Urteil des FG Saarland vom 07.12.2004
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FG Saarbrücken Urteil vom 7.12.2004, 1 K 152/04
Steuerbefreiung für pauschal gezahlte Zuschläge für Sonntagsarbeit, Feiertagsarbeit und
Nachtarbeit: Erforderlichkeit der Verrechnung mit der tatsächlich geleisteten Arbeit,
Umfang der Versagung der Steuerfreiheit
Leitsätze
Eine Begünstigung pauschal ausgezahlter Zulagen für Sonntags-, Feiertags- oder
Nachtarbeit kommt nur in Betracht, wenn die Pauschalen bis spätestens zum
Jahresabschluss bei Abschluss des Lohnkontos an Hand der tatsächlich geleisteten
begünstigten Arbeitszeiten abgerechnet werden. Geschieht dies nicht, dann sind die
Zulagezahlungen in vollem Umfang nicht begünstigt.
Tatbestand
Die Kläger sind Eheleute. Sie werden beim Beklagten zusammen zur Einkommensteuer
veranlagt und erzielen als Geschäftsführer der "R D GmbH" - GmbH - Einkünfte aus
nichtselbständiger Arbeit. Der Kläger hat 1990 die gesamten Stammanteile der GmbH
erworben (Bl. 57 f. Dok.). In der Folgezeit haben der Kläger Stammanteile i.H.v. insgesamt
37.500 DM und die Klägerin i.H.v. 12.500 DM gehalten (Bl. 71 Dok.).
In den Streitjahren sind an die Kläger von der GmbH monatlich neben dem Grundlohn
pauschale Zahlungen als Zulagen für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit nach § 3 b
EStG in folgender Höhe geleistet worden:
Kläger
Klägerin
1995 28.178 DM 1.604 DM
1996 26.680 DM 1.704 DM
1997 16.860 DM 1.704 DM
Nach dem Vortrag der Kläger ist die Zahlung der Zulagen in der Weise erfolgt, dass die im
Hinblick auf die Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit geleisteten monatlichen
Pauschalzahlungen jeweils zum Jahresende abgerechnet und die Differenzen mit
Forderungen der RD GmbH gegen die Kläger verrechnet worden seien.
Im April 1998 fand eine Lohnsteueraußenprüfung statt, die die Steuerfreiheit der Zulagen
verneinte, weil es am Nachweis der Voraussetzungen des § 3 b EStG gefehlt habe. Im
Hinblick auf das BMF-Schreiben vom 28. September 1998, BStBl. I 1998, 1194 wandte
der Beklagte hierbei die Rechtsprechung des BFH zur Überstundenvergütung für
Gesellschafter-Geschäftsführer nicht an. Gegen die Änderungsbescheide vom 30. August
1999 erhoben die Kläger Einspruch und sodann Klage (1 K 74/02).
Durch Gerichtsbescheid vom 7. Mai 2002 hat der Senat die Klage aus Rechtsgründen
(keine Bindung des Gerichtes an die Anwendungserlasse der Verwaltung) als unbegründet
abgewiesen und die Revision zugelassen (Bl. 106 ff.). Der BFH hat durch Urteil vom 16.
März 2004 VIII R 33/02 die Entscheidung des Senats aufgehoben und die Sache an das
Finanzgericht des Saarlandes zur Prüfung der Voraussetzungen des § 3 b EStG
zurückverwiesen (Bl. 122 ff.).
Die Kläger beantragen auch im zweiten Rechtszug (Bl. 2, 133),
unter Änderung der Bescheide vom
30. August 1999, alle in Form der
Einspruchsentscheidung vom 5.
Februar 2002, die
Einkommensteuer wie folgt
festzusetzen:
1995: 14.398,00 DM
1996: 46.396,00 DM
1997: 1.012,00 DM
Sämtliche Nachweise seien erbracht und ordnungsgemäß erstellt. Die Auszahlung der
Beträge sei durch Verrechnung mit Forderungen der RD GmbH erfolgt. Die Annahme, die
Aufzeichnungen seien nachträglich erstellt worden, entbehre jeder Grundlage. Die
Aufzeichnungen und Einzelabrechnungen seien während der Lohnsteueraußenprüfung nicht
zur Einsichtnahme angefordert worden, weil das Finanzamt die Steuerfreiheit der Zulagen
bereits aus anderen Gründen verneint habe (Bl. 2 ff.).
Die Zahlung von Überstundenvergütungen sowie auch die Zahlung des Gehaltes der
Klägerin seien für den entsprechenden Zeitraum aufgrund mündlich getroffener
Vereinbarungen erfolgt. Die schriftliche Konkretisierung des mündlichen Arbeitsvertrages sei
erst mit Datum vom 29. Dezember 1999 erfolgt, nachdem die Klägerin aufgrund der
Änderung des Gesellschaftsvertrages Allein-Gesellschafter-Geschäftsführerin geworden sei
(Bl. 139).
Im Jahre 2001 sei bei Durchsicht der Akten festgestellt worden, dass die
Jahresdifferenzbeträge der Jahre 1995, 1996 und 1997 noch nicht dem
Verrechnungskonto "Gesellschafter" gutgeschrieben worden seien. Nach der Feststellung
sei die Verbuchung im Jahre 2001 erfolgt (Bl. 139, 144).
Erfolge weder eine Zahlung des Differenzbetrages noch ein Ausgleich in anderer Form, so
sei höchstens der Differenzbetrag steuerpflichtig, nicht aber die Zulage in voller Höhe (BFH
v. 28. November 1990, BStBl. II 1991, 293; v. 23. Oktober 1992, BStBl. II 1993, 314). Bl.
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Der Beklagte beantragt (Bl. 103),
die Klage als unbegründet
zurückzuweisen.
Zur Begründung nimmt er im Wesentlichen auf seine Einspruchsentscheidung Bezug. Die
Unterlagen seien in der Lohnsteueraußenprüfung trotz Anforderung nicht vorgelegt worden.
Deshalb sei anzunehmen sei, dass die im Einspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen
nachträglich erstellt worden seien. Zudem seien die behaupteten Zahlungsvorgänge nicht
belegt worden (Bl. 103 f.). Die Verrechnung der ausgezahlten Pauschalen mit den
tatsächlich erbrachten Arbeitsstunden sei nicht erfolgt (Bl. 148 f.).
Auf Anforderung des Berichterstatters haben der Beklagte die Akten zur Lohnsteuer und
die Kläger die streitigen Aufzeichnungen im Original vorgelegt (Bl. 130 ff).
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung
verzichtet (Bl. 153, 156)
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die beigezogenen
Akten des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, aber unbegründet.
1. Nach § 3 b Abs. 1 EStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung sind Zuschläge, die
für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit neben dem Grundlohn
gezahlt werden, soweit sie die in Nr. 1 bis 4 der Vorschrift näher bezeichneten Grenzen
nicht übersteigen, steuerfrei.
Nach dem Wortlaut des § 3b EStG tritt die Steuerfreiheit nur ein, wenn Zahlungen "für
tatsächlich geleistete" Arbeit zu den im Gesetz näher bezeichneten begünstigten Zeiten
erfolgen. Es entspricht deshalb der ständigen Rechtsprechung des BFH (vom 25. März
1988 VI R 20/84, BFH/NV 1988, 496; vom 28. November 1990 VI R 90/87, BStBl II 1991,
293 mit Anm. in HFR 1991, 329; vom 23. Oktober 1992 VI R 55/91, BStBl II 1993, 314;
vom 29. März 2000 VI B 399/98, BFH/NV 2000, 1093), dass pauschale Zuschläge mit
festen Monatsbeträgen grundsätzlich nicht steuerfrei sind. Sie sind nur dann begünstigt,
wenn sie nach dem übereinstimmenden Willen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer als
Abschlagszahlungen oder Vorschüsse auf später einzeln abzurechnende Zuschläge für
tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt werden. Diese
Zahlungen sind regelmäßig bis zum Ende des Kalenderjahres vom Arbeitgeber mit
nachgewiesenen Zeiten für derartige Arbeiten zu verrechnen. Zu diesem Zeitpunkt muss
endgültig Klarheit darüber bestehen, ob und inwieweit im Laufe des Kalenderjahres
erbrachte Abschlagszahlungen oder Vorschüsse auf Zuschläge den Vergütungen über
tatsächlich geleistete Sonntags -, Feiertags- oder Nachtarbeit entsprechen. Die
erforderliche Abrechnung kann zu späteren Zeiten nicht mehr nachgeholt werden (BFH-
Urteil vom 28. November 1990 VI R 77/87, BFH/NV 1991, 375). Es genügt nicht, dass die
geleisteten Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeitsstunden lediglich aufgezeichnet, aber
nicht verrechnet werden (BFH vom 18. November 2003 VI B 123/03, BFH/NV 2004, 335).
Die Verrechnung muss spätestens zum jährlichen Abschluss des Lohnkontos erfolgen (BFH
vom 23. Oktober 1992 VI R 55/91, BStBl. II 1993, 314, 316). Pauschal gezahlte
Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit sind nur dann steuerfrei gemäß § 3 b
Abs. 1 EStG, wenn der Arbeitgeber die entsprechenden tatsächlich geleisteten
Arbeitsstunden auflistet und danach zum Jahresende abrechnet und zuviel gezahlte
Pauschalzuschläge nachträglich der Lohnbesteuerung unterwirft (BFH vom 25. März 1988
VI R 20/84, BFH/NV 1988, 496). Unterbleibt eine solche Abrechnung vor Ausstellung der
Lohnsteuerbescheinigung, d.h. regelmäßig am Ende des Kalenderjahres, so geben
Arbeitgeber und Arbeitnehmer dadurch zu erkennen, dass es sich bei den im Kalenderjahr
geleisteten Zuschlägen von vornherein nicht um Abschlags- oder Vorauszahlungen auf im
einzelnen zu ermittelnde Zuschläge für die jeweilige Stunden , sondern um steuerpflichtige
pauschale Zuschläge handelt (BFH vom 28. November 1990 VI R 90/87, BStBl. II 1991,
293, 295 f.).
2. Die vorgenannten Voraussetzungen liegen allein deshalb nicht vor, weil nach dem
eigenen Vortrag der Kläger eine Verrechnung der jährlichen Differenzbeträge nicht
spätestens zum jährlichen Abschluss des Lohnkontos, sondern erst im Jahre 2001 erfolgt
ist. Damit ist die Zahlung der Differenzbeträge nicht zum Jahresabschluss, sondern erst
erheblich später erfolgt. Dem entspricht es, dass auch in den vorgelegten Lohnkonten nur
die pauschal gezahlten steuerfreien Bezüge, nicht aber die jeweiligen Differenzbeträge
erfasst sind. Mit der Rechtsprechung des BFH, die eine eindeutige Klarheit bis zum Ende
des jeweiligen Lohnabrechnungszeitraumes fordert, ist dies nicht vereinbar. Die
einwandfreie und zeitnahe Zahlungsabwicklung ist Voraussetzung dafür, dass die fraglichen
Zahlungen für die steuerbegünstigten Tätigkeiten "neben dem Grundlohn" geleistet worden
sind. Der Rechtsprechung des BFH ist zweifelsfrei zu entnehmen, dass im Falle nicht oder
nicht rechtzeitig abgerechneter Pauschalbeträge nicht nur die Differenzbeträge, sondern
die Pauschalzahlungen in vollem Umfang der Einkommensteuerpflicht unterliegen.
Auf die zusätzlichen Zweifel, die der Beklagte an der Existenz einwandfreier Unterlagen
vorgebracht hat, kommt es nicht an.
3. Die Klage war nach alledem als unbegründet abzuweisen.
Die Kosten des Verfahrens werden - auch für das Verfahren vor dem BFH - den Klägern
gemäß §§ 135 Abs. 1, 143 Abs. 1 FGO - auferlegt.
Zur Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO sah der Senat keine Veranlassung.