem weiteren Gerichtsverfahren vor dem LG Stuttgart, in dem es um
Ansprüche aus der Verletzung eines bestehenden Kooperationsvertrages gegangen sei,
Gegenforderungen gegen die G-GmbH im Gesamtumfang von 1.500.000 DM geltend
gemacht habe. Abgesehen davon, dass die U-GmbH gegen dieses Urteil Berufung eingelegt
habe, wäre selbst nach erfolgreicher Aufrechnung mit dem Betrag von 331.740 DM, der
der G-GmbH vom LG Stuttgart mit Urteil vom 19. Dezember 1991 zugesprochen worden
war, noch eine strittige Restforderung von ca. 1.200.000 DM verblieben. Des weiteren
habe nach Aussagen ihres verstorbenen Ehemannes der Geschäftsführer der U-GmbH
diesem gegenüber telefonisch erklärt, er werde alles daransetzen, dass die zweite
Schadenersatzrate nicht gezahlt werde. So habe ihr Ehemann gegen Ende des Jahres
1992 täglich mit dem Eintreffen einer Vollstreckungsabwehrklage gerechnet. Des weiteren
habe dieser den anwaltlichen Vertreter gebeten, alle Vorbereitungen zu treffen, dass
unmittelbar nach Fristablauf gegen die U-GmbH vollstreckt werden könne. Ihr verstorbener
Ehemann sei in seiner Eigenschaft als alleinvertretungsberechtigter Prokurist der
Gesellschaft für die Besorgung ihrer steuerlichen Belange im Innenverhältnis zuständig
gewesen und habe es übernommen, die steuerlichen Pflichten der Gesellschaft und der
Geschäftsführerin in Zusammenarbeit mit einem langjährig für die Gesellschaft tätigen
versierten Steuerberater, nämlich dem Steuerberater und Wirtschaftsprüfer R.,
wahrzunehmen und den steuerlichen Pflichten zu genügen. Der Vorwurf der schuldhaften
Pflichtverletzung sei der Klägerin nicht zu machen, weil sie sich im Einklang mit der BFH-
Rechtsprechung wie ein sorgfältiger Geschäftsführer verhalten habe. Ein Verschulden des
steuerlichen Beraters sei ihr nicht zuzurechnen. Sie habe sich lediglich dem Rat eines
anerkannten Fachmannes gebeugt und keinerlei Veranlassung zu Zweifeln daran gehabt,
dass dieser Rat ordnungsgemäß war. Denn sie habe sowohl im Mai 1992 als auch am 28.
August 1992 an Bilanzbesprechungen mit dem Steuerberater teilgenommen. Dabei habe
sie sich jedesmal erkundigt, ob hinsichtlich der Raten aus dem Vergleich eine Besteuerung
erfolge, was der Steuerberater und der Ehemann der Klägerin verneint hätten. Die Klägerin
habe nicht wissen können, dass der Jahresabschluss für das Jahr 1991 bei Eingang der
Zahlung in Höhe von 1.250.000 DM noch nicht abgegeben war und dass hierfür von der
GmbH Steuern zu entrichten seien. Im Übrigen könne ihr nicht zum Vorwurf gemacht
werden, dass sie das Amt der Geschäftsführerin übernommen habe, ohne über die
erforderlichen Kenntnisse zu verfügen, weil sie sich - auch insoweit im Einklang mit der
höchstrichterlichen Rechtsprechung - fachkundiger Berater bedient hätte. Der Wechsel in
der Geschäftsführung sei zum Einen darin begründet gewesen, dass ihr Ehemann die
eidesstattliche Versicherung abgegeben habe und daher nicht mehr als Geschäftsführer
zur Verfügung stand. Zum Anderen habe der Ehemann dadurch in dem Zivilprozess gegen
die U-GmbH als Zeuge für die klagende GmbH aussagen können
Die Klägerin beantragt,
den Haftungsbescheid vom 10. Oktober 1997 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung
vom 8. Oktober 1998 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage als unbegründet abzuweisen.
Zur Begründung führt er unter Verweis auf seine Einspruchsentscheidung im Wesentlichen
aus, die Klägerin habe ihre Pflichten als Geschäftsführerin schuldhaft verletzt. Sie habe sich
zur Erfüllung ihrer steuerrechtlichen Pflichten zwar weiterer Hilfspersonen bedienen dürfen.
Sie habe es indessen an geeigneten Überwachungsmaßnahmen fehlen lassen. Es sei
unzureichend gewesen, den Ehemann und den beauftragten Steuerberater lediglich
anzuhalten, die Steuererklärung rechtzeitig und vollständig abzugeben, ohne dies in
geeigneter Weise zu überwachen. Das Vertrauen, das die Klägerin ihrem Ehemann und
dem Steuerberater entgegengebracht habe, könne sie nicht entlasten. Außerdem reiche
die bloße Möglichkeit, wegen einer Verbindlichkeit in Anspruch genommen zu werden, für
die Bildung einer Rückstellung nicht aus. Vielmehr müsse die tatsächliche Inanspruchnahme
wahrscheinlich sein, was auf den Streitfall indessen nicht zutreffe.
Gegen den die Klage abweisenden Gerichtsbescheid vom 1. August 2001, der der Klägerin
am 16. August 2001 zugestellt worden ist, hat die Klägerin am 12. September 2001
gemäß § 90a Abs. 2 Satz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO - die Durchführung einer
mündlichen Verhandlung beantragt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der von den
Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die Gerichtsakte des Verfahrens über die
Aussetzung der Vollziehung 2 V 362/98 sowie die beigezogenen Behördenakten (zehn
Bände) Bezug genommen. Eine Beiziehung der Gerichtsakte des Landgerichts Stuttgart
kam nicht in Betracht, weil die Akte nach einer telefonischen Auskunft der Geschäftsstelle
der 3. Kammer für Handelssachen bereits ausgesondert worden ist und nur noch das Urteil
nebst Kostenfeststellungsbeschluss vorhanden sind.
Entscheidungsgründe
1. Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der angefochtene, auf der Grundlage des § 191 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung ergangene
Haftungsbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (vgl.
§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Denn die Klägerin hat als Geschäftsführerin und damit als
gesetzliche Vertreterin der G-GmbH (vgl. § 35 Abs. 1 GmbHG) grob fahrlässig die ihr
auferlegten Pflichten verletzt, so dass infolgedessen Ansprüche aus dem
Steuerschuldverhältnis nicht rechtzeitig festgesetzt werden konnten und nicht erfüllt
wurden (§ 69 Satz 1 AO i. V. m. § 34 Abs. 1 AO).
1.1. Zum einen steht zur Überzeugung des erkennenden Senates fest, dass die Klägerin
ihre steuerlichen Pflichten als Geschäftsführerin verletzt hat, indem sie zu einem Zeitpunkt,
als noch ausreichende finanzielle Mittel bei der GmbH vorhanden waren, keine Sorge dafür
getragen hat, dass die Körperschaftsteuer- und Solidaritätszuschlagnachforderungen für
das Jahr 1991 beglichen werden konnten. Selbst wenn die zweite Rate in Höhe von
1.250.000 DM der aus dem Prozessvergleich resultierenden Forderung zum Zeitpunkt der
Bilanzerstellung im Laufe des Jahres 1992 risikobehaftet gewesen sein sollte - dies war
indessen nicht der Fall -, hätte der Klägerin spätestens nach ordnungsgemäßer Leistung
dieser Rate im Dezember 1992 klar sein müssen, dass die Forderungsberichtigung hinfällig
war, die gezahlte Rate in der Gewinn- und Verlustrechnung als Ertrag erscheinen musste
und das Jahresergebnis der GmbH zu ändern war. Es lag auf der Hand, dass daraus eine
Nachforderung hinsichtlich der Körperschaftsteuer und des Solidaritätszuschlags zwingend
resultieren musste. Der Klägerin, der der Zahlungseingang nicht verborgen geblieben ist,
hätte sich auch um die steuerlichen Konsequenzen der Zahlung kümmern müssen. Sie
durfte nicht davon ausgehen, dass es mit der Kenntnisnahme des Zahlungseingangs sein
Bewenden hatte. Der zugeflossene Forderungsbetrag hätte ohne weiteres für die Tilgung
der offensichtlich zu erwartenden Steuernachforderung verwendet werden können. Statt
dessen hat die Klägerin über die Mittel anderweitig verfügt und die Steuernachforderung
auf die GmbH zukommen lassen, ohne eine geeignete Vorsorge zu treffen.
1.1.2 Die Klägerin hat ihre Pflichten schuldhaft, nämlich grob fahrlässig verletzt.
Grob fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt, zu der er nach seinen persönlichen Kenntnissen
und Fähigkeiten verpflichtet und imstande ist, in ungewöhnlich grobem Maße verletzt (FG
Münster, Urteil vom 1. September 1997 1 K 1959/97, EFG 1998, 617). Dazu gehört,
dass er unbeachtet lässt, was im gegebenen Falle jedem hätte einleuchten müssen (BGH,
Urteil vom 11. Mai 1953 IV ZR 170/52, BGHZ 10, 14), oder die einfachsten, ganz
naheliegenden Überlegungen nicht anstellt (BFH, Urteil vom 21. Februar 1989 VII R
165/85, BStBl. II 1989, 491; FG des Saarlandes, Urteil vom 12. Oktober 1988 1 K
100/87, EFG 1989, 91; FG Köln, Urteile vom 24. April 1986 V K 63/84, EFG 1986, 526,
und vom 15. März 1994 5 K 2558/89, EFG 1994, 1027; Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69 AO,
Tz. 26).
Nach der Rechtsprechung des BFH gilt darüber hinaus, dass der Geschäftsführer nicht
einwenden kann, er verfüge nicht über die notwendigen steuerrechtlichen Fachkenntnisse.
Denn bei Übernahme der Geschäftsführertätigkeit besteht die Pflicht zur Aneignung von
Kenntnissen über elementarste handels- und steuerrechtliche Pflichten und zur Einholung
entsprechender Informationen (BFH, Beschluss vom 17. Juli 1984 VII S 9/86, BFH/NV
1986, 583). Bedient sich ein Geschäftsführer mangels eigener steuerlicher Sachkunde
einer Hilfsperson, so hat er grundsätzlich die Pflicht zur laufenden Überwachung (siehe zum
Beispiel BFH, Urteile vom 20. April 1982 VII R 96/79, BStBl II 1982, 521; vom 27.
November 1990 VII R 20/89, BStBl. II 1991, 284; vom 30. Juni 1995 VII R 85/94, BFH/NV
1996, 2).
Bedient er sich eines Steuerberaters, braucht er sich dessen Verschulden nicht zurechnen
zu lassen, wenn er bei gewissenhafter Ausübung seiner Überwachungspflichten keinen
Anlass findet, die steuerliche Korrektheit der Arbeit des steuerlichen Beraters in Frage zu
stellen, so dass es dann im Hinblick auf die ihm durch die Vorschrift des § 34 Abs. 1 AO
auferlegten Pflichten an einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung fehlt (BFH, Urteil vom 30.
August 1994 VII R 101/92, BStBl. II 1995, 278; vgl. hierzu auch Britz, Die Haftung des
Geschäftsführers für Steuerschulden der GmbH, 1998, Rdnr. 162; Nacke, Die Haftung für
Steuerschulden, 1999, Rdnr. 87).
1.2.1 Zunächst ist zu beachten, dass die Klägerin bereits im Zeitpunkt der Übernahme des
Geschäftsführeramtes nicht über die Kenntnisse und Fähigkeiten verfügte, die steuerlichen
Pflichten der G-GmbH zu erfüllen. Sie trägt selbst vor, dass ihr verstorbener Ehemann, der
ihr Vorgänger als Geschäftsführer war, nach ihrer Bestellung zur Geschäftsführerin
weiterhin als alleinvertretungsberechtigter Prokurist der Gesellschaft tätig war und es
übernommen habe, die steuerlichen Pflichten der Gesellschaft und der Geschäftsführerin in
Zusammenarbeit mit einem langjährig für die Gesellschaft tätigen versierten Steuerberater
wahrzunehmen und den steuerlichen Pflichten zu genügen.
Der erkennende Senat kann sich aufgrund dessen nicht des Eindrucks erwehren, dass sich
durch den Geschäftsführerwechsel lediglich die formale Rechtsstellung des Ehemannes im
Hinblick auf riskante Geschäfte, nicht aber dessen materielle Stellung als die bestimmende
Person, welche tatsächlich die Geschicke der Gesellschaft lenkte, ändern sollte. Aufgrund
der Feststellungen des Konkursverwalters ist davon auszugehen, dass der verstorbene
Ehemann der Klägerin faktischer Geschäftsführer der GmbH gewesen ist. Inwieweit eine
Inanspruchnahme der Klägerin als Erbin (§ 45 Abs. 1 AO) der möglicherweise bestehenden
und noch festzusetzenden Haftungsschulden ihres verstorbenen Ehegatten in Betracht
kommt, ist hier nicht Gegenstand des Verfahrens und daher nicht weiter zu prüfen.
Wenn aber die Klägerin in Kenntnis dessen formal das Geschäftsführeramt übernommen
hat, so liegt hierin ein grob fahrlässiges Verhalten, an das § 69 AO die Haftung knüpft.
Denn die Haftung des Geschäftsführers knüpft allein an dessen formelle Rechtsstellung an,
ohne Rücksicht darauf, ob die Geschäftsführung auch tatsächlich ausgeübt werden kann
(BFH, Urteil vom 8. Januar 1996 X B 112/95, BFH/NV 1999, 589 mit weiteren
Nachweisen; vgl. auch Britz, a. a. O., Rdnr. 92).
Der formell bestellte Geschäftsführer darf die Geschäftsführung durch einen anderen nicht
dulden. Bei mangelhafter Durchsetzungsfähigkeit und fehlender Handlungsmöglichkeit
entsprechend seiner Rechtsstellung hat der Haftungsschuldner die Pflicht zum Rücktritt
vom Amt des Geschäftsführers. Er darf nicht den Eindruck erwecken, als sorge er für die
ordnungsgemäße Abwicklung der Geschäfte der Gesellschaft. Dies gilt insbesondere für
Angehörige der den Steuerschuldner beherrschenden Person, selbst wenn ihnen das Amt
gegen ihren Willen aufgedrängt worden ist (siehe zum Beispiel BFH, Beschlüsse vom 5.
März 1985 VII B 69/84, BFH/NV 1987, 422; vom 7.März 1995 VII B 172/94, BFH/NV
1995, 941; vom 9. Januar 1996 VII B 189/95; BFH/NV 1996, 589).
Ob sich die Klägerin in der Person ihres Ehemannes einer geeigneten Hilfsperson bedient
hat - kann letztlich aber dahinstehen.
1.2.2 Denn der Klägerin ist jedenfalls ganz konkret vorzuwerfen, dass sie nicht die ihr
mögliche Sorgfalt hat walten lassen, indem sie nicht für die zutreffende steuerliche
Behandlung der abschließenden Zahlung durch die U-GmbH im Dezember 1992 gesorgt,
obwohl zu jenem Zeitpunkt noch ausreichende liquide Mittel vorhanden war.
So vermag es die Klägerin nicht zu entlasten, dass sie „keine Mitteilung darüber erhalten“
habe, „dass der alleinvertretungsberechtigte Prokurist sich nicht in der gebotenen Weise
um die steuerlichen Belange kümmere“. Dies kann zugunsten der Klägerin als wahr
unterstellt werden. Die Klägerin durfte sich indessen nicht auf die fehlende Mitteilung
verlassen, sondern hätte selbst tätig werden und sich selbst davon überzeugen müssen.
Keinesfalls durfte sie untätig bleiben, denn von einem sorgfältigen und gewissenhaften
Geschäftsführer (vgl. § 43 Abs. 1 GmbHG) muss erwartet werden, dass er sich aktiv um
die Belange der Gesellschaft kümmert, denn gerade hierin besteht das Wesen der
Geschäftsführung.
Entsprechendes gilt auch für den Vortrag, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin
jahrelang die steuerlichen Pflichten der GmbH zusammen mit dem Steuerberater
ordnungsgemäß erfüllt habe: Dies durfte die Klägerin allenfalls als Indiz werten, ohne dass
sich hieraus eine Rechtfertigung ihres Untätigbleibens ergab. Nach den Ausführungen oben
unter 1.2.1 kommt es hierauf nicht an. Der Schuldvorwurf betrifft das konkrete
Fehlverhalten der Klägerin hinsichtlich der steuerlichen Behandlung der gezahlten
Vergleichssumme, so dass es nicht darauf ankommt, ob die Klägerin sich auf das
jahrelange unbeanstandete Verhalten des steuerlichen Beraters und des Prokuristen hat
verlassen dürfen.
Es ist der Klägerin nicht anzulasten, dass die Steuererklärung für den
Veranlagungszeitraum 1991 erst im Jahre 1993 eingereicht worden ist, denn dies
entsprach dem am 28. August 1992 gefassten Beschluss der Gesellschafterversammlung.
Diesem Umstand kommt indessen keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu, da es
vorliegend auf die inhaltliche Richtigkeit der Steuererklärung ankommt. Daher hätte die
Klägerin durch entsprechende Nachfragen beim Steuerberater der G-GmbH vor Abgabe
der Steuererklärungen klären müssen, ob die aufgrund des Prozessvergleichs gezahlten
Forderungen auch in steuerlicher Hinsicht berücksichtigt worden sind.
Im Zusammenhang damit kann als wahr unterstellt werden, dass die Klägerin nach ihrem
eigenen Vortrag den genauen Zeitpunkt nicht kannte, zu dem die Steuererklärung für das
Jahr 1991 beim Beklagten eingereicht worden ist. Gerade hierin ist indessen der Vorwurf
an die Klägerin begründet, dass sie sich hierüber hätte informieren müssen, nachdem der
ehemalige Prozessgegner, die U-GmbH, die auf der Grundlage des Prozessvergleichs
geschuldeten Beträge geleistet hatte.
Demgegenüber lag es auf der Hand und musste auch der Klägerin bereits unter
Anwendung der geringstmöglichen Sorgfalt ohne weiteres erkennbar sein, dass die
Zahlung aufgrund des Prozessvergleichs steuerliche Folgen für den Veranlagungszeitraum
1991 auslösen musste, die vor Abgabe der Steuererklärung zu berücksichtigen war. Es
vermag die Klägerin keineswegs zu entlasten, dass sie anlässlich der Bilanzbesprechungen
nachgefragt haben will, ob hinsichtlich der von der U-GmbH geschuldeten Vergleichssumme
eine Besteuerung zu besorgen sei. Denn die Antwort, die ihr der steuerliche Berater und ihr
Ehemann auf diese Frage gegeben haben sollen, konnte zu jenem Zeitpunkt noch nicht
unter Berücksichtigung der erst einige Monate später erfolgenden abschließenden Zahlung
erfolgen. Der Zahlungseingang der zweiten Rate hätte die Klägerin daher in jedem Falle
veranlassen müssen, noch einmal nachzufragen, ob dieser neue Umstand denn eine
Besteuerung auslöse. Sie durfte sich nicht auf die unter ganz anderen tatsächlichen
Voraussetzungen erteilte Auskunft des steuerlichen Beraters verlassen. Die weitere
Entwicklung des tatsächlichen Geschehens, nämlich vollständige Erbringung der
geschuldeten Leistung durch die beklagte U-GmbH, überholte die vorherigen
Entscheidungen und musste die Klägerin zu neuen Maßnahmen, also mindestens einer
Nachfrage bei ihrem steuerlichen Berater veranlassen. Dies hat die Klägerin indessen in
vorwerfbarer Weise unterlassen.
1.3 Durch die oben unter 1.1 erläuterte Pflichtverletzung ist adäquat kausal ein Schaden zu
Lasten des Fiskus entstanden, da die Pflichtverletzung nicht hinweggedacht werden kann,
ohne dass der Schadenserfolg entfiele. Hätte die Klägerin für eine rechtzeitige
Bereitstellung der Mittel gesorgt, hätte die Steuernachforderung ohne weiteres beglichen
werden können. Denn in den Jahren 1991 und 1992 verfügte die GmbH noch über
ausreichende Mittel, wozu nicht zuletzt die beglichene Forderung über 1.250.000 DM zählt.
1.4 War die Haftung nach den vorstehenden Ausführungen dem Grunde nach rechtmäßig,
so bestehen auch hinsichtlich des Haftungsbetrages keine Zweifel. Auf den Betrag von
1.250.000 DM war gemäß § 23 Abs. 1 KStG der Steuersatz für thesaurierte Gewinne in
Höhe von seinerzeit 50 v. H. anzuwenden, so dass sich eine Körperschaftsteuerforderung
von 625.000 DM ergab. Nach §§ 2 Nr. 2, 3 Abs. 1 Nr. 2, 4 Nr. 1 SolZG betrug der
Solidaritätszuschlag 3,75 v. H. von diesem Betrag, also 23.437 DM. Dies entspricht den im
angefochtenen Haftungsbescheid genannten Beträgen.
Der Klage war daher der Erfolg zu versagen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
3. Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage sah der Senat keine Veranlassung zur
Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 1 und Abs. 2 FGO.
Sonstiger Langtext
Rechtsmittelbelehrung
Die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil kann durch Beschwerde angefochten
werden.
Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei
dem Bundesfinanzhof (Anschrift siehe unten) einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil
bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Abschrift oder Ausfertigung des angefochtenen
Urteils beigefügt werden. Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung
des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof
einzureichen.
Bei der Einlegung und Begründung der Beschwerde muss sich jeder Beteiligte durch einen
Steuerberater, einen Steuerbevollmächtigten, einen Rechtsanwalt, einen niedergelassenen
europäischen Rechtsanwalt, einen Wirtschaftsprüfer oder einen vereidigten Buchprüfer als
Bevollmächtigten vertreten lassen. Zur Vertretung berechtigt sind auch
Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften,
Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften sowie zur
geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugte Partnerschaftsgesellschaften, die
durch einen der in dem vorherigen Satz aufgeführten Berufsangehörigen tätig werden.
Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte
oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie durch Diplomjuristen im höheren
Dienst vertreten lassen.
Lässt der Bundesfinanzhof aufgrund der Beschwerde die Revision zu, so wird das Verfahren
als Revisionsverfahren fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den
Beschwerdeführer bedarf es nicht. Innerhalb eines Monats nach Zustellung des
Beschlusses des Bundesfinanzhofs über die Zulassung der Revision ist jedoch bei dem
Bundesfinanzhof eine Begründung der Revision einzureichen. Die Beteiligten müssen sich
auch im Revisionsverfahren nach Maßgabe des vorstehenden Absatzes vertreten lassen.