Urteil des FG Saarland vom 23.10.2007

FG Saarbrücken: verdeckte gewinnausschüttung, gesellschafter, geschäftsführer, beweis des gegenteils, offene gewinnausschüttung, geldwerter vorteil, eigenverbrauch, anstellungsvertrag, telefon

FG Saarbrücken Urteil vom 23.10.2007, 1 K 1405/03
Privatnutzung eines Firmenwagens als verdeckte Gewinnausschüttung
Leitsätze
Die private Nutzung eines der GmbH gehörenden PKW durch den Gesellschafter-
Geschäftsführer führt nicht allein deshalb zu einer verdeckten Gewinnausschüttung, weil
eine solche Nutzung nicht vertraglich geregelt war (gegen BFH vom 23.2.2005 I R 70/04,
BStBl. II. 2005, 882). Es handelt sich vielmehr um steuerpflichtigen Arbeitslohn des
Geschäftsführers (so BFH vom 19.12.2003 VI B 281/01, BFH/NV 2004, 488 m.w.N.).
Tatbestand
Die Klägerin, eine 1996 gegründete GmbH, betreibt ein Unternehmen, das die Beratung
vornehmlich kleiner und mittlerer Unternehmen in allen betriebswirtschaftlichen Belangen
zum Gegenstand hat (Dok, Bl. 4). Ihr alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer ist S. Das
Unternehmen wird unter der Wohnanschrift von S betrieben (KSt, Bl. 3 R). Streitig ist im
anhängigen Verfahren die private Nutzung des betrieblichen KFZ sowie Telefons durch S.
Nachdem die Klägerin für die Streitjahre 1998 und 1999 keine Steuererklärungen
eingereicht hatte, erließ der Beklagte am 22. März 2001 Umsatz- und
Körperschaftsteuerbescheide für 1998 und 1999, in denen die Besteuerungsgrundlagen
geschätzt wurden. Gegen diese Bescheide legte die Klägerin am 24. April 2001 Einsprüche
ein (Rbh, Bl. 1). Zur Begründung ihrer Einsprüche reichte die Klägerin die ausstehenden
Steuererklärungen nach (Rbh, Bl. 7).
Diesen lassen sich folgende Angaben (in DM) entnehmen (Bil):
1998
1999
Umsätze
12.579
2.261
Abschr. auf Sachanlagen
9.993
10.284
Telefon
721
1.367
Gewinn/Verlust
./. 12.862 ./. 61.386
Auf Nachfrage des Beklagten vom 28. September 2001 (Rbh, Bl. 12) teilte die Klägerin mit
(Rbh, Bl. 13), sie habe 1998 einen gebrauchten PKW erworben (Listenneupreis: 51.615
DM). Das Fahrzeug werde von S nicht für private Zwecke genutzt. Eine weitere Nachfrage
vom 26. August 2003 (Rbh, Bl. 21) bezüglich der weiteren von S genutzten Fahrzeuge
sowie der Ermittlung der Telefonkosten ließ die Klägerin unbeantwortet. Auch wurde trotz
Ankündigung kein Fahrtenbuch vorgelegt (Rbh, Bl. 22).
Der Beklagte erließ am 27. Oktober 2003 geänderte Bescheide zur Umsatz- und
Körperschaftsteuer 1998 und 1999. Darin ging der Beklagte von einer privaten Nutzung
des PKW sowie des Telefons durch S aus. Er setzte hinsichtlich des PKW unter Anwendung
der sog. 1 %-Regelung über 4.129 DM für 1998 und 6.193 DM für 1999 (jeweils zzgl.
Umsatzsteuer) ertragsteuerlich verdeckte Gewinnausschüttungen und umsatzsteuerlich
einen Eigenverbrauch an. Auch berücksichtigte er lediglich betriebliche Telefonkosten i.H.
von 480 DM. Die diesen Wert übersteigenden Beträge (1998: 241 DM, 1999: 887 DM)
berücksichtigte der Beklagte gleichfalls als verdeckte Gewinnausschüttungen. Die erklärten
Vorsteuerbeträge wurden entsprechend um die auf die private Telefonnutzung entfallenden
Beträge gekürzt.
Mit Einspruchsentscheidungen vom 6. November 2003 (Bl. 9, 14) wies der Beklagte die
Einsprüche der Klägerin als unbegründet zurück.
Am 8. November 2003 erhob die Klägerin dagegen Klage.
Sie beantragt (Bl. 62), unter Änderung der angefochtenen Bescheide, alle in Form der
Einspruchsentscheidung vom 6. November 2003, die Körperschaft- und Umsatzsteuer
ohne die Zuschläge bzw. Kürzungen wegen privater KFZ- und Telefonnutzung des
Gesellschafter-Geschäftsführers Karl-Heinz Schröter festzusetzen.
Die Klägerin macht geltend, der im Betriebsvermögen befindliche PKW sei von S nicht für
Privatzwecke genutzt worden. Sowohl S als auch dessen Ehefrau hätte zusätzlich ein PKW
für private Fahrten zur Verfügung gestanden (bei S Ford Scorpio bzw. Ford Focus; bei der
Ehefrau von S Jetta bzw. Ford Ka. Bl. 62).
Hinsichtlich des Telefons sei nicht ersichtlich, worauf sich der Beklagte zur Rechtfertigung
seiner Anforderungen und Annahmen stütze.
Der Beklagte beantragt (Bl. 62), die Klage als unbegründet abzuweisen.
Unter Bezugnahme auf seine Einspruchsentscheidung verweist der Beklagte darauf, dass
die Klägerin die Nachfrage nach den beiden PKW von S sowie dessen Ehefrau ebenso
unbeantwortet gelassen habe wie die nach der Ermittlung der Telefonkosten. Auch sei die
Klägerin der Aufforderung, ein Fahrtenbuch vorzulegen, nicht gefolgt.
Mit Gerichtsbescheid des Berichterstatters vom 24. Oktober 2006, der Klägerin zugestellt
am 10. November 2006, wurde die Klage als unbegründet abgewiesen. Mit Schriftsatz
vom 10. Dezember 2006, beim Finanzgericht am selben Tag eingegangen, hat die Klägerin
die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
Auf Grund der mündlichen Verhandlung, auf deren Protokoll (Bl. 62 f.) Bezug genommen
wird, hat der Senat beschlossen, Beweis über die private Nutzung des betrieblichen PKW
sowie des Telefons durch den Geschäftsführer der Klägerin zu erheben. Auf den Beschluss
vom 14. Februar 2007 (Bl. 65) sowie die daraufhin vorgelegten Nachweise (Bl. 73 ff.) wird
verwiesen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die beigezogenen
Verwaltungs- und Gerichtsakten sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen
verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und überwiegend auch begründet. Der Beklagte hat zu Unrecht die
private Nutzung des im Betriebsvermögen der Klägerin befindlichen PKW als verdeckte
Gewinnausschüttung bzw. als Eigenverbrauch gewertet. Hingegen liegen bezüglich der
Nutzung des betrieblichen Telefons durch S eine verdeckte Gewinnausschüttung bzw. ein
Eigenverbrauch vor.
1. Rechtsgrundlagen
1.1. Verdeckte Gewinnausschüttung
1.1.1.
Kapitalgesellschaft ohne Bedeutung, ob das Einkommen verteilt wird. Verdeckte
Gewinnausschüttungen mindern das Einkommen nicht (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG). Eine
verdeckte Gewinnausschüttung liegt vor, wenn eine Wertverschiebung zwischen
Gesellschaft und Gesellschafter gesellschaftsrechtlich veranlasst ist, ohne dass es sich um
eine offene Gewinnausschüttung handelt. Gesellschaftsrechtlich veranlasst ist eine
Wertverschiebung in aller Regel, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen
Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und
gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte.
1.1.2.
1999, 35 seine Rechtsprechung zur verdeckten Gewinnausschüttung gegenüber
beherrschenden Gesellschaftern und ihnen nahe stehenden Personen in Anlehnung an die
Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 7. November 1995, 2 BvR 802/90, BStBl.
II 1996, 34 und vom 15. August 1996, 2 BvR 3027/95, DB 1996, 2470 fortentwickelt.
Danach können einzelne Kriterien -wie etwa die Existenz einer klaren und eindeutigen
Vereinbarung und deren Durchführung- nicht im Sinne von absoluten
Tatbestandsvoraussetzungen verstanden werden. Sie sind vielmehr dahingehend zu
würdigen, ob sie den Rückschluss auf eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis
zulassen. Hierbei hat die Abgrenzung zwischen Betriebsausgaben und Gewinnen der
Gesellschaft einzelfallbezogen und nicht formalistisch an Hand weniger, abstrakter
Merkmale zu erfolgen.
In diesem Lichte ist auch die herkömmliche Rechtsprechung des BFH zu sehen, wonach
eine verdeckte Gewinnausschüttung dann anzunehmen ist, wenn eine an sich klare und
von vornherein mit dem Gesellschafter abgeschlossene Vereinbarung tatsächlich nicht
durchgeführt wurde (z.B. BFH, Urteil vom 23. Oktober 1985 I R 247/81, BStBl. II 1986,
195 m.w.N.). Hierbei ist zu beachten, dass auch dieser Grundsatz seit jeher nur dann
Anwendung gefunden hat, wenn das Fehlen der tatsächlichen Durchführung darauf
schließen ließ, dass die von vornherein abgeschlossene Vereinbarung lediglich die
Unentgeltlichkeit der Leistung verdecken sollte (BFH, Urteil vom 28. Oktober 1987 I R
110/83, BStBl. II 1988, 301; Urteil vom 9. Juli 2003, I R 36/02, BFH/NV 2004, 88 ).
Trotz dieser mit dem Urteil vom 23. Oktober 1996 I R 71/95, BStBl. II 1999, 35
vollzogenen Rechtsprechungsänderung hat der I. Senat des BFH die Privatnutzung eines
betrieblichen PKW einer GmbH durch deren Gesellschafter-Geschäftsführer–ohne weitere
Überprüfung- alleine schon deshalb als verdeckte Gewinnausschüttung gewertet, weil diese
vertraglich nicht geregelt war (BFH, Urteil vom 23. Februar 2005 I R 70/04, BStBl. II. 2005,
882).
1.1.3.
(etwa Urteil vom 19. Dezember 2003 VI B 281/01, BFH/NV 2004, 488 m.w.N.). Danach
liegt in einem solchen Fall keine verdeckte Gewinnausschüttung vor. Die Beurteilung, dass
die in einer privaten Nutzung betrieblicher Fahrzeuge liegende Bereicherung eines
Arbeitnehmers als steuerpflichtiger Arbeitslohn (und damit nicht als verdeckte
Gewinnausschüttung) zu behandeln ist, gelte für alle Arbeitnehmer und damit auch für
Gesellschafter-Geschäftsführer. Die Rechtsfrage, ob die vertragswidrige private Nutzung
eines betrieblichen Fahrzeugs durch einen Gesellschafter-Geschäftsführer als geldwerter
Vorteil im Rahmen des Arbeitsverhältnisses zu werten oder die Vorteilsgewährung in
diesem Fall als verdeckte Gewinnausschüttung zu qualifizieren ist, ist nach Auffassung des
VI. Senats „ “.
1.1.4.
Senats des BFH. Während der eine die private PKW-Nutzung eines Gesellschafter-
Geschäftsführers dem Gesellschaftsvertrag zuordnet, ordnet sie der andere dem
Arbeitsverhältnis zu. Dies kann nicht damit erklärt werden, dass der eine Senat die PKW-
Nutzung aus körperschaftsteuerlicher und der andere Senat aus einkommensteuerlicher
Sicht betrachtet. Denn in beiden Rechtsgebieten ist die sachlogisch übereinstimmende
Fragestellung zu beantworten: ist die private PKW-Nutzung durch den Gesellschaftsvertrag
(dann verdeckte Gewinnausschüttung nach § 8 Abs. 3 KStG bzw. Einkünfte nach § 20 Abs.
1 Nr. 1 Satz 2 EStG) oder durch den Anstellungsvertrag (dann keine verdeckte
Gewinnausschüttung bzw. Einkünfte nach § 19 EStG) veranlasst? Es ist nicht ersichtlich,
warum diese Frage in der Körperschaftsteuer anders zu beantworten sein sollte als in der
Einkommensteuer. Insbesondere erscheint es dem Senat wenig plausibel für die
körperschaftsteuerliche Zuordnung andere bzw. geringere Anforderungen zustellen, als für
die einkommensteuerliche (a.A. Kuhfus, EFG 2006, 666, der in der Körperschaftsteuer
eine „gesellschaftsrechtliche Mitveranlassung“ für ausreichend hält). Die ausdrückliche
Anknüpfung des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG an die körperschaftsteuerliche Diktion
spricht für eine übereinstimmende Wertung.
Die unterschiedlichen Auffassungen des I. und VI. Senats des BFH haben weitere
Folgerungen auf der Ebene der Wertfindung zur Folge: So setzt der VI. Senat den Vorteil
beim Geschäftsführer mit dem lohnsteuerrechtlichen Wert (1 v.H. des Listenpreises des
Fahrzeugs, § 8 Abs. 2 Satz 2 i.V. mit § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG) an (vgl. etwa BFH vom
19. Dezember 2003 VI B 281/01, BFH/NV 2004, 488), während der I. Senat ihn nach
Fremdvergleichsmaßstäben bemisst (BFH vom 23. Mai 2005 I R 70/04, BStBl. II 2005,
882).
Beide Senate nehmen keine abwägende Zuordnung vor, sondern treffen ihre
Entscheidungen aufgrund anderweitiger Erwägungen (I. Senat: Fehlen einer vertraglichen
Regelung; VI. Senat: die Rechtsprechung zur privaten PKW-Nutzung gilt auch für
Gesellschafter-Geschäftsführer). Diese Divergenz hat den I. Senat veranlasst, in einem
gegen das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz (vom 2. Mai 2005 5 K 1131/03,
EFG 2006, 665) geführten Nichtzulassungsverfahren die Revision zuzulassen (BFH-
Beschluss vom 20. Januar 2006 I B 102/05, juris).
1.2. Umsatzsteuerliche Sicht
Liegt eine verdeckte Gewinnausschüttung nach § 8 Abs. 3 KStG vor, so kann dies
umsatzsteuerlich die Annahme eines Verwendungseigenverbrauchs nach § 1 Abs. 1 Nr. 2
a.F. bzw. § 3 Nr. 9 a UStG zur Folge haben (BFH, Urteil vom 12. Oktober 2004 V R 37/02,
BFH/NV 2005, 923).
2. Anwendung im Streitfall
2.1. PKW-Nutzung
2.1.1. Private PKW-Nutzung durch S
Der Senat geht davon aus, dass der Vortrag der Klägerin, ihr Geschäftsführer S habe den
PKW ohnehin nur für betriebliche Fahrten genutzt, nicht den Tatsachen entspricht. Das von
der Klägerin zum Nachweis ausschließlich betrieblicher Nutzung vorgelegte Fahrtenbuch ist
nicht geeignet, diesen Vortrag der Klägerin zu stützen. Da die Klägerin im Übrigen
ansonsten keine Vorkehrungen getroffen hat, um eine private Nutzung auszuschließen, war
insgesamt davon auszugehen, dass eine solche Nutzung auch stattgefunden hat.
S hat ein „elektronisch geführtes Fahrtenbuch“ vorgelegt. Eine mit Hilfe eines
Computerprogramms erzeugte Datei -und damit ein „elektronisch geführtes Fahrtenbuch“-
genügt den Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nur dann, wenn
nachträgliche Veränderungen an den zu einem früheren Zeitpunkt eingegebenen Daten
nach der Funktionsweise des verwendeten Programms technisch ausgeschlossen sind oder
in ihrer Reichweite in der Datei selbst dokumentiert und offen gelegt werden (BFH, Urteil
vom 16. November 2005 VI R 64/04, BStBl. II 2006, 410). Ob dies der Fall war, ließ sich
im Streitfall nicht feststellen, da die Klägerin die dem Ausdruck des Fahrtenbuches
zugrunde liegende Datei dem Gericht nicht übermittelt hat. Es war deshalb auch nicht
feststellbar, wann die fraglichen Eintragungen (zeitnah ?) vorgenommen worden sind.
Überdies enthält der Ausdruck des „elektronischen Fahrtenbuches“ eine Reihe von
Unstimmigkeiten, die den Eindruck entstehen lassen, als habe die Klägerin die
entsprechenden Aufzeichnungen erst im Rahmen des finanzgerichtlichen Verfahrens
erstellt:
- Im Rahmen des Einspruchsverfahrens wurde die Vorlage des Fahrtenbuches zwar
zugesagt. Sie erfolgte aber erst im gerichtlichen Verfahren, und zwar erst im Rahmen der
ersten mündlichen Verhandlung.
- Die Inspektionsrechnung vom 23. November 1999 (Bl. 76) weist einen KM-Stand von
55.007 aus, während der Eintrag im Fahrtenbuch den Tachostand zu Beginn der
entsprechenden Fahrt mit bereits 55.085 KM angibt. Hierzu vermochte der Geschäftsführer
der Klägerin in der mündlichen Verhandlung keine für den Senat nachvollziehbare Erläuterung
zu geben.
- Gleiches gilt für den Umstand, dass für Fahrten zum Fahrziel „Nalbach“ mehrere
unterschiedliche Entfernungen verzeichnet sind (15. Mai 1998: 105 KM; 21. August 1998:
154 KM; 13. Oktober 1998: 123 KM; 21. September 1999: 105 KM).
- Hinzu kommt die Auffälligkeit, dass der PKW an der Mehrzahl der Arbeitstage des
Geschäftsführers nur für Fahrten zum Postamt genutzt worden sein soll.
Hieraus schließt der Senat, dass der betriebliche PKW auch für private Zwecke des
Geschäftsführers genutzt worden ist.
2.1.2. Keine verdeckte Gewinnausschüttung
Folgt man im Streitfall der Rechtsprechung des VI. Senats (Urteil vom 19. Dezember 2003
VI B 281/01, BFH/NV 2004, 488), so liegt in der privaten Nutzung des betrieblichen PKW
der Klägerin durch S bereits deshalb keine verdeckte Gewinnausschüttung, weil die von der
Rechtsprechung entwickelten Grundsätze gleichermaßen für alle Arbeitnehmer und damit
auch für Gesellschafter-Geschäftsführer gelten.
Folgt man indessen der Rechtsprechung des I. Senats (BFH, Urteil vom 23. Februar 2005 I
R 70/04, BStBl. II. 2005, 882), so liegt in einer solchen Nutzung –unabhängig von den
Gegebenheiten des Einzelfalls- generell eine verdeckte Gewinnausschüttung. Der Senat hat
Bedenken, sich dieser Rechtsprechung anzuschließen. Denn sie steht in Widerspruch zu der
Rechtsprechung in der Folge der Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 7.
November 1995, 2 BvR 802/90, BStBl. II 1996, 34 und vom 15. August 1996, 2 BvR
3027/95, DB 1996, 2470, wonach die einzelnen Kriterien, auf die zur Annahme der
gesellschaftsrechtlichen Veranlassung abgestellt wird, nicht im Sinne von absoluten
Tatbestandsvoraussetzungen verstanden werden können. Sie sind vielmehr dahingehend
zu würdigen, ob sie den Rückschluss auf eine Veranlassung durch das
Gesellschaftsverhältnis zulassen. Hierbei hat die Abgrenzung zwischen Betriebsausgaben
und Gewinnen der Gesellschaft einzelfallbezogen und nicht formalistisch an Hand weniger,
abstrakter Merkmale zu erfolgen.
Diese neuere Rechtsprechung des BFH hat zu Recht den Typus-Begriff der verdeckten
Gewinnausschüttung nicht definiert, sondern teleologisch umschrieben. Es gibt keine
begrenzte Anzahl unabdingbarer Tatbestandsmerkmale, die es dem Rechtsanwender
ermöglichen, an Hand einer Subsumtion im strengen methodischen Sinne die
Voraussetzungen einer verdeckten Gewinnausschüttung zu prüfen. Wegen der
unüberschaubaren Vielzahl möglicher Erscheinungsformen der verdeckten
Gewinnausschüttung kann es solche auch nicht geben. Der Rechtsanwender hat vielmehr
den jeweiligen Einzelfall daraufhin zu untersuchen, ob er Tatsachen enthält, die für die
gesellschaftsrechtliche Veranlassung einer Wertverschiebung zwischen Gesellschaft und
Gesellschafter sprechen. Die Anwendung des Rechtssatzbegriffes "verdeckte
Gewinnausschüttungen" erfolgt nicht durch eine Subsumtion (d.h. durch die Prüfung
unabdingbarer Merkmale, die durch Untermerkmale, Unter-Untermerkmale usw. erläutert
werden), sondern durch eine wertende Zuordnung an Hand der gesellschaftsrechtlichen
(oder einzelvertraglichen) Veranlassung. Das Zuordnungsinstrument, dessen sich der
Rechtsanwender hierbei vornehmlich zu bedienen hat, ist der Fremdvergleich (s. FG des
Saarlandes, Urteil vom 27. September 2006 11/03, juris).
Insoweit bedarf es auch im Streitfall der Feststellung, ob die vollzogene Gestaltung (hier:
die Nutzung eines betrieblichen PKW für private Zwecke) auch unter fremden Dritten
vorkommt oder gar üblich ist.
Letzteres ist bei der PKW-Nutzung durch den Geschäftsführer einer GmbH nach den
Erfahrungen des Senats in einer Vielzahl von Fällen zu bejahen. So hat denn auch der V.
Senat des BFH zu Recht festgestellt, dass die Überlassung eines PKW durch eine GmbH an
den Gesellschafter-Geschäftsführer zur Privatnutzung als übliche Vergütungsleistung neben
der Barvergütung für die Arbeitsleistung beurteilt werden kann (BFH, Urteil vom 10. Juni
1999 V R 87/98, BStBl. II 1999, 580). Demzufolge hätte es zur Annahme einer verdeckten
Gewinnausschüttung weiterer Umstände bedurft, die es trotz der Üblichkeit der Gestaltung
erfordert hätten, diese Zuwendung als gesellschaftsrechtlich motiviert zu werten. Diese
kann der Senat jedoch nicht feststellen.
Nach den Erfahrungen, die der Senat in einer Vielzahl von Fällen gemacht hat, kommt es
auch unter fremden Dritten nicht selten vor, dass eine private PKW-Nutzung im Zuge eines
Anstellungsverhältnisses stattfindet, obwohl sie vertraglich nicht vereinbart oder gar
vertraglich verboten worden ist. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der
Rechtsprechung, dass eine private PKW-Nutzung nach der Lebenserfahrung stets
anzunehmen ist, wenn der Arbeitgeber keine wirksamen Vorkehrungen gegen eine solche
trifft. Auch bei einem fremden Geschäftsführer erscheint es dem Senat deshalb durchaus
vorstellbar, dass dieser den betrieblichen PKW privat nutzt, ohne dass im
Anstellungsvertrag eine entsprechende Vereinbarung enthalten ist. Der Umstand, dass eine
solche Vereinbarung im Anstellungsvertrag fehlt oder entsprechende Vorkehrungen nicht
getroffen worden sind, beruht deshalb nicht auf dem Gesellschaftsverhältnis, sondern
darauf, wie im Wirtschaftsleben die private Nutzung betrieblicher PKW im
Angestelltenverhältnis gehandhabt wird. Die private PKW-Nutzung ist daher nicht durch das
Gesellschafts-, sondern durch den Anstellungsvertrag veranlasst und somit keine verdeckte
Gewinnausschüttung, sondern Teil des Arbeitslohns.
2.2. Telefon-Nutzung
Bezüglich der privaten Telefonnutzung hat der Senat –angesichts der Wohnsituation des
Gesellschafter-Geschäftsführers und der Betriebsgröße der Klägerin- keine Bedenken, der
Schätzung des Beklagten zu folgen.
Die Klägerin hat nach der Aufforderung im Beweisbeschluss vom 14. Februar 2007,
sämtliche Telefonrechnungen für den privaten Anschluss des Geschäftsführers vorzulegen,
vorgetragen (Bl. 74), eine solche Vorlage sei nicht möglich, „
“ worden sei. Ein solches
Vorgehen (Führen betrieblicher Telefonate über Festnetz, Führen privater Telefonate über
pre-paid-Anbieter) erscheint nach der Lebenserfahrung und der Preisgestaltung im
Festnetz- und im Mobilfunkbereich gerade in den Streitjahren ebenso unglaubwürdig wie
eine ausschließlich Nutzung des betrieblichen Telefons für rein betriebliche Zwecke. Nahe
liegender und bis zum Beweis des Gegenteils auch folgerichtiger ist die Annahme, dass das
betriebliche Telefon auch für private Gespräche genutzt worden ist.
Insoweit entspricht die Schätzung eines betrieblichen Anteils von monatlich 40 DM
angesichts der Betriebsgröße der Klägerin den Sachgegebenheiten.
Die vom Beklagten hieraus abgeleiteten umsatzsteuerlichen Konsequenzen sind ebenfalls
zutreffend, da insoweit ein Eigenverbrauch nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 a.F. bzw. § 3 Nr. 9 a
UStG anzunehmen ist.
3.
Körperschaftsteuer 1998 und 1999 ohne Ansatz einer verdeckten Gewinnausschüttung
bzw. eines Eigenverbrauchs hinsichtlich der privaten Nutzung des betrieblichen PKW neu zu
berechnen. Im Übrigen war die Klage als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 FGO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 155 FGO i.V. mit §§ 708 Nr.
10, 711 ZPO.
Die Revision war gemäß § 115 Abs. 1 Nr. 2 FGO unter Hinweis auf die unterschiedliche
Rechtsprechung des I. und VI. Senats zur Wertung einer privaten PKW-Nutzung durch den
Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH zuzulassen.